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Systemisches Management

Unternehmensberatung im Dschungel der Systeme – Interview mit Prof. Robert A. Sedlák.

28. APRIL 2016, agora

Anlässlich der aktuellen Ausgabe haben wir ausgewählten Personen zum Thema “SYSTEME” ein paar Fragen gestellt. Hier die Antworten von Robert A. Sedlák, Gastprofessor an der East China Normal University in Shanghai.

Organisationen verstehen wir in diesem Kontext als komplexe Sozialsysteme, die – wie ein psychisches System – unberechenbar sind.
Mich hat diese Erkenntnis sehr demütig gemacht, wenn es darum geht, Veränderungen in Organisationen zu begleiten, da Veränderung nur aus dem System heraus entstehen kann, was große Auswirkungen auf mein Interventions-Repertoire als Beraters hat….

Mehr dazu.

Von der Wirtschaft lernen heißt siegen lernen ?!

oder: was Kirche von der Wirtschaft hätte lernen können.

von Friedhelm Schneider, Pfr., Immobilienfachwirt

Überarbeitete Version eines Vortrags beim Tag des Pfarrvereins der EKM in Neudietendorf, 18. Juni 2014.

Liebe Schwestern und Brüder, sehr geehrte Damen und Herren,

ein Schelm, wer bei einem solchen Thema Böses denkt: „Von der Wirtschaft lernen, heißt siegen lernen.“ Sie in Thüringen stellen sofort die Analogie her zu einem Wort, das in früheren Zeiten lange Jahre zur Propaganda der DDR- Führung gehörte. Das lautete: „Von der Sowjetunion lernen, heißt siegen lernen.“ Es galt so lange, bis Gorbatschow Mitte der 80iger Jahre die Peristroika propagierte. Ab diesem Zeitpunkt geriet das Wort in der DDR-Regierung in Misskredit und wurde zur subversiven Parole ‚bösartiger‘ Regimekritiker.

Erwarten Sie also Parallelen zur kirchlichen Lage heute, wenn sie den Titel so analog formulieren? In der Tat haben Kräfte dominiert, die der Betriebswirtschaft Kräfte für Wachstum gegen den Trend und Erstarkung der Kirche zuschrieben. Betriebswirtschaft hatte in der Kirche spätestens ab der Jahrtausendwende die Theologie als Leitwissenschaft abgelöst. Gewähr für die Ablösung bot (und bietet) auch das biedermannmäßig aus der Wirtschaft anklopfende und arglos eingelassene Berater-Personal: Unternehmensberater wie Peter Barrenstein von McKinsey oder die Direktorin Marlehn Thieme der Deutschen Bank. Letztere aus einem Unternehmen, das zu Zeiten als Marlen Thieme in Führungspositionen der Kirche kam mit 25% Rendite prahlte, sich dann aber vor 2 Jahren kleinlaut aus triftigem Grund selbst einen Kulturwandel verordnen musste. Seither sitzt das Personal der Wirtschaft in den Führungsetagen der Kirche, im Rat der EKD und der Steuerungsgruppe zum Kirchenreformprozess1. Man wird eingedenk schon dieser wenigen Fakten der EKD nicht zu nahe treten, wenn man ihr das Wort „Von der Wirtschaft lernen heißt siegen lernen“ als ihre Parole in den Mund legt. Auch wenn es so nie ausgesprochen wurde, prägt es doch das Denken in den kirchlichen Führungsetagen. Es mag sich um eine ‚passagere‘ Position der EKD handeln, die den Zenit schon überschritten hat, sind doch die Erfahrungen mit diesem Ansatz der Leitwissenschaft Betriebswirtschaft mittlerweile so umfangreich wie ernüchternd. Und man kann wohl behaupten, dass die Phase, in der dieser Ansatz die Köpfe in der EKD beherrschte, schon der jüngsten Kirchengeschichte angehören. Wie sagte Thies Gundlach, der Cheftheologe der EKD, jüngst in einem Vortrag? Er möchte nicht der letzte Mohikaner sein, der zum Impulspapier „Kirche der Freiheit“ steht2

Die Analogie zum DDR- Slogan, liegt für Kritiker also durchaus nahe. Es stellt sich nun die Frage: was aber heißt dies Wort in unserem Munde? Im Munde derer, die den sog. Reformprozess, der im Gefolge von „Kirche der Freiheit“ von der EKD über die Landeskirchen gezogen wurde falsifizieren und kritisieren? Der eigentlich kein Reformprozess darstellt, sondern der ein veritabler Umbauprozess ist. Was heißt es, wenn wir diesen Satz heute aufgreifen – und ihn positiv gegen seine früheren geheimen Befürworter wenden? Lassen Sie mich dazu etwas ausholen, und den Blick aufs Ganze richten, bevor wir den Ausschnitt analysieren:

Wir leben heute in einer Zeit in der die früher in Zeiten sozialer Marktwirtschaft propagierte funktionale Trennung der Systembereiche der Gesellschaft (Wirtschaft, Politik, Religion etc.) an ihr Ende gekommen ist. Denn die „Wirtschaft“ beschränkt sich nicht mehr auf ihren Sektor der Produktion von Gütern und Dienstleistungen. Das hat einen praktischen Grund: Im Finanzkapitalismus ist Kapital im Überfluss an Banken und Börsen vorhanden und sucht Anlagechancen und Höchstrendite. Dazu müssen die Grenzen der Ökonomie zu den anderen Funktionsbereichen überschritten werden. Zu diesem Zweck werden solche anderen Bereiche, wie z.B. die der Daseinsvorsorge, usurpiert. Privatisierung war das Zauberwort und totaler Service das Zuckerstückchen, mit dem der Bevölkerung dies schmackhaft gemacht wurde. Nach Post, Bahn und Telecom in den 90iger Jahren, kamen ab 2000 die engeren Bereiche der Daseinsvorsorge: Schule, Universität, Gesundheitswesen (mittelfristig Rückkehr zum DDR-System der Poliklinik) und Justiz an die Reihe (Privatisierung von Vollzugsanstalten in Hessen durch Roland Koch). Übereinstimmend wurde in allen Bereichen das ehemals organisatorisch starke Fachpersonal entmachtet: durch Entzug von Beteiligungsrechten (Universität/Schule), durch Wandel des Bildungssystems von Humoldt’scher Bildung zu Kompetenzvermittlung und damit Infragestellung der klassischen Lehrerkompetenzen, durch die Deklassierung des Ärztestandes zu einer Art Scheinselbständigkeit, durch die Überlastung des Personals mit einem kaum zu bewältigenden Arbeitspensum (Justiz) unter der die Qualität der Arbeit, die Rechtssicherheit, wie auch die Gesundheit der Personen leidet.

Diese Ökonomisierung schlich sich ein mit allerlei quasi-eschatologischen Versprechungen, z.B. der Steigerung der Servicequalität, der Illusion einer „totalen“ Qualität (TQM), etc. Wie weit Versprechen (Ideologie) und Wirklichkeit auseinanderklaffen, möge ein kleines, aber sprechendes Beispiel demonstrieren. Günther Wallraff studierte in bekannter Manier in einem Incognito-Selbstversuch die Praxis eines Alten- und Pflegeheims in München, dem kathol. Josephstift am Luise-Kisselbachplatz. Die Zustände waren nach der entsprechenden TV- Sendung ziemlich verheerend. Und dabei prangt ein Qualitätssiegel des TQM an einer Wand der Einrichtung. Darin wird die Note 1, sehr gute Qualität also, bescheinigt. Was hier an einem Beispiel dargelegt ist, können Sie getrost auf das gesamte Gesundheitswesen übertragen. Das System des TQM ist essentieller Bestandteil neoliberaler Transformationprozesse. Deren harter Kern aber in nichts anderem als Personalabbau bis zur Grenze der Leistungsfähigkeit des Restpersonalbestandes, Ausbeutung der Gesundheit des Personals, Reduktion der Angebote/Dienstleistungen auf (billigen) Standardprodukten (Kernleistungen), Steigerung der Profite der Investoren. Das steht konträr zur Sozialen Marktwirtschaft und produziert Widerspruch in entwickelten europäischen Gesellschaften. Um diesen Widerspruch zu unterdrücken, wird ein völlig neues Weltbild, ein ökonomisches Denken, geprägt, das allen anderen Funktionsbereichen aufgedrückt wird. Alle müssen sich an der neuen Nomenklatur orientieren. Alle lassen sich an den neu gesetzten Kriterien messen und bewerten. Diese neuen Kriterien kommen daher als hohle „Plastikwörter“, Anglizismen gaukeln eine besondere Aura vor, Euphemismen vernebeln die eigentlichen Aussagen. Und so sind Fehlinformation, Vernebelung und Geheimhaltung wesentlicher Bestandteil des Akzeptanzmanagements des schönen neuen neoliberalen Weltkonzeptes.

