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Migration

Am Fuße der Festung. Rezension des Buchs von Johannes Bühler zu Flüchtlingsschicksalen.

10/2015

Mit den einprägsamen Schilderungen der fünfzehn Einzelschicksale legt der junge Autor die individuellen Tragödien des europäischen Grenzregimes offen, die in der hiesigen Berichterstattung fehlen.  Johanna Bröse auf «kritisch-lesen.de»

Am Fuße der Festung

Während Meldungen über Ertrunkene vor der Küste Italiens, überforderte Kommunen und Asylsuchende im Hungerstreik nahezu täglich in den Medien erscheinen und Staat und Gesellschaft vor große Probleme stellen, geraten die Einzelschicksale der Flüchtlinge dahinter oft in Vergessenheit.
«Am Fuße der Festung» lässt dieses Vergessen nicht zu. Johannes Bühler hat, fernab von Statistiken und politischen Talkshows, die Routen der Migranten bereist, sie begleitet und sich ihre Geschichten erzählen lassen…. Zur Rezension.
Bühler, Johannes:
Am Fuße der Festung
Begegnungen vor Europas Grenze
1. Auflage 2015:

Flüchtlinge: Der inszenierte Notstand. Von Marei Pelzer.

09/2015, Marei Pelzer, Blätter für deutsche und internationale Politik.

Es sind erschreckende Bilder: Unter stechender Sonne hausen in Dresden und Berlin zahlreiche Flüchtlinge in Zeltstädten oder unter offenem Himmel. Die Bundeshauptstadt sorgt mit meist nicht einlösbaren Hostelgutscheinen gar für Obdachlosigkeit unter den Schutzsuchenden. Ein ähnliches Schicksal ist in Bayern im vergangenen Herbst sogar Kindern widerfahren, die ohne Decken im Freien übernachten mussten.[1] In der öffentlichen Wahrnehmung erscheinen die Flüchtlinge dadurch als Problem: Die Neuankömmlinge, so wirkt es, überfordern ob ihrer Menge die Zuständigen von der Kommune bis zum Bund. Und tatsächlich erleben wir derzeit die weltweit größte Fluchtbewegung seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Allein für Deutschland rechnet die Bundesregierung in diesem Jahr inzwischen mit 750 000 neu einreisenden Asylsuchenden, nachdem sie lange von viel weniger ausging….

Der Beitrag.

 

Entwicklungsminister Gerd Müller und Innenminister Thomas de Maizière mit Appell “Europa darf nicht wegschauen, wenn Flüchtlinge an seinen Außengrenzen ertrinken” beim Kirchentag überrascht

Veröffentlicht am 16.06.2015
Beim Kirchentag haben wir Entwicklungsminister Gerd Müller und Innenminister Thomas de Maizière überrascht: Mit einer Protest-Aktion und einer Resolution, hinter die sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer einer Veranstaltung des Kirchentages bei einer Abstimmung geschlossen stellten. Beide Mitglieder des Bundestages konnten so nicht anders als die 176.000 Unterschriften unter dem Appell “Europa darf nicht wegschauen, wenn Flüchtlinge an seinen Außengrenzen ertrinken” entgegenzunehmen. Unterzeichnen:

Zum video bei youtube.

 

Hilferuf aus dem Kirchenkreis Berlin Stadtmitte: Notunterkünfte für eine Gruppe von obdach- und mittellosen Flüchtlingen in Gemeinden gesucht!

18.06.2015, Pfarrrverein EKBO
Tausende Menschen haben die Flucht übers Mittelmeer vom afrikanischen Kontinent aus nach Europa nicht überlebt. Doch auch für diejenigen, die ihr Leben retten konnten, gibt es nur selten eine Zukunft. Als Kirchenkreis Berlin Stadtmitte übernehmen wir seit September 2014 die Verantwortung für eine Gruppe von etwa 120 Flüchtlingen, die durch die Unterstützung von Kirchenkreisen und Gemeinden ein temporäres Obdach gefunden haben. Sie stehen stellvertretend für all die vielen Hunderte Und Tausende, die zwar überlebt haben, für die sich aber dennoch keine erkennbare Zukunftsperspektive abzeichnet…  Mehr dazu.

