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Abschaffung der Militärseelsorge. Von Pfarrer i. R. Hans Dieter Zepf

Ein Kommentar zum Bericht über die EKD – Seite Traumjob Militärpfarrerin:

07/2017 

I. Die Entstehung des Militärseelsorgevertrages und das Scheitern eines Reformversuches

Militärseelsorge hat es schon in früheren Zeiten gegeben. Sie hat eine lange Tradition. Diese Tradition wurde nach der Wiederbewaffnung nach dem zweiten Weltkrieg fortgesetzt. Zwar stand die überwiegende Mehrheit der Menschen in Westdeutschland der Wiederaufrüstung ablehnend gegenüber, aber Adenauer setzte seine Remilitarisierungspläne gegenüber dem Mehrheitswillen durch. Zwei Stimmen gegen die Wiederaufrüstung der BRD seien für viele hier stellvertretend genannt. In einem offenen Brief an Adenauer formulierte Martin Niemöller: „Wenn der gegenwärtige Bundestag über diese Frage entscheidet, so käme das einem Volksbetrug gleich, da kein deutscher Wähler bei der Wahl im Sommer 1949 die Absicht gehabt hatte, dem Deutschen Bund die Vollmacht zu einer Kriegsrüstung oder Kriegsbeteiligung zu geben.“ Und als Adenauer am 29. August 1950, ohne das Bundeskabinett zu informieren, „…seine Bereitschaft erklärt, im Falle der Bildung einer internationalen westeuropäischen Armee einen Beitrag in Form eines deutschen Kontingents zu leisten“, trat Heinemann als Innenminister zurück mit folgender Begründung: „ Ist es vertretbar, dass eine Erklärung von solch entscheidungsvoller Tragweite vom Bundeskanzler abgegeben wird, ohne dass das Kabinett an der Willensbildung beteiligt ist ? … Wenn in irgendeiner Frage der Wille des deutschen Volkes eine Rolle spielen soll, dann muss es in der Frage der Wiederaufrüstung sein.“ (Zitate aus Ulrich Albrecht: Die Wiederaufrüstung der BRD)

Im Gefolge der Wiederaufrüstung der BRD kam es zum Militärseelsorgevertrag. Am 8. März 1957 stimmte die Synode der evangelischen Kirche dem Vertrag mit der Bundesrepublik Deutschland zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge nach heftiger Debatte mit Zweidrittelmehrheit zu mit Unterstützung der Synodalen aus der DDR. Die DDR –Vertreter enthielten sich nicht der Stimme, obwohl der Vertrag aufgrund der verfassungsrechtlichen Trennung von Staat und Kirche für die DDR nicht zutraf. Die Synode wurde vor vollendete Tatsache gestellt. Der Militärseelsorgevertrag war bereit am 22. Februar 1957 von Adenauer, Strauß, Bischof Dibelius und dem Leiter der Kirchenkanzlei Brunotte unterzeichnet worden. Ein Skandal!

Zum ersten Mal wurde die Militärseelsorge nicht wie bisher allein durch den Staat geregelt, sondern durch eine Vereinbarung zwischen Kirche und Staat. Mit diesem Vertrag setzten sich die konservativen Kräfte in der Kirche durch. Ich nenne einige wichtige Regelungen des Militärseelsorgvertrages von 1957:

Die Militärseelsorge als Teil der kirchlichen Arbeit wird im Auftrag und unter der Aufsicht der Kirche ausgeübt (Abschnitt I, Grundsätze, Artikel 2, 1).

Der Staat sorgt für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten (Abschnitt I, Grundsätze, Artikel 2,2). Die Kirche begibt sich damit in Abhängigkeit. „Wes Brot ich ess,`des` Lied ich sing“.

Die Militärseelsorge wird von Geistlichen ausgeübt, die mit dieser Aufgabe hauptamtlich beauftragt sind (Militärgeistliche) (Abschnitt I, Grundsätze, Artikel 3,1). Anmerkung: Militärgeistliche werden durch den MAD überprüft!!

Die kirchliche Leitung der Militärseelsorge obliegt dem Militärbischof (Abschnitt III, Militärbischof, Artikel 10).

Der Militärbischof wird vom Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland ernannt. Vor der Ernennung tritt der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland mit der Bundesregierung in Verbindung, um sich zu versichern, dass vom staatlichen Standpunkt aus gegen den für das Amt des Militärbischofs vorgesehenen Geistlichen keine schwerwiegenden Einwände erhoben werden (Abschnitt III, Militärbischof, Artikel 11).

Zur Wahrnehmung der zentralen Verwaltungsaufgaben der evangelischen Militärseelsorge wird am Sitz des Bundesministeriums für Verteidigung ein „Evangelisches Kirchenamt für die Bundeswehr“ eingerichtet, das dem Bundesminister der Verteidigung unmittelbar nachgeordnet ist (Abschnitt IV, Kirchenamt, Artikel 14). Eine enge Verquickung von Verteidigungsministerium und Militärseelsorge ist offensichtlich. Der Leiter des Amtes, der Militärgeneraldekan, ist in kirchlichen Fragen dem Militärbischof unterstellt, was Verwaltungsaufgaben betrifft, die mit der Militärseelsorge zusammenhängen, dem Bundesverteidigungministerium.

Die Militärgeistlichen stehen in einem geistlichen Auftrag, in dessen Erfüllung sie von stattlichen Weisungen unabhängig sind ( Abschnitt V, Militärgeistliche, Artikel 16).

Von Anfang an bis heute war und ist dieser Vertrag umstritten. Insbesondere geht es dabei um den Bundesbeamtenstatus der Militärpfarrer, die Stellung des „Evangelischen Kirchenamtes für die Bundeswehr“ als Bundesoberbehörde, die Mitwirkung des Staates bei der Ernennung des Militärbischofes und den Lebenskundlichen Unterricht, für den es keine vertragliche Regelung gibt. Der LKU ist eines der Hauptarbeitsfelder der Militärgeistlichen. Er wird auf den „Grundlagen christlichen Glaubens“ erteilt, „sittliche Fragen“ werden behandelt. Er soll das „Pflichtbewusstsein“ der Soldaten stärken und ihnen die „Gemeinschaft“ als „verteidigungswert“ vermitteln (ZDv 66/2). Der LKU wird u.a. von dem früheren Ratsvorsitzenden der EKD Huber für verfassungswidrig bzw. bekenntniswidrig gehalten.

Die Militärseelsorge ist in militärisch-staatliche Strukturen eingebunden. Die Freiheit des Evangeliums ist damit eingeschränkt. Die Militärpfarrer/innen stehen im Konflikt zwischen Staat und Kirche (doppelte Loyalität). Die Militärseelsorge schweigt zu der Tatsache, dass der Auftrag der Bundeswehr ausgeweitet wurde zu einer Interventionsarmee. Die Militärseelsorge schärft nicht die Gewissen der Soldatinnen und Soldaten (Kriege, die völkerrechts – und grundgesetzwidrig sind (Kosovo-Jugoslawienkrieg, Afghanistankrieg).

Mit der deutschen Wiedervereinigung war auch der Weg frei für den Zusammenschluss der ostdeutschen evangelischen Kirche mit der westdeutschen evangelischen Kirche. Die ostdeutschen Landeskirchen lehnten die Übernahme des Militärseelsorgevertrages ab. Sie waren nicht gegen Seelsorge an den Soldaten, sondern ihre Kritik richtete sich gegen den Status der Militärseelsorger als Bundesbeamte. In der ehemaligen DDR gab es keine Militärseelsorger wegen der Trennung von Staat und Kirche.

Im Militärseelsorgevertrag von 1957 sahen die ostdeutschen Landeskirchen eine zu große Staatsnähe. Auch im Westen sprachen sich mehrere Synoden für eine Neuregelung der Militärseelsorge aus. Es ging als um eine Soldatenseelsorge in kirchlicher Verantwortung.

Über die Frage der Neuregelung der Militärseelsorge kam es zu einer langen Debatte in der evangelischen Kirche. Bei der EKD- Synode in Halle 1994 wurde beschlossen, dass die Landeskirchen entscheiden konnten, dass auch kirchliche Dienstverhältnisse möglich sind.

In den 1995 folgenden Gesprächen mit dem Staat, weigerte sich die damalige Regierung (unter Kohl) den Militärseelsorgevertrag entsprechend dem Synodenbeschluss von Halle zu ändern. Die Bundesregierung war der Auffassung, dass sie am bisherigen Militärseelsorgevertrag festhalten wolle, da er eine optimale seelsorgerliche Betreuung der Soldaten gewährleiste, außerdem sei die Gleichbehandlung zwischen evangelischen und katholischen Christen in der Bundeswehr sichergestellt. Für den Bereich der östlichen Landeskirchen bot die Regierung weitere Gespräche an.

Übrigens: die führenden katholischen Kirchenvertreter hatten keine Probleme, sie übten keine Kritik am Militärseelsorgevertrag von 1957; für die katholische Kirche gilt noch immer das am 20. Juli 1933 zwischen dem Vatikan und dem 3. Reich abgeschlossene Reichskonkordat.

Als Ergebnis dieser Staat-Kirche-Gespräche entstand 1996 eine Rahmenvereinbarung, die ausschließlich für die neuen Bundesländer Gültigkeit hatte und bis Ende 2003 befristet war.

Wesentliche Punkte aus dem Militärseelsorgevertrag wurden in die Rahmenvereinbarung übernommen. Neu ist, dass die Pfarrer im Gegensatz zum Militärseelsorgevertrag nicht Staatsbeamte, sondern Kirchenbeamte sind, also im unmittelbaren Dienst der EKD stehen. Die wichtigste Forderung der östlichen Landeskirchen wurde damit erfüllt.

Die EKD-Synode in Amberg im November 2001 fasste einen Beschluss zur Änderung der Grundordnung der EKD (die Seelsorge in der Bundeswehr soll zur Gemeinschaftsaufgabe der EKD erklärt werden !, sowie einen Beschluss zum Abschluss einer Verwaltungsvereinbarung zur Ergänzung des Militärseelsorgevertrages ( u.a. sind Regelungen zu treffen zu: dem Status der Militärpfarrer- und pfarrerinnen als Bundesbeamte und-beamtinnen auf Zeit oder als Angestellte, dem vermehrten Einsatz nebenamtlich tätiger Militärpfarrer und Militärpfarrerinnen.

Die Kritik der östlichen Landeskirche an dem Status der Militärseelsorger als Bundesbeamte spielte keine Rolle mehr.

Ein Jahr später beschloss die EKD-Synode in Timmendorfer Strand eine
einheitliche Regelung der Militärseelsorge in Ost – und Westdeutschland. Die Änderung der Grundordnung der EKD wurde beschlossen (Wortlaut: „Die Evangelische Seelsorge in der Bundeswehr ist eine Gemeinschaftsaufgabe der Evangelischen Kirche in Deutschland und der in ihr verbundenen Gliedkirchen“ !– vergleiche Beschluss – EKD-Synode 2001 in Amberg ); ferner billigte die Synode, dass Militärseelsorger auch im Einzelfall als kirchliche Angestellte tätig sein können und nicht in jedem Fall Bundesbeamte werden müssen. Auch der Einsatz von Pfarrern im Nebenamt ist möglich.

Die Beschäftigung von Soldatenseelsorger ausschließlich im kirchlichen Dienstverhältnis war damit vom Tisch.

Erwähnenswert ist noch die Tatsache, dass im Beschluss von Amberg zur Änderung der Grundordnung, die Seelsorge in der Bundeswehr zur Gemeinschaftsaufgabe der EKD erklärt werden soll, während im Beschluss der Änderung der Grundordnung der EKD in Timmendorfer Strand es heißt: Gemeinschaftsaufgabe der EKD und der in ihr verbundenen Gliedkirchen. Der Beschluss in Timmendorfer Strand steht im Widerspruch zu § 1 des Kirchengesetzes zur Regelung der evangelischen Militärseelsorge in der Bundesrepublik Deutschland vom 8. März 1957, wo es heißt: „Die Militärseelsorge bildet einen Teil der den Gliedkirchen obliegenden allgemeinen Seelsorge.“

Die Änderung der Grundordnung ist eine Stärkung der EKD, wenn nicht eine Entmündigung der Landeskirchen.

Die Frankfurter Rundschau schrieb in ihrer Ausgabe vom 08.11.02:
„Grundlage des jetzigen Beschlusses ist eine im Juni verbindlich festgelegte Auslegung des weiter gültigen Militärseelsorgevertrages von 1957 zwischen EKD und Verteidigungsministerium. Auf das Aushandeln des neuen Vertrages verzichteten die Kirchenvertreter, weil sie eine Verschlechterung ihres Status´ und finanzielle Einbußen fürchteten. Im Kirchenparlament wurde daher auch kritisiert, die Vereinbarung trage den grundsätzlichen Bedenken gegen die zu große Staatsnähe zu wenig Rechnung und sei in erster Linie von pragmatischen Überlegungen geleitet. Pfarrer Wolfgang Zimmermann …bilanzierte, die ostdeutschen Kirchen hätten damit ihre Ziele nicht erreicht. Für die Soldatenseelsorger gelte weiter das Prinzip der doppelten Loyalität gegenüber Staat und Kirche. Der Magdeburger Bischof Axel Noack sagte, die Neuregelungen gingen zwar in die richtige Richtung, aber die ‚Kröte’, die die östlichen Kirchen jetzt schlucken müssten, schmecke ihm nicht. Zuletzt sei es nur noch um juristische statt um inhaltliche Fragen gegangen. Scheitern lassen mochte er die Vereinbarungen nicht, weil die Militärseelsorge einheitlich geregelt werden müsse. … Der Berliner Synodale Joachim Klasse bezeichnete diese Vorbehalte als reine Theorie. Bisher habe es keine Loyalitätskonflikte der Seelsorger in der Bundeswehr gegeben. Auch das Ratsmitglied sieht die Unabhängigkeit der Geistlichen gewährleistet“.

Mit dem Beschluss über die einheitliche Regelung der Militärseelsorge wurde den östlichen Landeskirchen der Militärseelsorgevertrag von 1957 übergestülpt. Eine Chance wurde verpasst. Auf den Punkt gebracht: „Der Weigerung des Staates, über eine Veränderung des Militärseelsorgevertrages zu verhandeln, hat sich die Kirche gebeugt. Der Staat will kein freie, kritische, am Evangelium orientierte Seesorge, sondern einen in die staatlichen und militärischen Strukturen eingepassten religiös-psychologischen Betreuungsapparat für künftige weltweite Bundeswehreinsätze“ (Dietrich – Bonhoeffer- Verein und Niemöller –Stiftung).

Mit der jetzigen gemeinsamen Regelung für Ost und West bleibt die Problemanzeige der östlichen Kirchen bestehen. Das Angestelltenverhältnis ist keine Alternative zum Staatsbeamtenverhältnis, weil die Loyalitätspflichten des Angestellten dem Staat gegenüber die gleichen sind wie die des Bundesbeamten.

II. Die Militärseelsorge ist abhänging vom Staat

Die behauptete Unabhängigkeit der Militärseelsorge ist nicht gewährleistet, wie folgende vier Beispiele belegen. 1) In der Rahmenvereinbarung der BRD mit der EKD über die evangel. Seelsorge in der Bundeswehr im Bereich der neuen Bundesländer heißt es unter Punkt 3: „Die Pfarrer müssen die freiheitlich – demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes anerkennen. Dazu gehört die Achtung vor der Entscheidung der Soldaten zum Wehrdienst mit der Waffe. Die Pfarrer dürfen sich innerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen nicht zugunsten oder ungunsten einer bestimmten politischen Richtung bestätigen“. 2) Ein Militärpfarrer an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein verlas im Ostersonntagsgottesdienst 1999 eine Stellungnahme zum Kosovo-/Jugoslawien-Krieg, die er auch an einem Schriftenstand der evangelischen Militärseelsorge auslegte. Er wies unter anderem auf die Völkerrechtwidrigkeit dieses Krieges hin. Ein Offizier und das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr (Behörde des Verteidigungsministerium) schritten dagegen ein. 3) Der damalige evangelische Militärbischof Hartmut Löwe erklärte 1999, Militärgeistliche hätten nicht darüber zu urteilen, ob Auslandseinsätze der Bundeswehr richtig seien. 4) Ein leitender Offizier der Schule für innere Führung sagte 1975: „Wir erwarten von einem Pfarrer, der zu uns kommt als Seelsorger, dass er zur Bundeswehr ja sagt mit allen Konsequenzen, den Ernstfall eingeschlossen. Der Einfluss des Staates auf die Militärseelsorge ist unverkennbar. Alle vier Beispiele sind Verstöße gegen Artikel 4 und 5 des Grundgesetzes, worin es um die Glaubens – und Gewissensfreiheit und um die freie Meinungsäußerung geht. Demokratie und Militär sind nicht auf einen Nenner zu bringen.

Die Barmer Theologische Erklärung von 1934 warnt in ihrer III. These: “Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung dem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugung überlassen.“

Dem katholischen Theologieprofessor Missalla ist zuzustimmen, wenn er formuliert: „Wenn heute in über 40 Staaten eine katholische Militärseelsorge mit einigen tausend haupt – und ehrenamtlichen Militärgeistlichen – in fast allen Staaten mit Offiziersrang – eingerichtet ist, dann müsste die Kirchenleitung sich eigentlich bewusst sein, dass diese Staaten – nicht zuletzt als Gegenleistung für die investierten Gelder – erwarten, dass die Militärseelsorge die Institutionen Militär und Staat stabilisiert und die Auftragserfüllung der Streitkräfte ebenso unterstützt wie ihre Kampfkraft. Es ist nicht zu erkennen, dass über dieses Thema in der katholischen Kirche … (und auch nicht in der evangelischen Kirche – Anmerkung H. D. Zepf) diskutiert wird, obwohl die Problematik … offenkundig ist.“

Hinzu kommt, dass die Militärpfarrer/innen schweigen zu Missständen in der Bundeswehr (vgl. hierzu Michael Behrendt: Bundeswehrskandal – Bedauerlicher Einzelfall oder mehr? Positionspapier 8, hrsgb. Von der Arbeitsstelle für Frieden und Abrüstung e.V., Berlin) z. B., dass Soldaten in Afghanistan mit Totenköpfen posiert haben (im Krieg verrohen Menschen).

