Archiv der Kategorie:
Bildung

Humboldts Begräbnis – 10 Jahre Bologna- Prozess

von Wolfgang Lieb, 2009, in: Blätter für deutsche und internationale Politik

Am 19. Juni dieses Jahres jährt sich das wohl einschneidendste Ereignis der jüngeren europäischen Hochschulgeschichte zum zehnten Mal. An diesem Tag kamen 1999 im italienischen Bologna die Bildungsminister 29 europäischer Staaten zusammen, um die Mobilität der Studierenden im „europäischen Hochschulraum“ etwa durch vergleichbare Studienabschlüsse voranzutreiben. Das Ergebnis war die Verabschiedung der sogenannten Bologna-Erklärung, die bis heute von 46 Staaten unterschrieben wurde. Ihr Ziel sollte, neben der Verständlichkeit und Vergleichbarkeit von Hochschulabschlüssen, die Einführung eines zweistufigen (angelsächsischen) Studiensystems (Bachelor und Master) sowie die Förderung der Mobilität von Hochschulangehörigen sein. Seither haben sich die deutschen Hochschulen grundlegend verändert: Stand früher eine allgemeine wissenschaftliche Ausbildung im Vordergrund, so ist es heute die „Beschäftigungsfähigkeit“ der Studierenden. Zudem wurden die Strukturen der Hochschulen umgebaut, an die Stelle von Selbstverwaltung traten autokratische Leitungsstrukturen. Auf diese Weise wurden die Hochschulen zunehmend der demokratischen Gestaltungsmacht des Staates entzogen und einseitig auf den globalen Wettbewerb um die Einwerbung von Drittmitteln und Studiengebühren aus- und zugerichtet.
Dies heute zu diagnostizieren, bedeutet nicht, den vorangegangenen Zustand für sakrosankt zu erklärten. Auch im ausgehenden 20. Jahrhundert waren unsere Hochschulen wahrlich nicht im besten Zustand. Es gab erheblichen Reform- und vor allem riesigen Investitionsbedarf. Aber ganz so schlecht können die staatlichen Hochschulen nicht gewesen sein, wenn etwa die als „Stachel im Fleisch“ gegründeten privaten Hochschulen in Deutschland, jedenfalls in der Breite, nie zu einer echten Konkurrenz aufsteigen konnten. Da gab es offenbar keine „Marktlücke“, dazu war das Studienangebot der staatlichen Universitäten und Fachhochschulen einfach zu gut. Trotz der Überfüllung der Hochschulen führte ein Studienabschluss jedenfalls in aller Regel zur Befähigung zur selbstständigen Bearbeitung von neuen Problemen mit wissenschaftlichen Methoden. Wenigstens dem Anspruch nach galt das Humboldtsche Prinzip der „Bildung durch Wissenschaft“.

Schweizer Großbank kauft sich mit 100 Millionen Franken an der Universität Zürich ein

Vor Jahren sponserte die Schweitzer Großbank UBS der Universität in Zürich mit 100 Millionen Franken ein neues Institut. Natürlich wurde damit die Freiheit von Forschung und Lehre nicht. Die genauen Vertraglichen Details dieses sauberen Geschäfts blieben aber lieber geheim.

Bis jetzt. Nun sind sie Publik und ein hervorragendes Beispiel, welche Eingriffe der Wirtschaft in die Unabhängigkeit der Universitäten geduldet werden solange das Kleingeld stimmt:

– Die Forscher am neuem UBS-Center müssen sich regelmäßig mit Spezialisten der Bank austauschen.

– Von der UBS gesponserte ProfessorInnen müssen an dem jährlichen UBS International Economic Forum teilnehmen.

– Die Universität soll das Sponsoring möglichst häufig werbewirksam erwähnen.

– Ein Verwaltungsrat der UBS wird Mitglied des aus Steuergeldern finanzierten Departementt of Economics.

– Die Universität darf in den Wirtschaftswissenschaften keine ähnlich großen Sponsorenvereinbarungen mit anderen Partnern schließen.

Lesen Sie hier bei der Zeit alle Hintergründe.

Es zeigt sich klar, welche folgen der Abbau der Demokratie an den Universitäten und die Anbiederung an die Wirtschaft haben. Auf diesem Weg lassen sich gefügige Eliten von morgen für die Wirtschaft züchten. Eine Freie Lehre und Wirtschaft funktioniert, aber nur mit demokratisierten Universitäten.

Kinofilm Alphabet

Erwin Wagenhöfer ist nach seinen Dokumentationen „We feed the world“ und „Let’s make money“ für seinen kritischen Blick auf die Gesellschaft und Wirtschaft bekannt.

Nun befasst er sich mit seinem neuem Film mit dem Bildungssystemen auf dieser Welt. Er betrachtet global mehrere Systeme um zu zeigen, welche Auswirkungen die Konzentration auf die Verwertbarkeit von Bildung hat. „„Leistung“ als Fetisch der Wettbewerbsgesellschaft ist weltweit zum unerbittlichen Maß aller Dinge geworden.“, analysiert Wagenhöfer. Die Auswirkungen sind gravierend. Die erlernten Denkmuster sind zu engstirnig. Diese Form der Bildung macht er für die aktuelle Krise mit verantwortlich. Es ist unseren Eliten fast unmöglich langfristige Perspektiven zu entwickeln.

Bildung ist für ihn umfassender: „Was wir lernen, prägt unseren Wissensvorrat, aber wie wir lernen, prägt unser Denken.“

Sehen Sie hier den Trailer zu Alphabet und lesen Sie hier ein Interview mit der Zeit.

Prof. Jochen Krautz: Ware Bildung – Buchbesprechung

Der große Umbau deutscher Hochschulen und die neuen Studiengänge werden weder zu besserer Anschlussfähigkeit deutscher Abschlüsse führen noch zu einer besseren akademischen Bildung. Das ist nur ein Punkt in Jochen Krautz Generalabrechnung mit der Umgestaltung des deutsche Bildungssystems, für die die Schlagworte Bologna und PISA stehen.

Unter dem Zwang der Effektivierung, des Benchmarking, Ranking und der Outputorientierung ist Bildung verloren gegangen, und deshalb stellt Krautz den Bildungsbegriff an den Beginn seiner Kritik. Als Kunsterzieher leitet er ihn anschaulich und gut verständlich aus der Betrachtung eines Reliefs über dem Tor einer tschechischen Volksschule her. Bildhaft und angenehm lesbar wie der Einstieg ist das ganze Buch geschrieben. