Schlagwort-Archive: Rekowski

Sparen oder Gestalten? Überlegungen zum Umgang mit zukünftigen Pensionsansprüchen

(Zugleich Versuch einer Antwort auf die Ausführungen von Bernd Kehren im Präsesblog der EKiR) von Hans-Jürgen Volk.

Die Leitung der Ev. Kirche im Rheinland sieht die dringende Notwendigkeit, auf Grund zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche die seit spätesten 2011 schon ungewöhnlich intensiv betriebene Kapitalbildung zu verstärken. Daher möchte sie die Kosten für die laufende kirchliche Arbeit zurückfahren. Ob dies eine vorläufige Positionierung ist, wird sich zeigen. Man hat mit dem Sparziel für den Haushalt der Landeskirche von 35% bis 2018 eine strenge Vorgabe gemacht. Ansonsten zeichnet sich tatsächlich ein neuer Leitungsstil ab. Die Absichtserklärung von Rekowski, „man wolle Entscheidungen im Dialog vorbereiten“, bewahrheitet sich bisher. Man geht nicht mit fertigen Konzepten und Strategien in Gespräche, sondern ist offen für Anregungen und Kritik. „Wir fühlen uns wieder ernst genommen!“ – so ein Feedback, das wiederholt zu hören war.

Im Hintergrund steht offenbar die Absicht, einen Umbau der rheinischen Kirche hin zu mehr Flexibilität, mehr Menschennähe und einer geringeren Krisenanfälligkeit zu gestalten – mit den Betroffenen an der kirchlichen Basis. Für sich genommen ist dies bereits ein Alternativkonzept zu den Top-down-Strategien der Vergangenheit. Allerdings glaubt man offenbar ohne den Aufbau von Finanzdruck gegen strukturkonservative Bestrebungen nicht ankommen zu können. In jedem Fall besteht das Ziel, die Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche deutlich zu verbessern – dies allerdings zu Lasten der Beschäftigten der landeskirchlichen Ebene.

Die Gründe für den Sparkurs sind wenig überzeugend

Die bisherigen öffentlichen Verlautbarungen zur Begründung des super-verschärften Sparkurses sind weder ins sich schlüssig noch überzeugend. In chrismon plus rheinland 09.2013 heißt es: „Als Grund für das Einsparen von 20 Mio. Euro wird vorrangig der kontinuierliche Mitgliederrückgang genannt.“ Auf Grund der ungleich verteilten Steuerlast und der Tatsache, dass lediglich etwa eine Drittel der Kirchenmitglieder überhaupt Kirchensteuern zahlen, hat diese Begründung keinen Bezug zur Realität. Empirisch lässt sich ein Zusammenhang zwischen Kirchensteuerentwicklung und Mitgliederentwicklung nicht nachweisen. Auch die Tatsache, dass der landeskirchliche Haushalt nach den Planzahlen für 2013 ein Defizit von 7 Mio. Euro aufweist, kann kein Grund für die drastischen Einschnitte sein. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass es sich durch die positive Kirchensteuerentwicklung in 2013 erheblich reduzieren wird. Belastbar lässt sich eine Finanzsituation zudem erst auf Grund der Jahresergebnisse und nicht der Planzahlen beurteilen. Durch die NKF-Umstellung gibt es allerdings für 2012 noch kein Jahresergebnis. Das heißt: eine klare Analyse der Finanzsituation der Landeskirche ist im Augenblick gar nicht möglich.

Seit 2005 sind die Kirchensteuereinnahmen erheblich gestiegen, nominal um ca. 24%, geht man davon aus, dass der Verteilbetrag 2013 im Ergebnis um, wenn nicht über 600 Mio. Euro liegen wird. Auch inflationsbereinigt ergibt sich real ein deutliches Plus gegenüber 2005 – wobei die Inflationsrate, die im Wesentlichen die Preissteigerung bestimmter Konsumgüter misst, nicht wirklich geeignet ist als Kriterium zur Bestimmung der kirchlichen Finanzkraft. Das tatsächliche Verhältnis von Ausgaben und Einnahmen rechtfertigt also ebenfalls nicht den drastischen Sparkurs.

Was als Begründung übrig bleibt, ist die berechtigte Sorge um die Erfüllung des Rechtsanspruchs bezüglich zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche. Eine Ausfinanzierung, die je nach Zinsentwicklung zwischen 27-34% liegt, ist alarmierend gering- jedenfalls im Vergleich zu der Situation in anderen Landeskirchen (- die EKHN hat eine Quote von über 100%) oder auch zu den Pensionsfonds und Betriebsrentenfonds großer Konzerne. Allerdings liegt die EKiR hier durchaus auf dem gleichen Niveau oder sogar günstiger als die Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz. Insgesamt steht es um die Finanzkraft der EKiR sogar deutlich besser als um die der Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz. Beispiel: Der Landeshaushalt 2013 von Rheinland-Pfalz hat ein Volumen von ca. 13 Mrd. € bei einem Schuldendienst von ca. 1 Mrd. €. Seinem Pensionsfond führt Rheinland-Pfalz 2013 etwas über 600 Mio. € zu.

Versorgungskasse: Missmanagement am Anfang vergrößert das Problem

Die rheinische Situation ist bis heute bestimmt durch Fehler der Kirchenleitungen in den 90-er Jahren – Missmanagement. Vereinfacht ausgedrückt war der Kapitalzufluss an die Versorgungskasse an bestehende Stellen geknüpft. Da bereits damals kräftig Pfarrstellen abgebaut wurden, reduzierten sich die Zuflüsse – offenkundig unbemerkt von den damals Verantwortlichen. Zugleich wurden die Beiträge zur Versorgungssicherung abgesenkt – durchaus in dem Bewusstsein, über außerordentlich hohe Rücklagenmittel zu verfügen und schon alleine deshalb zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Vor etwa 10 Jahren wuchs das Problembewusstsein, hervorgerufen durch die Steuerreform der damaligen rot-grünen Bundesregierung, die hohe Arbeitslosigkeit und eine insgesamt schwierige wirtschaftliche Lage. Man erzählt sich von schlaflosen Nächten angesichts zukünftiger Versorgungsansprüche und sinkender Kirchensteuereinnahmen. Schrittweise war man bemüht, dem Problem Herr zu werden und das nachzuholen, was in anderen Landeskirchen bereits auf den Weg gebracht worden war. Hierzu gehörte z.B. das Einholen versicherungsmathematischer Gutachten, die es in der rheinischen Kirche erst seit wenigen Jahren gibt. Außerdem erhöhte man den Kapitalzufluss erheblich und führte eine Versorgungsicherungsumlage ein. Zunächst war eine schrittweise Erhöhung des Kapitalzuflusses an die Versorgungskasse geplant, bis nach etlichen Jahren 20% des Netto-Kirchensteueraufkommens zur Versorgungssicherung verwendet werden sollten. Allerdings entwickelte sich das Kirchensteueraufkommen seit 2005 unerwartet positiv, was man jedoch als vorrübergehendes Phänomen ansah. Die durch die vorangehenden Einbrüche und durch ungünstige Langfristprognosen auf Sparen eingestimmte Kirche sollte nun dazu gebracht werden, den Mittelzuwachs in erheblich größerem Ausmaß als ursprünglich geplant zur Versorgungssicherung zu verwenden – und sogar noch ein wenig mehr. 2010 lag die Versorgungssicherungsumlage bei durchaus beachtlichen 11,56 € pro Gemeindeglied. Für das Haushaltsjahr 2011 verdoppelte sich dieser Betrag nahezu auf 20,70 €. Die Versorgungssicherungsumlage lag damit zum ersten Mal über der landeskirchlichen Umlage in Höhe von 20,29 €. Für 2013 liegt die Versorgungssicherungsumlage übrigens bei 22,04 €, die landeskirchliche Umlage hat eine Höhe von 21,11 € in der Planung. Aktuell verwendet die Ev. Kirche im Rheinland 22% ihres Netto-Kirchensteueraufkommens zur Versorgungssicherung. Hinzu kommen demnächst bis zu 3% des Aufkommens zur Absicherung zukünftiger Beihilfen.