Kein Militärseelsorger darf Soldaten, ob in Friedens – oder Kriegszeiten zur Wehr – oder Kriegsdienstverweigerung aufrufen. Genau das aber wäre vom Evangelium her sein Auftrag. Die Militärseelsorge kann sich nicht auf Jesus berufen. Sie ist eine Sanktionierung von Macht und Gewalt. „Ich habe noch nie begriffen, warum Menschen aufeinander schießen sollen, die sich im Leben noch nie begegnet sind, nur weil Politik versagt. Hier hilft dann die Militärseelsorge jungen Menschen in Seelennot. Der Seelenfrieden rechtfertigt dann das Morden. Wie verkommen ist doch die christliche Moral“ (aus einer Rede zum Antikriegstag am 01. September 1999 von dem DGB – Kreisvorsitzenden Günter Volz, Kreis Schwäbisch Hall und Hohenlohenkreis).

Seelsorge an Soldaten kann deshalb nur bedeuten, Soldaten aufzufordern
aus dem militärischen Denken auszusteigen und den Dienst an der Waffe
zu verweigern. Soldaten, die aus Gewissensgründen die Bundeswehr verlassen wollen, müssen sowohl in seelsorgerlicher als auch in materieller Hinsicht begleitet werden.

Die Kosten der Militärseelsorge trägt fast ausschließlich der Staat.

III. Folgerungen

Die vorgenannten Ausführungen zeigen deutlich, dass die viel gepriesene „Unabhängigkeit der Militärgeistlichen in ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit“ falsch ist.

Wenn Seelsorge unter den Soldaten Sinn haben soll, müssen Strukturen geschaffen werden, die völlig unabhängig sind von staatlichen Vorgaben. Es ist eine glatte Lüge, wenn behauptet wird: „Die Militärgeistlichen stehen in einem geistlichen Auftrag, in dessen Erfüllung sie von staatlichen Weisungen unabhängig sind“ (in: Militärseelsorge IV: die Rahmenvereinbarung über die evangelische Seelsorge in der Bundeswehr in den östlichen Bundesländern-Überprüfung und zukünftige Gestaltung, Dokumente und Materialien, September 2001, Artikel 16, S. 15 – Militärseelsorgevertrag).

Erforderlich ist die Kündigung des Militärseelsorgevertrages. Die Kirche muss Seelsorge in Räumen der Gemeinden anbieten. Deshalb: Abschaffung der Militärseelsorge und Einrichtung einer Soldatenseelsorge, die frei ist von staatlichen Vorgaben!
(Nähere Informationen zum Thema: „Abschaffung der Militärseelsorge“ sind unter www.militaerseelsorge-abschaffen.de zu finden).

IV. Schlussbemerkungen

Die unheilvolle Allianz zwischen Kirche und Staat wird – wie wir gesehen haben – bei der Militärseelsorge besonders deutlich. Die Staatshörigkeit des Protestantismus im 3. Reich und die Erfahrungen aus der Bekennenden Kirche, provoziert die Frage, warum wir aus der Geschichte so wenig gelernt haben. Bischof Otto Dibelius hat nach 1945 den Grund geliefert: „Wir müssen wieder da anknüpfen, wo wir 1933 aufgehört haben“. Die konservativen Kräfte im Nachkriegsprotestantismus mit ihren reaktionären Ansichten setzten sich durch. Im August 1945 wurde in Treysa die Evangelische Kirche in Deutschland neu gegründet. Das Erbe der Bekennenden Kirche spielte so gut wie keine Rolle. Das Verhalten der Evangelischen Kirche bei der Wiederbewaffnung und der Einführung der Bundeswehr zeugt von Anpassung.

Und ich frage mit Dietrich Bonhoeffer „Wann wird die Zeit kommen, da die Christenheit das rechte Wort zur rechten Stunde sagt?“.

 

TRAUMJOB MILITÄR­PFARRERIN. Dein Beruf. Das volle Leben. – Aus eine EKD-site.

07/2017

Ein Portal der ekd.

… DARUM IST DAS EIN TRAUMJOB:

„Ich frage mich, wie wir uns als Kirche aus der eigenen Komfortzone herausbewegen können. Bevor ich Militärseelsorgerin wurde, habe ich als Pfarrerin an einer Gesamtschule in einem sozialen Brennpunkt gearbeitet. ..

Mehr dazu.

Ökumenische Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge. Gegen die Zusammenarbeit von Kirche und Militär! Für eine kirchlich-zivile Soldatenseelsorge und Aussteigerberatung.

06/2015

Militärpfarrer gibt es in über 40 Ländern der Erde. Die Gemeinsamkeiten sind groß: Sie werden vom Militär bezahlt, fahren militärische Fahrzeuge, haben ihre Büros in Kaseren und tragen im Ausland militärische Kleidung. Sie begleiten und beruhigen „ihre“ Soldaten. Sie stabilisieren und legitimieren das Militär. Und unterstützen hierdurch den Krieg. Was hätte der gewaltfreie Jesus von Nazareth dazu gesagt? Weltweites Ökumenisches Netz zur Abschaffung der Militärseelsorge. Zum Portal.

Militärgottesdienst auf dem Kirchentag.

