Archiv der Kategorie:
Grundfragen der (Wirtschafts-) Ethik

Information und Aufklärung: „durch ökonomische Zwänge verdummt“.

8. NOVEMBER 2016, von Oliver Tanzer, Agora 42

„…Kapital schafft Waffen, Waffen heizen den Krieg im Nahen Osten an, Kriege schaffen Flüchtlinge, Staaten bezahlen die Hilfe oder die Zäune, um sie abzuwehren, private Shareholder kassieren die Gewinne der Waffenkonzerne…“ Mehr dazu.

Geht auch: Nachhaltigkeit als Strategie. Die Marke Vaude.

5. Oktober 2016, SZ, Von Dagmar Deckstein
Gut für die Natur, gut fürs Geschäft – Vaude setzt voll auf Nachhaltigkeit.
Firmenchefin Antje von Dewitz führt den Outdoorausrüster Vaude auf besondere Weise. Und hätte dabei gern Nachahmer.
…Bis 2015, hatte sich die Jungunternehmerin vorgenommen, solle Vaude das nachhaltigste Unternehmen der Branche werden. „Ich habe mir gesagt: Machen wir’s ganz oder gar nicht? So haben wir beschlossen, wir setzen komplett auf Nachhaltigkeit.“ Das heißt, der gesamte Produktionsprozess wird kontrolliert und möglichst zertifiziert von unabhängigen Institutionen wie etwa Fair Wear. …

 

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Stop Bargeldverbot – Initiative mit kompetenten und illustren Unterstützern.

09/2016

»Ein vollelektronisches Geldsystem – völlig transparent, ohne jeglichen Schutz der Privatsphäre bei Transaktionen und mit dem ständigen Risiko einer Enteignung durch den Staat – bedeutet, dass Geld kein privates Eigentum mehr sein wird. Der Weg in die Hölle ist mit guten Absichten gepflastert.« Andreas Höfert, im Oktober 2015 verst. Chef-Ökonom der UBS
Es geht bei einer möglichen Bargeldabschaffung um Ihre Freiheit. Das wusste schon der russische Schriftsteller Fjodor Dostojewski: »Geld ist geprägte Freiheit.« So hieß es vor mehr als 150 Jahren in seinen Aufzeichnungen aus einem Totenhaus. Inländische Diktaturen wie der Nationalsozialismus oder die DDR verfügten längst nicht über die heutigen Techniken. Hitler, Stalin und Mao Tse Tung hätten sich sicher über bargeldloses Zahlen sehr gefreut. Diktatur wird damit billiger….

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„Zwar gibt es heute wohl niemand mehr, der nicht von Bewahrung der Schöpfung spricht. Sobald es aber konkret wird, scheut man die Konsequenzen.“ Dr. Anton Rotzetter, Institut für Theologische Zoologie

06/2016

In den letzten Jahrzehnten ist die Schöpfung immer mehr dem Absolutheitsanspruch der Ökonomie anheim gefallen. Alles wird zur Sache, die man beliebig gebraucht, zum Objekt, das man ausbeutet. Zwar gibt es heute wohl niemand mehr, der nicht von Bewahrung der Schöpfung spricht. Sobald es aber konkret wird, scheut man die Konsequenzen. Ich bin der Überzeugung, dass neben der Vergötterung der Mobilität die Ehrfurchtslosigkeit eine besondere Rolle spielt. Die Einstellung zum Auto und zum Tier ist eine Art Schnittstelle, an der der heutige Lebensstil, der weitgehend auf dem Prinzip der Ausbeutung und der Rücksichtslosigkeit aufbaut, eine revolutionäre Wende erfahren könnte – zu Gunsten von Lebensqualität, weltweiter Gerechtigkeit und umfassender Solidarität.

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Gierschutz statt Tierschutz. Urteil: Männliche Küken dürfen weiter getötet werden.

20. May 2016, SZ

Urteil: Männliche Küken dürfen weiter getötet werden

Münster (dpa) – Das Töten männlicher Küken direkt nach dem Schlüpfen verstößt nicht gegen das Tierschutzgesetz. Das hat das Oberverwaltungsgericht Münster entschieden und damit mehrere Urteile von Verwaltungsgerichten in NRW gegen einen Erlass der rot-grünen Landesregierung bestätigt.

Das Tierschutzgesetz erlaube das Töten von Tieren, wenn dafür ein vernünftiger Grund vorliege, hieß es in der Urteilsbegründung. Die Aufzucht der ausgebrüteten männlichen Küken sei für die Brütereien mit einem unverhältnismäßig großen Aufwand verbunden und deshalb keine Alternative. Revision ließ das OVG nicht zu…. Zum Artikel.

Dazu die Leserbriefe der SZ am -31. Mai 2016 veröffentlicht:
„… Ein ganz schwarzer Tag für die Moral in diesem Lande: Das Oberverwaltungsgericht Münster erachtet nach seinem jüngsten Urteil das Schreddern von Hähnchen als mit dem Tierschutzgesetz vereinbar. Demnach stelle das wirtschaftliche Interesse der Brütereien einen „vernünftigen Grund“ im Sinne von Paragraf 17 des Tierschutzgesetzes dar, die Tiere derart zu entsorgen. Diese Bestimmung stellt das Töten von Wirbeltieren ohne vernünftigen Grund unter Strafe. Das Gericht meint zudem, sein Urteil treffe keine Aussage über die Akzeptanz dieser Vorgehensweise in der Bevölkerung. Dieses Fehlurteil ist an Zynismus kaum zu überbieten…. Alle Leserbriefe.

„Vergessen Sie uns nicht, wenn Sie nach Deutschland zurückgehen – und hören Sie nicht auf, über die Situation in Fukushima zu sprechen!“

05/2016, Vortrag von Sabine Kluger (EMS) auf der Internationale Konferenz /International Conference 9.-11. 3. 2016 zu den Folgen der Fukushima-Katastophe in der Ev. Akademie Arnoldshain.

Die TEPCO-Atomkatastrophe von Fukushima Rev. Sabine Kluger (EMS/Protestant Church in Württemberg, Tokyo/Stuttgart)

Von März 2013 bis Februar 2016 war ich als Ökumenische Mitarbeiterin der EMS (Evangelische Mission in Solidarität – Evangelical Mission in Solidarity) in Japan tätig und arbeitete schwerpunktmäßig mit den Projektpartnern der EMS und des National Christian Council Japan (NCC-J) in Tohoku (Nord-Ost-Japan) zusammen, hauptsächlich in den Städten Fukushima und Sendai. Da dies mein erster Aufenthalt im Land war, kann ich nicht auf Erinnerungen aus der Zeit vor dem 11. März 2011 zurückgreifen. Doch mein Eindruck ist, dass sich Japan fünf Jahre danach noch nicht erholt hat, auch wenn viele Menschen in den nicht betroffenen Landesteilen gerne vergessen möchten…  Zum Vortrag.

Warum die Gier-Debatte falsch liegt. Sind „nur“ Menschen gierig oder Strukturen ungerecht? von Prof. em. Franz Segbers

05/2016, Ev. Aspekte

Offensichtlich unterstellte der Ermittler eine persönliche Verantwortung der leitenden Manager für die Finanzkrise. Auch die öffentliche Meinung hatte schnell eine individualistische Deutung der Finanzkrise gefunden: Das mag der Fall sein beim amerikanischen Investor Bernard Madoff, der durch betrügerische Finanzspekulationen einen Schaden von 50 Mrd. Dollar verursacht hatte. Nicht anders beim Chef der HSH Nordbank Dirk Jens Nonnenmacher. Die Strafkammer sah zwar alle Tatbestände der Untreue als erfüllt an, konnte aber keine „gravierende und evidente Pflichtverletzung“ erkennen. Gleichwohl belasten die Verluste der Bank die Landeshaushalte in Kiel und Hamburg mit ca. 15 Mrd. Euro. Doch die Neigung, die Krise durch Gier oder individuelles Fehlverhalten erklären zu können, zeugt von einer Blindheit gegenüber systemischen Risiken. Die Finanzkrise ist keine Folge individuellen Fehlverhaltens. Der Finanzkapitalismus ist strukturell sündhaft.

Die systemische Ursache der Finanzkrise besteht darin, dass allein die Renditen zum Maßstab für den wirtschaftlichen Erfolg geworden sind.

Was hat Vorrang – die Renditeansprüche der Kreditgeber oder das Leben der Menschen? …

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Geld und Charakter. Von Alexander Kluge

Stand: 11.3.2016, SWR2 Essay
Geld und Charakter, Von Alexander Kluge

Wie man in den Evangelien von Wundern spricht, erzählt man sich Geschichten von großen Reichtümern. Diesen Erzählungen liegt das Wissen um die Kapitalwirtschaft und das Bild von historisch geprägten Charaktertypen zugrunde. Entweder hockt der Krösus geizig auf seinem Reichtum, oder er gibt sich als Spieler, der bereit ist, alles zu verzocken, oder ihn treibt die Gier wie einen hormongesteuerten Investmentbanker.
Wie prägen und verändern sich Einstellungen zum Geld? Welchen Charaktertyp braucht die Kapitalwirtschaft heute? Und welche Rolle spielt Korruption? Der vielfach ausgezeichnete Filmemacher und Schriftsteller Alexander Kluge befragt den Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Joseph Vogl, den Soziologen Prof. Dr. Dirk Baecker und den investigativen Journalisten Hans Leyendecker. Mehr dazu.

Wirtschaften in einer endlichen Welt. Ethische und theologische Reflexionen. Von Jörg Herrmann, Direktor der Ev. Akademie der Nordkirche.

03/2016

* Vortrag im Rahmen des 48. Kolloquiums für norddeutsche Rotarierinnen und Rotarier unter dem Thema „Akzeptanzprobleme der Marktwirtschaft“ am 14./15. November 2015 im Haus Rissen in Hamburg
„Dem Eigennutz eine gemeinwohlverträgliche Gestalt“ geben, das ist ein zentrales Motiv evangelischer Ethik, das schon die Neuordnung der Wirtschaft nach dem Krieg mitgeprägt hat, ich meine das Konzept der sozialen Marktwirtschaft, das nicht zuletzt unter dem Einfluss der evangelischen Sozialethik und der katholischen Soziallehre entwickelt wurde. Dabei war die Vorstellung leitend, dass die Wirtschaft um des Menschen willen da ist und nicht umgekehrt. Als Zweck der Wirtschaft wurde nicht der Profit gesehen, sondern die Herstellung sinnvoller Güter und Dienstleistungen. Ein soziale Ausgleich durch das Steuersystem wurde für wichtig gehalten und klare Rahmenordnungen für die Märkte. Diese Grundorientierung ist verblasst. Der Soziologe Wolfgang Streeck beschreibt diese Entwicklung als eine „langgezogene Wende vom Sozialkapitalismus der Nachkriegszeit zum Neoliberalismus des beginnenden 21. Jahrhunderts“[25]. Die Stichworte lauten: Globalisierung, Liberalisierung, Deregulierung und Privatisierung. Ich denke, es ist nicht ganz abwegig, die wirtschaftlichen und sozialen Probleme, die uns gegenwärtig beschäftigen, nicht zuletzt als Folge der neoliberalen Transformation und der damit verbundenen Schwächung von Rahmenordnungen zu verstehen. Ich meine die Finanzkrise, die Wirtschaftskrise, die Euro-Schuldenkrise und die damit einhergehenden sozialen Verwerfungen in Europa wie u.a. die extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit in Südeuropa.
Durch die politischen Veränderungen seit 1989 sah sich die EKD herausgefordert, mit ihrer Denkschrift „Gemeinwohl und Eigennutz“ 1991 erstmals ausführlich an das Konzept der Sozialen Marktwirtschaft zu erinnern.[26] Die EKD hob dabei die Fähigkeit des Konzeptes hervor, wirtschaftliche Freiheit und sozialen Ausgleich zu integrieren. Deutlich kritischer gegenüber den neoliberalen Trends positionierte sich das 1997 veröffentlichte gemeinsame Wort von EKD und Deutscher Bischofskonferenz „Für eine Zukunft in Solidarität und Gerechtigkeit“.[27] Darin wird ausdrücklich davor gewarnt, die Wettbewerbsfähigkeit auf Kosten der sozialen Sicherung zu stärken. Das war eine deutliche Absage an ein neoliberales Verständnis von Marktwirtschaft

