Schlagwort-Archive: Reformationsjubiläum

Kirchenspaltung beenden! „Leider verschweigt das Gemeinsame Wort den Stillstand der Amtskirchen in entscheidenden Fragen.“ Von Hans Küng.

01.03.2017, Publik-Forum

 

Wir ökumenisch engagierten Christen erwarten endlich Taten! Doch römische Absichtserklärungen und Vorschläge zur Buße und Versöhnung haben wir zu oft gehört. Wir ökumenisch engagierten Christen erwarten endlich Taten. Leider verschweigt das Gemeinsame Wort den Stillstand der Amtskirchen in entscheidenden Fragen und übergeht die praktizierte Ökumene, die in vielen evangelischen und katholischen Gemeinden und Gruppen schon lange gelebt wird. Für sie stellen die gegenseitige Anerkennung der Ämter und die eucharistische Gemeinschaft kein Problem mehr dar…  Mehr dazu.

Kulturelle Wirkungen der Reformation am Beispiel der Schweiz

03/2017

Kernaussagen des Kirchenbundes zur
kulturhistorischen Wirkung der Reformation

Schweizerischer Evangelischer Kirchenbund SEK

…Dieses kurze Dokument ist der Beitrag des Kirchenbundes zu dieser
Diskussion, die bei allen Gedenkfeiern zu «500 Jahre Reformation»
geführt werden wird. Im ersten Teil werden die typischen Merkmale
der Ideen der Reformation, die zu wichtigen Änderungen in der Geschichte
des Denkens sowie der Kultur- oder Sozialgeschichte beigetragen
haben, in Kernaussagen beschrieben. Im zweiten Teil wird dies
am Beispiel der Schweiz im Besonderen betrachtet. …

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Die Reformation ist keine Schuldgeschichte. Es gibt keine Erinnerung heute lebender Menschen, die geheilt werden müsste. Von Martin Schuck.