Ein neues Denken, das auch in der Kirche Fuß fassen konnte. Mit dem Reformprozess genannten Umbauprozess. Prof. em. Jürgen Moltmann beklagte in einem Vortrag jüngst den „Einzug ökonomischen Denkens in die Kirche“. Er zieht folgerichtig die Verbindung zu Barmen I: …Wo liegen heute jene »Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten« aus Barmens Erster These verborgen, die wir zu Götzen machen? Er fragt und antwortet: „Sind wir wieder in der Situation von vor 1933? Nein, das sind wir nicht! Wir sind in einer ganz anderen Situation. Es droht uns nicht eine ideologische Politisierung der Kirche wie durch die Nazis und die Deutschen Christen damals. Es droht uns aber eine nicht minder gefährliche ideologische Ökonomisierung der Kirchen, wie wir sie auch in anderen Bereichen der Daseinsvorsorge, so z.B. auch an den deutschen Universitäten erleben. Wie kann Kirche „effektiver“ gemacht werden? Wie kann die Zahl der Taufen, Konfirmationen und kirchlichen Amtshandlungen erhöht werden? Wie kann die Kirche auf ihr „Kerngeschäft“ verschlankt werden? Wie kann die „Kirche im Angebot“ attraktiver werden? Der religiöse „Service“ der Kirche an ihren „Kunden“ muss verbessert werden. Damit entmündigt man die aktiven Brüder und Schwestern zu passiven „Kunden“ und macht aus selbstständigen Gemeinden betreutes Leben in den Kirchen.“ 3

Man kann eine solche Position wie die von Jürgen Moltmann also politisch durchaus verstehen. Dennoch: diese Form der Pauschalkritik erscheint uns zu undifferenziert, erfasst nicht die ganze Wirklichkeit und ist damit in gewisser Weise selbst angreifbar. Gerade, wenn es wie hier nicht um die politisch-volkswirtschaftliche Ebene, sondern um die Frage der Organisationsreform der Kirche geht. Und sie enthält nicht die Chuzpe, die vermeintlichen Ökonomen mit den Waffen der Ökonomie selbst zu schlagen. Das haben Sie nun aber mir mit dem Vortragstitel, wenn ich das recht verstehe, aufgetragen. Und daran will ich mich gerne versuchen. Denn nur so können wir zur tieferen Erkenntnis kommen, dass ökonomische Argumente wie am Beispiel einleitend gezeigt bei den sog. Reformprozessen vielleicht nur vorgeschoben sein könnten, es in Wirklichkeit und im Hintergrund aber um etwas anderes, Tiefgreifenderes geht. Dass es mit dem Prozess „Kirche der Freiheit“ nicht nur um einen Reformprozess, sondern um einen veritable Umbauprozess geht. Lassen Sie uns also etwas genauer hinschauen und differenzieren, um am Ende dann doch wieder einen Ansatz zu finden, die vorhandenen positiven, hilfreichen Aspekte der Ökonomie für die Organisationsführung trotz aller negativen Erfahrungen mit den gesellschaftlichen Ökonomisierungsprozessen oder der sog. „Reformprozesse“ wieder schätzen zu lernen. Und der dem Titel des Vortrages inhärente Dialektik zu ihrem Recht zu verhelfen.

Dies geschieht nicht in erster Linie um der intellektuellen Herausforderung des Titels willen. Wir müssen dies tun, weil die empirische Kirche ihren Schatz in irdenen Gefäßen bewahrt. Weil die Kirche als Organisation auch mit professionellen, profanen Instrumenten geleitet und dem Evangelium gemäß gestaltet sein will. Dabei darf ihre Gestalt dem Inhalt nicht widersprechen (Barmen III + IV). Als Organisation muss sie also damit auch auf die Möglichkeiten zurückgreifen, die gute Organisationsgestaltung bereit hält und ermöglicht. Und dazu sagt man in der Regel „Management“. Gutes, richtiges Management, das wäre es, was die Kirche wieder bräuchte. Sie bräuchte es ebenso wie Bereiche der „Wirtschaft“ selbst. Die deren Verlust etwa durch das Eingeständnis von Kulturproblemen teilweise auch selbst thematisiert, wie z.B. die Deutsche Bank.

Vom Reformbedarf des klassischen Kirchenmodells nach Barmen…

Betrachten wir die Geschichte des Reformprozesses in den ev. Kirchen: es ging in den 90igern zunächst um einen Reformprozess nach außen, mit dem die Kirche die Differenzierungsprozesse der Gesellschaft nachvollziehen wollte (vgl. „Person und Institution“, EKHN). Kirche musste aber zum anderen auch innerorganisatorisch einen Reformprozess anstrengen. Die Administration war strukturell (hierarchisch), instrumentell (IT) und personell veraltet. Schon die einfache Datenverarbeitung war mit einer hohen Fehlerquote behaftet (notorisch: einfache Datenreihen wie Meldelisten), die Informationsbasis für Entscheidungen mangelhaft. Wissensmanagement war in den Verwaltungen ein Fremdwort. Wissen bspw. war personell gebunden und nicht für die gesamte Organisation verfügbar. Und Wissen war veraltet. Betriebswirtschaftliches Know-How? Fehlanzeige. Worauf wäre es angekommen? Auf die gezielte, eklektische Übernahme von Instrumenten und Strategien aus dem Wissensgebiet des Managements.

1. Finanzmanagement hätte primär organisiert werden müssen als Management der Kosten und nicht – wie in der Doppik vorherrschend – des Vermögens. Es wäre um die gezielte, richtige Investition gegangen und nicht um das Sparen der in kirchlichen Kreisen zur Galionsfigur aller kirchlichen Finanzpolitik erhobenen schwäbischen Hausfrau. Fehlende Investitionen verbunden mit Personalabbau (Desinvestition) etwa im Bereich der Jugendarbeit kommen denn auch in der jüngsten, 5. KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung) schmerzlich im Traditionsabbruch zum Ausdruck! Und es mag dem einen oder anderen Finanzdezernenten vielleicht mittlerweile dämmern, dass die zukünftigen Verluste infolge Kirchenaustritten etwa infolge des Traditionsabbruchs deutlich höher sein könnten, als die Verzinsung der in den zurückliegenden Jahren durch ‚Einsparungen‘ beim Personal gebildeten Rücklagen.

2. Es wäre im Personalmanagement um Führendes Dienen gegangen und nicht um die Rückkehr zum Kadavergehorsam. Es wäre um den Schutz des Schatzes der früher üblichen intrinsischen Motivation gegangen und nicht Überlastung und überzogenem Personalabbau. Kommt es, wie die 5. KMU belegt, auf die Pfarrerin und den Pfarrer an, dann muss die/der auch in Reichweite verfügbar sein.

3. Es wäre im Immobilienmanagement um ein Management der Ressourcen und Kosten gegangen und nicht des völlig undifferenzierten Verscherbelns von oft nur vermeintlichen „Lasten“. Mehr dazu inhatlich etwa auf diesem Portal.

Fehler und Defizite des Managements sind also offensichtlich. Es fehlte an der analytischen Kraft, die Fragen der eigenen, individuellen Organisation zu klären und daraus ein individuelles Handlungskonzept für die Kirche zu entwickeln. Stattdessen segelte man im Windschatten der neoliberalen Umbauprozesse anderer Institutionen der Daseinsvorsorge (s.o.). Ohne einige gravierende Unterschiede zu beachten. Wie z.B. den, dass die anderen Institutionen der Daseinsvorsorge als Zwangsmitgliedschaft gestaltet sind. Entkommen nicht möglich. Wo dieser Mitgliedschaftszwang nicht bestand, wie im öffentlich-rechtlichen Rundfunk und Fernsehen, musste er von der Politik hergestellt werden. In dieser von der Mitgliedermeinung unabhängigen Lage der anderen Institutionen ist aber die Kirche gerade nicht. Allerdings wird das Verhallten der Kirche offensichtlich vielfach genau so erlebt. Vielen Mitgliedern wurde daher die ehemals fremde Heimat zur nichtssagenden und -bietenden Fremde. Wo wir stehen wird anschaulich, wenn auch eine nur geringfügige Irritation, wie etwa in diesem Jahr das Missverständnis um die Kirchensteuer auf Kapitalerträge, bereits zu heftigen Erschütterungen in Form einer Austrittswelle führt (und nebenbei auch zu einer unbekannnt-promten Reaktion des EKD- Finanzdezernenten Begrich in Form einer eigens flugs zur Sache erstellten Broschüre).

Der labile Zustand der Kirche in der Phase neoliberaler Umbauprozesse ist also nicht allein externen gesellschaftlichen Prozessen geschuldet, sondern in erster Linie eigenem falschen Management. Was richtiges Management in der Kirche ist, zeigt sich dann, wenn die Frage nach der Mitte, der Mitte des Denkansatzes, geklärt ist. Wir müssen in der Kirche wissen, woher wir kommen und was unsere Aufgabe ist. Ist die Mitte theologisch ausgefüllt, dann können die passenden und aktuellen, den Stand der Technik abbildenden ökonomischen Instrumente – wie schon immer in der Kirchengeschichte – problemlos angewandt werden. Die Theologie ist dabei Standbein, die Instrumente des Managements sind Spielbein. Ich selbst formulierte dies in meinem Buch „Kirchliches Immobilienmanagement“ im Jahr 2004: „Setzt die Kirche diese Erkenntnis in Managementhandeln um, werden in der freien Wirtschaft übliche… Managementstrategien relativiert, teilweise transformiert. Dies Anderssein der Kirche oder der entsprechenden Managementstrategien, dieses „sich-der-Welt-nicht-gleich-machen“ heißt aber nicht, dass das Handeln deswegen nicht erfolgreich sein könnte. Ganz im Gegenteil“4. Bildet die Theologie die Mitte, dann sind dieser Mitte alle Funktionen der Organisation zuzurechnen, die diese Mitte in und mit ihrer Arbeit oder auch symbolisch repräsentieren (s. Grafik).

Der Leitung und Verwaltung kommt in diesem Modell eine strikt dienende, eine Servicefunktion zu. Ihre zentrale Aufgabe besteht darin, dass die Mitte richtig und ausreichend gefüllt wird: dass Arbeit in möglichst großem Umfang mit ausreichend ausgebildetem und motiviertem (!) dass ausreichend Personal vorhanden ist und unterstützt und gefördert wird. Dieses Managementmodell korrespondiert mit Barmen III (und IV). Dabei ist aus Managementsicht – und übrigens auch aus finanzieller Sicht (s.u.) – unerheblich, ob die Arbeit an der Basis in der Gemeinde oder aber in Diensten (Funktionspfarrstellen etc.) erfolgt. Entscheidend ist, dass das, was dort passiert, beim Adressaten ankommt und – auf welche Weise auch immer – wirkt.5

klassisches Kirchenmodell nach Barmen

Das also wäre das Modell gewesen, nach dem die Kirche nach innen hin hätte reformiert werden müssen. Und zwar auch aus theologischer Sicht wie auch aus Sicht richtigen und guten Managements. Vielversprechende Ansätze dazu waren ab der Jahrtausendwende vorhanden.

