Archiv der Kategorie:
Rezensionen

Das virtuelle Schlachtfeld. Computerspiele im Zeitalter eines neuen Militarismus (Rezension)

22.05.2014: Michael Schulze von Glaßer, (2014): Das virtuelle Schlachtfeld. Videospiele, Militär und Rüstungsindustrie. Köln: PapyRossa.

Der Gamer und Friedensaktivist Michael Schulze von Glaßer, der für die Informationsstelle Militarisierung in Tübingen regelmäßig Videospiele analysiert, hat ein weiteres wichtiges Buch verfasst. Diesmal zum Themenfeld virtueller Spiele und Ankoppelung an Militär- und Kriegsrhetorik. Sich nicht auf die verengte Debatte über Gewalt in Computerspielen einlassend, geht er der Frage nach, wie die Konzeption einiger Spiele die neokonservative Politik der NATO-Staaten widerspiegelt bzw. propagiert…

Lesenswert ist auch die Erörterung Schulze von Glaßers am Schlussdes Buches, welche Spiele denn realistische Alternativen bieten könnten. Einfach ist diese Kategorie nicht zu erfassen, wie die Flops etlicher sog. Serious Games belegen. Zur Rezension.

Jeremy Rifkin und der Niedergang des Kapitalismus. Ein Kommentar zum neunen Werk des Autors von Albrecht Müller.

Jeremy Rifkin ist wieder einmal auf der Bühne – mit einem neuen Buch, ein bewundernswerter Scharlatan
Ich bekenne freimütig, dass ich schon einmal ein Buch dieses Autors zu lesen versucht habe: „Das Ende der Arbeit“. Jetzt ist „Die Null-Grenzkosten-Gesellschaft: Das Internet der Dinge, kollaboratives Gemeingut und der Rückzug des Kapitalismus“ auf dem Markt.

Mit dem „Ende der Arbeit“ habe ich mir vor einigen Jahren einen Nachmittag meines Urlaubs verdorben, weil der Versuch des Autors, seine steile These mithilfe einer Abfolge von Assoziationen zu begründen auf den Nerv ging.

Kaum ist bestätigt, dass die Arbeit entgegen seiner Prognose nicht ausgegangen ist und Deutschland zum Beispiel seinen industriellen Kern behalten hat, da kommt der Autor Rifkin mit einem neuen Roman und mit einer grandiosen, bewundernswerten Öffentlichkeitsarbeit. So zum Beispiel eine ganze Seite in der FAZ:

Der Ökonom Jeremy Rifkin liebt große Thesen, jetzt verkündet er den Niedergang des Kapitalismus und … Lesen Sie den vollständigen Kommentar und Punkt 5.

Seismograf seiner Epoche. Kurt Martis Essays für die Zeitschrift «Reformatio» sind in der Schweizer Literatur einzigartig.

Nicht mehr ganz aktuell, aber bedeutend: 21. Februar 2010, von Manfred Papst

Vor uns liegt ein Buch, das aussieht wie eine Bibel oder ein umfängliches Brevier: 1422 Seiten, Dünndruck, schwarzer Einband, gerundete Ecken, drei Lesebändchen. Es enthält sämtliche «Notizen und Details», die der Berner Schriftsteller und Pfarrer Kurt Marti in den Jahren 1964 bis 2007 für die Zeitschrift «Reformatio» verfasst hat. Die Edition ist ein verlegerisches Wagnis, das man kaum genug loben kann. Denn in jedem dieser über 250 Texte, deren Rubrikentitel auf Ludwig Hohls «Nuancen und Details» anspielt, erweist sich der Autor als unbestechlicher Seismograf seiner Zeit. Jede einzelne dieser Glossen und Betrachtungen, jeder einzelne dieser Essays und Aphorismen ist lesenswert. In ihrer Summe aber bilden sie ein Zeugnis, das in der Schweizer Literatur nach 1945 seinesgleichen nicht hat: 44 Jahre hellwacher Zeitzeugenschaft!

Beeindruckend ist die Vielfalt von Martis Themen: Er spricht von Theologie und Literatur, Philosophie und Ökologie, Politik und Gesellschaft. In seiner ersten Glosse geht es um fromme Schnulzen, Stadtplanung und den windigen Bestsellerautor Paul Carrell; seine letzte handelt von Eventkultur, dem Verhältnis von Glauben und Vernunft und zwei Arten von Fundamentalismus. Marti argumentiert kompetent, aber ohne Allüre. Sein Stil ist glasklar. Er ist aufmerksamer Beobachter und unerschrockener Denker, Aufklärer und Gottesmann zugleich. Zur Rezension in der NZZ.