02/2017

Vor zehn Jahren wurde der Münchner Kirchenhistoriker Friedrich Wilhelm Graf im Interview mit der „Zeit“ gefragt, welcher Feiertag ihm lieber sei: Weihnachten oder der Reformationstag. Graf antwortete, der Philosoph Hegel habe seinen besten Rotwein nicht an Weihnachten, sondern am Reformationstag aufgemacht, und er könne das gut nachvollziehen. Immerhin sei das der Tag, an dem daran erinnert werde, dass „die eine autoritäre Kirche entmachtet wurde“. Negativ gesagt, so Graf, sei das der Beginn der Kirchenspaltung, positiv formuliert beginne hier jedoch die Pluralisierung des Christentums, „aus der viele Freiheiten der Moderne erwachsen“. Außerdem werde daran erinnert, dass sich ein einzelner Geistlicher gegen die fast allmächtige Institution der Papstkirche gestellt habe und religiöse Autonomie einklagte.
Es ist schade, dass nach einem Jahrzehnt intensiver Vorarbeit auf das Reformationsjubiläum am Ende nichts anderes steht als der Versuch, die vor einem halben Jahrtausend aufgebrochenen und in den Transformationsprozessen der Neuzeit sich weiterentwickelnden Differenzerfahrungen des Christentums aus dem individuellen und kollektiven Bewusstsein hinaustherapieren zu wollen. Aber ein ganzes Jahrzehnt lang die Reformation als Gründungsimpuls für die evangelischen Kirchen zu feiern, konnte schließlich nicht gut gehen. Von dem Zeitpunkt an, als die katholische Kirche auf Beteiligung drängte, wäre eine grundlegende Besinnung notwendig gewesen: Will man sich auf die katholische Logik einlassen, wonach eine einseitig positive Würdigung der Reformation unmöglich sei, weil die „Kirchenspaltung“ schließlich kein Grund zum Feiern ist? Folgt man dieser Logik, liegt es tatsächlich nahe, die Reformation als Schuldgeschichte zu betrachten.
Aber es wäre eben auch anders gegangen: Jenseits der üblich konsensökumenischen Gewohnheiten hätte auch eine Einladung an die katholische Kirche stehen können, ihrerseits mit den Protestanten zusammen darüber nachzudenken, welche Vorteile auch die katholische Kirche aus den durch die Reformation ausgelösten Modernisierungsprozessen ziehen konnte. Oder sehnt sich tatsächlich noch irgendein Katholik zurück nach der (katholischen) Einheitswelt des Mittelalters?
So aber müssen sich die Protestanten bei aller Vorfreude auf die großen Events eingestehen, dass sich in den theologischen Beiträgen und liturgischen Feiern die katholische Sicht durchgesetzt hat. Überdeutlich wird das in dem gemeinsamen Wort „Erinnerungen heilen – Jesus Christus bezeugen“. Als politisches Projekt zur Versöhnung der Menschen in Südafrika unmittelbar nach dem Ende der Apartheid und auch zur Beendigung des Bürgerkriegs in Nordirland war „Healing of Memories“ ein sinnvolles Konzept. Auch die kirchliche Erprobung in Rumänien, wo verschiedene konfessionell geprägte Volksgruppen nach dem Ende des Kommunismus sich gegenseitig die Schuld für Verfehlungen in der Zeit der Diktatur vorwarfen, führte zu einer sinnvollen Aufarbeitung der Schuld von Menschen, die danach versöhnt miteinander weiterleben konnten.
Diesen Ansatz auf lange zurückliegende geschichtliche Ereignisse übertragen zu wollen, ist aber fragwürdig, weil vorausgesetzt wird, dass die heute Lebenden Handlungen von vor 500 Jahren als schuldhaft bewerten, obwohl diese im Bewusstsein der damaligen Akteure völlig legal waren und den damals geltenden Normen entsprechend durchgeführt wurden. So etwas könnte man als Arroganz der Nachgeborenen bezeichnen.
Völlig unerträglich wird es dann, wenn die Autoren die vor 500 Jahren sehr intensiv geführten theologischen Debatten um die Wahrheit des Evangeliums banalisieren, indem sie diese nur von ihren späteren Folgen her bewerten. Wenn gesagt wird, der Papst und die Bischöfe hätten damals nicht die Kraft gehabt, die Vorgänge in Deutschland und der Schweiz „angemessen einzuschätzen und konstruktiv zu reagieren“, und auf der anderen Seite sei „der Eigensinn der reformatorischen Bewegung stärker ausgeprägt als der Wille zur Einheit“, dann erscheint die Reformation als Folge von Trägheit, Eitelkeit und anderen moralischen Defiziten. Die Schuldgeschichte beginnt dann nicht bei den Religionskriegen, sondern bei der menschlichen Haltung der Reformatoren, die für ihre Vorstellung von Wahrheit die Einheit der Kirche verantwortungslos aufs Spiel gesetzt hätten.
Am Ende bleibt die Erkenntnis: Wären die Theologen vor 500 Jahren so empathisch, klug und sensibel gewesen wie heutige Ökumeniker, dann hätte es keine Reformation, keine Kirchenspaltung und auch keine evangelischen Kirchen geben müssen, und die Einheit der abendländischen Christenheit unter dem Papst wäre erhalten geblieben. Das muss man als Protestant aber nicht unbedingt wollen.
Martin Schuck

Dr. Martin Schuck ist Verlagsleiter der Verlagshaus Speyer GmbH und Vorsitzender des Evangelischen Bundes Pfalz.