… zum Kirchenmodell des EKD-Umbauprozesses „Kirche der Freiheit“

Spätestens seit Mitte der Nuller Jahre ist die Entwicklung der frühen Reformansätze der Kirche gekippt: wie zuvor schon in anderen Institutionen (Bildung, Gesundheitswesen) sollte später auch die Kirche nicht nur eklektisch von der Wirtschaft, vom Management, lernen, sondern vielmehr nach der Struktur von Wirtschaftsunternehmen umgebaut werden. Dieser Prozess war weder theologisch oder gesellschaftlich-soziologisch motiviert, noch war er von einem systemisch-kybernetischen Managementansatz geprägt, der gezielte Schwachstellen und Stärken identifiziert hätte und dazu passgenaue Lösungen entwickelt hätte. Wie sollten das die organisationsunkundigen Berater von außen auch leisten können? Sie hätten es nicht gekonnt, selbst wenn sie es gewollt hätten. Aber darum ging es ja gar nicht. Es ging nicht um die Optimierung der reformbedürftigen Organisation Kirche. Es ging den „Reformern“ vielmehr darum, alle Institutionen der Daseinsvorsorge dieses Landes mit einem Einheitskonzept umzubauen, sie „marktkonform“ zu machen. Wie später dann sogar die Demokratie selbst „marktkonform“ gemacht werden sollte/ wird. Im Zuge dieses vereinheitlichenden Ökonomisierungskonzepts wurden den ehemals demokratisch bottom-up aufgebauten Institutionen mit Top-down-Strukturen übergestülpt; die mittlere Ebene wurde zur zentralen Leitungsebene der Region mit vielen bzw. allen Kompetenzen, die früher die Gemeinden hatten. In der Kirche ging es also nicht mehr um inhaltlich theologisch motivierte verbessernde Reformen eines in der Nachkriegszeit über 50 Jahre bewährten Systems. Sondern es ging um einen Umbau der Kirche nach Mustern der Wirtschaft unter Anleitung von neoliberalen Beraterteams. Das Agenda-Setting wurde mit dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ besorgt. Was dabei herauskam? Ein hierarchisches Modell, bei dem EKD- Gremien als Spitze Entscheidungen treffen, die die Landeskirchen umzusetzen haben. Das konnte jüngst auch anhand des „Erweiterten Solidarpakts“ der EKD- Kirchenkonferenz nachgewiesen werden. Ein Modell bei dem Leitung ihre Dominanz über den personellen Ausbau der Administration stärkt. Ein Modell, bei dem die Mitarbeiter, die die eigentliche Arbeit vor Ort in Verkündigung, Seelsorge, Pädagogik, Musik, etc. leisten, abgebaut und an den Rand gedrängt werden. Sie müssen mit und von dem leben, was in der Mitte der Organisation, also bei Leitung und Administration, an finanziellen und sonstigen Ressourcen übrig bleibt. Der Verwaltungswasserkopf hingegen wird immer stärker aufgebläht. Was bleibt ist ein „Haus der Kirche“, das belegt ist von Regionalverwaltung im EG, der Dekanatsverwaltung im OG und 2 Fachstellen im Souterrrain.

Grafisch kann man das so fassen:

Reformmodell

Hier hat die Kirche ihre Mitte verloren. Sie weiß nicht mehr, was sie eigentlich zusammenhält. Ein fremdes institutionelles Umbaukonzept bildet das neue Zentrum der Kirche. Wie weit weg ist Barmen III, nach dem die Kirche auch „die Gestalt ihrer […] Ordnung“ nicht „ihrem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugungen überlassen“ darf.

Fazit: Von der Wirtschaft lernen, heißt siegen lernen. Der mit dem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ initiierte Umbauprozess der Kirche propagiert Betriebswirtschaft als Lösung für die Reformprobleme der Kirche. Was sich allerdings hinter diesem Konzept verbarg, war ein marktkonformes Umbaukonzept der Institutionen des Staates. Dies wurde – wie in allen Fällen modifiziert – auch in der Kirche angewandt. Betrachtet man das bis heute sichtbare Ergebnis nach ökonomischen Kriterien, fällt es ausgesprochen schlecht aus. Der finanzielle Aufwand dafür war und ist und bleibt hoch, dabei ist die Wirkung entsprechend der empirischen Studie der 5. KMU negativ. Gemäß dem Rationalprinzip der Ökonomie müssen Resultate aber bei gleichem Mitteleinsatz besser/ höher werden, wenn sie wirtschaftlich genannt werden sollen. Insofern war der Umbauprozess also der Sache nach nicht zu viel, sondern zu wenig ‚ökonomisch‘. Vor allem aber fehlte es am Ansatz guten und richtigen Managements: Reformen der Kirche, die dem Rationalprinzip der Ökonomie standhalten sollen, müssen immer systemisch-kybernetisch angelegt sein. So gilt heute: nach dem Umbauprozess ist vor der Reform. Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

 

 

Anmerkungen und Erläuterungen:

Diese beiden o.g. Grafiken sind sehr plakativ und für den einen oder anderen provokativ. Und wie das so ist bei Grafiken und Bildern: sie können die Wirklichkeit natürlich nicht vollständig fassen. Daher hier noch einige ergänzende Charts, die die oben aufgestellten Thesen belegen.

Zur Alternative Gemeindepfarrstellen oder Funktionspfarrstellen aufgrund von Finanzmangel.

Oft wurden Gemeinde- und Funktionspfarrstellen von kirchenleitdender Seite aufgrund angeblicher Finanzknappheit gegeneinander in Stellung gebracht. Dabei ist die Behauptung fehlender Mittel falsch. Und die im kirchlichen Dienst am Menschen arbeitenden sollten sich nicht in eine falsche Frontstellung gegeneinander begeben. Dies lehrt ein Blick in die Jahresrechnung der EKHN, hier am Bsp. des Jahres 2008. Bei einem Haushaltsvolumen von 520 Mio. entfallen auf den Gemeindepfarrdienst ganze 58 Mio. €. Selbst wenn man die Versorgungsleistungen addiert kommt noch nicht einmal auf 15% des Haushaltsvolumens. Quelle: Jahresbericht der EKHN 2008.

Nimmt man Gemeinde- und Funktionspfarrstellen zusammen und rechnet die Kosten, die kirchensteuerfinanziert sind (staatlich finanzierte Stellen werden also nicht berücksichtigt), dann macht ihr Anteil gerade mal ca. 20% vom Haushaltsvolumen aus. Pfarrstellen im Verwaltungsbereich oder Leitung (wie ganze Dekanestellen sind dabei aus Gründen betriebswirtschaftlich klarer Differenzierung nicht berücksichtigt).

Auf diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Alternative: Gemeinde- oder Funktionspfarrstellen ziemlich obsolet ist. Die Frage ist berechtigt: was sind denn die anderen 80 Prozent? Zu dieser Frage vgl. die Jahresberichte der EKHN.

Das alles heißt nicht, dass man nun diesen Anteil zementieren müsste, dass nicht auch dort, bei Gemeinde und Funktion Veränderungen nötig wären. Es sind generell Veränderungen erforderlich, die auf eine höhere Wirkung zielen. Nicht nur in Leitung und Administration, sondern auch bei Gemeinde und Funktion. Aber man kann mit Sicherheit davon ausgehen, das

s Gemeinde und Funktion schon heute innerhalb aller Leistungen der Kirche relative zu anderen, etwa der Administration, die höchsten Wirkungen erzielt. Insofern trifft diese Forderung auch Gemeinde und Funktion, aber die anderen Bereiche in deutlich stärkerem Maße. Und man muss ergänzen: man kann höhere Wirkung bei dieser Art von Arbeit nicht per ordre de mufti verordnen oder per Impulspapier erzeugen. Da könnte das Konzept des Führenden Dienens schon deutlich weiter helfen. Wir werden später davon im Vortrag von Dr. Hartmann hören. Ich bin gespannt.

Dies Diagramm zeigt die Entwicklung des Anteils der Gemeindepfarrdienst in der EKHN in einer Statistik von 2000 bis 2012. Als Quelle dienen die Jahresberichte der EKHN. Der Anteil von ca. 15% ist also kein Einzelfall, sondern ab 2004 das Durchschnittsmaß.

Eine Langfristbetrachtung dieser Kennziffer „Anteil Pfarrgehälter am HH-Volumen“ anhand weniger Einzelfälle zeigt am Bsp. Der EKHN eine klare Abwärtstendenz ab Anfang der 80iger Jahre mit damals ca. 33%, im Jahr 2000 bei ca. 23% und heute bei ca. 15%. Wobei es sich dabei nur um die direkten Kosten, also Gehälter und Versorgungsleistungen, handelt. Hintergrund ist, dass die Kirchensteuereinnahmen, gestiegen sind, die Gehälter aber – wie in allen Branchen in Deutschland – ab 2000 mehr oder weniger eingefroren wurden. Das Weihnachtsgeld wurde gestrichen oder durch deutlich geringere andere Zahlungen ersetzt, die Durchstufungen zu höheren Gehaltsstufen wurden gestrichen, teilweise auch die Gehaltsendstufe A 14 auf A 13 abgesenkt (z.B. Hannover). Man beachte, dass zusätzlich eine ganze Reihe von Leistungen, die haushaltstechnisch an anderen Stellen als bei den Gehältern verbucht werden, bei dieser Betrachtung noch nicht berücksichtigt sind. So z.B. die Schönheitsreparaturen, Heizkostenzuschüsse, Weiterbildung etc.). Auch dort gab es bisweilen drastische Einschnitte zu Lasten der Pfarrer. Die PfarrerInnen sind in der Entwicklung seit den 80iger Jahren also auch finanziell vom Zentrum in die Peripherie katapultiert worden.

1Eberhard Cherdron, Martin Schuck, Evangelische Existenz heute; in Dt. Pfarrerblatt 10/2012

4Friedhelm Schneider, Kirchliches Immobilienmanagement, Darmstadt 2004, S.36

5 Achtung: hier darf das Kundenmuster nicht einfach auf die kirchlichen Leistungen übertragen werden

Christoph Meyns – Kirchenreform und betriebswirtschaftliches Denken. Modelle. Erfahrungen. Alternativen

Im Januar 2013 hat Christioph Meyns  an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum  mit einer Arbeit  mit dem Titel „Mangaement als Mittel der Kirchenreform. Betriebswirtschaftliche Anätze zur Bewältigung kirchlicher Rückbau-, Reorganisations- und Neuorientierungsprozesse“  promoviert, Im Juni 2013 ist die Disserttation  unter dem o.g Titel im Güthersloher Verlagshaus erschienen (ISBN-978-3-579-08166-3).

