Archiv der Kategorie:
Stellung von Religion im (säkularen) Staat

Feindbild Islam. Interview mit Dr. Sabine Schiffer, Institut für Medienverantwortung.

07/2015

Auch in diesem Jahr rief der Rat muslimischer Studierender & Akademiker zum 1. Juli wieder zum bundesweiten “Tag gegen antimuslimischen Rassismus” auf. Wie heikel und wichtig dieses Thema ist, zeigt dabei nicht nur die sozialeugenische Argumentation eines Thilo Sarrazin und die unter anderem von PEGIDA hervorgebrachte Warnung vor einer vermeintlichen „Islamisierung“ des Abendlandes. Die Wichtigkeit des Kampfes gegen diese Rassismus-Variante wird vor allem dadurch deutlich, dass der Mord an der Apothekerin Marwa El-Sherbini am 1. Juli 2009 bis heute weder angemessen Beachtung findet noch bezüglich seiner strukturellen Ursachen wirklich aufgearbeitet ist. Jens Wernicke sprach hierzu mit Sabine Schiffer, die als Leiterin des Erlanger Instituts für Medienverantwortung seit Langem zum antimuslimischen Rassismus forscht und publiziert.

Frau Dr. Schiffer, gerade titelte die Welt, eine Studie hätte ergeben, in 55 Jahren gäbe es mehrheitlich Muslime im Land. Das hat mich sehr erschreckt. Und zwar weniger aufgrund eigener Überfremdungsangst als vielmehr, weil mir derlei Rhetorik nicht mehr allzu weit von einer solchen, die sich Metaphern von Parasiten und Volksschädlingen bedient, entfernt zu sein scheint…

In der Tat erinnert so manches Argumentationsmuster an die Hochzeiten des sogenannten Antisemitismus im Verlauf des 19. Jahrhunderts. Die Sichtbarwerdung jüdischer Religiosität im öffentlichen Raum, sprich der Synagogenbau, war damals in etwa so strittig wie es heute der Moscheebau ist. Und die Angeleichung der Bürgerrechte für Juden führte zu ähnlichen Abwehrmechanismen wie wir sie seit Jahrzehnten in islamophoben Texten lesen können, wo eine Gleichbehandlung im Sinne des Grundgesetzes als „islamische Unterwanderung“ umgedeutet wird.
…  Zum Interview.

Dr. phil. Sabine Schiffer hat zur Islamdarstellung in den Medien promoviert. 2005 gründete sie das Institut für Medienverantwortung, das sie seither leitet. Sie doziert und publiziert zu den Themen: „Vierte contra Fünfte Gewalt“, Kriegsmarketing, Stereotype im Mediendiskurs sowie Medienbildung.

Luxemburg: Trennung von Kirche und Staat schreitet voran.

06/2015

Nur noch eine Konvention und ein Ansprechpartner für beide protestantischen Kirchen

Weniger Geld aus der Staatskasse, aber eine Zusicherung der Eigenständigkeit ihrer Kirche, das bedeutet in Kürze eine neue Konvention zwischen Staat und Kirche für die Reformierten in Luxemburg.

Seit Anfang 2014 hat die Regierung in Luxemburg mit den Kirchen im Land verhandelt, um das Verhältnis zwischen Glaubensgemeinschaften und Staat neu zu regeln. Am 26. Januar dieses Jahres unterzeichneten die Vertragskirchen eine neue Konvention. Die Autonomie der Protestantisch-Reformierten Kirche von Luxemburg wird respektiert, aber die Reformierten haben keinen eigenen Ansprechpartner mehr bei der Regierung, Staatsgelder müssen die Protestanten unter sich verteilen und der Betrag der Staatsgelder für Glaubensgemeinschaften wurde stark gekürzt...  Zum Bericht.