31.05.2015

Militärgottesdienst auf dem Kirchentag, Stuttgart-Mitte, am Donnerstag 4.6.2015 um 16 Uhr, mit Militärbischof Sigurd Rink und dem Heeresmusikkorps 10 aus Ulm. Mit solchen Gottesdiensten unterstützt die Kirche das Militär. Hier macht sich die Kirche mit schuldig an den Kriegen (Auslandseinsätzen) der Bundeswehr. Jesus Christus, unsere gewaltfreier Herr, hätte sich im Grabe umgedreht, wenn er das wüsste (und wenn er noch im Grab liegen würde).

Mehr dazu.

Kriege mit Gottes Segen? Interview mit Volker Marquart, “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“

12. Dezember 2014, Verantwortlich: Wolfgang Lieb

Während Aufständischen und Kämpfenden mit islamischer Religion gern ihr Fundamentalismus vorgehalten und ihr Gottesbezug als Zeichen zivilisatorischer Rückständigkeit vorgeworfen wird, verliert kaum jemand ein Wort darüber, dass auch „wir“, der Westen, unsere Kriege „im Auftrage Gottes“ zu führen behaupten. Übersehen, dass Bundespräsident Gauck „weniger im Namen einer philosophischen Überzeugung in der Tradition von Humanismus und Aufklärung als (vielmehr) im Namen einer politischen und, genauer betrachtet, religiösen Ideologie“ spricht und Kriege befürwortet. Und lassen den Staat jährlich 30 Millionen Euro für Militärpfarrer ausgeben, die “ihre” Soldaten begleiten und beruhigen und somit das Militär stabilisieren und rechtfertigen. Jens Wernicke sprach hierzu mit Diakon Volker Marquart, der sich innerhalb der Kirche für die Abschaffung der Militärseelsorge engagiert.

Herr Marquart, Sie sind aktiv bei der “Initiative zur Abschaffung der Militärseelsorge“ www.militaerseelsorge-abschaffen.de. Wie kommt es dazu – und woher rührt Ihr Engagement?

Ich kam über das Thema Rüstungsexporte zu diesem Thema. Mir ist aufgefallen, dass die Kirchengemeinden in Gegenden, in denen es große Rüstungsfirmen gibt, kaum etwas gegen diese Rüstungsfirmen sagen. In den Gottesdiensten und in der Gemeindearbeit umgeht man das Thema. Man will keine Mitglieder verprellen. Ein Vorgesetzter hat gesagt: „Herr Marquart, hören Sie auf, die Rüstungsfirmen am Bodensee zu kritisieren! Man beißt nicht die Hand, die einen füttert.“ Dieses Schweigen der Kirche bedeutet faktisch eine Zusammenarbeit: Die Rüstungsarbeiter bezahlen Kirchensteuern, und als Gegenleistung bieten wir Seelsorge und erbauliche Unterhaltung in der Kirche – und schweigen über die Waffenproduktion.

Eines Tages ist mir zusätzlich etwas aufgefallen: Auch auf anderen Gebieten arbeitet die Kirche mit dem Militär zusammen. Es gibt in jedem Advent etwa 50 Militär-Advent-Konzerte in Kirchen in Deutschland. Und es gibt etwa 200 Militärpfarrer, die vom Militär bezahlt werden, Fahrzeuge der Bundeswehr benutzen und die bei Auslandseinsätzen militärische Kleidung tragen, die aber auch und vor allem immer gute „Gründe“ finden, warum man Krieg führen muss. In über 40 Ländern der Erde gibt es – mit kleineren Unterschieden im Detail – solche Militärpfarrer. Deshalb haben wir, haben also ich und Gleichgesinnte, im Sommer 2014 das „Weltweite ökumenische Netz zur Abschaffung der Militärseelsorge“ gegründet. Zum Interview.

Die Tagebücher des katholischen Feldgeistlichen Fridolin Mayer zum erstem Weltkrieg

Der erste Weltkrieg, wird in letzte Zeit immer wieder durch die persönlichen Berichte von involvierten historisch neu aufgearbeitet. Eine wichtige Quelle sind dabei Tagebücher von einfachen Menschen, die ihre Erlebnisse schildern.

Ein Blog veröffentlicht nun die Tagebücher des Feldgeistlichen Fridolin Mayer. Mayer meldete sich freiwillig zum Dienst als Feldgeistlicher. Nach Ansicht der Betreiber sind die Texte in folgenden Hinsichten interessant:

 

  1. Sie geben zum einen Einblick in das Denken des katholischen Klerus aus dem Südwesten (u. a. Überreste des Kulturkampfes, weiterhin Aversion gegen den Protestantismus).
  2. Zum anderen ermöglichen sie Einblicke in die Mentalität der katholischen Soldaten an der Front und in die Bedeutung, die der Religion zuweilen noch in der modernen Erfahrung des Krieges zukommt.
  3. Sie geben Aufschluss über die Praxis der Feldseelsorge unter den Bedingungen der modernen Materialschlacht.
  4. Darüber hinaus bieten sie Informationen zur Landesgeschichte, zu den Soldaten aus dem Südwesten sowie zur Erfahrung von Kriegsausbruch und Julikrise in Freiburg und Umgebung.
  5. Schließlich stellen sie eine nicht unerhebliche Quelle zur Geschichte des katholischen Klerus des Erzbistums Freiburg im beginnenden 20. Jahrhundert dar.

Machen Sie sich hier ein eigenes Bild.

Zur Stellungnahme der Kammer für Öffentliche Verantwortung zum Militäreinsatz in Afghanistan

von Hans Dieter Zepf, Pfarrer i. R., Beinestraße 26, 64846 Groß-Zimmern

Aufgabe des Textes ist es auf der Basis der Friedensdenkschrift von 2007 „Aus Gottes Frieden leben – für gerechten Frieden sorgen“ den Afghanistaneinsatz, der schon 12 Jahre dauert, friedensethisch zu reflektieren. So heißt es in der Einführung in Ziffer 1: „Im Jahre 2007 hat die EKD mit ihrer Denkschrift …  friedensethische und friedenpolitische Perspektiven für die weltpolitische Situation am Beginn des 21.Jahrhundert formuliert. Das nachstehende Votum knüpft an diesen Grundlagentext an“.