Meyns stellt gleich zu Beginn fest, dass der Begriff „Kirchenreform“ irreführend sei, da es in der evangelischen Kirche derzeit „um eine Restrukturierung unter dem Vorzeichen leerer Kassen im Konflikt zwischen konkurrierenden Bestandsinteressen“ gehe (S. 12f).

Wer diese aus interner jahrelanger Kenntnis der Vorgänge geschriebene Studie gelesen hat, der kann nicht mehr für die uns bis heute angepriesene Reform sein. Meyns, mittlerweile designierter Landesbischof der Braunschweigischen Landeskirche,  spricht mit sehr klaren Worten aus, worum es bei dem Versuch der Umsetzung der teuer bezahlten Ratschläge von Unternehmensberatungen geht.

 

 

 

Sparen oder Gestalten? Überlegungen zum Umgang mit zukünftigen Pensionsansprüchen

(Zugleich Versuch einer Antwort auf die Ausführungen von Bernd Kehren im Präsesblog der EKiR) von Hans-Jürgen Volk.

Die Leitung der Ev. Kirche im Rheinland sieht die dringende Notwendigkeit, auf Grund zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche die seit spätesten 2011 schon ungewöhnlich intensiv betriebene Kapitalbildung zu verstärken. Daher möchte sie die Kosten für die laufende kirchliche Arbeit zurückfahren. Ob dies eine vorläufige Positionierung ist, wird sich zeigen. Man hat mit dem Sparziel für den Haushalt der Landeskirche von 35% bis 2018 eine strenge Vorgabe gemacht. Ansonsten zeichnet sich tatsächlich ein neuer Leitungsstil ab. Die Absichtserklärung von Rekowski, „man wolle Entscheidungen im Dialog vorbereiten“, bewahrheitet sich bisher. Man geht nicht mit fertigen Konzepten und Strategien in Gespräche, sondern ist offen für Anregungen und Kritik. „Wir fühlen uns wieder ernst genommen!“ – so ein Feedback, das wiederholt zu hören war.

Im Hintergrund steht offenbar die Absicht, einen Umbau der rheinischen Kirche hin zu mehr Flexibilität, mehr Menschennähe und einer geringeren Krisenanfälligkeit zu gestalten – mit den Betroffenen an der kirchlichen Basis. Für sich genommen ist dies bereits ein Alternativkonzept zu den Top-down-Strategien der Vergangenheit. Allerdings glaubt man offenbar ohne den Aufbau von Finanzdruck gegen strukturkonservative Bestrebungen nicht ankommen zu können. In jedem Fall besteht das Ziel, die Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche deutlich zu verbessern – dies allerdings zu Lasten der Beschäftigten der landeskirchlichen Ebene.

Die Gründe für den Sparkurs sind wenig überzeugend

Die bisherigen öffentlichen Verlautbarungen zur Begründung des super-verschärften Sparkurses sind weder ins sich schlüssig noch überzeugend. In chrismon plus rheinland 09.2013 heißt es: „Als Grund für das Einsparen von 20 Mio. Euro wird vorrangig der kontinuierliche Mitgliederrückgang genannt.“ Auf Grund der ungleich verteilten Steuerlast und der Tatsache, dass lediglich etwa eine Drittel der Kirchenmitglieder überhaupt Kirchensteuern zahlen, hat diese Begründung keinen Bezug zur Realität. Empirisch lässt sich ein Zusammenhang zwischen Kirchensteuerentwicklung und Mitgliederentwicklung nicht nachweisen. Auch die Tatsache, dass der landeskirchliche Haushalt nach den Planzahlen für 2013 ein Defizit von 7 Mio. Euro aufweist, kann kein Grund für die drastischen Einschnitte sein. Denn schon jetzt zeichnet sich ab, dass es sich durch die positive Kirchensteuerentwicklung in 2013 erheblich reduzieren wird. Belastbar lässt sich eine Finanzsituation zudem erst auf Grund der Jahresergebnisse und nicht der Planzahlen beurteilen. Durch die NKF-Umstellung gibt es allerdings für 2012 noch kein Jahresergebnis. Das heißt: eine klare Analyse der Finanzsituation der Landeskirche ist im Augenblick gar nicht möglich.

Seit 2005 sind die Kirchensteuereinnahmen erheblich gestiegen, nominal um ca. 24%, geht man davon aus, dass der Verteilbetrag 2013 im Ergebnis um, wenn nicht über 600 Mio. Euro liegen wird. Auch inflationsbereinigt ergibt sich real ein deutliches Plus gegenüber 2005 – wobei die Inflationsrate, die im Wesentlichen die Preissteigerung bestimmter Konsumgüter misst, nicht wirklich geeignet ist als Kriterium zur Bestimmung der kirchlichen Finanzkraft. Das tatsächliche Verhältnis von Ausgaben und Einnahmen rechtfertigt also ebenfalls nicht den drastischen Sparkurs.

Was als Begründung übrig bleibt, ist die berechtigte Sorge um die Erfüllung des Rechtsanspruchs bezüglich zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche. Eine Ausfinanzierung, die je nach Zinsentwicklung zwischen 27-34% liegt, ist alarmierend gering- jedenfalls im Vergleich zu der Situation in anderen Landeskirchen (- die EKHN hat eine Quote von über 100%) oder auch zu den Pensionsfonds und Betriebsrentenfonds großer Konzerne. Allerdings liegt die EKiR hier durchaus auf dem gleichen Niveau oder sogar günstiger als die Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz. Insgesamt steht es um die Finanzkraft der EKiR sogar deutlich besser als um die der Bundesländer NRW und Rheinland-Pfalz. Beispiel: Der Landeshaushalt 2013 von Rheinland-Pfalz hat ein Volumen von ca. 13 Mrd. € bei einem Schuldendienst von ca. 1 Mrd. €. Seinem Pensionsfond führt Rheinland-Pfalz 2013 etwas über 600 Mio. € zu.

Versorgungskasse: Missmanagement am Anfang vergrößert das Problem

Die rheinische Situation ist bis heute bestimmt durch Fehler der Kirchenleitungen in den 90-er Jahren – Missmanagement. Vereinfacht ausgedrückt war der Kapitalzufluss an die Versorgungskasse an bestehende Stellen geknüpft. Da bereits damals kräftig Pfarrstellen abgebaut wurden, reduzierten sich die Zuflüsse – offenkundig unbemerkt von den damals Verantwortlichen. Zugleich wurden die Beiträge zur Versorgungssicherung abgesenkt – durchaus in dem Bewusstsein, über außerordentlich hohe Rücklagenmittel zu verfügen und schon alleine deshalb zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Vor etwa 10 Jahren wuchs das Problembewusstsein, hervorgerufen durch die Steuerreform der damaligen rot-grünen Bundesregierung, die hohe Arbeitslosigkeit und eine insgesamt schwierige wirtschaftliche Lage. Man erzählt sich von schlaflosen Nächten angesichts zukünftiger Versorgungsansprüche und sinkender Kirchensteuereinnahmen. Schrittweise war man bemüht, dem Problem Herr zu werden und das nachzuholen, was in anderen Landeskirchen bereits auf den Weg gebracht worden war. Hierzu gehörte z.B. das Einholen versicherungsmathematischer Gutachten, die es in der rheinischen Kirche erst seit wenigen Jahren gibt. Außerdem erhöhte man den Kapitalzufluss erheblich und führte eine Versorgungsicherungsumlage ein. Zunächst war eine schrittweise Erhöhung des Kapitalzuflusses an die Versorgungskasse geplant, bis nach etlichen Jahren 20% des Netto-Kirchensteueraufkommens zur Versorgungssicherung verwendet werden sollten. Allerdings entwickelte sich das Kirchensteueraufkommen seit 2005 unerwartet positiv, was man jedoch als vorrübergehendes Phänomen ansah. Die durch die vorangehenden Einbrüche und durch ungünstige Langfristprognosen auf Sparen eingestimmte Kirche sollte nun dazu gebracht werden, den Mittelzuwachs in erheblich größerem Ausmaß als ursprünglich geplant zur Versorgungssicherung zu verwenden – und sogar noch ein wenig mehr. 2010 lag die Versorgungssicherungsumlage bei durchaus beachtlichen 11,56 € pro Gemeindeglied. Für das Haushaltsjahr 2011 verdoppelte sich dieser Betrag nahezu auf 20,70 €. Die Versorgungssicherungsumlage lag damit zum ersten Mal über der landeskirchlichen Umlage in Höhe von 20,29 €. Für 2013 liegt die Versorgungssicherungsumlage übrigens bei 22,04 €, die landeskirchliche Umlage hat eine Höhe von 21,11 € in der Planung. Aktuell verwendet die Ev. Kirche im Rheinland 22% ihres Netto-Kirchensteueraufkommens zur Versorgungssicherung. Hinzu kommen demnächst bis zu 3% des Aufkommens zur Absicherung zukünftiger Beihilfen.

Es ist also nicht korrekt, wenn so getan wird, als hätte die rheinische Kirche bisher keine Vorsorge betrieben. Missmanagement am Anfang hat die Herausforderung erheblich vergrößert. Es ist ein Verdienst von Georg Immel, dass dem Problem der Versorgungslasten die gebührende Aufmerksamkeit gewidmet wurde. Nun wurde allerdings versucht, in allzu drastischen Schritten Versäumtes nachzuholen. Es ist nie Kennzeichen guter Leitung, wenn Rahmenbedingungen, zumal finanzielle, sprunghaft verändert werden – und dies geschah ab dem Jahr 2011. Die viel beklagte Stellenerosion gerade auf Gemeinde- und Kirchenkreisebene hat ihre Ursache nicht zuletzt in diesem sprunghaften Leitungshandeln.