‚Kopftuchurteil ist eine Katastrophe!‘ Heinz Buschkowsky, Bezirksbürgermeister in Berlin- Neukölln

13.03.2015
Ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen widerspricht unserer Verfassung. Das ist am Freitag höchstrichterlich in Karlsruhe festgelegt worden. Vertreter von SPD und Grünen, die Kultusministerkonferenz, die katholischen Bischöfe und Vertreter der Muslime begrüßten die Entscheidung. Harsche Kritik äußert dagegen Neuköllns Bezirksbürgermeister Heinz Buschkowsky. Er sieht durch das Urteil die Grundwerte unserer Gesellschaft beschädigt. Zum Artikel.

Das vollständige Interview mit Buschkowsky zum Nachhören.

 

Ist die EKD auf dem Weg zu einer Friedenskirche? Zur EKD- Konferenz für Friedensarbeit tagte in Villigst. Von Hans Dieter Zepf, Pfarrer i. R.

02/2015

Am 20. und 21. Januar 2015 tagte in der Evangelischen Akademie Villigst die EKD – Konferenz für Friedensarbeit. Das Thema lautete „In der noch nicht erlösten Welt … für Recht und Frieden … zu sorgen“, Frieden, Gerechtigkeit, Recht und staatliche Gewalt im Kontext von Just Policing.

In der Einladung heißt es:

„ Die Präambel der UN-Charta aus dem Jahr 1945 nennt den Krieg eine Geißel der Menschheit, die es zu überwindengelte. Die Weltversammlung der Kirchen erklärte im Jahr 1948 den Krieg als unvereinbar mit Gottes Willen. Die friedensethische Grundposition der Evangelischen Kirche in Deutschland wie auch die ökumenische Bewegung heute richten sich aus am Leitbild des gerechten Friedens. Angesichts der aktuellen Beispiele für die Entgrenzung von Gewalt und staatlicher Ordnung in den internationalen Beziehungen stellen sich die Fragen nach der Legitimität der Anwendung von militärischer Gewalt zur Rechtserhaltung ganz neu. `Die Schrift sagt uns, dass der Staat nach göttlicher Anordnung die Aufgabe hat, in der noch nicht erlösten Welt, in der auch die Kirche steht, nach dem Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens unter Androhung und Ausübung von Gewalt für Recht und Frieden zu sorgen.`So formulierte die Bekenntnissynode von Barmen im Jahr 1934 in ihrer 5. These. Gewiss haben die Synodalen damals die militärische und kriegerische Gewalt zu dem legitimierten staatlichen Gewaltpotential gerechnet.

Die Tagung nimmt das friedensethische Dilemma zwischen Interventionsverbot und Schutzgebot auf und fragt nach dem ´Maß menschlicher Einsicht und menschlichen Vermögens` heute: Wie ist staatliche Gewalt zu organisieren, wenn sie für Recht und Frieden sorgen, jedoch auch der Ächtung des Krieges entsprechen soll? Welche Optionen zur Konfliktbewältigung bietet eine internationale Polizei als Alternative zum klassischen Militär? Kann die Konzeption von Just Policing einen zukünftigen Weg aufzeigen, wenn es darum geht, Terror, Völkermord und anderen Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu widerstehen?“

Politiker, Theologen, Sozialwissensschaftler und Soldaten haben in zwei Tagen über ein schwieriges Thema nachgedacht. Die pazifistische Position wurde durch Dr. Jakob Fehr vom Deutschen Mennonitischen Friedenskomitee vertreten. In einer anschließenden Pressemitteilung heißt es, dass die Kirche zu „einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens werden“ soll. Und der Friedensbeauftragte des Rates der EKD unterstreicht: “Ich bin davon überzeugt, dass friedenstheologische Fragen wieder stärker aufgegriffen und behandelt werden müssen, in den Gemeinden, in den Landeskirchen und auch im Rat EKD“. Das alles klingt gut. Dass die Kirche zu „einer Kirche der Gerechtigkeit und des Friedens werden“ soll, ist das Eingeständnis, dass sie es bisher nicht war.

Um eine Friedenskirche im klassischen Sinne zu werden, müsste die EKD das in der Friedesdenkschrift von 2007 Ultima-Ratio-Denken aufgeben.