Es ist also nicht korrekt, wenn so getan wird, als hätte die rheinische Kirche bisher keine Vorsorge betrieben. Missmanagement am Anfang hat die Herausforderung erheblich vergrößert. Es ist ein Verdienst von Georg Immel, dass dem Problem der Versorgungslasten die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Nun wurde allerdings versucht, in allzu drastischen Schritten Versäumtes nachzuholen. Es ist nie Kennzeichen guter Leitung, wenn Rahmenbedingungen, zumal finanzielle, sprunghaft verändert werden – und dies geschah ab dem Jahr 2011. Die viel beklagte Stellenerosion gerade auf Gemeinde- und Kirchenkreisebene hat ihre Ursache nicht zuletzt in diesem sprunghaften Leitungshandeln.

Bisher wird der Eindruck erweckt, der angekündigte drastische Sparkurs betreffe vor allem die landeskirchliche Ebene. Da sich jedoch immer deutlicher zeigt, dass die Sorge um zukünftige Versorgungs- und Beihilfeansprüche Auslöser des jüngsten Finanzalarmismus sind, sind Gemeinden und Kirchenkreise, je nach örtlicher Finanzlage, unter Umständen noch stärker betroffen. Johann Weusmann argumentiert in seinem Blog-Eintrag vom 18.07. 2013 im Präsesblog: „Um zu einer 70-prozentigen Ausfinanzierung z.B. bei der Versorgung zu kommen, sind auf landeskirchlicher Ebene ca. 100 – 140 Mio. € zusätzlich notwendig, bei einer 100-prozentigen Ausfinanzierung sogar nahezu das Doppelte. Die Beihilfe wird ebenfalls mit steigenden Beiträgen abzusichern sein.“ Wie ist das zu verstehen? Als Problemanzeige? Oder als Aufforderung, die Zuführungen an die Versorgungskasse nach der drastischen Steigerung von 2011 noch einmal zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen? Falsch wäre in jedem Fall eine erneute abrupte Veränderung der finanziellen Rahmenbedingungen zu Lasten der laufenden Arbeit. Genau dies droht auf der Ebene der Landeskirche.

Eine Kirche lebt von ihrer Substanz

Der Kollege Bernd Kehren schreibt in seinem Blog-Eintrag vom 09.08. 2013: „Zu viele haben noch nicht begriffen, wie ernst die Lage für die Kirchen ist und wie sehr sie sich gerade zuspitzt.“ Hierin ist ihm uneingeschränkt zuzustimmen. Gewiss, es gibt in der rheinischen Kirche immer noch zahlreiche Gemeinden mit hoher Ausstrahlungskraft und viele Einzelpersonen, die eine beeindruckende Arbeit leisten. Trotzdem verliert die Ev. Kirche im Rheinland bei vielen ihrer Mitglieder erkennbar an Bindungskraft. Manches ist auf allgemeine Prozesse der Säkularsierung und Individualisierung zurückzuführen, manches aber auch hausgemacht und Folge des missglückten Reformprozesses der letzten Jahre. Beispiele:

  • Presbyteriumswahlen: Die geringe Wahlbeteiligung sowie die Tatsache, dass in mehr der Hälfte aller Stimmbezirke mangels ausreichender Wahlvorschläge keine Wahl zu Stande kam, sind Alarmsignale. Offenbar sind immer weniger Menschen bereit, dieses wichtige Ehrenamt in unserer Kirche zu übernehmen.

  • Es gibt Kirchenkreise, in denen sich die Teilnahme am Gottesdienst in den vergangenen 10 Jahren glatt halbiert hat. Hintergrund dieser Entwicklung sind Umstrukturierungen wie Gemeindefusionen, Streichungen von Pfarrstellen und Aufgabe von Predigtstellen, von denen strukturschwache Regionen besonders stark betroffen sind.

  • Mit jeder aufgegebenen Stelle dort, wo Arbeit mit Menschen stattfindet, reduzieren sich die personalen Kontakte, die z.B. die Grundlage für die Gewinnung von Ehrenamtlichen bilden. Wir müssten als Kirche in die Arbeit mit jungen Menschen investieren, um gute Katechumenen- und Konfirmandenarbeit, einen ansprechenden Kindergottesdienst oder eine einladende Jugendarbeit zu gewährleisten. Faktisch findet das genaue Gegenteil statt.

  • Spektakulär waren die Szenen am Mainzer Hauptbahnhof im Sommer, der tagelang in seiner Funktionalität massiv beeinträchtigt war auf Grund des in der Vergangenheit allzu massiv betriebenen Personalabbaus der DB. Weniger spektakulär ist es, wenn in der Urlaubszeit Menschen händeringend nach einem Pfarrer oder einer Pfarrerin suchen müssen, weil der eigene Pfarrer verreist und die Vertretung erkrankt ist. Fälle wie diese häufen sich und sind extrem schädlich für unsere Kirche. An manchen Stellen ist sie in ihrer Funktionalität schon jetzt erheblich beeinträchtigt: in etlichen Verwaltungen auf Grund des Aufgabenzuwachses sowie im Pfarrdienst auf Grund des Stellenabbaus.

