Archiv der Kategorie:
Zentralisierung

Dekanatsfusion in der EKHN: „keine reine Sparmaßnahme“!

Aus 47 werden 25 – die Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau (EKHN) hat eine Reform der Dekanatsstruktur beschlossen. Die Kirchenleitung betont: Die Gebietsreform sei keine reine Sparmaßnahme… Mehr dazu.

„…keine reine Sparmaßnahme.“ Das ist noch etwas verklausuliert. Und das ist nicht die vollständige Nachricht. Doch ein Satz mit Sprengkraft. Noch einmal für Ungläubige: „Die Kirchenleitung betont: Die Gebietsreform sei keine reine Sparmaßnahme.“ Der Inhalt ist zwar völlig evident. Die Spatzen pfiffen es in der EKHN von den Dächern, als Synodale in einem einzigen Fall (!) einmal eine vergleichen Aufstellung laufender Kosten erhielten. Diese Aufstellung enthielt freilich keine Gesamtaddition. Ein Synodale/r, der die Addition kurzerhand selbst durchführte, stellte Mehrkosten nach der Dekanatsfusion in Höhe mehrerer 10 Tausend € fest – für diese eine betreffende Fusion. Dabei sei dahin gestellt, ob es sich denn schon um eine Vollkostenrechnung gehandelt hat.

Bekanntlich wurden die Gebietsreformen (Fusionen von Gemeinden, Dekanaten, Landeskirchen) bisher aber in allen Landeskirchen und auf allen Ebenen immer als Sparmaßnahmen, als Maßnahmen zur Konsolidierung von Haushalten etc. „verkauft“. Bisher. Damit bricht jetzt die EKHN. Und dafür, allein dafür, in diesem Zusammenhang aber leider auch: nur dafür – muss man sie loben.

Denn bislang wurde über Jahre hin gegenteilig argumentiert. Diese bekannte Argumentation referiert Christoph Meyns (designierter Landesbischof in Braunschweig) für Nordelbien (heute Nordkirche) in einem Artikel im Deutschen Pfarrerblatt:
„Mit dem weiteren Absinken des Kirchensteueraufkommens infolge der Absenkung der Spitzensteuersätze in der Einkommensteuer nach 1999 nahm der Personalabbau dann ein Ausmaß an, das eine umfassende Reorganisation der Strukturen von Landeskirchen, Kirchenkreisen und Kirchengemeinden notwendig machte… Unabhängig von der Entwicklung in den Ortsgemeinden griff der Nordelbische Reformprozess von 2003 bis 2009 umfassend in die Organisations- und Leitungsstrukturen der landeskirchlichen Ebene und die der Kirchenkreise ein…  Das Ziel der Reform bestand darin, auch mit weniger finanziellen Ressourcen die mit der Arbeit der landeskirchlichen Dienste und Werke und der der Kirchenkreise verbundenen inhaltlichen Anliegen so weit wie möglich zu erhalten. Um die dafür notwendigen Synergie- und Effizienzgewinne zu erzielen, schuf man größere Organisationseinheiten, veränderte Leitungsstrukturen und stärkte die horizontale und vertikale Verknüpfung von Arbeitsfeldern.“

Und nun die EKHN: Die Kirchenleitung betont: Die Gebietsreform sei keine reine Sparmaßnahme. Effizienzgewinne? Das war einmal. Die anderen Landeskirchen sollten das nun einfach auch eingestehen, unabhängige Evaluationen durchführen, und dann nüchtern das Resultat ihrer Strukturreformen bilanzieren.  Auch auf die Gefahr hin, dass es weh tut, dass man sich von alten, bequemen, aber falschen Denkmustern verabschieden muss. Tut man es nicht, wird es – teuer! Reiche Landeskirchen können solche Kosten vielleicht – vordergründig betrachtet – wegstecken. Aber Landeskirchen wie Nordelbien, mittlerweile zusätzlich fusioniert zur Nordkirche, mit einem Pro-Kopf-Kirchensteuereinkommen, das nur 2/3 der EKHN beträgt, werden darunter ganz erheblich in Mitleidenschaft gezogen. Wenn dann freilich – auf der Basis falscher Erwartungen und Reformhypothesen – gleich mehrere Fusionprozesse – auch noch ein landeskirchlicher – bei knappen Mitteln implementiert werden, dann sind deprimierende Ergebnisse zu erwarten. Meyns im selben Artikel: Die Reformprozesse lösen „bei den verantwortlichen Leitungspersonen und den von Veränderungen betroffenen Menschen Gefühle der Unsicherheit, Angst, Ohnmacht, Trauer und Wut aus. Krankenstand und Personalfluktuation steigen an“. Quod erat demonstrandum.