Bisher wird der Eindruck erweckt, der angekündigte drastische Sparkurs betreffe vor allem die landeskirchliche Ebene. Da sich jedoch immer deutlicher zeigt, dass die Sorge um zukünftige Versorgungs- und Beihilfeansprüche Auslöser des jüngsten Finanzalarmismus sind, sind Gemeinden und Kirchenkreise, je nach örtlicher Finanzlage, unter Umständen noch stärker betroffen. Johann Weusmann argumentiert in seinem Blog-Eintrag vom 18.07. 2013 im Präsesblog: „Um zu einer 70-prozentigen Ausfinanzierung z.B. bei der Versorgung zu kommen, sind auf landeskirchlicher Ebene ca. 100 – 140 Mio. € zusätzlich notwendig, bei einer 100-prozentigen Ausfinanzierung sogar nahezu das Doppelte. Die Beihilfe wird ebenfalls mit steigenden Beiträgen abzusichern sein.“ Wie ist das zu verstehen? Als Problemanzeige? Oder als Aufforderung, die Zuführungen an die Versorgungskasse nach der drastischen Steigerung von 2011 noch einmal zu verdoppeln oder gar zu verdreifachen? Falsch wäre in jedem Fall eine erneute abrupte Veränderung der finanziellen Rahmenbedingungen zu Lasten der laufenden Arbeit. Genau dies droht auf der Ebene der Landeskirche.

Eine Kirche lebt von ihrer Substanz

Der Kollege Bernd Kehren schreibt in seinem Blog-Eintrag vom 09.08. 2013: „Zu viele haben noch nicht begriffen, wie ernst die Lage für die Kirchen ist und wie sehr sie sich gerade zuspitzt.“ Hierin ist ihm uneingeschränkt zuzustimmen. Gewiss, es gibt in der rheinischen Kirche immer noch zahlreiche Gemeinden mit hoher Ausstrahlungskraft und viele Einzelpersonen, die eine beeindruckende Arbeit leisten. Trotzdem verliert die Ev. Kirche im Rheinland bei vielen ihrer Mitglieder erkennbar an Bindungskraft. Manches ist auf allgemeine Prozesse der Säkularsierung und Individualisierung zurückzuführen, manches aber auch hausgemacht und Folge des missglückten Reformprozesses der letzten Jahre. Beispiele:

  • Presbyteriumswahlen: Die geringe Wahlbeteiligung sowie die Tatsache, dass in mehr der Hälfte aller Stimmbezirke mangels ausreichender Wahlvorschläge keine Wahl zu Stande kam, sind Alarmsignale. Offenbar sind immer weniger Menschen bereit, dieses wichtige Ehrenamt in unserer Kirche zu übernehmen.

  • Es gibt Kirchenkreise, in denen sich die Teilnahme am Gottesdienst in den vergangenen 10 Jahren glatt halbiert hat. Hintergrund dieser Entwicklung sind Umstrukturierungen wie Gemeindefusionen, Streichungen von Pfarrstellen und Aufgabe von Predigtstellen, von denen strukturschwache Regionen besonders stark betroffen sind.

  • Mit jeder aufgegebenen Stelle dort, wo Arbeit mit Menschen stattfindet, reduzieren sich die personalen Kontakte, die z.B. die Grundlage für die Gewinnung von Ehrenamtlichen bilden. Wir müssten als Kirche in die Arbeit mit jungen Menschen investieren, um gute Katechumenen- und Konfirmandenarbeit, einen ansprechenden Kindergottesdienst oder eine einladende Jugendarbeit zu gewährleisten. Faktisch findet das genaue Gegenteil statt.

  • Spektakulär waren die Szenen am Mainzer Hauptbahnhof im Sommer, der tagelang in seiner Funktionalität massiv beeinträchtigt war auf Grund des in der Vergangenheit allzu massiv betriebenen Personalabbaus der DB. Weniger spektakulär ist es, wenn in der Urlaubszeit Menschen händeringend nach einem Pfarrer oder einer Pfarrerin suchen müssen, weil der eigene Pfarrer verreist und die Vertretung erkrankt ist. Fälle wie diese häufen sich und sind extrem schädlich für unsere Kirche. An manchen Stellen ist sie in ihrer Funktionalität schon jetzt erheblich beeinträchtigt: in etlichen Verwaltungen auf Grund des Aufgabenzuwachses sowie im Pfarrdienst auf Grund des Stellenabbaus.

Bernd Kehren hat mit seiner Analyse recht, dass sich die Lage zuspitzt. Dies betrifft weniger Kirchenkreise in wirtschaftlich prosperierenden Regionen, allerdings umso härter Kirchenkreise und Gemeinden in den strukturschwachen Gebieten. Kehren liegt falsch, wenn er meint, bei einem verschärften Sparkurs dieser Tendenz entgegenwirken zu können.

Die ev. Kirche im Rheinland lebt im Moment von ihrer Substanz was die Verbundenheit und Identifikation der Menschen mit ihr betrifft. Viele Anzeichen sprechen dafür, dass diese Substanz sich gefährlich reduziert und damit über kurz oder lang auch die finanzielle Basis der Kirche beeinträchtigt wird. Wenn ich dies erkenne und zugleich das in der Tat fordernde Problem zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche von emeritierten Pfarrern und Kirchenbeamte wahrnehme, muss ich entscheidenden, welche Herausforderung für unsere Kirche die größere Relevanz besitzt und mein Handeln entsprechend dieser Abwägung ausrichten. Der Eindruck drängt sich auf, dass allzu Viele das Problem der Versorgungsansprüche für gravierender halten, als die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Wirkungsbereich unserer Kirche.

Risiken nicht verdrängen

Wichtiger als das Ziel, zukünftigen Versorgungs- und Beihilfeansprüchen gerecht zu werden, sind die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen. Dies vorab, denn wer Menschen dauerhaft frustriert und verärgert, begegnet zwar auf eigene Weise dem Problem der Indifferenz, tut damit aber weder den Menschen noch unserer Kirche etwas Gutes. Das Problem zukünftig zu zahlender Pensionen ist zwar gravierend, es ist allerdings bei weitem nicht die größte Herausforderung, vor der die Ev. Kirche im Rheinland steht.

Eine Problemanzeige: Seit langem haben sich die EKD-Landeskirchen dafür entschieden, zukünftige Versorgungsansprüche nach dem Kapitaldeckungsverfahren abzusichern. Dies ist alles andere als risikolos. Nur wenige wissen, dass die von Bismarck eingeführte Rentenversicherung ursprünglich auf der Grundlage des Kapitaldeckungsverfahrens funktionieren sollte. Auf Grund von Turbulenzen an den Finanzmärkten, die nicht nur Ende der 20-er Jahre die damalige Weltwirtschaftskrise auslöste sondern die es Bereits im 19. Jahrhundert gab, zweier Inflationen und zweier Weltkriege kam dies jedoch nie wirklich zum Tragen. Das eingesetzte Kapital ging bis auf Restbestände verloren. Das System der Kapitaldeckung wurde daher unter Adenauer 1957 zu einem Umlageverfahren umgebaut – eine Konsequenz aus den Erfahrungen der Vergangenheit.

Unter neoliberalem Vorzeichen wurden die Finanzmärkte dereguliert und erfreute sich auch das Kapitaldeckungsverfahren wieder wachsender Beliebtheit. Es sind allerdings die marktradikalen Umbauten der Ökonomie, die angelegtes Kapital gefährden und in den vergangenen Jahren durch regelmäßig auftretende Finanzmarkturbulenzen immer wieder reduziert haben. Dennoch hat sich insgesamt das angelegte Kapital bis heute nahezu exponentiell vermehrt und in immer weniger Händen konzentriert – trotz der massiven Verluste einzelner Anleger. Es macht ein Mehrfaches des gesamten Weltbruttosozialprodukts aus, was für sich genommen schon beunruhigend genug sein dürfte. Die Kehrseite der Kaptalanlagen sind Schulden, die in immer geringerem Umfang bedient werden können. Die Wirtschaftsjournalistin Ulrike Herrmann weist in ihrem Beitrag „Die vierte Blase“ daraufhin, dass den Wertsteigerungen an den Finanzmärkten keine adäquate Entwicklung in der Realwirtschaft gegenübersteht. „Um 8,1 Prozent ist das globale Geldvermögen im vergangenen Jahr gewachsen, so hat es der Allianz-Finanzkonzern errechnet.“ „Es bleibt … die Frage, wie echt‘ dieser Reichtum ist. Denn in der realen Welt hat sich ja nicht viel verändert: Die globale Güterproduktion hat 2012 nur um etwa 3 Prozent zugelegt. Es ist daher ein Alarmzeichen und keine gute Nachricht, dass das nominale Geldvermögen trotzdem so stark steigen konnte.“ Herrmann sieht die Gefahr einer Blasenbildung und hat vor allem die Aktien- und Immobilienmärkte im Blick. Herrmann ist nur eine Stimme unter vielen, die ähnlich wie vor der Immobilienkrise in den USA 2007/2008 vor der herannahenden Unwetterfront warnen. Auch damals unterstützten neoliberale Akteure wie z.B. der damalige Chef der Deutschen Bank Ackermann schon aus Eigeninteresse den festen Glauben, die internationale Finanzwelt sei völlig im Lot.

Sie war es damals ebenso wenig, wie sie es heute ist. Die US-Notenbank Fed hat kürzlich der Schneid verlassen, von der Niedrigzinspolitik zur Normalität zurückzukehren. Ähnliches gilt für die Europäische Zentralbank. Der Markt wird von billigem Geld überschwemmt, das nach Anlagen sucht. In geringem Umfang fließt es in Investitionen, der Löwenanteil heizt den Handel mit spekulativen Finanzanlagen an – und vermehrt so den fiktiven Reichtum, der immer weniger reale Werte repräsentiert. Diesem Dilemma sind auch Pensionsfonds und kirchliche Versorgungskassen unterworfen. Mögen sie auch noch so sehr mit Nachhaltigkeitsfiltern arbeiten und auf konservative Anlagen setzen, ihr Kapital ist Teil des Blasenkonstrukts und damit in seinem Bestand gefährdet. Die EKiR hat sich also einen denkbar schlechten Zeitpunkt ausgesucht, um die Kapitalbildung zugunsten zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche zu verstärken. Es ist so ähnlich, als würde man beim dem Aufziehen der Gewitterfront noch schnell die Wäsche zum Trocknen aufhängen in der fahrlässigen Hoffnung, es werde schon irgendwie gut gehen.

Kapital muss angelegt werden, und da kann man leicht danebengreifen. So musste der Pensionsfonds von NRW mindestens 220 Mio. € abschreiben, da man 2004 in griechische Staatsanleihen investiert hatte – vgl. den DLF-Bericht vom 20.10. 2011. Auch Pensionsfonds anderer Bundesländer haben einst in griechische spanische oder italienische Staatsanleihen investiert. Hierbei muss man wissen, dass Staatsanleihen aus dem Euro-Raum vor Jahr und Tag noch als akzeptable Anlagen galten.

Was man tun kann

Die Herausforderung ist, verantwortungsbewusst und realitätsnah mit der jetzigen Situation umzugehen. Dabei gibt es für die rheinische Kirche keinen Königsweg, der sich aufdrängen würde. Allgemeine Feststellungen, dass ein Umlageverfahren allemal krisenfester ist als Kapitaldeckungsverfahren, von dem vor allem Banken und andere Akteure der Finanzindustrie profitieren, helfen nicht viel. Für eine Kirche gilt allerdings noch mehr als für andere Sozialsysteme, dass sie in ihrer äußeren Gestalt nicht von Kapital, sondern von Menschen getragen wird, die ihr Engagement und Geld zur Verfügung stellen.

Wichtiger als finanzielle Ressourcen sind Menschen, die sich mit ihrer Kirche identifizieren. Nur eine vitale Kirche kann Herausforderungen meistern.

Ankerpunkt aller Reform-, Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen müssen die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Verantwortungsbereich der Kirche sein. Wer diese gering wertet oder gar ignoriert und das strategische Handeln der Kirche vorrangig an Finanzgrößen ausrichtet, gefährdet nicht nur die finanzielle Basis der Kirche.

Eine Kirche, die mit ihrer Verkündigung, ihrer Seelsorge, ihrer Diakonie und ihren übrigen Diensten wirksam für die Menschen in ihrem Verantwortungsbereich da sein will, braucht hierzu eine engagierte und motivierte Mitarbeiterschaft. Grundvoraussetzung hierfür ist ein fairer und sozial verträglicher Umgang mit den Beschäftigten. Wer ohne eine akute Notlage, die keine anderen Optionen offen lässt, Beschäftigten trotz guter Arbeit mit Kündigung droht, beschädigt nicht nur Menschen, sondern in nachhaltiger Weise die Kirche selbst.

Wir müssen anders Kirche sein! – darin ist Präses Rekowski in seiner Videobotschaft vom 27.09. 2013 zuzustimmen. Da sich die Lebensverhältnisse der Menschen tendenziell dynamischer verändern, muss eine Kirche auch in ihren Strukturen flexibler und den Menschen zugewandter werden. Es ist allerdings zu bezweifeln, ob dieser Umbau erreicht werden kann, wenn einmal mehr die Finanzfrage im Vordergrund steht. Sparen durch Stellenabbau ist das Gegenteil von Gestalten! Es ist schon beeindruckend wie es an sich honorige Theologen und theologisch beschlagene Juristen nicht nur in der EKiR seit Jahren hinbekommen, die Zukunft als düstere Drohkulisse zu entwerfen, deren Misslichkeiten bereits heute zu schmerzhaften Einschnitten nötigen sollen.

Mit etwas Kreativität kann man auch ohne Drohbotschaft an die Menschen und die Beschäftigten der Kirche den immer noch bedenklich niedrigen Ausfinanzierungsgrad zukünftiger Versorgungsansprüche verbessern.

  1. Landeskirche, Kirchenkreise und Gemeinde haben jenseits der Versorgungskasse Dortmund Kapital in beträchtlichem Ausmaß als Rücklagen angelegt. Alleine auf der Ebene der Landeskirche erbrachte dieses Kapital trotz der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase Erträge von durchschnittlich 7-8 Mio. Euro. Die Ausfinanzierung könnte deutlich verbessert werden, wenn man ein Teil dieses Kapitals in zuträglichem Umfang zur Absicherung zukünftiger Versorgungsansprüche einsetzt. Für die Ebene der Landeskirche dürfte dies noch am unproblematischsten umzusetzen sein. Allerdings muss auch hier darauf geachtet werden, dass Rücklagen auch in Zukunft ihre Funktion erfüllen können. Im Zusammenhang mit der bbz-Affäre ist dies nicht geschehen, da man die Ausgleichsrücklage für den landeskirchlichen Haushalt durch die Entnahme von über 20 Mio. Euro derart geschwächt hat, dass dieser Tatbestand heute als Begründung für den drastischen Sparkurs mit angeführt wird.

Die Finanzsituation von Kirchenkreisen und Gemeinden stellt sich höchst unterschiedlich dar. Aus diesem Grund ist eine Beteiligung nur nach dem strikten Prinzip der Freiwilligkeit möglich. Zuvor gilt es allerdings, wichtige Fragen zu klären, die bisher – jedenfalls im öffentlichen Diskurs – nicht beantwortet worden sind. Friedhelm Schneider hat angesichts des ca. 30 Mrd. Euro umfassenden Kapitalvermögens der Ev. Landeskirchen und der EKD folgende Fragen gestellt und Anmerkungen gemacht:

– wie hat sich die Wertentwicklung der Finanzanlagen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

– wie stellt sich das Risiko-Gewinn-Verhältnis der Anlagen dar?

– welche Wertverluste sind zu beklagen? wer ist dafür verantwortlich?

– in welchem Prozentanteil können die Anlagen als ethisch korrekt bezeichnet werden.

Diese und weitere Fragen sollten unabhängige (!) Wirtschaftsprüfer in allen Landeskirchen und der EKD ermitteln. Nur wenn in diesen Fragen völlige Transparenz herrscht ist Kontrolle möglich und kann Vertrauen wieder hergestellt werden.“ Nach dem bbz-Finanzskandal gilt dies für die Ev. Kirche im Rheinland umso mehr. Es kann nicht sein, dass derart strikte Sparmaßnahmen beschlossen werden und wesentliche Fakten im Nebel bleiben.

  1. Man hat den Eindruck, dass kirchliche Immobilien im Moment vorrangig unter dem Gesichtspunkt finanzieller Belastung wahrgenommen werden und dass es aus diesem Grund sinnvoll sei, sich von Immobilien zu trennen. Tatsächlich sind Immobilien aber auch werthaltige Objekte, die dazu dienen können, zukünftige Belastungen aus Versorgungsansprüchen abzudecken. Die rheinische NKF-Variante führt dazu, dass kirchliche Körperschaften sich von Immobilien trennen und diese teilweise deutlich unter Marktwert abstoßen. Wo Privatpersonen und kommerzielle Investoren auf Grund der unsicheren Finanzmarktlage Kapital in Immobilien anlegen, geschieht in der rheinischen Kirche das Gegenteil. Geboten ist ein kompetentes Immobilienmanagement, dass sich unter Einbeziehung kirchennaher Unternehmen realisieren lassen müsste.

  2. Bereits jetzt gibt es vielerorts in der Ev. Kirche im Rheinland Pfarrstellen, die sich kaum bzw. erst nach einer längeren Vakanzzeit besetzten lassen. In Kürze wird sich dieses Problem drastisch verschärfen, wenn nämlich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gehen. Daher ist es sinnvoll, Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass Pfarrerinnen und Pfarrer auch über die jetzige Altersgrenze hinaus auf freiwilliger Basis weiter im Dienst bleiben können. Dies könnte ebenfalls zu einer Entlastung im Blick auf zukünftige Versorgungsansprüche führen.

Alle 3 Vorschläge haben ihre Schwierigkeiten. Es geht tatsächlich um die Einsicht und den politischen Willen, die Ausfinanzierung bei der Versorgung zu verbessern, ohne in noch größerem Umfang die heute geleistete Arbeit durch Einsparungen weiter zu schwächen.

Was man tun muss: Die Menschen wieder in den Blick nehmen!

Das durch die Kirchenleitung vorgegebene Sparziel ist in den Sand geschrieben. Es hat kein solides, durch Fakten gedecktes Fundament. Wie kann man von einem strukturellen Defizit im landeskirchlichen Haushalt reden ohne die Vorlage Jahresabschlüsse von 2012 und 2013? Die Planungsvorgaben der Finanzabteilung sind für sich genommen bereits ein Politikum, da sie seit Jahren auf fast berechenbare Weise bis auf ganz wenige Ausnahmen deutlich unter den tatsächlichen Ergebnissen liegen. Für das Haushaltsjahr 2014 ergibt sich erneut folgender Effekt: man weiß eigentlich, dass der Verteilbetrag für das Haushaltsjahr 2013 auch bei vorsichtiger Schätzung an die 600 Mio. Euro liegen wird und plant dennoch für 2014 mit einem Betrag von 585 Mio. Euro, immerhin ca. 10 Mio. Euro über den Planzahlen von 2013. Faktisch geht man also von einem sinkenden Kirchensteueraufkommen aus, obwohl alle heute bekannten Fakten das Gegenteil signalisieren. Mit haushalterischer Vorsicht ist dies kaum noch zu erklären. Wer so agiert, setzt sich dem Verdacht aus, aus kirchenpolitischen Gründen die Finanzsituation der rheinischen Kirche dramatischer darzustellen, als sie es tatsächlich ist.

Was auf den Prüfstand gehört, sind kostenträchtige „Reform“-Projekte, die einst eingeführt wurden mit der trügerischen Verheißung, hierdurch zu Einsparungen zu gelangen. Bei NKF ist es keine Befürchtung mehr, sondern bittere Tatsache, dass Verwaltungen personell verstärkt werden müssen, um überhaupt ihre Funktionalität zu gewährleisten. Bei der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform zeichnet sich ein ähnlicher Effekt ab. Ein Leitungshandeln, dass in einer finanziell durchaus angespannten Situation dazu führt, dass neue Stellen in Verwaltungen geschaffen werden müssen und damit umso mehr Stellen für die Arbeit mit Menschen wegfallen, hat versagt. Wer von Einsparungen redet, sollte zunächst den Mut aufbringen, derartige Fehlentwicklung konsequent zu korrigieren.

Das Leitungshandeln der Vergangenheit war geprägt von einer auch theologisch höchst problematischen Zahlenfixiertheit und einer ebenso problematischen Orientierung an Finanzgrößen. Nebenbei ließ man auf sträfliche Weise die Frage nach den personellen und finanziellen Ressourcen, die bei der Umsetzung z.B. von NKF tatsächlich anfallen, außer acht.