Bernd Kehren hat mit seiner Analyse recht, dass sich die Lage zuspitzt. Dies betrifft weniger Kirchenkreise in wirtschaftlich prosperierenden Regionen, allerdings umso härter Kirchenkreise und Gemeinden in den strukturschwachen Gebieten. Kehren liegt falsch, wenn er meint, bei einem verschärften Sparkurs dieser Tendenz entgegenwirken zu können.

Die ev. Kirche im Rheinland lebt im Moment von ihrer Substanz was die Verbundenheit und Identifikation der Menschen mit ihr betrifft. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass diese Substanz sich gefährlich reduziert und damit über kurz oder lang auch die finanzielle Basis der Kirche beeinträchtigt wird. Wenn ich dies erkenne und zugleich das in der Tat fordernde Problem zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche von emeritierten Pfarrern und Kirchenbeamte wahrnehme, muss ich entscheidenden, welche Herausforderung für unsere Kirche die größere Relevanz besitzt und mein Handeln entsprechend dieser Abwägung ausrichten. Der Eindruck drängt sich auf, dass allzu Viele das Problem der Versorgungsansprüche für gravierender halten, als die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Wirkungsbereich unserer Kirche.

Risiken nicht verdrängen

Wichtiger als das Ziel, zukünftigen Versorgungs- und Beihilfeansprüchen gerecht zu werden, sind die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen. Dies vorab, denn wer Menschen dauerhaft frustriert und verärgert, begegnet zwar auf eigene Weise dem Problem der Indifferenz, tut damit aber weder den Menschen noch unserer Kirche etwas Gutes. Das Problem zukünftig zu zahlender Pensionen ist zwar gravierend, es ist allerdings bei weitem nicht die größte Herausforderung, vor der die Ev. Kirche im Rheinland steht.

Eine Problemanzeige: Seit langem haben sich die EKD-Landeskirchen dafür entschieden, zukünftige Versorgungsansprüche nach dem Kapitaldeckungsverfahren abzusichern. Dies ist alles andere als risikolos. Nur wenige wissen, dass die von Bismarck eingeführte Rentenversicherung ursprünglich auf der Grundlage des Kapitaldeckungsverfahrens funktionieren sollte. Auf Grund von Turbulenzen an den Finanzmärkten, die nicht nur Ende der 20-er Jahre die damalige Weltwirtschaftskrise auslöste sondern die es Bereits im 19. Jahrhundert gab, zweier Inflationen und zweier Weltkriege kam dies jedoch nie wirklich zum Tragen. Das eingesetzte Kapital ging bis auf Restbestände verloren. Das System der Kapitaldeckung wurde daher unter Adenauer 1957 zu einem Umlageverfahren umgebaut – eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Vergangenheit.

Unter neoliberalem Vorzeichen wurden die Finanzmärkte dereguliert und erfreute sich auch das Kapitaldeckungsverfahren wieder wachsender Beliebtheit. Es sind allerdings die marktradikalen Umbauten der Ökonomie, die angelegtes Kapital gefährden und in den vergangenen Jahren durch regelmäßig auftretende Finanzmarkturbulenzen immer wieder reduziert haben. Dennoch hat sich insgesamt das angelegte Kapital bis heute nahezu exponentiell vermehrt und in immer weniger Händen konzentriert – trotz der massiven Verluste einzelner Anleger. Es macht ein Mehrfaches des gesamten Weltbruttosozialprodukts aus, was für sich genommen schon beunruhigend genug sein dürfte. Die Kehrseite der Kaptalanlagen sind Schulden, die in immer geringerem Umfang bedient werden können. Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann weist in ihrem Beitrag „Die vierte Blase“ daraufhin, dass den Wertsteigerungen an den Finanzmärkten keine adäquate Entwicklung in der Realwirtschaft gegenübersteht. „Um 8,1 Prozent ist das globale Geldvermögen im vergangenen Jahr gewachsen, so hat es der Allianz-Finanzkonzern errechnet.“ „Es bleibt … die Frage, wie echt‘ dieser Reichtum ist. Denn in der realen Welt hat sich ja nicht viel verändert: Die globale Güterproduktion hat 2012 nur um etwa 3 Prozent zugelegt. Es ist daher ein Alarmzeichen und keine gute Nachricht, dass das nominale Geldvermögen trotzdem so stark steigen konnte.“ Herrmann sieht die Gefahr einer Blasenbildung und hat vor allem die Aktien- und Immobilienmärkte im Blick. Herrmann ist nur eine Stimme unter vielen, die ähnlich wie vor der Immobilienkrise in den USA 2007/2008 vor der herannahenden Unwetterfront warnen. Auch damals unterstützten neoliberale Akteure wie z.B. der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann schon aus Eigeninteresse den festen Glauben, die internationale Finanzwelt sei völlig im Lot.

Sie war es damals ebenso wenig, wie sie es heute ist. Die US-Notenbank Fed hat kürzlich der Schneid verlassen, von der Niedrigzinspolitik zur Normalität zurückzukehren. Ähnliches gilt für die Europäische Zentralbank. Der Markt wird von billigem Geld überschwemmt, das nach Anlagen sucht. In geringem Umfang fließt es in Investitionen, der Löwenanteil heizt den Handel mit spekulativen Finanzanlagen an – und vermehrt so den fiktiven Reichtum, der immer weniger reale Werte repräsentiert. Diesem Dilemma sind auch Pensionsfonds und kirchliche Versorgungskassen unterworfen. Mögen sie auch noch so sehr mit Nachhaltigkeitsfiltern arbeiten und auf konservative Anlagen setzen, ihr Kapital ist Teil des Blasenkonstrukts und damit in seinem Bestand gefährdet. Die EKiR hat sich also einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um die Kapitalbildung zugunsten zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche zu verstärken. Es ist so ähnlich, als würde man beim dem Aufziehen der Gewitterfront noch schnell die Wäsche zum Trocknen aufhängen in der fahrlässigen Hoffnung, es werde schon irgendwie gut gehen.

Kapital muss angelegt werden, und da kann man leicht danebengreifen. So musste der Pensionsfonds von NRW mindestens 220 Mio. € abschreiben, da man 2004 in griechische Staatsanleihen investiert hatte – vgl. den DLF-Bericht vom 20.10. 2011. Auch Pensionsfonds anderer Bundesländer haben einst in griechische spanische oder italienische Staatsanleihen investiert. Hierbei muss man wissen, dass Staatsanleihen aus dem Euro-Raum vor Jahr und Tag noch als akzeptable Anlagen galten.

Was man tun kann

Die Herausforderung ist, verantwortungsbewusst und realitätsnah mit der jetzigen Situation umzugehen. Dabei gibt es für die rheinische Kirche keinen Königsweg, der sich aufdrängen würde. Allgemeine Feststellungen, dass ein Umlageverfahren allemal krisenfester ist als Kapitaldeckungsverfahren, von dem vor allem Banken und andere Akteure der Finanzindustrie profitieren, helfen nicht viel. Für eine Kirche gilt allerdings noch mehr als für andere Sozialsysteme, dass sie in ihrer äußeren Gestalt nicht von Kapital, sondern von Menschen getragen wird, die ihr Engagement und Geld zur Verfügung stellen.