Ein Dorf in Österreich steht auf gegen Abschiebungen

11.05.2015

In der österreichischen Gemeinde Alberschwende wird seit Wochen für den Verbleib von Flüchtlingen gekämpft. Fünf Syrer sollen über das Dublin-III-Abkommen nach Ungarn abgeschoben werden. Dort warten menschenunwürdige Bedingungen auf sie – Obdachlosigkeit, Haft, rassistische Übergriffe. Mit der Aktion »Wir sind Asyl« wird seit Wochen dagegen protestiert. Ganz vorne dabei: Bürgermeisterin Angelika Schwarzmann. Als am Montag die Flüchtlingsunterkunft von der Polizei umstellt wurde um einen Syrer abzuschieben, »eilte die Bürgermeisterin sofort zum Asylheim und alarmierte dabei noch über eine Telefonkette rund 150 Unterstützer der Aktion«, berichten die Voralberger Nachrichten. Die Abschiebung scheiterte, da der Flüchtling nicht aufzufinden war. … Mehr dazu.

Der große Unterschied zwischen den geschätzten und realen Muslimen

Ausgerechnet dort, wo es kaum Muslime in Deutschland gibt erreicht die PEGIDA mit ihren geschürten Ängsten die größten Erfolge. Europaweit wird die Anzahl der Muslime jedoch von der Bevölkerung viel höher eingeschätzt als sie es tatsächlich sind. Spitzenreiter ist Frankreich. Einen Bevölkerungsanteil von 8% schätzen die meisten auf 31%. In Deutschland ist der Unterschied weniger groß. Hier vermuten die Bürger 19% Muslime statt der realen 6%.

In fast jedem Land wird hingegen der Anteil der Christen kleiner als die Realität geschätzt. (Quelle FAZ)

Bestätigen die eigenen Verfallstheorien der Kirchen auch die DemonstrantInnen von PEGIDA?

Grundrechte nur für Deutsche? Wie Flüchtlinge systematisch von gesellschaftlicher Teilhabe ausgeschlossen werden. Von Prof. Dr. Wolf-Dieter Just