Friedhelm Schneider

Fusion gescheitert: „Evangelische Kirche Niedersachsen“ vom Tisch

Von: Michael Grau
Der große Wurf ist gescheitert – aus der „Evangelischen Kirche in Niedersachsen“ wird vorerst nichts. Die fünf Landeskirchen schaffen stattdessen jetzt schlanke Strukturen für ihre Zusammenarbeit auf Landesebene.
Vor allem die hannoversche Landeskirche setzte große Hoffnungen in diese Idee, denn sie umfasst drei Viertel Niedersachsens. Doch die vier kleineren Kirche zogen nicht mit. Sie hätten in diesem Fall ihre Eigenständigkeit aufgeben und sich damit im Prinzip selbst abschaffen müssen. Sie verwiesen darauf, wie tief sie in ihren jeweiligen Regionen verwurzelt seien. Dort sind die Kirchen heute noch fast die einzigen Organisationen, die weiter die alten Grenzen abbilden. Sie tragen damit zur regionalen Identität bei.  Zudem bringen ihnen die alten Grenzen handfeste Vorteile: Das Verhältnis von Pfarrern und Gemeindemitgliedern ist bei ihnen nach Zahlen meist besser als in der hannoverschen Kirche mit ihren Großstädten. Der Bischof der kleinen Landeskirche Schaumburg-Lippe, Karl-Hinrich Manzke, brachte es auf den Punkt: Seine Kirche sei „hochinteressiert“, Geld und Personal weiter eigenständig zu verwalten. Lesen Sie mehr.

Moltmann kritsiert Zentralisierung der Kirche

In einem Interview mit 3e reflektiert Moltmann die Verfassung unserer Landeskirchen. Dabei kritisiert er heftig die Zentralisierung: „Kirche funktioniert auch ohne Landeskirchenämter und die vielen Referenten. Die Bürokratien behindern und lähmen die Arbeit vor Ort.“ Wachstum, Veränderung und Mission können nur die Gemeinden als Basis leiten.

Lesen Sie hier die Vorabauszüge des Interview bei Jesus.de.

„Doa moach ma‘ halt a Revolution – damit a Ruah is…“

Glosse zur Entscheidung der EKHN-Synode über die flächendeckenden Dekanatsfusionen in der EKHN.

Für die des Bayerischen nicht Mächtigen: „Da machen wir halt eine Revolution, damit wieder Ruhe ist“, so würde man den Titel auf hochdeutsch übersetzen. Der Satz wird einem angesehenen Münchner Schumacher aus dem Umfeld Eisners zugeschrieben, der den Ausschlag für die „Münchner Revolution“ und die Etablierung der nur kurze Zeit andauernden Räterepublik in Bayern 1919 gegeben haben soll. Nimmt man das bayerische Lokalkolorit dieser – wahren – Geschichte weg und abstrahiert, dann bleibt die generell gültige Erkenntnis: sind Prozesse erst weit genug vorangetrieben, dann lassen sie sich nicht ungestraft wieder stoppen. Dann steht bei der Entscheidung nicht mehr die Sinnhaftigkeit des zu entscheidenden Vorhabens eine Rolle, sondern die Vermeidung größeren Übels. Dann muss was passieren – damit wieder Ruhe einkehrt. Da mag es sich um eine Revolution handeln oder um Reformen. So kann man diesen Satz denn als Kommentar zu unterschiedlichen Prozessen um Reformvorhaben verwenden, sei es den Entscheidungen der Landessynode der EKiR (s. Beitrag Alberti) oder auch denen der EKHN um die Dekanatsfusionen:

„Seit Donnerstag tagt die Kirchensynode der EKHN in Frankfurt. Einer der wichtigen Tagesordungspunkte gleich am ersten Tag war die Neuordnung der Dekanatsgebiete – ein Thema, das bekanntermaßen auch in den Evangelischen Dekanaten Biedenkopf und Gladenbach kontrovers diskutiert wird.