Da der Text auf der Friedensdenkschrift basiert seien hier wesentliche Aussagen benannt:

Bereits im Vorwort wird die Tendenz der Denkschrift deutlich, wenn Bischof Huber formuliert „In Denkschriften soll nach Möglichkeit ein auf christlicher Verantwortung beruhender, sorgfältig geprüfter und stellvertretend für die ganze Gesellschaft formulierter Konsens zum Ausdruck kommen“ (S. 8).  Diese Aussage und die Tatsache, dass von Seiten des Militärs und der Politik die Denkschrift gelobt wird und zu den Mitgliedern der Kammer ein Bundeswehrgeneral aber kein Pazifist gehörte, sind –  obwohl manches in der Denkschrift  positiv zu bewerten ist – Indizien dafür, dass es nach dem Motto geht: „allen wohl und niemand weh.“

Einige Hinweise sollen das verdeutlichen (Zitate und Hinweise werden durch die jeweiligen Ziffern in den Klammern belegt):

Die Denkschrift sieht sich dem Vorrang der gewaltfreien Methoden
der Konfliktbearbeitung verpflichtet (60, 124, 170-183). Wie sehr allerdings die Denkschrift dem Ultima-Ratio-Denken verhaftet bleibt, belegen  folgende Sätze: Zwar ist „das christliche Ethos …  grundlegend von der Bereitschaft zum Gewaltverzicht (Mt 5,38ff.) und vorrangig von der Option  für die Gewaltfreiheit bestimmt“. Aber: „In einer nach wie vor friedlosen, unerlösten Welt kann der Dienst am Nächsten aber auch die Notwendigkeit einschließen, den Schutz von Recht und Leben durch den Gebrauch von Gegengewalt zu gewährleisten (vgl. Röm 13,1-7).“ (60). Der Hinweis auf Römer 13,1-7 zeigt ein Obrigkeitsdenken, das in der Geschichte fatale Folgen hatte. Auch die Aussagen über Artikel 16 des Augsburger Bekenntnisses von 1530 (100) sind  unkritisch. Mit Hilfe von CA 16 wonach „Christen ohne Sünde … Übeltäter mit dem Schwert bestrafen, rechtmäßig Kriege führen, …  können“  und Römer 13 (Jedermann sei untertan der Obrigkeit …) wurden Kriege immer wieder von der Kirche theologisch legitimiert.

Die Lehre vom „gerechten Krieg“ wird zwar  abgelehnt, nicht aber die Kriterien des „gerechten Krieges“ ( z.B. Erlaubnisgrund, Autorisierung, Verhältnismäßigkeit der Folgen und der Mittel) (102; 103). Damit werden weiterhin Kriege legitimiert.

Die Drohung mit dem Einsatz nuklearer Waffen ist friedensethisch nicht mehr zu rechtfertigen (108, 109, 162-164). „Aus der Sicht evangelischer Friedensethik kann die Drohung mit Nuklearwaffen  heute nicht mehr als Mittel legitimer Selbstverteidigung betrachtet werden“ (162). Umstritten ist in der Kammer, „welche politischen und strategischen Folgerungen aus dieser gemeinsam getragenen friedensethischen Einsicht zu ziehen sind“ (162). Auch in der Frage des Einsatzes nuklearer Waffen bleibt damit eine Hintertür offen. Noch nicht einmal hier schafft es die EKD mit einer Stimme zu reden.

Auf die Problematik des Krieges in Afghanistan wird nicht eingegangen, ebenso nicht auf den Israel-Palästina-Konflikt. Die Auslandseinsätze der Bundeswehr werden nicht grundsätzlich in Frage gestellt.

Die Denkschriften (1981 und 2007) sowie andere Äußerungen der EKD zur Friedensfrage lassen eine Ethik des unbedingten Gewaltverzichtes vermissen.

In  dem neuen Text der EKD wird nach Vorwort und Einführung die Stellungnahme in vier Schritten entfaltet.

Zu einigen Punkten in diesen vier Schritten beziehe ich kritisch Stellung.

Der Einsatz in Afghanistan wird miltärisch und zivil bewertet, wobei nicht zu übersehen ist, dass den militärischen Apekten gegenüber den zivilen mehr Aufnerksamkeit gewidmet wird. Wie in der Denkschrift von 2007 wird auch hier militärische Gewalt als ultima ratio legimiert (vgl. Ziffer 2). Möglichkeiten einer friedlichen und gewaltfreien Konfliktlösung spielen so gut wie keine Rolle.

Der Einsatz von Kampfdrohnen wird zwar differenziert problematisiert (Ziffer 16), aber auch hier kein klares Nein, was Ziffer 17 vermuten lässt. In Ziffer 17 wird gefragt „inwieweit es verantwortbar ist, um eines erwarteten militärischen Vorteils willen die Tötung unbeteiligter Zivilpersonen hinzunehmen.“ Die Kammer hat auch hier eine passende Antwort parat: „Jedenfalls im Rahmen internationaler bewaffneter Friedensmissionen ist dem Humanitätsgebot Vorrang (Hervorhebung H.D. Zepf) vor der militärischen Notwendigkeit einzuräumen. Demgemäß sind bei militärischen Kampfmaßnahmen zivile Opfer mit höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit auszuschließen und sollten nicht als ,unbeabsichtigte Nebenfolge´ einer im Übrigen legitimen Zielwahl betrachtet werden.“ Wenn man wie die EKD unter bestimmten Voraussetzungen militärische Gewalt legitimiert, dann ist die logische Konsequenz, dass auch in der Frage der Tötung von Zivilpersonen das Ultima-Ratio-Denken  seine Fortsetzung findet. Diese Argumentation ist theologisch gesehen ein ungeheuerliche Vorgang.