… Wenn in Libyen Menschen gegen Gaddafi aufstehen, steigt an der Tankstelle um die Ecke der Spritpreis rasant an! Wir alle wissen: Zentrale Probleme der Menschheit wie Armut und Ernährung, Klimaschutz und Friedenssicherung, können nur noch auf globaler Ebene gelöst werden, durch gemeinsame Initiativen aller Staaten, durch Zusammenarbeit im „Geiste der Brüderlichkeit“. Zu diesen globalen Herausforderungen gehört aber auch das Weltflüchtlingsproblem. Wie kleinlich wirkt da das gegenwärtige Geschachere in der EU um Flüchtlinge aus Tunesien, Ägypten und bald Libyen – wie ein Land dem anderen vorrechnet, wie viele Flüchtlinge man schon aufgenommen hat, im Gegensatz zum Nachbarn. In Lampedusa sind 6.000 Flüchtlinge angekommen. Ägypten und Tunesien haben derzeit 180000 Flüchtlinge aus Libyen zu verkraften! Wer spricht darüber? – Derzeit liegt Deutschland im Europäischen Vergleich an 18. Stelle bei den Asylbewerberzugängen (0,3 % Antragsteller pro 1.000 Einwohner) – weit hinter den süd- und nordeuropäischen Ländern, aber auch hinter Frankreich und GB. Anstatt zu jubeln, dass in der arabischen Welt heute unsere Werte von Demokratie und Menschenrechten zu historischen Umwälzungen führen, ist man nur besorgt: Was bedeuten diese Veränderungen für unsere Versorgung mit Öl? Wer wird uns künftig die Flüchtlinge vom Hals halten,wenn Gaddafi weg ist? Ungenierter als bisher ertönt der Ruf nach mehr Frontex, mehr militärischer Abwehr von Flüchtlingen und mehr „Festung Europa“. Offenbar geht es uns weniger um unsere Werte von Demokratie und Menschenrechten, sondern nur um die Wohlstandssicherung um fast jeden Preis.
2. Die „Festung Europa“ (Folie
Was ist eigentlich mit der Rede von der „Festung Europa“ gemeint? Dahinter stecken drei unterschiedliche Strategien der Flüchtlingsabwehr.
1.
Zum einen wird die illegale Zuwanderung an den Außengrenzen der EU bekämpft – u.z. mit bewaffneten Grenzschützern der Nationalstaaten und mit „Frontex“, der europäischen Agentur zum Schutz der Außengrenzen, ausgerüstet mit Hubschraubern, Flugzeugen, Kriegsschiffen, Satelliten gestützter Luftaufklärung, modernster Wärmebild-Technik etc. Besonders bedenklich: Die Operationen von Frontext unterliegen keiner parlamentarischen Kontrolle, die Verantwortlichkeiten – gerade auch im Blick auf Menschenrechte – liegen in einer Grauzone.
2.
Wirksamer noch als Grenzzäune und Frontex sind allerdings die Zäune aus Paragraphen, mit denen illegale Einwanderung abgewehrt wird. Das Asylrecht wurde in den letzten Jahren EU-weit immer stärker eingeschränkt – einmal durch eine enge Definition des Begriffs der „politischen Verfolgung“; zum anderen durch Blockaden des Zugangs zu einem Asylverfahren: dazu gehören insbesondere Drittstaatenregelungen, das Konzept sogenannter „sicherer Herkunftsländer“, die Dublin II –Regelung (s.u.) und der Visumzwang. Die Einschränkungen des Asylrechts in Deutschland durch den sog. Asylkompromiss von 93 wurden weithin „europäisiert“. Auch in der EU wird nun formal am Asylrecht festgehalten, seine Inanspruchnahme aber nahezu unmöglich gemacht. Nach der Dublin II-Verordnung ist jeweils nur ein Staat für das Asylverfahren eines Flüchtlings zuständig – in der Regel der Staat, über den der Flüchtling zuerst in die EU eingereist ist – was zu einer Überforderung der Staaten an den südlichen und östlichen Außengrenzen führt und diese veranlasst, immer rigoroser gegen Flüchtlinge vorzugehen. Katastrophal ist die Lage derzeit in Griechenland, so dass entgegen der Dublin II-Verordnung der Bundesinnenminister sich gezwungen sah, einen einjähriger Abschiebestopp zu erlassen.
3. Eine dritte Strategie der Flüchtlingsabwehr besteht in abschreckenden Lebensbedingungen für die Flüchtlinge, die sich in Europa bereits aufhalten – in Deutschland z.B. durch Lagerunterbringung, Arbeitsverbote, Einschränkungen der Freizügigkeit (Residenzpflicht), das Asylbewerberleistungsgesetz, das Leistungen weit unter Sozialhilfeniveau (ca. 1/3 weniger) vorsieht, die zudem vorrangig in Sachleistungen anstatt Bargeld gewährt werden sollen. Außerdem wird Krankenhilfe nur noch „zur Behandlung akuter Erkrankungen und Schmerzzustände“ geleistet (AsylbLG § 4). Das soll sich in d in den Herkunftsregionen herumsprechen und jeden Anreiz zur Flucht im Keim ersticken. Zum Text des Vortrags.

„Fremd“ – ein Film von Miriam Faßbender über Flüchtlinge von Afrika nach Europa.

Statement der Regisseurin:
„Je näher ich die jungen Männer und Frauen auf ihrer Odyssee vor Europa kennenlernte, desto dringender verspürte ich den Wunsch Ihnen – die in unsrer politischen Sprache meistens nur als anonyme Masse auftauchen, vor der es sich zu schützen gilt – ein Gesicht zu verleihen. Ich will sie in „Fremd“ als Individuen wahrnehmbar werden lassen und ihnen die Möglichkeit geben für sich selbst zu sprechen…“

„Fremd“ beschreibt den von der Not diktierten Aufbruch eines jungen Maliers nach Europa. Seit zweieinhalb Jahren ist er unterwegs in eine Welt, in der er nie leben wollte. Der Film sucht die Beweggründe für diese Flucht und gewährt Einblick in die Lebensumstände und den zermürbenden Alltag von Migranten auf ihrem Weg vom subsaharischen Afrika über Algerien und Marokko nach Europa. Er zeigt ihr Leben, das geprägt ist von Hetze und Hoffnung, Flucht und Stillstand. Vom Leben als jahrelanger Reisender und vom Überleben in der Fremde. Zur Quelle.