Es muss darum gehen, die Menschen mit ihren Stärken und Schwächen wieder in den Blick zu nehmen und ihnen etwas zuzutrauen. Gefragt ist Weisheit statt kalkulatorischer Kälte, Solidarität statt betriebswirtschaftlich untermauertem Unternehmensegoismus.

Rekowski, Weusmann und Baucks sind gewiss aus unterschiedlichen Motiven im Januar 2013 in ihre Ämter gewählt worden. Es war dennoch ein starkes Signal für den verbreiteten Wunsch nach Veränderung. Es gab die Hoffnung, dass die „Neuen“ zu einem realitätsnäheren, transparenteren und partizipatorischeren Leitungsstil finden würden, was sich in Teilen bestätigt hat. Mit der Person Manfred Rekowski verband sich die Erwartung, dass es zu deutlichen Korrekturen bei Fehlentwicklungen der „Reform“-Projekte kommen würde.

Stattdessen stehen gleich zu Beginn brachiale Sparvorgaben, denen eine plausible Begründung fehlt. Realitätsnähe: Die fehlt, wenn man EKD-Zahlen schlicht als „objektive“ Tatbestände akzeptiert. Transparenz: gewiss, man legt die Karten auf den Tisch, aber eben nur zum Teil. Im Blick auf die Versorgungskasse Dortmund gibt es nur spärliche Informationen, die unzureichend sind. Partizipation: Der Eindruck drängt sich auf, dass diese dann erwünscht ist, wenn man die Sparvorgaben akzeptiert. Dies wäre allerdings keine echte Partizipation.

Unterentwickelt ist das Problembewusstsein, welche Effekte mit den Sparvorgaben ausgelöst werden. Die Großteil auch der auf landeskirchlicher Ebene Beschäftigten dürfte eher über als unter 50 Jahre liegen. Großartige Menschen sind darunter, die teilweise seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit leisten. Diesen Menschen mit betriebsbedingten Kündigungen zu drohen, ist ein Missgriff, der auch dadurch nicht behoben wird, wenn man die Erklärung nachschiebt, dass man das Mögliche tun wird, um solche zu vermeiden. Zudem werden wir in nahezu allen Berufsgruppen in Bälde Probleme haben, vorhandene Stellen qualifiziert zu besetzen. Der „Paukenschlag“ des Sparprogramms ist ein Beitrag der Kirchenleitung, junge Menschen zu demotivieren, in der Ev. Kirche im Rheinland einen möglichen Arbeitgeber zu sehen. Er steigert die eh schon auf problematische Weise vorhandene Unattraktivität kirchlicher Berufe.

Es wäre schön, eine Kirchenleitung zu erleben, die von den Akteuren in den Kirchenkreisen, Einrichtungen und Gemeinden als hilfreich und unterstützend wahrgenommen wird. Rekowski und andere werden nach ihrer Amtszeit einmal daran gemessen werden, ob es ihnen gelungen ist, Gemeinden und Kirchenkreise zu vitalisieren und den Menschen im Wirkungsbereich der Kirche Halt und Hoffnung zu geben.

Kapitaldeckung als Säule neoliberaler Organisationsreformen oder: die EKiR scheut keinen Konflikt

Die grundlegenden Institutionen im Staate Deutschland werden mit Beginn der sog. Reformprozesse einer grundlegenden Wandlung unterzogen.: das Bildungswesen in Schulen und Hochschulen, das Gesundheitswesen. Auch die Kirche macht mit. Dabei zeigen sich nicht nur vielfältige Parallelen, sondern ein einheitliches Muster wird sichtbar, das mit dem Stichwort „Neue Steuerungsmodelle“ bezeichnet werden kann.

In einem ersten Beitrag in den Wort-Meldungen stellten wird das Organisationsmodell in wesentlichen Aspekten dar.

Zu den neuen Steuerungsmodellen zählen auch die Doppik (bzw. NKF). Im Thema des Monats Mai haben wir Für und Wider ausführlich diskutiert. Fazit: viel Aufwand, wenig Nutzen. Vgl. dazu den Artikel des wohl bekanntesten Forschers in dieser Sache, Prof. Bogumil, Bochum im Dt. Pfarrerblatt. Wir erinnern daran, dass der Bund sich im Jahr 2009 – mit Unterstützung des IWF – gegen die Doppik/NKF und für die erweiterte Kameralistik entschieden hat. Dass selbst der Bund solche Unterstützung bedurfte mag anzeigen, wie stark der Druck auf die öffentlichen Institutionen ist, dies Reformprogramm vollumfänglich umzusetzen. Allein der Bund hat widerstanden.

Wie die Rezeptur für die institutionelle Transformation aussieht, kann bspw. im Gesundheitswesen am System der Krankenkassen abgelesen werden. Anzumerken ist, dass auch die Krankenkassen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden wie die Kirchen. Es sind genau die Themen, die aus der kirchlichen Reformdebatte hinlänglich bekannt sind.

Die entsprechenden Regelungen finden sich in SGB IV.

Rechnungswesen:

Dort wird in § 69 für das Rechnungswesen die Einführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie Kosten- und Leistungsrechnung sowie Benchmarking festgelegt. (Anmerkung: das ist durchaus in vielen Fällen hilfreich. Quantitative dürfen aber nicht über qualitative Fragestellungen dominieren. Nebenbei: solche Berechnungen des internen Rechnungswesens sind auch mit der Kameralistik darstellbar. Dazu braucht es also nicht die Doppik/NKF!).

Personalwesen:

Der Personaleinsatz ist nach diesen Anordnungen zu überprüfen und zu begründen. Dazu sind „anerkannte Methoden der Bedarfsermittlung“ anzuwenden. Ob solche „anerkannten Methoden“ auch bei der Bedarfsermittlung für Pfarrstellen – und die entsprechenden massiven, den Rückgang der Mitgliederzahl weit überschreitenden Stellenkürzungen angewandt werden? Da bei einem Anteil der Pfarrgehälter von max. ca. 20% am Haushaltsvolumen finanzielle Argumente nicht ziehen, liegt dies nahe. Dann sollten diese „anerkannten“ Methoden aber offen kommuniziert werden.

Kapitaldeckung:

Ein spannendes Thema behandelt § 80 SGB IV. Dort geht es um die Bildung von Rücklagen. Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen? Finanzieren sich die gesetzlichen Kassen nicht über die Beiträge? Ist nicht die Beitragsanpassung das notorische und adäquate Mittel dieses Systems, Schwankungen des Finanzbedarfs auszugleichen? In § 80 heißt es: „Die Mittel des Versicherungsträgers sind so anzulegen und zu verwalten… , dass ein angemessener Ertrag und eine ausreichende Liquidität erzielt werden.“ Die Praxis der Rücklagenbildung der Kassen bedeutet in der Praxis (wie in allen Formen von Kapitaldeckungen): die Beiträge müssen heute erhöht werden (sonst gäbe es ja keine Mittel, die in die Rücklagen fließen könnten), damit mit den entsprechenden Anlagen in Zukunft Erträge erwirtschaftet werden. Dies soll dann eine Rücklage leisten, die nach § 83 in Wertpapieren oder Aktien zu erfolgen hat. Angaben über das Volumen solcher Rücklagen sind nicht bekannt. Von Interesse ist, dass „Anschaffung, Verkauf, Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren für andere…ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Sinne von § 1 KWG“ ist (wikipedia). Selbstredend sind die nicht kostenlos, vgl. z.B. die Angaben einer Bank. Die Banken sichern sich also bei der Rücklagenbildung durch den Zwang der Anlageform Wertpapier in Verbindung mit dem Zwang zur Rücklagenbildung einen eigenen Anteil an Provisionen, die für die Aufgabenerfüllung der Institution nicht mehr zur Verfügung stehen. Von der Reform der Altersversorgung in der Agenda 2010 ist dies System bekannt. Die Privatisierung führt zum Zwang von Anlagen, für die Provisionen für die Banken anfallen. Mittlerweile ist u.a. durch Studien wie die von Stiftung Warentest bekannt, wie wenig effizient diese Art von „abgesahnten“ Finanzierungssystemen ist. Kurz: die Wirksamkeit der jeweiligen Institution wird geschwächt.

Spannend wird die Sache dadurch, da die Rücklagenbildung als Finanzierungsinstrument bei den Krankenkassen eigentlich nicht nötig ist – die Stellschraube sind ja die Beiträge und ggf. deren Anpassung an einen veränderten Bedarf (s.o.) – darf auf ein wichtiges systembildendes Element der Reformprozesse geschlossen werden: die Finanzierungssysteme sind so zu gestalten, dass die Banken einen Anteil des Mittelflusses der in den Institutionen vorhandenen Mittel umgeleitet wird zu den Banken. Das mögen im Einzelfall nur wenige Prozentpunkte sein, in der Summe aller betroffenen Institutionen, dürften aber ansehnliche Beträge entstehen.

Nach diesem etwas ausholenden Vorspann kommen wir nun zur aktuellen Fragestellung kirchlichen Finanzmanagements. Auch hier konstatieren wir eine verstärkte Anlagenpolitik. Rückstellungen für Pensionen waren schon immer üblich. Dabei waren große Teile umlagenfinanziert über die BfA. In der EKHN bspw. von 1975 bis 2003. Auch andere Landeskirchen haben an dieser Mischfinanzierung partizipiert. Der Ausstieg führte in der EKHN Synode nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen, sondern auch zum „Ausstieg“ des damaligen Fraktionsvorsitzenden des Landtages (SPD) Armin Klauss aus der EKHN-Synode. Seither werden die Pensionsverpflichtungen der EKHN vollständig durch entsprechende Kapitalanlagen gedeckt. Das Ziel liegt dabei um bis zu 15% über dem finanzmathematisch erforderlichen Soll (also: 115%).