Der Zwerg reinigt den Kittel – Rezension

Der Zwerg reinigt den Kittel, Roman von Anita Augustin

„Sitzen vier Omas im Knast. Klingt wie ein Witz, aber Humor haben die Damen gerade keinen, dafür ein Problem. Schwere Körperverletzung, wahrscheinlich mit Todesfolge. Ursprünglich war das anders gedacht: Ferien für immer im Altenheim. Die Idee war gut, die Wirklichkeit nicht so. Club Tropicana hat zwar keine erwartet, aber diese Endlagerstätte für senile Altlasten auch nicht: talentfreie Zivis, verrückte Mitinsassen, sadistische Oberschwestern – irgendwann reicht’s. Die vier Alten schlagen zurück, und das klingt schon wieder wie ein Witz, ist aber keiner. Ein böser Spaß für alle, denen „Einer flog übers Kuckucksnest“ eine Spur zu sozialromantisch war.“ (Klappentext)
Rezensionsnotiz zu einer Rezension von Sabine Vogel in der Frankfurter Rundschau, 25.08.2012:
Rezensentin Sabine Vogel hat ihre helle Freude an Anita Augustins „furiosem Debütroman“, in dem ein paar Renterinnen beschließen, Demenz vorzugaukeln, ins Altenheim zu ziehen und damit auf Krankenkassenkosten Vollverpflegung zu genießen. Doch der Plan hat seine Tücken und bietet damit Anlass zu zahlreichen „Kalauerkanonaden“, nach denen sich Vogel genauso die Finger leckt wie nach den fantasievollen und schwarzhumorigen Metaphern, mit denen die Autorin höchst anschaulich den körperlichen Verfall im Alter vor Augen führt. Ähnlich begeistert ist die Rezensentin von einem (nicht näher beschriebenen) doppelten Boden in der Geschichte, der diese schließlich in die Nähe der „Entsorgungsvision“ des Science-Fiction-Klassikers „Soylent Green“ rücke. Rundum beglückt resümiert Vogel die Lektüre: „Grandios!“

“Sapere aude! Warum wir eine neue Aufklärung brauchen” – Rezension eines Buchs von Heiner Geißler

Heiner Geißler, Sapere aude„Wage zu denken“ war der Leitspruch des deutschen Philosophen Immanuel Kant, mit dem er 1784 für die Aufklärung warb. Aufbrechen sollten die Menschen aus ihrer Unmündigkeit und Hörigkeit gegenüber den Obrigkeiten des Absolutismus.

Heute, so Heiner Geißler in seinem neuen Buch Sapere aude (auch erhältlich in der Print-Ausgabe), leiden die Menschen unter einem neuen Absolutismus, dem der Ökonomie und dem religiösen Fundamentalismus des Islam und der katholischen Kirche. Und sie verhalten sich ähnlich unmündig diesen Tendenzen gegenüber… Mehr dazu.

Palästina: Reisen zu den Menschen

Ein Reiseführer in die Westbank einschließlich Ostjerusalem

Der Autor Burghard Bock ist von Hause aus Theologe. Diese Sicht kommt in seinen Reiseführern immer wieder zum Vorschein. So auch in diesem:

“Endlich, endlich kann ich all die Reiseführer wegwerfen, die Palästina nur als unbeholfen zusammengestoppelten Anhang enthalten”, schrieb ein Autorenkollege begeistert. Gemeint war der im November 2011 erschienene Titel “Palestine” des britischen Reisebuchverlags Bradt Travel Guides, geschrieben von Sarah Irving. Fast zeitgleich widmet auch der erste deutsche Reiseverlag dem Thema Palästina – gemeint ist die Westbank einschließlich Ostjerusalem – einen eigenen Reiseführer. Das ist – im politisch hoch-explosiven Kontext des Nahost-Konflikts – kein leichtes Unterfangen. Zur Rezension.

Burghard Bock, Wil Tondok: Palästina – Reisen zu den Menschen, Reise Know-How Verlag, München 2011, 244 Seiten, EUR 10,00,

Friedrich Voßkühler: Etwas fehlt! Bildung zwischen persönlicher Sinnsuche und […] (Rezension)

Das vorliegende Buch befasst sich mit dem Bildungsbegriff. Diesem Bildungsbegriff mangelt es an etwas, und das, woran es ihm mangelt, ist nichts Geringeres als der Sinn. Wenn in diesen Tagen von notwendigen Bildungsreformen die Rede ist, handelt es sich um die Reform einer sinnlosen bzw. sinnentleerten Bildung. Eine solche Reform füllt die Leere nicht aus, und der Grund, warum das nicht der Fall ist, liegt schlicht und ergreifend darin, dass die Leere nicht in den Blick gerät. Das aber ändert nichts daran, das etwas fehlt. Der Autor von „Etwas fehlt! Bildung zwischen persönlicher Sinnsuche und sozialer Emanzipation“ nimmt sich dieser Leere im Bildungsbegriff an, er durchdenkt sie und beleuchtet sie aus ganz unterschiedlichen Perspektiven. Die rund 190 Seiten stellen dabei nicht nur eine Kritik der Bildung, sondern auch eine radikale Gesellschaftskritik dar, in der eine solche sinnentleerte Bildung stattfinden kann. zur Quelle.
zum Autor: Friedrich Voßkühler war über dreißig Jahre lang Gymnasiallehrer in den Fächern Deutsch, Biologie, Ethik und Philosophie. Er ist nach wie vor als außerplanmäßiger Professor für Philosophie an der TU Darmstadt tätig.