Viele der Einwände und Bedenken kamen auch in den Wortmeldungen zur ersten Lesung zur Sprache – ebenso wie Argumente für einen möglichst raschen Zusammenschluss. In diesem Sinne sprachen sich auch unsere Landessynodalen Detlef Ruffert und Gerhard Failing aus.

Seit vielen Jahren rede man über die Fusion und verschwende unverhältnismäßig viel Energie dafür, so Ruffert: Es sei Zeit, sich endlich wieder dem Wesentlichen zuzuwenden. Angesichts des ständigen Hin und Hers bestehe die Gefahr, dass Kirche nicht mehr ernst genommen werde, mahnte Ruffert und appellierte in diesem Sinne für ein möglichst rasches Umsetzen der Vorlage.“ – Oder: ‚Doa moach ma‘ halt a Revolution, damit a Ruah is!‘

Friedhelm Schneider

 

 

Zentralisierung in der evangelischen Publizistik

In keinem kirchlichen Arbeitsbereich sind die Zentralisierungsbestrebungen in Richtung EKD, wie sie im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ 2006 gefordert wurden, so weit fortgeschritten wie im Bereich der evangelischen Gebietspresse und Publizistik. Kurz nach dem Beschluss zur Gründung des Magazins Chrismon setzte ab 2000 eine Tendenz ein, die man als „Chrismonisierung der EKD-Publizistik“ beschreiben könnte.

Traditionsreiche kirchliche Wochenblätter wurden aufgegeben und durch von den Stabstellen für Öffentlichkeitsarbeit der Landeskirchen produzierte regionale Chrismon-Plus-Ausgaben ersetzt. In der Badischen Landeskirche wurde der unabhängige Presseverband schon vor Jahren aufgelöst, in der Rheinischen Landeskirche wird er derzeit abgewickelt. Allerdings ist auch in beiden Landeskirchen das Experiment „Chrismon Plus“ bereits gescheitert. Kirchliche Öffentlichkeitsarbeit ist eben doch etwas kategorial anderes als unabhängiger Journalismus.

All diese Entwicklungen werden angestoßen vom Gemeinschaftswerk der Evangelischen Publizistik (GEP), das längst kein Gemeinschaftswerk der Landeskirchen und kirchlichen Werke und Verbände mehr ist, sondern nur noch einen einzigen Gesellschafter hat: die EKD.

Martin Schuck

Zentralisierung in der evangelischen Publizistik

…Tatsächlich ist bei genauerem Hinsehen festzustellen, dass außer einigen Fusionen von Landeskirchen (Kirche in Berlin Brandenburg – schlesische Oberlausitz, Evang. Kirche in Mitteldeutschland, Evang. Kirche in Norddeutschland) vor allem in einem kirchlichen Handlungsfeld eine zunehmende Zentralisierung stattgefunden hat, nämlich in der evangelischen Publizistik.

Hier hat die EKD mit aller Macht versucht, die landeskirchlichen Aktivitäten unter dem Dach des früheren »Gemeinschaftswerks der Evangelischen Publizistik« (GEP) zu zentralisieren. Inzwischen hat sie das GEP als ein Kompetenzzentrum im Sinne von »Kirche der Freiheit« zu diesem Zweck in das Kirchenamt der EKD eingegliedert. Die EKD ist nun – nach dem Ausscheiden der evangelischen Landeskirchen und anderer evangelischer Einrichtungen aus der Gesellschafterversammlung – Alleingesellschafter des GEP, das nach dem Willen der EKD offenbar alle publizistischen Aktivitäten der Landeskirchen übernehmen soll…

aus Evangelische Existenz heute! – Eine Streitschrift auf dem Weg zum Reformationsjubiläum 2017 . Von Eberhard Cherdron / Martin Schuck

Fusionsprozess der EKM. Chronologie. Prozessanalyse. Erkenntnisgewinne.