Alle bisherigen Äußerungen der EKD sind weithin eine Bestätigung der vorherrschenden Sicherheitspolitik der BRD.

Weiter wird in der Pressemitteilung auf den Beschluss der Synode der badischen Landeskirche vom 24. Oktober 2013 verwiesen, der mit dem „Entwurf eines Positionspapieres zur Friedensethik“ zusammenhängt.

Eine Stellungnahme zu diesem bemerkenswerten Positionspapier erfolgt in einem eigenen Artikel, der demnächst in Wort-Meldungen erscheinen wird.

„Die vertauschten Opfer.“ Sicht auf den Islam von einem Vertreter der Nouvelle Philosophie aus der Warte des französischen Laizismus.

23.02.2015, von Pascal Bruckner

Im Jahr 1910 veröffentlichte Alain Quellien, französischer Mitarbeiter im Kolonialministerium die Schrift „La politique musulmane dans l’Afrique Occidentale“1. Das an Fachleute gerichtete Werk ist eine moderate Lobrede auf die „praktische und nachgiebige“ Religion des Korans, die von den Eingeborenen besser angenommen werde als das Christentum, das „zu kompliziert, zu abstrakt, zu streng für die schlichte und materialistische Mentalität des Negers“ sei. Der Autor stellt fest, dass der Islam die europäische Herrschaft durch seine zivilisierende Art begünstigt, die Völker „vom Fetischismus und unwürdigen Praktiken“ abbringt und möchte darum dem Vorurteil ein Ende bereiten, das diesen Glauben der Barbarei und dem Fanatismus gleichsetzt. So geißelt er die „Islamophobie“, die unter dem kolonialen Personal grassiere: „Loblieder auf den Islam zu singen ist ebenso einseitig wie ihn geradewegs zu verunglimpfen“. Man müsse ihn im Gegenteil tolerieren und unvoreingenommen behandeln… Zum Essay.

Kolonisierung des Islam? Eine «islamische Landeskirche» schiesst über das Ziel hinaus

29.1.2015, von Martin Grichting, Generalvikar des Bistums Chur, NZZ

Mehr als 300’000 Muslime leben in der Schweiz – soll der Islam daher als Landesreligion anerkannt werden?
Der zunehmende religiöse Pluralismus wird vom Staat eine Antwort verlangen.
Das Attentat auf «Charlie Hebdo» hat islamische Kreise dazu bewogen, verstärkte Anstrengungen zur Integration und Anerkennung der Muslime in der Schweiz zu fordern. Das Anliegen ist berechtigt. Die «islamische Landeskirche», die dabei ins Spiel gebracht wird, schiesst jedoch über das Ziel hinaus. «Kirche» ist ein christlicher Begriff. Ihn für eine islamische Organisation zu fordern, bedeutet eine Form von religiöser Kolonisierung… Mehr dazu.

Wiesbadener Dekan Martin Menke gegen Verbot der Gotteslästerung – und für offene Kritik

25.01.2015, Wiesbaden

Für eine Abschaffung des Gotteslästerungs-Verbots in Deutschland hat sich der Wiesbadener evangelische Dekan Martin Mencke ausgesprochen, wie es in einer Mitteilung der EKHN-Pressestelle heißt. „Es stünde der Kirche gut an, auf den ‚Blasphemie-Paragraphen‘ im Strafgesetzbuch als ‚Schutz Gottes durch den Staat freiwillig zu verzichten‘, sagte er vor dem Hintergrund der Debatte um den Anschlag auf das französische Satiremagazin „Charlie Hebdo“ bei einer nicht-öffentlichen Tagung der evangelischen Öffentlichkeitsarbeit in Wiesbaden am Donnerstag (22. Januar 2015). Mehr dazu.

Thüringen: „Mehr Glaube und Religion in Staatskanzlei“. Bodo Ramelow, erster Ministerpräsident der Linkspartei.