Es wird festgestellt, dass die Sicherheitslage nach wie vor in weiten Teilen des Landes äußerst prekär sei (Ziffer 20).  Die Äußerungen über die Themen Schutz vor Gewalt, Förderung der Freiheit, Abbau von Not und Anerkennung kultureller Verschiedenheit  (Ziffern 20-33) sind weitgehend beschreibend und fragen nicht nach den Ursachen des  Afghanistan-Krieges. Ebenso wenig wird erkannt, dass mit militärischer Gewalt nicht die Voraussetzungen  geschaffen werden können, damit anschließend ein zivile Aufbauarbeit geleistet werden kann. Nur das afghanische Volk selbst kann Frieden schaffen. Dazu sind flankierende gewaltfreie Maßnahmen der Völkergemeinschaft notwendig.

In Ziffer 40 heißt es: „ Seit Gründung der Bundeswehr  ist die Militärseelsorge ein unabhängiger (Hervorhebung H.D. Zepf) Kooperationspartner.“ Diese Feststellung ist falsch.!

Es leidet keinen Zweifel, dass Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr ein Recht auf Seelsorge haben. Die Frage ist, auf welche Art und Weise die Kirche diese Aufgabe wahrnimmt. Die behauptete Unabhängigkeit der Militärseelsorge ist nicht gewährleistet, wie die folgenden Hinweise belegen.

1. Der Staat sorgt für den organisatorischen Aufbau der Militärseelsorge und trägt ihre Kosten. Die Kirche begibt sich damit in Abhängigkeit: Die Kosten der Militärseelsorge trägt fast ausschließlich der Staat. Und es ist doch klar, dass ein Staat keine finanziellen Zugeständnisse macht , ohne entsprechende Gegenleistungen zu erwarten. Der Staat erwartet, dass die Militärseelsorge Militär und Staat stabilisiert.

2. Die Militärseelsorge ist in militärisch-staatliche Strukturen eingebunden. Die Freiheit des Evangeliums ist damit eingeschränkt. Die Militärpfarrer/innen stehen im Konflikt zwischen Staat und Kirche (doppelte Loyalität).  Die Militärseelsorge schweigt zu der Tatsache, dass  der Auftrag der Bundeswehr  ausgeweitet wurde zu einer Interventionsarmee. Die Militärseelsorge schärft nicht die Gewissen der Soldatinnen und Soldaten (Kriege, die völkerrechts – und grundgesetzwidrig sind Kosovo-Jugoslawienkrieg, Afghanistankrieg). Im lebenskundlichen Unterricht spielt die Frage der Konfliktlösung mit gewaltfreien Methoden sowie der Weg Jesu, der Gewaltfreiheit gefordert hat, kaum eine Rolle.

3.  Ein Militärpfarrer an der Artillerieschule der Bundeswehr in Idar-Oberstein verlas im Ostersonntagsgottesdienst 1999 eine Stellungnahme zum Kosovo-/Jugoslawien-Krieg, die er auch an einem Schriftenstand der evangelischen Militärseelsorge auslegte. Er wies unter anderem auf die Völkerrechtwidrigkeit dieses Krieges hin. Ein Offizier und das Evangelische Kirchenamt für die Bundeswehr (Behörde des Verteidigungsministerium) schritten dagegen ein.

4. Der damalige evangelische Militärbischof Hartmut Löwe erklärte 1999, Militärgeistliche hätten nicht darüber zu urteilen, ob Auslandseinsätze der Bundeswehr richtig seien.

5. Ein leitender Offizier der Schule für innere Führung sagte 1975: „Wir erwarten von einem Pfarrer, der zu uns kommt als Seelsorger, dass er zur Bundeswehr ja sagt mit allen Konsequenzen, den Ernstfall eingeschlossen“ (in Vorgänge,  Zeitschrift für Gesellschaftspolitik (Heft 4/1975, S. 81). Der Einfluss des Staates auf die Militärseelsorge ist unverkennbar.

Die Barmer Theologische Erklärung von  1934 warnt in ihrer III. These: “Wir verwerfen die falsche Lehre, als dürfe die Kirche die Gestalt ihrer Botschaft und ihrer Ordnung dem Belieben oder dem Wechsel der jeweils herrschenden weltanschaulichen und politischen Überzeugung überlassen.“

Dem katholischen Theologieprofessor Missalla ist zuzustimmen, wenn er formuliert:
„Wenn heute in über 40 Staaten eine katholische Militärseelsorge mit einigen tausend haupt- und ehrenamtlichen Militärgeistlichen – in fast allen Staaten mit Offiziersrang – eingerichtet ist, dann müsste die Kirchenleitung sich eigentlich bewusst sein, dass diese Staaten – nicht zuletzt als Gegenleistung für die investierten Gelder – erwarten, dass die Militärseelsorge die Institutionen Militär und Staat stabilisiert und die Auftragserfüllung der Streitkräfte ebenso unterstützt wie ihre Kampfkraft“ (Heinrich Missalla, Wie der Krieg zur Schule Gottes wurde.Hitlers Feldbischof Rarkowski.Oberursel 1997, Seite 119).
Die vorgenannten Ausführungen zeigen deutlich, dass die viel gepriesene „Unabhängigkeit  der Militärgeistlichen in ihrer seelsorgerlichen Tätigkeit“ falsch ist.

Wenn Seelsorge unter den Soldaten Sinn haben soll, müssen  Strukturen geschaffen werden, die völlig unabhängig sind von staatlichen Vorgaben.

Erforderlich ist die Kündigung des Militärseelsorgevertrages. Die Kirche muss Seelsorge in Räumen der Gemeinden anbieten. Deshalb: Abschaffung der Militärseelsorge und Einrichtung einer  Soldatenseelsorge, die frei ist von staatlichen Vorgaben!

Nähere Informationen zum Thema: „Abschaffung der Militärseelsorge“ sind unter www.militaerseelsorge-abschaffen.de zu finden.

Schlußbemerkungen

Der Text der EKD bringt, auch wenn er Defizite benennt, keine neuen Erkenntnisse. Wie schon wie bei der Friedensdenkschrift von 2007 macht sich die Kirche zum Handlanger des Staates. Zu den Mitgliedern der Kammer gehört ein Generalleutnant aber kein Pazifist!! Diesen Text hätte auch ein Politiker schreiben können. Die Bundesregierung wird jedenfalls ihre Freude haben und dankbar sein.