Das die katholische Kirche die Wirtschaftsentwicklung gelegentlich kritischer beurteilt, wurde dann wenige Jahre später überdeutlich. Am 24. November 2013 veröffentlichte Papst Franziskus sein erstes apostolisches Schreiben unter der Überschrift „Evangelii gaudium“.[38] Darin findet sich der Spitzensatz: „Diese Wirtschaft tötet.“[39] Marc Beise kommentiert in der Süddeutschen Zeitung: „Drei Wörter: ‚Diese Wirtschaft tötet‘, härter geht das nicht. Falscher auch nicht.“[40] Ist der Papst von allen guten Geistern verlassen? Bemerkenswert ist zunächst, dass der Ökumenische Rat der Kirchen die Lage nicht viel anders beurteilt. Etwa zeitgleich im Winter 2013 verabschiedete der Ökumenische Rat auf seiner zehnten Vollversammlung in Busan/Süd­korea ein Dokument, in dem es heißt: „Unsere ganze derzeitige globale Realität ist so voll Tod und Zerstörung, dass wir keine nennenswerte Zukunft haben werden, wenn das vorherrschende Entwicklungsmodell nicht radikal umgewandelt wird und Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit zur treibenden Kraft für die Wirtschaft, die Gesellschaft und die Erde werden.“[41]… Zum Vortrag.

„Brauchbare Illegalität“ – Über das Verschwinden der Moral aus Wissenschaft und Wirtschaft

27. November 2015, von Götz Eisenberg

Die Sendung Kulturzeit des Senders 3sat befragte am 3. November 2015 den Bielefelder Organisationssoziologen Stefan Kühl zu den Korruptionsskandalen der letzten Zeit. Seine Antworten haben Götz Eisenberg[*] zu einem Kommentar veranlasst.

Die Moderatorin fragt Herrn Kühl, was seine Wissenschaft zu den Vorwürfen gegen den DFB und gegen den Volkswagenkonzern, die Weltmeisterschaft im eigenen Land gekauft beziehungsweise die Abgaswerte manipuliert zu haben, zu sagen habe. Regelverstöße, sagt Herr Kühl seien in Firmen und Organisationen normal und nötig, „um flexibel auf Marktanforderungen reagieren zu können“. Unternehmen seien so gesehen „professionelle Heuchler“. Kühl nennt diese Verhaltensweisen im Anschluss an seinen Lehrmeister  „Niklas Luhmann „brauchbare Illegalität“. Diese garantiere wirtschaftlichen Erfolg, und keine Firma oder Organisation könne auf solche Praktiken verzichten.

Man findet Psychopathen in Spitzenpositionen von Gesellschaft, Industrie und Banken. „Gerade moderne Unternehmen mit ihren sich rasch wandelnden Strukturen stellen den idealen Nährboden für psychopathische Aufsteiger dar“, schreibt der britische Psychologe Kevin Dutton….

Was für ein Begriff: „brauchbare Illegalität“? Er unterstellt das Recht der Brauchbarkeit und Nützlichkeit. Die Erfüllung von Normforderungen wird auf jenes Minimum reduziert, das einen gerade noch vor strafrechtlicher Verfolgung schützt. Kant würde sich angesichts solcher Thesen im Grabe herumdrehen. In seinem Denken war es so: Wenn die Menschen mit dem Sittengesetz und seinem kategorischen Imperativ nichts anfangen können, wenn ihr alltägliches Handeln mit dem Sittengesetz wenig zu tun hat, dann spricht das gegen das, was sie tun, nicht gegen das, was geschehen sollte. Es ist nicht das Sittengesetz, das es zu ändern gilt…

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