Wichtiger als finanzielle Ressourcen sind Menschen, die sich mit ihrer Kirche identifizieren. Nur eine vitale Kirche kann Herausforderungen meistern.

Ankerpunkt aller Reform-, Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen müssen die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Verantwortungsbereich der Kirche sein. Wer diese gering wertet oder gar ignoriert und das strategische Handeln der Kirche vorrangig an Finanzgrößen ausrichtet, gefährdet nicht nur die finanzielle Basis der Kirche.

Eine Kirche, die mit ihrer Verkündigung, ihrer Seelsorge, ihrer Diakonie und ihren übrigen Diensten wirksam für die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich da sein will, braucht hierzu eine engagierte und motivierte Mitarbeiterschaft. Grundvoraussetzung hierfür ist ein fairer und sozial verträglicher Umgang mit den Beschäftigten. Wer ohne eine akute Notlage, die keine anderen Optionen offen lässt, Beschäftigten trotz guter Arbeit mit Kündigung droht, beschädigt nicht nur Menschen, sondern in nachhaltiger Weise die Kirche selbst.

Wir müssen anders Kirche sein! – darin ist Präses Rekowski in seiner Videobotschaft vom 27.09. 2013 zuzustimmen. Da sich die Lebensverhältnisse der Menschen tendenziell dynamischer verändern, muss eine Kirche auch in ihren Strukturen flexibler und den Menschen zugewandter werden. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob dieser Umbau erreicht werden kann, wenn einmal mehr die Finanzfrage im Vordergrund steht. Sparen durch Stellenabbau ist das Gegenteil von Gestalten! Es ist schon beeindruckend wie es an sich honorige Theologen und theologisch beschlagene Juristen nicht nur in der EKiR seit Jahren hinbekommen, die Zukunft als düstere Drohkulisse zu entwerfen, deren Misslichkeiten bereits heute zu schmerzhaften Einschnitten nötigen sollen.

Mit etwas Kreativität kann man auch ohne Drohbotschaft an die Menschen und die Beschäftigten der Kirche den immer noch bedenklich niedrigen Ausfinanzierungsgrad zukünftiger Versorgungsansprüche verbessern.

  1. Landeskirche, Kirchenkreise und Gemeinde haben jenseits der Versorgungskasse Dortmund Kapital in beträchtlichem Ausmaß als Rücklagen angelegt. Alleine auf der Ebene der Landeskirche erbrachte dieses Kapital trotz der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase Erträge von durchschnittlich 7-8 Mio. Euro. Die Ausfinanzierung könnte deutlich verbessert werden, wenn man ein Teil dieses Kapitals in zuträglichem Umfang zur Absicherung zukünftiger Versorgungsansprüche einsetzt. Für die Ebene der Landeskirche dürfte dies noch am unproblematischsten umzusetzen sein. Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass Rücklagen auch in Zukunft ihre Funktion erfüllen können. Im Zusammenhang mit der bbz-Affäre ist dies nicht geschehen, da man die Ausgleichsrücklage für den landeskirchlichen Haushalt durch die Entnahme von über 20 Mio. Euro derart geschwächt hat, dass dieser Tatbestand heute als Begründung für den drastischen Sparkurs mit angeführt wird.

Die Finanzsituation von Kirchenkreisen und Gemeinden stellt sich höchst unterschiedlich dar. Aus diesem Grund ist eine Beteiligung nur nach dem strikten Prinzip der Freiwilligkeit möglich. Zuvor gilt es allerdings, wichtige Fragen zu klären, die bisher – jedenfalls im öffentlichen Diskurs – nicht beantwortet worden sind. Friedhelm Schneider hat angesichts des ca. 30 Mrd. Euro umfassenden Kapitalvermögens der Ev. Landeskirchen und der EKD folgende Fragen gestellt und Anmerkungen gemacht:

– wie hat sich die Wertentwicklung der Finanzanlagen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

– wie stellt sich das Risiko-Gewinn-Verhältnis der Anlagen dar?

– welche Wertverluste sind zu beklagen? wer ist dafür verantwortlich?

– in welchem Prozentanteil können die Anlagen als ethisch korrekt bezeichnet werden.

Diese und weitere Fragen sollten unabhängige (!) Wirtschaftsprüfer in allen Landeskirchen und der EKD ermitteln. Nur wenn in diesen Fragen völlige Transparenz herrscht ist Kontrolle möglich und kann Vertrauen wieder hergestellt werden.“ Nach dem bbz-Finanzskandal gilt dies für die Ev. Kirche im Rheinland umso mehr. Es kann nicht sein, dass derart strikte Sparmaßnahmen beschlossen werden und wesentliche Fakten im Nebel bleiben.

  1. Man hat den Eindruck, dass kirchliche Immobilien im Moment vorrangig unter dem Gesichtspunkt finanzieller Belastung wahrgenommen werden und dass es aus diesem Grund sinnvoll sei, sich von Immobilien zu trennen. Tatsächlich sind Immobilien aber auch werthaltige Objekte, die dazu dienen können, zukünftige Belastungen aus Versorgungsansprüchen abzudecken. Die rheinische NKF-Variante führt dazu, dass kirchliche Körperschaften sich von Immobilien trennen und diese teilweise deutlich unter Marktwert abstoßen. Wo Privatpersonen und kommerzielle Investoren auf Grund der unsicheren Finanzmarktlage Kapital in Immobilien anlegen, geschieht in der rheinischen Kirche das Gegenteil. Geboten ist ein kompetentes Immobilienmanagement, dass sich unter Einbeziehung kirchennaher Unternehmen realisieren lassen müsste.

  2. Bereits jetzt gibt es vielerorts in der Ev. Kirche im Rheinland Pfarrstellen, die sich kaum bzw. erst nach einer längeren Vakanzzeit besetzten lassen. In Kürze wird sich dieses Problem drastisch verschärfen, wenn nämlich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Daher ist es sinnvoll, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Pfarrerinnen und Pfarrer auch über die jetzige Altersgrenze hinaus auf freiwilliger Basis weiter im Dienst bleiben können. Dies könnte ebenfalls zu einer Entlastung im Blick auf zukünftige Versorgungsansprüche führen.

Alle 3 Vorschläge haben ihre Schwierigkeiten. Es geht tatsächlich um die Einsicht und den politischen Willen, die Ausfinanzierung bei der Versorgung zu verbessern, ohne in noch größerem Umfang die heute geleistete Arbeit durch Einsparungen weiter zu schwächen.

Was man tun muss: Die Menschen wieder in den Blick nehmen!

Das durch die Kirchenleitung vorgegebene Sparziel ist in den Sand geschrieben. Es hat kein solides, durch Fakten gedecktes Fundament. Wie kann man von einem strukturellen Defizit im landeskirchlichen Haushalt reden ohne die Vorlage Jahresabschlüsse von 2012 und 2013? Die Planungsvorgaben der Finanzabteilung sind für sich genommen bereits ein Politikum, da sie seit Jahren auf fast berechenbare Weise bis auf ganz wenige Ausnahmen deutlich unter den tatsächlichen Ergebnissen liegen. Für das Haushaltsjahr 2014 ergibt sich erneut folgender Effekt: man weiß eigentlich, dass der Verteilbetrag für das Haushaltsjahr 2013 auch bei vorsichtiger Schätzung an die 600 Mio. Euro liegen wird und plant dennoch für 2014 mit einem Betrag von 585 Mio. Euro, immerhin ca. 10 Mio. Euro über den Planzahlen von 2013. Faktisch geht man also von einem sinkenden Kirchensteueraufkommen aus, obwohl alle heute bekannten Fakten das Gegenteil signalisieren. Mit haushalterischer Vorsicht ist dies kaum noch zu erklären. Wer so agiert, setzt sich dem Verdacht aus, aus kirchenpolitischen Gründen die Finanzsituation der rheinischen Kirche dramatischer darzustellen, als sie es tatsächlich ist.

Was auf den Prüfstand gehört, sind kostenträchtige „Reform“-Projekte, die einst eingeführt wurden mit der trügerischen Verheißung, hierdurch zu Einsparungen zu gelangen. Bei NKF ist es keine Befürchtung mehr, sondern bittere Tatsache, dass Verwaltungen personell verstärkt werden müssen, um überhaupt ihre Funktionalität zu gewährleisten. Bei der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform zeichnet sich ein ähnlicher Effekt ab. Ein Leitungshandeln, dass in einer finanziell durchaus angespannten Situation dazu führt, dass neue Stellen in Verwaltungen geschaffen werden müssen und damit umso mehr Stellen für die Arbeit mit Menschen wegfallen, hat versagt. Wer von Einsparungen redet, sollte zunächst den Mut aufbringen, derartige Fehlentwicklung konsequent zu korrigieren.

Das Leitungshandeln der Vergangenheit war geprägt von einer auch theologisch höchst problematischen Zahlenfixiertheit und einer ebenso problematischen Orientierung an Finanzgrößen. Nebenbei ließ man auf sträfliche Weise die Frage nach den personellen und finanziellen Ressourcen, die bei der Umsetzung z.B. von NKF tatsächlich anfallen, außer acht.

Es muss darum gehen, die Menschen mit ihren Stärken und Schwächen wieder in den Blick zu nehmen und ihnen etwas zuzutrauen. Gefragt ist Weisheit statt kalkulatorischer Kälte, Solidarität statt betriebswirtschaftlich untermauertem Unternehmensegoismus.

Rekowski, Weusmann und Baucks sind gewiss aus unterschiedlichen Motiven im Januar 2013 in ihre Ämter gewählt worden. Es war dennoch ein starkes Signal für den verbreiteten Wunsch nach Veränderung. Es gab die Hoffnung, dass die „Neuen“ zu einem realitätsnäheren, transparenteren und partizipatorischeren Leitungsstil finden würden, was sich in Teilen bestätigt hat. Mit der Person Manfred Rekowski verband sich die Erwartung, dass es zu deutlichen Korrekturen bei Fehlentwicklungen der „Reform“-Projekte kommen würde.

Stattdessen stehen gleich zu Beginn brachiale Sparvorgaben, denen eine plausible Begründung fehlt. Realitätsnähe: Die fehlt, wenn man EKD-Zahlen schlicht als „objektive“ Tatbestände akzeptiert. Transparenz: gewiss, man legt die Karten auf den Tisch, aber eben nur zum Teil. Im Blick auf die Versorgungskasse Dortmund gibt es nur spärliche Informationen, die unzureichend sind. Partizipation: Der Eindruck drängt sich auf, dass diese dann erwünscht ist, wenn man die Sparvorgaben akzeptiert. Dies wäre allerdings keine echte Partizipation.

Unterentwickelt ist das Problembewusstsein, welche Effekte mit den Sparvorgaben ausgelöst werden. Die Großteil auch der auf landeskirchlicher Ebene Beschäftigten dürfte eher über als unter 50 Jahre liegen. Großartige Menschen sind darunter, die teilweise seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit leisten. Diesen Menschen mit betriebsbedingten Kündigungen zu drohen, ist ein Missgriff, der auch dadurch nicht behoben wird, wenn man die Erklärung nachschiebt, dass man das Mögliche tun wird, um solche zu vermeiden. Zudem werden wir in nahezu allen Berufsgruppen in Bälde Probleme haben, vorhandene Stellen qualifiziert zu besetzen. Der „Paukenschlag“ des Sparprogramms ist ein Beitrag der Kirchenleitung, junge Menschen zu demotivieren, in der Ev. Kirche im Rheinland einen möglichen Arbeitgeber zu sehen. Er steigert die eh schon auf problematische Weise vorhandene Unattraktivität kirchlicher Berufe.

Es wäre schön, eine Kirchenleitung zu erleben, die von den Akteuren in den Kirchenkreisen, Einrichtungen und Gemeinden als hilfreich und unterstützend wahrgenommen wird. Rekowski und andere werden nach ihrer Amtszeit einmal daran gemessen werden, ob es ihnen gelungen ist, Gemeinden und Kirchenkreise zu vitalisieren und den Menschen im Wirkungsbereich der Kirche Halt und Hoffnung zu geben.

Gemeinde wehrt sich gegen Sparpläne der EKiR

Letzte Woche haben wir über den Brandbrief Rekowskis berichtet. Trotz hoher Kirchensteuereinnahmen plant er bis 2018 35% im Haushalt der EkiR zu sparen.

Die Gemeinde Holten-Sterkrade wehrt sich gegen die Einsparziele. Alleine aus dem Rückgang von Mitgliedern lässt sich nicht pauschal auf einen Rückgang der Kirchensteuereinnahmen schließen.

Der Autor Andreas Reinhold vermutet andere Ursprünge der Sparziele. Die Verwaltung hat in der jüngeren Vergangenheit mit dem bbz-Skandal, der Umstellung der Finanzverwaltung und dem Ausbau der Verwaltungsstrukturen Ausgaben erzeugt, die nun die Gemeinden vor Ort ausbaden sollen.

2013 nimmt die EKiR so viel Kirchensteuern ein, wie lange nicht mehr. Ein Grund 35% des Haushalts sparen zu wollen.

Ein Paukenschlag –

Rheinische Kirche kündigt verschärften Sparkurs an

Trotz gestiegener Einnahmen:

betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen!

Von Hans-Jürgen Volk

Wenn Unternehmen trotz hoher Gewinne Arbeitsplätze abbauen, gab es dazu in der Vergangenheit berechtigterweise kritische Stellungnahmen von exponierten Vertretern der Ev. Kirche wie dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. Nun kündigt die Ev. Kirche im Rheinland einen drastisch verschärften Sparkurs an – trotz einer Steigerung des Nettokirchensteueraufkommens von etwa 24% seit 2005.

Die nachfolgende Übersicht dokumentiert, dass die Einnahmesituation der rheinischen Kirche seit 2005, abgesehen von einem moderaten Rückgang, der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 ausgelöst wurde, sich seit nunmehr 8 Jahren stabil in eine positive Richtung entwickelt hat:

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Nettokirchen-steuer-Aufkommen (Verteilbetrag)

in Euro

492 Mio.

499 Mio.

562 Mio.

599 Mio.

584,8 Mio.

560,00 Mio.

570,00 Mio.

594 Mio.

Über 600 Mio.

Schätzung

Im gleichen Zeitraum wurden bereits durch massiven Stellenabbau und durch die Schließung landeskirchlicher Einrichtungen Kosten reduziert. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung der kirchlich Beschäftigten bewegt sich in einem äußerst bescheidenen Rahmen. Sie liegt in langjährigem Mittel deutlich unterhalb der Inflationsrate. Bisher waren trotz dieser Sachverhalte auf der Ebene der Landeskirche bis 2023 Einsparungen um 15% vorgesehen Nun sollen diese Vorgaben bis 2015 umgesetzt werden und bis 2018 Kostenreduzierungen im Haushalt der Landeskirche um brutale 35% erfolgen.

Positiv: ein neuer Stil – Einstieg zu einem ergebnisoffenen Diskurs?

Anerkennenswert ist, dass die neue Kirchenleitung den neuen Sachverhalt offen kommuniziert hat – z.B. durch eine Pressemitteilung sowie durch eine Videobotschaft von Präses Rekowski. Einen neuen Stil signalisiert die Veröffentlichung eines Schreibens an die Mitglieder der Landessynode, VerantwortungsträgerInnen in landeskirchlichen Ausschüssen, Werken und Einrichtung sowie die Superintendentinnen und Superintendenten.

Entscheidend ist nun, ob die löbliche Transparenz und die deutlich signalisierte Bereitschaft zur offenen Diskussion und ehrlichen Partizipation tatsächlich einen umfassend ergebnisoffenen Diskurs eröffnet. Dieser müsste bereits bei der Frage ansetzen, ob die anvisierten Sparmaßnahmen angesichts der positiven Einnahmeentwicklung gerechtfertigt sind. Denkt man an die Regionalkonferenzen des Jahres 2011, in dem die Themen Personalplanung und Verwaltungsstrukturreform im Mittelpunkt standen, so waren damals Detailveränderungen möglich, die wesentlichen Grundentscheidungen standen aber nicht zur Disposition – Scheinpartizipation. Was Matthias Burchardt in seinem Beitrag „Liebesgrüße aus Gütersloh“ zur gesellschaftlichen Rolle der Bertelsmannstiftung schreibt, lässt sich gut auf die von oben gelenkten kirchlichen Diskurse übertragen: „Die Zuspitzung auf Problemlösungen und Ergebnisorientierung funktionalisiert die Demokratie als nachgelagertes Potential flexibler Bewältigungsreaktionen auf externe Sachzwänge. Eine offensive Gestaltung oder Veränderung der Verhältnisse, aus denen die vermeintlichen Sachzwänge erwachsen, ist nicht vorgesehen.“ Ersetzt man den Begriff „Demokratie“ durch „presbyterial-synodale Ordnung“, so erhält man eine treffende Beschreibung kirchenleitender Top-Down-Strategien. Rekowski wie Weusmann haben mit ihren Bewerbungsreden vor der Landessynode im Januar 2013, die diese schließlich in die beiden wichtigsten Ämter der rheinischen Kirche wählte, mit unterschiedlicher Intensität andere Akzente gesetzt. Insofern kann man noch hoffen, dass es einen breiten und ergebnisoffenen Diskurs geben wird.

Auf der anderen Seite ist es derart unfassbar, wie insbesondere mit den Beschäftigten der Kirche umgegangen wird – Einsparungen um 35% bis 2018 bei gleichzeitiger Steigerung des Netto-Kirchensteueraufkommens zwischen 2005 und 2013 um ca. 24% -, dass man vermutlich auf die angeblichen „Sachzwänge“ im Zusammenhang mit zukünftigen Versorgungs- und Beihilfeansprüchen verweist und die vorgegebenen Sparziele als „alternativlos“ darstellt. Wir werden sehen!

Zukunftssicherung durch Kapital – zu Lasten der Beschäftigten

Bereits mit den „Sparankündigungen“ suspendiert sich die Ev. Kirche im Rheinland von den eigenen sozialethischen Standards bzw. setzt sie für den internen Gebrauch außer Kraft. Was ist der Hintergrund?

Der angesprochene Brief der Kirchenleitung beginnt mit dem Satz: „Wie können wir auch in Zukunft unsere Leitvorstellung „missionarisch Volkskirche sein“ verwirklichen, wenn unsere Mitgliederzahl seit 1970 um fast ein Drittel gesunken ist und weiter kontinuierlich sinkt und unsere Finanzkraft nicht zuletzt dadurch nachhaltig geringer wird?“ Offenbar verbirgt sich hinter diesem Einstieg, der einmal mehr den irreführenden Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und Finanzkraft herstellt, die Erkenntnis, dass man ohne diese Übung die angekündigten Sparmaßnahmen weder intern noch nach außen vermitteln könnte. Dennoch ist er eine Irreführung, wie der Blick auf die folgenden Zahlen verdeutlicht:

1970

1977

1987

1990

2000

2007

2013

Gemeindeglieder in Mio.

3,856

3,604

3,318

3,269

3,113

2,92

2,74

Nettokirchensteuer-

Aufkommen in Euro

200 Mio.

350 Mio.

440 Mio.

580 Mio.

551 Mio.

562 Mio.

Ca. 600 Mio.

Richtig ist also: seit 1970 hat die Ev. Kirche im Rheinland etwa 1/3 ihrer Mitglieder verloren. Das ist außerordentlich betrüblich. Gleichzeitig hat sich das Netto-Kirchensteueraufkommen verdreifacht. Wenn man also einen Zusammenhang zwischen Mitglieder- und Kirchensteuerentwicklung empirisch feststellen will, müsste man eine Kirchenaustrittsbewegung initiieren, um die kirchlichen Einnahmen zu beflügeln. Dies ist natürlich genauso großer Mumpitz wie die Behauptung, eine sinkende Mitgliederzahl würde zwangsläufig und berechenbar die Finanzkraft der Kirche schwächen. Im Zeitraum von 33 Jahren geschah das Gegenteil: die Finanzkraft stieg trotz Mitgliederverlust.

Unbestritten ist, dass es spätesten seit 1994 zu Einbrüchen bei den Kirchensteuereinnahmen kam. Diese sind zurückzuführen auf steuerpolitische Maßnahmen, die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Fazit: Der Hintergrund der angekündigten Sparanstrengungen ist keineswegs eine prekäre Einnahmesituation. Prognostizierte Kosten der Zukunft lösen vielmehr den gegenwärtigen Finanzdruck aus. (Aktuell ist in diesem Zusammenhang der Beitrag vom März 2011 „Die Zeiten für die abhängig Beschäftigten der Ev. Kirche im Rheinland werden (noch) härter“)

Auf Seite 2 des Schreibens der Kirchenleitung werden die tatsächlichen Gründe für den Finanzalarmismus benannt:

Zinsentwicklung (bbz lässt grüßen): Wir befinden uns in einer Niedrigzinsphase, deren Ende nicht abzusehen ist. Einigermaßen sicher angelegtes Kapital erbringt kaum mehr eine Rendite oberhalb der Inflationsrate. Da kirchliche Körperschaften über zum Teil recht üppige Rücklagen verfügen, bedeuten niedrige Zinsen Einnahmeverluste.

Versorgungskasse: Die niedrigen Zinsen machen bekanntlich den Versicherern zu schaffen. Die klassische Lebensversicherung scheint ein Auslaufmodell zu sein. Modelle der privaten kaitalgedeckten Altersvorsorge wie die Riester-Rente verlieren immer mehr an Popularität. Mit den gleichen Problemen wie die Versicherungsunternehmen hat die Versorgungskasse für PfarrerInnen und Kirchenbeamte zu kämpfen.

Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.

Demographie: Mehrfach wird in dem Schreiben das Thema „demographischer Wandel“ sehr allgemein und unpräzise angesprochen. So liest man die von Alarmismus geprägten Sätze: „Und grundsätzlich müssen wir feststellen: Je später wir auf die seit langem bekannten demografischen Veränderungsprozesse reagieren, umso höher müssen unsere Sparmaßnahmen dann ausfallen. Je länger wir warten, desto härter werden uns die Folgen treffen.“ Zur Klarstellung: der demographische Wandel bei der Mitgliedschaft hat auf die Finanzentwicklung spätestens seit dem Alterseinkünftegesetz von 2005 eben sowenig einen empirisch nachweisbaren Einfluss auf die Einnahmen wie die Mitgliederentwicklung. Allerdings stellt die Altersstruktur der Mitarbeiterschaft ein großes Problem dar – vor allem im Blick auf zukünftige Versorgungsansprüche und Beihilfeleistungen. Aus diesem Grund wird, wie im Schreiben erwähnt, ab 2014 eine Beihilfesicherungsumlage eingeführt von zunächst 1% des Kirchensteueraufkommens, die „voraussichtlich“ auf 3% angehoben werden soll. Offenbar besteht die Absicht, ähnlich wie bei der Versorgungskasse einen Kapitalstock aufzubauen, um zukünftige Ansprüche abzusichern.

Neues kirchliches Finanzwesen (NKF): Erwähnt wird im Schreiben nur die Substanzerhaltungspauschale, die im Haushalt der Landeskirche den stattlichen Betrag von 8,2 Mio. € ausmacht, also grob 12% der gesamten Haushaltsmittel. Gewiss ist es sinnvoll, Rückstellungen zur Substanzerhaltung von Gebäuden zu bilden. Die rheinische NKF-Variante des NKF erzwingt allerdings durch eingebaute Automatismen die pauschale Ansammlung von Kapital in erheblichem Umfang und völlig unabhängig von der Einzelsituation, was nicht nur Immobilien betrifft. So entsteht ein offensichtlich gewollter Druck, sich von Personal und insbesondere von Immobilien zu trennen, um stattdessen Kapital aufzubauen.

Zusammengefasst: Die Ev. Kirche im Rheinland hat kein Problem mit ihren Einnahmen. Die Entwicklung der vergangen Jahres ist in dieser Hinsicht zumindest befriedigend und rechtfertigt in keiner Weise den von der neuen Kirchenleitung betriebenen Finanzalarmismus. Sie hat allerdings Probleme mit fragwürdigen Beschlüssen und Entscheidungen. Schon seit längerem besteht im Blick auf Versorgungskasse und Beihilfeproblematik die Strategie, durch die Ansammlung von Kapital Zukunft sichern und zukünftige Haushalte entlasten zu wollen. Hinter dieser Strategie steht die fragwürdige Hypothese, die Finanzkraft der Kirche würde sich im Zeitraum vom 2002 – 2030 halbieren. Hinzu kommt die rheinische NKF-Variante mit ihrer Tendenz, ebenfalls Geldmittel in unvernünftigem Umfang für Rücklagen und Rückstellungen aus der laufenden Arbeit abzuziehen. Man will also Sparen unter der Androhung von betriebsbedingten Kündigungen, um Kapital zur angeblichen Zukunftssicherung aufzubauen. Um die Zukunft zu sichern, wird die Kirche der Gegenwart nachhaltig beschädigt und damit ihre Zukunft erst recht aufs Spiel gesetzt.

Eine fragwürdige Strategie mit Risiken und Nebenwirkungen

Im Kern geht es um eine ernst zunehmende Problematik, auf die nicht nur die Ev. Kirche im Rheinland, sondern ebenso andere Landeskirchen wie auch weite Teile des öffentlichen Dienstes zu steuern. Es geht um die Altersstruktur der Beschäftigten, insbesondere derer, die in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis stehen. Dies sind überwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer abhttp://www.agentur-aim.com/downloads/kirche/KVIID-Kirchenkrise-welche_Krise.pdfer auch etliche Kirchenbeamte. Insgesamt macht diese Gruppe noch nicht einmal 10% aller Beschäftigten im kirchlichen Kernbereich aus. Würde man die diakonischen Einrichtungen hinzurechnen, wäre der Prozentsatz noch wesentlich geringer. Diese Gruppe hat einen Rechtsanspruch auf Pensionen und Beihilfen. Etwa ab 2018 wird die Gruppe der sogenannten Babyboomer sukzessive in den Ruhestand gehen. Etliche Jahre später ist der Punkt erreicht, an dem die Anzahl der Ruheständler die der aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer um ein Mehrfaches übertreffen wird. Diese gewaltige Herausforderung darf man keineswegs bagatellisieren. Es handelt sich allerdings um ein Szenario, dass sich frühestens in 10-15 Jahren einstellen wird. Jetzt schon tragfähige Lösungen für diese zukünftigen Belastungen entwickeln zu wollen, ist eher ein Ausdruck menschlicher Hybris als von vorausschauender Vernunft. Die jetzt eingeschlagene Strategie des verschärften Sparens mit dem Ziel, Kapital aufzubauen um zukünftige Haushalte zu entlasten, hat erhebliche Risiken und Nebenwirkungen.