„Neukölln ist überall“ – Buchempfehlung

In Rezensionen wird das Buch des Berlin-Neuköllner SPD-Bürgermeisters  Heinz Buschkowski zumeist kritisch gesehen und ein Bezug zu Tilo Sarrazin hergestellt. Dies ahnend, besuchte der Autor den ehemaligen Senator. Er redet noch einmal mit ihm und urteilt dann. Sein eigenes Buch ist nicht zu vergleichen mit dem des Sarrazin. Buschkowski kennt sein Neukölln und liebt es, vor allem aber die Kinder, Jugendlichen und ihre Lehrer, die es nicht leicht mit ihnen und ihren Eltern haben. Wer wissen möchte, wie deren Situation ist – nicht nur in Neukölln, sondern auch z.B. in Marzahn, der kann dieses Buch mit Gewinn lesen. Viel lernen kann man durch die Beschreibung der Besuche in anderen europäischen Städten und dem Bemühen der Neuköllner um ein erträgliches Miteinander in diesem und spannenden und spannungsreichen Stadtteil.

Zudem werden die vielen Fakten in der erfrischenden Art des Bürgermeisters leicht lesbar aufbereitet. Die Namen der Nationalitäten, die in Neukölln aufeinander treffen sind austauschbar mit anderen, einschließlich der deutschen, Man benötigt keine Ausländer, um solche Zustände zum Beispiel an unseren Schulen zu erleben. Es ist der Protest gegen das Gefühl, in den Augen der anderen nichts wert zu sein, der sich in Gewalt, d.h. der Demonstration von Kraft entlädt, bisher noch in der Regel gegenüber Schwächeren im eigenen Lebensumfeld – und das ist zuerst einmal die eigene Familie. Mögen viele dieses Buch lesen. Ich habe Heinz Buschkowski für den Mut und das Herz, es zu schreiben, gedankt.

Dr. Katharina Dang

 

 

 

Innenminister Friedrich schürt die Angst vor AsylbewerberInnen

Auf den ersten Blick sind die Schlagzeilen drastisch. In der ersten Hälfte dieses Jahres haben fast 90% mehr Personen Asyl in Deutschland beantragt. Die absolute zahl von 43.016 Anträgen klingt dann doch wieder wesentlich weniger bedrohlich.

Dennoch mahnt unser Innenminister: „Auch ein wirtschaftlich starkes Land wie die Bundesrepublik Deutschland wird dadurch vor erhebliche Herausforderungen gestellt.“ Da fragt man sich wie es die Krisenländer der EU, mit direkten Außengrenzen schaffen sollen.

 

Auf einmal begegnen wieder alle Argumente der das-Boot-ist-voll Debatte, mit der in den 90ern das Recht auf Asyl faktisch abgeschafft wurde. Zugleich wird wieder von massenhaften Asylmissbrauch spekuliert. Doch wie Pro Asyl zu Recht anmerkt kommen die meisten Flüchtlinge aus der russischen Föderation, Afghanistan und Syrien. Nicht Sozialmissbrauch sondern eine Außenpolitik, die sich mehr um die Interessen der Wirtschaft, als die Menschenrechte kümmert ist die Ursache, das immer mehr verfolgte Menschen keine andere Option als die Emigration sehen.

 

Eigentlich sollte man gelernt haben wohin die das-Boot-ist-voll Debatte geführt hat: Rechtsradikale Mobs, die versuchen nationalbefreite Zonen zu installieren und damit das Gewaltmonopol des Staats in Frage stellen. BürgerInnen, die es legitim empfinden diese rechten Mobs anzufeuern. In Berlin haben sich bereits die ersten Nazis wieder als Anwälte der Bevölkerung aufgespielt. Dieses mal haben sich die Bewohner erfolgreich gewehrt. Aber bitte erspart uns dieses mal das Wasser auf rechte Mühlen mit der das-Boot-ist-voll Debatte.