28.03.2014 · In der Krim-Krise sieht man: Der Echtzeitjournalismus ist schneller als die Reaktionszeit für einen Atomangriff…
Als am Mittwochabend der deutsche Fernsehmoderator Claus Kleber über den Siemens-Vorstandsvorsitzenden Joe Kaeser wie ein Strafgericht hereinbrach, erlebte der Zuschauer eine Sternstunde der Selbstinszenierung des Journalismus. Unerbittlich nahm Kleber den Mann in die Zange: Kaeser war, lange geplant, nach Moskau gefahren („Was haben Sie sich bei Ihrem Freundschaftsbesuch gedacht?“), er hat nicht nur Putin besucht („Wie lange mussten Sie warten?“), sondern auch den mit Einreiseverbot belegten Eisenbahnchef („Und Sie haben mit dem geredet!“) – und das alles, so Kleber, „als Repräsentant eines Unternehmens, das auch für Deutschland steht“. Nicht viel, und wir hätten in einer der nächsten „heute-journal“-Sendungen den armen Herrn Kaeser in einer Datscha neben Edward Snowden gesehen. Zum Artikel in der FAZ.
Diese Inquisition, die auch in ihrem nur dem Remmidemmi verpflichteten Desinteresse daran, was Kaeser von Putin denn gehört haben könnte, alles in den Schatten stellt, was man an Vaterlandsverratsrhetorik aus dem wirklichen Kalten Krieg kannte, ist überhaupt nur als Symptom journalistischen Übermenschentums diskutierbar und wird dadurch allerdings auch über den peinlichen Anlass hinaus interessant.