Erfurt. Bodo Ramelow ist der bundesweit erste Ministerpräsident der Linkspartei. Der Thüringer Landtag wählte ihn am Freitag (05.12.2014) in Erfurt im zweiten Wahlgang zum Chef der neuen Landesregierung im Freistaat. Im Interview mit der Kirchensite des Bistums Münster spricht er über sein neues Amt, die SED-Vergangenheit seiner Partei und das Verhältnis von Linken und Religion.

Herr Ramelow, was erwidern Sie denjenigen, die fürchten, nun ziehe der „Gott-sei-bei-uns“ in die Erfurter Staatskanzlei ein?

Bodo Ramelow: Ich erwidere, dass es ein evangelischer Christ ist und jemand, der gleichzeitig in dem Themengebiet des interreligiösen Dialogs engagiert unterwegs ist. Eher kommen jetzt mehr Glauben und mehr Religion in die Staatskanzlei… Zum Interview.

„Kirche muss auf Privilegien verzichten, wenn sie glaubwürdig sein will“. Wir sind Kirche zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht

„Kirche muss auf Privilegien verzichten, wenn sie glaubwürdig sein will“

Wir sind Kirche zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum kirchlichen Arbeitsrecht

München, 21. November 2014

Die in der Verfassung garantierten Grundrechte bezüglich der persönlichen Lebensführung müssen nach Ansicht der KirchenVolksBewegung Wir sind Kirche endlich auch in kirchlichen Arbeitsverhältnissen gelten.
Die katholische Reformbewegung begrüßt deshalb die differenzierenden kirchlichen Äußerungen zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 20.11.2014, die eine baldige und hoffentlich positive Änderung des kirchlichen Arbeitsrechts für nach Scheidung wiederverheiratete und homosexuell lebende Menschen erwarten lassen.
Auch um der eigenen Glaubwürdigkeit willen sollte die römisch-katholische Kirche auf staatliche Privilegien wie das kirchliche Selbstbestimmungsrecht verzichten, denn das Einfordern von Privilegien widerspricht dem Zweiten Vatikanischen Konzil (GS 76).

Zur Stellungnahme.

Ev. Kirche missachtet Grundwerte. Brief der ‚Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht‘ an die EKD.

Sehr geehrter Herr Dr. Thiele,

in Ihrem Schreiben vom 12.08.2014 bringen Sie zum Ausdruck, dass unsere Darstellung kirchenrechtlicher Defizite vom 04.04.2014 nichts enthalte, was nicht schon früher Gegenstand von Briefwechseln gewesen wäre. Das ist ja gerade das Dilemma, dass in der EKD und ihren Gliedkirchen sich niemand verpflichtet fühlt, folgenschwere Fehlentwicklungen in der innerkirchlichen Legislative, Exekutive und Judikative zu korrigieren.

Seit vielen Jahren beschweren sich Kirchenmitglieder über unchristliche und rechtswidrige Machenschaften in der Ev. Kirche. Sie tun dies mit Briefen an ihre regionalen Kirchenleitungen und an die EKD-Leitungsgremien; sie demonstrieren, verfassen Bücher, melden sich in Zeitschriften, in der Presse und im Internet zu Wort. Bisher vergeblich! Lange vor Inkrafttreten des neuen Pfarrdienstgesetzes gab es in der EKHN, aber auch in anderen Landeskirchen, vergleichbare Regelungen zu den §§ 79 und 80 PfDG-EKD (“Nachhaltige Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“). 2) So hatten wir und andere Initiativen, Veereine, Rechtsanwälte, Richter, Theologen usw. in über 20 Jahren reichlich Gelegenheit, die Auswirkungen dieser Rechtsnormen bundesweit zu beobachten. Das Ergebnis ist erschütternd. Doch offensichtlich will das niemand zur Kenntnis nehmen, – nicht einmal, wenn Gemeinden darüber zerbrechen und viele engagierte Gemeindeglieder frustriert die Kirche verlassen.
…  INI-Ki-Recht_EKD-Kirchenamt-Grundw_2014-11