„Auf dem Weg zur Evangelischen Kirche in Mitteldeutschland (EKM)
25. Mai 2005 Fusion der Diakonischen Werke der Thüringer Landeskirche, der Kirchenprovinz Sachsen und der Landeskirche Anhalts zum „Diakonischen Werk Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland e. V.“
6. März 2006 Eröffnung des Zentrums für Kirchenmusik der EKM in Erfurt
1. September 2006 Beginn der gemeinsamen Vikarsausbildung

15. Februar 2008 Unterzeichnung des Vereinigungsvertrages zw. den beiden Landeskirchen“

Die Chronologie ist in mehrfacher Hinsicht interessant.
1. In Bezug auf die Chronologie. Auch andere Landeskirchen dürften dem Schema folgen, auch wenn dort offziell von Fusion (noch) nicht die Rede ist. So wurden im Falle der EKHN und EKKW die der Kirchenfusion vorausgehenden Fusionen, etwa der Diakonischen Werke, schon abgeschlossen. Ebenso in den Landeskirchen Württemberg und Baden (vgl. „Aus den Landeskirchen“ ).
Man darf also gespannt sein, wann der wirkungsfreie Kräfteverzehr der Kirche weitergeht.

2. In Bezug auf die Frage von Kosten und Nutzen solcher Projekte.

Vielleicht kommt zwischenzeitlich jemand auf die Idee, die Frage von Kosten und Nutzen solcher Projekte zu stellen. Und dann auch noch aus dieser Information einen Schluss zu ziehen. Dies Medikament der Information wäre dann der Schlussstrich unter die Ideologie der Fusionitis.
Mehr dazu.

Von der Freiheit evangelischer Publizistik auf Dekanatsebene

von Timo Rieg, Fach- und Profilstelle Öffentlichkeitsarbeit im Dekanat Alsfeld.

Summary: Journalismus gibt es nur unabhängig. Selbst wenn er von einer Institution wie der evangelischen Kirche gefördert oder gar bezahlt wird, kann und darf er von keiner Gruppe inhaltlich vereinnahmt werden, weil er damit seines Wesens beraubt würde. Von kirchlichen Leitungs- und Beschlussorganen verlangt dies, die Freiheit evangelischer Publizistik zu akzeptieren – zum Wohle der Kirche und zum Nutzen ihrer eigenen Arbeit. Zum Artikel.

EKHN: Dekantssynode für Gang vors Kirchliche Verfassungs- und Verwaltungsgericht in Sachen Zwangsfusion der Dekanate

Dekanats Oppenheim. Einig sind sich alle, dass solch eine Fusion zwar von der Landeskirche avisiert wird, aber innerhalb der Propstei und Dekanate nicht erwünscht ist. „Wir können auch gut in den bisherigen Strukturen unsere Arbeit verrichten“, erklärt Pfarrerin Manuela Rimbach-Sator… Pfarrer Richard Dautermann kritisierte, dass das bisherige Vorgehen der Landeskirche dem synodalen Prinzip widerspreche: „Dass wir als betroffene Synoden kein Mitspracherecht bei den Fusionsverhandlungen haben und es im schlimmsten Falle eine Zwangsfusion geben könnte, hebelt das synodale Prinzip aus.“. Daher möchte er beim Kirchlichen Verwaltungsgericht eine Prüfung anfordern, ob die Kirchenleitung der EKHN rechtlich befugt sei, solch eine weitreichende Entscheidung ohne Anhörung der Synodalen zu treffen. Diesem Vorschlag wurde von den Synodalen mit großer Mehrheit zugestimmt…

Mehr dazu.

Fusionen als Kostentreiber

Wie lautet die gängige Begründung für Fusionen? Einsparungen !

Die Realität sieht bei Lichte besehen anders aus. Da transparente Zahlen in der Kirche offiziell nicht vorliegen, vielleicht auch nicht erwünscht sind, hier die finanziellen Folgen von Fusionen im Bereich Gesundheitswesen:

„Die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen ist in den letzten Jahren rapide gesunken. 1992 waren es über 1000 Kassen, 2011 nur noch 146. Diese Entwicklung ist von der Politik gewollt und gefördert worden. Angeblich, um Verwaltungskosten einzusparen. Seltsam ist nur, dass diese Verwaltungskosten trotzdem in die Höhe geschossen sind, von umgerechnet 6,17 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf 11,5 Milliarden Euro im Jahr 2011.“ Lesen Sie den Artikel in Cicero.

Fusionen sind also kein Allheimittel, sondern – Kostentreiber. Vlg. dazu auch die in den Wort-Meldungen schon an anderer Stelle vorgestellte Studie des Bundesrechnungshofs.