Erst, wenn die unheilvolle Allianz der Kirche mit dem Staat  überwunden wird und die Kirche sich dem biblischen Zeugnis des Gewaltverzichtes wieder verpflichtet weiß, wird es zu einer klaren und eindeutigen Redeweise in der Friedensfrage kommen.

EKD: Nun doch einiges gut in Afghanistan

Mit der Äußerung der ehemaligen Kirchenpräsidentin „Nichts ist gut in Afghanistan.“ wurde eine Diskussion in der Kirche und der Gesellschaft über den militärischen Einsatz am Hindukusch ausgelöst.

Die EKD entschloss sich dieser kurzen Analyse mit einem Papier zu ergänzen. Heraus kam ein Konzept des gerechten Frieden, der nun den gerechten Krieg ergänzen sollte.

Jetzt, wo sich der Einsatz seinem Ende nähert nutzt die EKD nochmals die Chance den Krieg zu analysieren. Wie schwer es sein muss die verschiedenen Positionen zu vereinen, zeigt sich daran, das die Kammer selten einer Meinung bei der Bewertung der Situation ist.

Einigkeit besteht fast nur in der Forderung, Militäreinsätze zur Stabilisierung stärker zivil zu begleiten.

Das Papier ist von starkem Pragmatismus geprägt. Die EKD gibt sich staatstragend, so als ob sie eine Verantwortung für die Soldaten vor Ort darin besteht irgendwie den Einsatz zu rechtfertigen. Sie erkennt zwar, dass es massive Probleme unter den Soldaten gibt, da vor Ort massive Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Krieges bestehen. Eine Analyse wie Margot Käßmann sie getroffen hat steht nun nicht im Interesse der Verantwortung zur Militärseelsorge.

Damit erklärt sich auch warum sich das Papier sechzig Seiten zwischen der Würdigung guter Intentionen und der katastrophalen Lage in Afghanistan windet.

Ein pazifistischer Ansatz hat es nicht in die Beurteilung des Krieges geschafft. Gibt es also keine Pazifisten mehr in der Kirche? Oder hat die EKD Angst, sie verliere Rückhalt in der Truppe und der Politik, wenn sie sich nicht zu einen jein mit mehreren wenn und aber durchringt. Doch dann stellt sich bei beiden die Frage, ob ihnen mit einer ehrlichen Diskussion nicht mehr gedient ist.

 

Folgendes vermisse ich daher in dem Papier:

– Die Praxis mutmaßliche Kombattanten mit Drohnen zu töten wird generell kritisiert. Jedoch gleichzeitig der deutsche Anteil daran nicht betrachtet. Die gezielte Tötung mit Drohnen wird als eine rein amerikanische Angelegenheit dargestellt. Ich erachte es in einem gemeinsamen Krieg jedoch als eine blauäugige Ansicht, die Taten von Verbündeten hätten keinen Einfluss auf das eigene Engagement. Bei einer Bewertung des Afghanistaneinsatz muss auch klar erkennbar seine welche gemeinsamen Regeln für einen Einsatz unabdingbar sind. Daher müssen auch Drohnennangriffe, Folter und das rechtsfreie Status von Guantanamo Teil der Betrachtung eines gemeinsamen Krieges sein.

– Die schuldhafte Verstrickung der westlichen Wirtschaftsmächte in die Vorstufen des Konfliktes wird nicht betrachtet. Das Unrecht und Gewalt zu weiterem Unrecht und Gewalt führen ist ein bekanntes Phänomen. Die angebliche Notwendigkeit militärischer Einsätze liegt oftmals in Versäumnissen oder Fehlern der Vergangenheit begründet. Konsequenzen für die Außen-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik müssen an dem Leitbild eines gerechten Friedens gezogen werden. Der Verzicht auf militärische Möglichkeiten führt eventuell auch zu einem Umdenken der Politik im Vorfeld.

– Bei der Militärseelsorge vor Ort ist es sicherlich wichtig die positiven Intentionen des Einsatz zu bedenken. Bei der ethischen Beurteilung hat dieser militärseelsorgerische Duktus aber nichts zu suchen. Ich behaupte den Soldaten und Soldatinnen ist mehr damit geholfen, wenn sich die Bereitschaft der Politik sie in solche Einsätze zu schicken verändert, als wenn man die Lage schön redet. Die Kirche wird in diesem Papier nur einer ihrer Verantwortungen gerecht.

– Bei der Begründung des Afghanistankrieges folgt die Kammer in weitem Teilen der offiziellen Argumentation der Politik, wonach es sich erst um einen Verteidigungsfall handelte, danach der Aufbau einer funktionierenden Verwaltung Ziel sei und später humanitäre Absichten hinzugekommen seien.

Schon an der Begründung des Krieges lassen sich massive Zweifel ziehen. Das Al Kaida ihre Operationsbasis verlagern würde war schon vor beginn des Krieges absehbar. Daher stellt sich die Frage, ober der Krieg nicht eine Racheaktion einer zu tiefst getroffenen Nation/Wertegemeinschaft ist, die sich ihrer Verletzlichkeit bewusst wurde.

– Die Kosten des Krieges werden nicht in eine Relation zu ihrem Nutzen gesehen. Der Krieg kostet unsummen an Geld. Daher sollte man sich auch Gedanken machen, welche positive Dinge man mit dem Geld statt Leichenberge bewirken können.

– Eine kritische Betrachtung der humanitären Kriege findet nicht statt. Interessant wäre zu beobachten, warum sich innerhalb von nicht einmal zehn Jahren eine Nation für die ein Außeneinsatz ihrer Armee kaum denkbar war sich in mehrere militärische Abenteuer stürzt. Die neue Vermarktung des Krieges muss daher kritisch beurteilt werden.

 

Wenn der Pazifismus in der Kirche verloren geht, befürchte ich wird der Vorwurf von Erich Kästner wieder zutreffen können:

Vier Jahre Mord und ein paar Kränze heute.

Verlasst euch nie auf Gott und seine Leute!“

(Stimmen aus dem Massengrab)