Seit Kurzem werden in den Landeskirchen aber auch Rücklagen für andere Versorgungsleistungen wie Beihilfen gebildet. Begründet wird dies meist mit den Anforderungen der Doppik. Da die Kirche aber nicht nach HGB, nach dem Handelsgesetzbuch bilanzieren muss, kann sie die Regeln der Bilanzierung letztlich frei handhaben. Mehr noch: sie kann auf die Doppik selbst verzichten! Dennoch kann und sollte sie – in vernünftigem Umfang – Rücklagen bilden. Und hat dies bislang auch ohne Doppik getan! Insoweit sind solche Begründungen also nur vorgeschoben. Mehr Transparenz wäre angebracht!

Wo liegt aktuell das Problem? Das Problem liegt schlicht in dem zu leistenden Kraftakt, Mittel in erforderlicher Höhe für eine Kapitaldeckung der Beihilfeleistungen bereitzustellen. Wo Zahlen vorliegen, in der Württembergischen und Bayerischen Landeskirche etwa, bewegen sich die Summen bei ca. 60 % eines Jahreshaushaltsvolumens oder dort bei 300 bis 400 Mio. €. In Verbindung mit Regelungen, die das ambitionierte Ziel als höchstes Ziel priorisieren, kommt es zu grotesken Situtationen, wie Hans-Jürgen Volk für die EKiR beschreibt: „Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.“

Aus Sicht der betreffenden Institution Kirche ist die Verfolgung dieses Ziels in mehrfacher Hinsicht fraglich:

  1. beim Volumen der Beihilfeleistungen handelt es sich um Beträge, die von der Größenordnung immer auch vom laufenden Haushalt (also dem System „umlagenbasiert“) bestritten werden können. Wenn dies einmal nicht mehr möglich sein sollte, ist die Kirche ohnehin am Ende.
  2. Die Etablierung des kapitalgedeckten Systems führt heute zu Einschnitten (und damit zu Konflikten etc.), führt also heute zu Wirkungsverlusten der Kirche, die aus unterschiedlichen Gründen morgen ganz heftig auf die Kirche zurückschlagen werden. Wir werden dies Thema in einer späteren Ausgabe der Wort-Meldungen ausführlich behandeln!
  3. Die Kapitaldeckung birgt hohe Risiken, die die zunehmenden Börsencrashs belegen. Verlierer beim Crash 2007 waren überwiegend die meisten deutschen Landesbanken oder Banken, die im Staats- und Infrastrukturbereich tätig waren wie die HRE oder die IKB-Bank. Die meisten Landesbanken wurden danach aufgelöst oder von anderen übernommen. Die (Schulden der) HRE wurden verstaatlicht. Das könnte ein warnendes Beispiel sein und zur Frage führen, wer wohl das nächste Opfer der „Greater Fools Theory“ wird? Opfer sind ja offensichtlich überwiegend staatliche oder quasi-staatliche Einrichtungen. Man darf fragen: wer werden beim nächsten Crash die Opfer unter den öffentlichen oder quasi- öffentlichen Institutionen sein?
  4. Kapitaldeckung funktioniert logischerweise nur dann, wenn (real) Zinsen erwirtschaftet werden. Momentan liegen die Zinssätze bei derlei Anlagen aber auf einem historischen Tiefpunkt. Die Erträge erzielen kaum den Inflationsausgleich. Lebensversicherungen senken die Auszahlungsgarantien. Stiftungen kommen in Nöte wegen unzureichender Stiftungserträge.

Immerhin könnten auch ein Argument für Anlagen sprechen. Denn die Frage lautet ja: wie geht es volkswirtschaftlich weiter? Kommt ein neuer Bullenmarkt? Oder stehen die Zeichen auf Bärenmarkt? Letzteres scheint ernst zu nehmenden Experten wie etwa Prof. Fredmund Malik nicht ausgeschlossen. Er führt aus: „In einem solchen Szenario würde nicht mit Wachstum und latenter Inflationsgefahr kalkuliert, sondern mit Schrumpfung und Deflation. Man würde mit steigenden Zinsen rechnen, weil man die Möglichkeiten der Notenbanken geringer gewichten würde als die Folgen reihenweise fallierender Obligationsschuldner“ (Malik, Management, S. 142f. Das entsprechende Kapitel 8, aus dem dies Zitat stammt, werden wir in einer der kommenden Ausgaben der Wort-Meldungen mit freundlichen Genehmigung des Autors einstellen). Selbst wenn der Fall eintrifft, wiegt dies Argument dennoch nicht so schwer wie all die anderen genannten.

Resumee: die neoliberalen Reformprozesse haben institutionenübergreifende, einheitliche Kennzeichen. Dazu gehört ein spezielles Organisationsmodell, dazu gehören neue Finanzsteuerungsinstrumente, dazu gehört eine reduktionistische Personalpolitik (Personalabbau), und dazu gehören kapitalgedeckte Finanzierungsformen. Von letzteren profitieren mit Sicherheit die Banken, weniger die Kunden. Jedenfalls in den bekannten Beispielen.

Kirche schwimmt im Strom dieser neoliberalen Reformprozesse. Dass dieser Weg falsch ist, erkennt man daran, dass es überall in der Kirche knirscht. Richtiges, professionelles Management erkennt man aber daran, das man es genauso wenig spürt „wie einen perfekt passenden Schuh.“ (Malik, Management, S.65).

Nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer, auch die Mitglieder der Kirche haben an die Kirche andere Erwartungen als die billige Kopie von Downsizing-Konzepten aus der Wirtschaft oder – mittlerweile – anderer Institutionen. Man lese dazu den folgenden Beitrag des Finanzkirchmeisters Schröder der EKiR.

Was wäre die Alternative für die Kirche? Die Alternative besteht darin, ein individuelles, auf die spezifische Lage der (protestantischen) Kirche zugeschnittenes Reformkonzept. Keine Einheitslösung für alle Institutionen, die nachträglich an individuelle Bedürfnisse angepasst wird. Das wäre so als, ob man beim Schuhkauf den Fuß an den Schuh anpasst. Das wäre ein schmerzhafter Prozess. Zeugen solcher schmerzhafter Prozesse sind wir gerade auch in der Kirche. Bei einer Fortsetzung droht der Fuß der Kirche verstümmelt zu werden, bis er in den Schuh „Neoliberales Reformkonzept“ endlich hineinpasst.  Nach 15 Jahren „Reformen“ wird es daher Zeit, innezuhalten. Es braucht ein Moratorium. Und es braucht eine ehrliche, schonungslose Bilanz. Danach muss man sich der Mühe unterziehen, ein eigenständiges kirchliches Reformkonzept zu entwickeln. Dazu nur wenige Leitgedanken: Reformen dürfen nicht wie bisher hauptsächlich an Finanzgrößen orientiert sein, sondern an den Menschen. In der Kirche geht nicht nur oder primär um Kapital. Es geht in der Kirche um die ‚3 K‘: es geht um Köpfe, Konzepte, Kapital – und zwar in dieser Reihenfolge. Dieses Managementkonzept der 3 K schafft Platz, es verlangt geradezu nach der Basis der Theologie. Denn der Mensch steht an erster Stelle. Management und Theologie passen dann, aber auch nur dann, wieder gut zusammen.

 

Friedhelm Schneider

Alternativen zum Top-down- Management

Prof. Fredmund Malik, Vertreter der St. Galler Schule, skizziert in einem Artikel im Dt. Pfarrerblatt einen alternativen, systemisch-kybernetischen Managementansatz.

Wirtschaft und Gesellschaft gehen durch eine der grössten Transformationen, die es in der Geschichte je gegeben hat. Was sich vollzieht, ist ein riesiger Paradigmenwechsel, der überaus riskante Turbulenzen mit sich bringt. Es ist nichts weniger als ein Übergang von einer Alten Welt zu einer Neuen Welt. Dieser Übergang wird tiefgreifende Veränderungen mit sich bringen in der Technologie und der Wissenschaft sowie in den sozialen Wertestrukturen der Menschen (insbesondere der jungen Generation), ihrer Weltperspektive und ihres Weltgefühls. Die »Große Transformation 21« verändert fundamental fast alles, was Menschen tun, warum sie es tun, und wie sie es tun…

In den Revolutionen, die die »Große Transformation 21« mit sich bringt, steckt das Potential der Zerstörungskraft einer sozialen Kernschmelze, gleichzeitig aber auch eines neuen Wirtschaftswunders und einer neuen, besseren Gesellschaftsordnung des humanen Funktionierens. Um diesen Übergang von der Alten zur Neuen Welt bewältigen zu können und die Ressourcen in die kritische Entscheidungszone zu bewegen ist ein revolutionär neues Management notwendig. Herkömmliche Mittel genügen nicht mehr, denn diese haben die heutige Weltkrisenlage maßgeblich herbeigeführt

Wenn wir hinkriegen würden, dass die Gesellschaft wieder zusammenwächst …

Holger Geschwindner war Trainer von Dirk Nowitzki, einem der prominentesten Basketballspieler weltweit. In seinem Sozialprojekt »BasKIDball« bringt der 67jährige auch heute noch Kindern Basketball bei. Sein Erfolgsrezept: neben den sportlichen Übungen auch den Intellekt trainieren, also lesen, Musik machen etc. Und den Kindern bei allen Problemen, die in ihrem Leben auftauchen, zur Seite stehen. Im Gespräch mit dem Deutschen Pfarrerblatt erklärt der Gründer des »Instituts für angewandten Unfug«, was die Kirche von seinem Ansatz lernen kann und was gutes Management mit Jazz zu tun hat.

Lesen Sie das vollständige Interview

 

Reformen – Plädoyer wider die Einheitslösungen

Wer sich die Reformdiskussionen in der EKD und ihren Landeskirchen anschaut, wird bemerken: Der Trend geht hin zu größeren Einheiten – bei Landeskirchen, Kirchenkreisen oder Dekanaten, in Gemeinden oder auch Verwaltungseinheiten und Einrichtungen. Größer, weiter, schneller, effizienter, komplexer, unübersichtlicher, zunehmend losgelöst von Menschen vor Ort – ein Muster, das alltäglich erlebbar ist in unserer Gesellschaft. Die Reformbemühungen innerhalb der rheinischen Kirche – so Ingrid Schneider – weisen ebensolche Tendenzen zu größeren Einheiten und übergeordneten Strukturen auf: ein Weg, der jedoch in die falsche Richtung weist.

von Ingrid Schneider