Schlagwort-Archive: Mittelstandssqueezing

Neoliberalismus ist heilbar. Die Kritik an der Globalisierung erreicht die westlichen Mittelschichten – kein Wunder. Von Wirtschaftnobelpreisträger Joseph E. Stiglitz

16.08.2016

…Einige wichtige Erkenntnisse bietet Branko Milanovics neues Buch Global Inequality: A New Approach for the Age of Globalization. Es betrachtet die großen Einkommensgewinner und -verlierer der beiden Jahrzehnte zwischen 1988 und 2008. Zu den großen Gewinnern gehörten die globalen 1% – die Plutokraten unserer Welt –, aber auch die Mittelschicht in neuen Schwellenländern. Zu den großen Verlierern – die nur geringe oder gar keine Einkommenszuwächse erzielten – gehörten die Armen und die Mittel- und Arbeiterschicht in den hochentwickelten Ländern. Die Globalisierung ist nicht der einzige Grund hierfür, aber sie ist einer der Gründe….

Dass die Globalisierung die Versprechen der etablierten Politiker nicht erfüllt hat, hat das Vertrauen in das „Establishment“ ganz eindeutig untergraben. Und die Tatsache, dass die Regierungen den Banken, die die Finanzkrise von 2008 verursacht hatten, großzügige Rettungspakete anboten, während sie die Normalbürger weitgehend im Stich ließen, verstärkte die Ansicht, dass dieses Versagen nicht bloß eine Frage wirtschaftlicher Fehlurteile sei….
Stattdessen haben sie eine Politik verfolgt, die die Märkte auf eine Weise umstrukturiert hat, welche die Ungleichheit verstärkt und die Wirtschaftsleistung insgesamt untergraben hat, und als die Spielregeln neu geschrieben wurden, um die Banken und Großunternehmen – die Reichen und Mächtigen – auf Kosten aller übrigen zu begünstigen, verlangsamte sich das Wachstum sogar. Die Arbeiter wurden in ihrer Verhandlungsmacht geschwächt. Zumindest in den USA hielt das Kartellrecht nicht mit der Entwicklung Schritt, und die bestehenden Gesetze wurden nur in unzureichender Weise durchgesetzt. Die Finanzialisierung beschleunigte sich, während sich Unternehmensführung und -kontrolle verschlechterten….

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Rührende Fürsorge von Wolfgang Schäuble: Ältere erhalten immer schwerer Immobilien-Kredite. „Zahlungskräftige ebenfalls ausgeschlossen.“

12. Juli 2016, SZ
„…
Ursache der Entwicklung ist eine EU-Richtlinie über Wohnimmobilienkreditverträge, die das Bundesfinanzministerium schärfer als gefordert in nationales Recht übertragen hat. Die Beamten wollten verhindern, dass deutsche Rentner … einen Kredit aufnehmen und später nicht mehr bedienen können…

Die Kreditverweigerungen sind deshalb so brisant, weil eine große Gruppe der eigentlich zahlungskräftigen Bevölkerung betroffen ist. In der Liste abgelehnter Antragsteller stehen sowohl Arbeitnehmer in sicheren und gut bezahlten Jobs, die älter als Mitte 50 sind und Immobilien als Altersvorsorge erwerben wollen, als auch Pensionäre, die in Eigentum leben und dieses altersgerecht renovieren wollen….  Zum Artikel.

Noch mehr Neoliberalismus ist die falsche Antwort. Von Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Stiglitz.

Veröffentlicht am 11.07.2016
…Obwohl Handelsabkommen eine Rolle bei der Schaffung dieser Ungleichheit spielten, leistete die in Richtung Kapital kippende politische Balance einen wesentlich höheren Beitrag…

Die daraus resultierende wirtschaftliche Unsicherheit für die Arbeitnehmer in Kombination mit Zuwanderung ließ eine giftige Mischung entstehen. Viele Flüchtlinge sind Opfer von Repression und Kriegen, zu deren Entstehung der Westen beitrug….

Das Resultat dieses Abwärtsdrucks auf Löhne und der Kürzungen von öffentlichen Leistungen ist eine Aushöhlung der Mittelschicht, wobei sich auf beiden Seiten des Atlantiks ähnliche Folgen abzeichnen. Haushalte der Mittel- und Arbeiterschicht kamen nicht in den Genuss der Vorteile des Wirtschaftswachstums… Angesichts der Tatsache, dass das (inflationsbereinigte) reale Medianeinkommen eines männlichen Vollzeit-Erwerbstätigen in den USA heute niedriger liegt als vor vierzig Jahren, sollte eine zornige Wählerschaft also keine Überrascung sein…

Außerdem wurden Politiker, die einen Wandel versprachen, den Erwartungen nicht gerecht. Die gewöhnlichen Bürger wussten zwar, dass das System unfair war, doch sie erkannten, dass es noch stärker manipuliert war, als man sich das vorstellte. Dadurch ging auch der letzte Rest an Vertrauen verloren, das man in die Fähigkeiten oder die Bereitschaft von Politikern setzte, dies zu ändern…  Zum Kommentar.

Einkommensverteilung: Die Mitte schwindet.