Kritisches zu Biografien über Willi Brandt anläßlich des 100. Geburtstags am 18.12.2013

…Im Vorfeld des Jubiläums sind einige Bücher und in letzter Zeit dann in einigen Medien frühe Geburtstagswürdigungen erschienen. Einige Medienprodukte sind informativ und gut aufgemacht, teils mit Schwächen, fast schon mit systematischen Schwächen, die sich daraus ergeben, dass Historiker und andere geschichtsschreibende Personen allzu oft nur in Variation wiedergeben, was vorher von anderen geschrieben worden ist. Das wäre nicht besonders schlimm, wenn die historischen Werke nicht eine Schlagseite hätten, die unter anderem daraus folgt, dass Brandt schon seit 21 Jahren tot ist, während andere damals Beteiligte bei der Geschichtsschreibung in eigener Sache mitwirken können. Brandt kann das nicht.

Willy Brandt hat nur viereinhalb Jahre als Bundeskanzler regiert. Den Aufstieg zum Kanzler habe ich als Redenschreiber von Bundeswirtschaftsminister Karl Schiller und dann als Brandts Wahlkampfmanager miterlebt, den Niedergang dann als Leiter der Planungsabteilung im Bundeskanzleramt. Was heute darüber geschrieben wird, ist in wichtigen Teilen nicht richtig. Als im Spätsommer 2013 erkennbar wurde, dass auch die Geburtstagswürdigungen manche Schlagseite haben werden, habe ich mich aufgemacht, über die „Treibjagd auf den Hoffnungsträger“ Willy Brandt zu schreiben…
In der Berichterstattung zu diesen Vorgängen wird bisher nicht Klartext geredet. Die Zumutungen und Ungeheuerlichkeiten werden wie normale Ereignisse behandelt. In vieler Hinsicht Ausnahmen von der Regel sind die neuen Bücher von Egon Bahr und Peter Brandt… Lesen Sie mehr.

Empfehlung. Dazu von einem engsten Vertrauten und Wahlkampfleiter 1972, Albrecht Müller: „Brandt aktuell. Treibjagd auf einen Hoffnungsträger“, 160 Seiten, mit zahlreichen Abbildungen, 12,99 Euro, Westend Verlag, 10. Dezember 2013

 

Der Gottkonzern – eine Rezension

Amerikas Intellektuelle warnen vor der wachsenden Macht des Silicon Valley. Doch niemand beschreibt die Zukunft so düster wie Dave Eggers. In “The Circle” geht es um ein Giga-Google, das die Geschäftsfelder von Twitter, Facebook und PayPal schluckt und die Totalkontrolle über das Leben und Denken der Menschheit erringt. Ein beklemmender Roman über eine Zukunft, die in Sichtweite zu sein scheint. Zum Artikel.

Peter Ensikat, Dieter Hildebrandt: Wie haben wir gelacht – eine Buchbesprechung als hommage an den Verstorbenen

Dieter Hildebrandt und Peter Ensikat gelten mit Fug und Recht als die einflussreichsten Kabarettisten der Gegenwart. Für dieses Buch haben die beiden Bühnen- und Lebensprofis einen ganz und gar unernsten Streifzug durch mehr als ein halbes Jahrhundert Lach- und Sachgeschichte in Deutschland unternommen. Als Begründer der Lach- und Schießgesellschaft und jahrzehntelanger Kopf der Sendung „Scheibenwischer“ hat Dieter Hildebrandt Zensur und politische Einflussnahme ebenso erlebt wie Peter Ensikat als der meistgespielte Kabarett-Autor der DDR. Auf ihren Reisen in den jeweils anderen Teil Deutschlands konnten beide erfahren, wie das Publikum auf Witze, made in West bzw. East Germany, reagierte und die Frage, ob Franz Josef Strauß besser zu karikieren war als Walter Ulbricht, ist auch noch ungeklärt. Deshalb haben Ensikat und Hildebrandt für dieses Buch einander von ihren Lebens- und Bühnen-Erfahrungen erzählt und die ultimativen Ossi- bzw. Wessiwitze ausgetauscht. Mehr zum Buch.