Externe Risiken:

Finanzmarktentwicklung – wer durch Akkumulation von Kapital Zukunft sichern will, macht sich abhängig vom Finanzmarktgeschehen. Die jetzige Strategie der Kirchenleitung im Blick auf die Versorgungsproblematik setzt Stabilität der Finanzmärkte für die kommenden Jahrzehnte voraus. Der Nachweis, dass dies eine bestenfalls eine naive Illusion ist, wird an anderer Stelle geführt werden. Er wird überzeugend erbracht von so unterschiedlichen Autoren wie Fredmund Malik, Dirk Müller oder Sarah Wagenknecht und vielen anderen. Ein Grundproblem: es befinden sich Finanzprodukte mit wachsendem Volumen im Umlauf, die ein Vielfaches des Weltbruttosozialproduktes ausmachen. Dem gegenüber steht eine ebenso rasch wachsende Verschuldung von Privatpersonen und Staaten. Der Punkt an dem sich abzeichnet, dass die Schulden in immer größerem Umfang nicht mehr bedient werden können und damit das Finanzvermögen entwertet wird, ist bereits überschritten. Kapital, dem kein tatsächlicher Gegenwert gegenübersteht, wird mit Recht als „Schaumgeld“ bezeichnet. Offensichtlich wird der Tatbestand, dass die Fragilität und Unberechenbarkeit des aktuellen Finanzmarktgeschehens etwas mit der Versorgungskasse und anderem angelegtem Kapital der Kirche zu tun hat, konsequent verdrängt.

Wirtschaftliche Entwicklung, Veränderungen beim Steuerrecht – Dies sind die beiden Faktoren, die die Kirchensteuereinnahmen und natürlich indirekt auch die Kapitalerträge wesentlich beeinflussen. Kirchliche Finanzprognosen rechneten bisher in der Regel ökonomische Eckdaten der Gegenwart sowie den aktuellen steuerrechtlichen Rahmen schlicht für die Zukunft hoch. Die einzige einigermaßen verlässlich zu berechnende Konstante ist jedoch die Mitgliederentwicklung. Mag die Mitgliederentwicklung bis heute die Finanzkraft der Kirche erkennbar nicht beeinflusst haben, so wird dennoch auf Grund der mutmaßlich sinkenden Zahl der Gemeindeglieder ein Verlust an Finanzkraft prognostiziert, da man die wesentlichen Faktoren, die die Finanzkraft der Kirche tatsächlich beeinflussen, trotz ihrer Variabilität schlicht zu Konstanten erklärt. Diese Art von Prognostik ist das Papier nicht wert, auf dem sie noch so eindrucksvoll dargestellt wird. Einfacher ausgedrückt: wer so rechnet, liegt garantiert falsch. Denn im Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Steuerrecht ist eine große Bandbreite an möglichen Entwicklungen denkbar. Aus diesem Grund rät Fredmund Malik in seinem Buch „Management – das A und O des Handwerks“, Frankfurt 2007, Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, dringend von einer derart eindimensionalen Prognostik ab und empfiehlt stattdessen das Arbeiten mit unterschiedlichen Szenarien (z.B. S. 142).

Interne Nebenwirkungen:

Auswirkungen auf die Motivation der Beschäftigten – bereits die Sparrunden der Vergangenheit, erst die 15%-Sparvorgabe für die landeskirchliche Ebene bis 2023, haben für erheblich Unruhe, Existenzdruck und Demotivation gesorgt. Die nochmalige drastische Verschärfung des Sparkurses trotz steigender Einnahmen während der vergangenen 8 Jahre ist in ihrer Auswirkung auf die Beschäftigten kaum absehbar. Selbst einem börsennotierten Großkonzern würde man ein derart unsoziales Verhalten nicht nachsehen. Die Kirche ist mehr als der Konzern angewiesen auf die Motivation ihrer Beschäftigten. Diese zu zerstören und langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Kostenfaktoren zu degradieren, beschädigt die Zukunft der Kirche.

Kirchenkreise und Gemeinden – Von der Versorgungssicherungsumlage, der Beihilfesicherungsumlage sowie NKF sind Kirchenkreise und Gemeinden genauso betroffen wie die Landeskirche. Folgt man der im Schreiben von Rekowski und Weusmann eingeschlagenen Logik, sind auch hier Einsparungen in ähnlicher Größenordnung unabweisbar. Eine interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, wie unter den angeblich drastisch verschärften finanziellen Rahmenbedingen die Folgekosten von NKF, die Verwaltungsstrukturreform oder die neue IT-Struktur finanziert werden sollen.

Pfarrstellen – Manche Pfarrerinnen und Pfarrer sind der Überzeugung, es sei letztlich eine gute Sache und in ihrem Interesse, wenn die Landeskirche sich in einem derartigem Ausmaß um Versorgungsicherheit bemüht. Faktisch wird so der Pfarrdienst enorm verteuert. Dies bereitet den Weg für eine weitere drastische Reduktion von Pfarrstellen.

Was jetzt geboten ist: tatsächliche Transparenz vor allem im Blick auf die Lage der Versorgungskasse, auch würde man gerne exakt und an Hand von Zahlen belegt wissen, wie die Kirchenleitung zu derart drastischen Sparmaßnahmen kommt. Das Schreiben von Rekowski und Weusmann kann hier nur ein erster Schritt sein.

Zuletzt: Für mich persönlich besteht die größte Enttäuschung darin, dass die neue Kirchenleitung offenbar bisher nicht bereit ist, sich kritisch mit der reichlich missglückten Reformphase seit 2006 auseinanderzusetzen, was gewiss auch unter Kostengesichtspunkten lohnend und geboten wäre. Stattdessen wartet man mit einem „Kassensturz“ auf, bei dem sich eine fragwürdige Kontinuität in der Denkweise und Methodik zur Vergangenheit abzeichnet. Der Stil ist neu, bei den Inhalten folgt man tapfer der Spur auf den alten Gleisen.