20.05.2016, klartext 16/2016

Der Anteil der mittleren Einkommen in Deutschland ist seit Jahren rückgängig – die Kluft zwischen Arm und Reich vergrößert sich. Besonders in der Gruppe der 18- bis 30-Jährigen wächst die Zahl der Einkommenschwachen. Die Mitte muss wieder gestärkt werden, fordert der klartext.


Schädliche Entwicklung umkehren
Diese ungleiche Einkommensverteilung gefährdet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern ist auch ökonomisch nicht hinnehmbar. Daher ist es das Gebot der Stunde, diese schädliche Entwicklung umzukehren. Nun ist die Politik gefragt. Steuergeschenke für Reiche gehören abgeschafft. Die Einkommenssteuer muss so gestaltet werden, dass niedrige und mittlere Einkommen entlastet, sehr hohe stärker belastet werden…

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Die Mittelschicht schafft sich ab. Interview mit der Soziologin Cornelia Koppetsch.

10/2015, AUS HEFT 32/2015 POLITIK

»Freiheit ist kapitalistischer Mainstream«
INTERVIEW: GABRIELA HERPELL

Die Mittelschicht schafft sich ab, Bildungsabschlüsse verlieren an Wert, und der Neoliberalismus vereinnahmt selbst diejenigen, die ihn bekämpfen sollten – beste Voraussetzungen, um das ganze Gesellschaftssystem ins Wanken zu bringen, meint die Soziologin Cornelia Koppetsch.  Zum Interview.

Die Mittelschicht in Deutschland unter Druck. Der IAQ-Report.

09/2015

Seit Mitte der 1990er Jahre hat in Deutschland die Einkommensungleichheit stärker als in vielen anderen europäischen Ländern zugenommen. Der Anteil der Haushalte mit einem mittleren Markteinkommen (60 bis 200% des Medianeinkommens) ging um gut acht Prozentpunkte von 56,4% im Jahre 1992 auf 48% im Jahre 2013 zurück.
Der Sozialstaat hat die wachsende Ungleichheit der Markteinkommen nur zum Teil auffangen können. In der Sekundärverteilung, also nach Steuern, Sozialabgaben und Sozialtransfers, schrumpfte der Anteil der Mittelschicht von 83% im Jahre 2000 auf knapp 78% im Jahre 2013. Die oberen Einkommensklassen haben nicht nur mehr Verdiener, sondern auch deutlich längere Arbeitszeiten. Mit wachsendem Einkommen steigt die Zahl der bezahlten Arbeitsstunden aller Haushaltsmitglieder. Die Abstände in der bezahlten Arbeitszeit zwischen den Schichten sind in den letzten 20 Jahren gestiegen und haben die Ungleichheit vergrößert.
Immer weniger Haushalte der Unterschicht und der unteren Mittelschicht können von ihren Erwerbseinkünften leben. Unter ihnen gibt es vermehrt Singlehaushalte und Haushalte mit nur geringer Erwerbstätigkeit, in vielen Branchen haben sie oft nur noch Zugang zu Minijobs und kurzer Teilzeitarbeit.
Wichtigstes Ziel der Beschäftigungs- und Wirtschaftspolitik muss die Verringerung der Ungleichheit bei den Markteinkommen sein, u.a. durch den neuen Mindestlohn, aber auch durch die Verbesserung der Erwerbschancen der Haushaltsmitglieder aus den unteren Einkommensschichten und die Ausweitung ihrer Arbeitszeiten. Die Fehlanreize für Beschäftigte, nur kurz zu arbeiten, und für Unternehmen, nur Minijobs anzubieten, müssen beseitigt werden.
Quelle 1: Gerhard Bosch und Thorsten
Quelle 2: IAQ-Report [PDF – 1.6 MB]

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Nicht Technologie, sondern Politik führte zum Verschwinden von Jobs mit mittleren Einkommen

9. Dezember 2013, von Dean Baker

Nicht zuletzt in den aktuellen Diskussionen um Niedriglöhne und Mindestlöhne taucht bisweilen das Argument auf, dass die zunehmende Lohn-Ungleichheit auf technologischen Wandel zurückzuführen sei. Die Handlungsmöglichkeiten, so wird dann suggeriert, seien angesichts dieser nicht-politischen und kaum beeinflussbaren Ursache begrenzt. Wir veröffentlichen im Folgenden die deutsche Übersetzung eines Artikels, der sich am Beispiel der USA kritisch mit diesem Argument auseinandersetzt und stattdessen überzeugendere Ursachen der zunehmenden Lohn-Ungleichheit aufführt. Zum Artikel.

„Die Mittelklasse schrumpft weiter“. Interview mit Thomas Piketty

06. Juni 2014 Interview Thomas Piketty „Die Mittelklasse schrumpft weiter“ in der FR.

Der Ökonom Thomas Piketty hat mit seinem Buch „Das Kapital im 21. Jahrhundert“ die Reichtumsdebatte neu angefacht. Ein Gespräch über wachsende Ungleichheit, niedrige Leitzinsen und eine progressive Vermögenssteuer. Zum Interview in der FR.