Getrübtes Urteilsvermögen. Das Reformationsjubiläum als Gradmesser einer theologischen Orientierungskrise. Von Prof. Ulrich H.J. Körtner

02.02.17, zeitzeichen

Der Kardinalfehler bestand darin, die Auswirkungen der reformatorischen Rechtfertigungslehre auf das Kirchenverständnis nicht mitzubedenken. „Das jedoch ist entscheidend“, wie Johann Hinrich Claussen, der Kulturbeauftragte der EKD, in seinem lesenswerten Buch „Reformation. Die 95 wichtigsten Fragen“ treffend bemerkt. „Denn epochal bedeutsam wurde Luthers Rechtfertigungslehre, weil sie den Grund für eine anders geartete Kirche legte.“
Friedrich Schleiermacher hat den Unterschied zwischen evangelischem und römisch-katholischem Kirchenbegriff so auf den Punkt gebracht: Während nach katholischer Lehre das Verhältnis der Glaubenden zu Christus abhängig von ihrem Verhältnis zur Kirche ist, macht der Protestantismus das Verhältnis des Einzelnen zur Kirche von seinem Verhältnis zu Christus abhängig. Diese Beschreibung des Gegensatzes hat ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren. Und weil das evangelische Kirchenverständnis mit dem römisch-katholischen nicht vereinbar ist, nimmt es nicht wunder, dass die Gemeinsame Erklärung ekklesiologisch – also in der dogmatischen Lehre von der Kirche – und kirchenpolitisch folgenlos geblieben ist…

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Toleranz und Gewalt. Über das Verhältnis von Religion und Politik. Eröffnungsrede von Bundestagspräsident Norbert Lammert Lessingtage 2017

Veröffentlicht am 30.01.2017
Das Reformationsjahr ist für Bundestagspräsident Norbert Lammert Anlass, über das Verhältnis von Religion und Politik nachzudenken – ein Thema, das nicht nur vor 500 Jahren aktuell war, sondern auch heute. Wie passen die Friedensbotschaften der Religionen mit der Gewalterfahrung zusammen? In der Menschheitsgeschichte gibt es zwei Zivilisationstechniken, die versuchen Gewalt zu domestizieren: Religion und Politik. Zugleich aber werden beide für die Eskalation von Gewalt verantwortlich gemacht. Dabei gibt es insbesondere in den Religionen einen schwer auflösbaren Widerspruch: Denn sie formulieren einen Wahrheitsanspruch, dem sie zumindest gegenüber den Gläubigen Geltung verschaffen wollen. Wie aber ist dies mit dem Toleranzverständnis vereinbar, das die modernen Zivilisationen bis heute prägt und für das Lessing in besonderer Weise steht?

Am 29. Januar 2017 im Thalia Theater. Zum Video.

Spektakulär: Luther-Stummfilm von 1927 erlebt Wiederaufführung in Berlin

27.01/2017, zeitzeichen, von Reinhard Mawick

…In der Tat nimmt es der Film mit der historischen Wahrheit nicht sehr genau, sie wird im Sinne eines Heldenepos zurechtgebogen. Und so kann man die Verstimmung der bayerischen Staatsregierung von 1927 durchaus verstehen, die sich laut Niederschrift der Oberprüfstelle wie folgt beklagt: „Die Art aber, wie in dem Filme die verfolgte Tendenz überspannt werde, sei mit Recht von Seiten der kath. Bevölkerung als verletzend bezeichnet worden und drücke dem Bildstreifen den Stempel der Einseitigkeit auf. Von der kath. Kirche würden nur ungünstige Darstellung gebracht, während Luther überall als Idealmensch erscheine.“ Dem ist aus heutiger Sicht nichts hinzuzufügen… Mehr dazu.

Drewermann: „Protestanten, nehmt euch wirklich ernst“. Eugen Drewermann im Gespräch mit Christiane Florin.

01/2016, DLF

Eugen Drewermann war Priester – bis ihm die katholische Kirche vor 25 Jahren die Lehr- und Predigtbefugnis entzog, 2005 trat er aus der Kirche aus. In seinem Buch „Luther wollte mehr“ beschäftigt er sich nun mit dem Reformator. Mit Blick auf die heutige Situation der evangelischen Kirche forderte er im DLF: „Protestanten, besinnt euch auf euch selbst!“

Zum Interview.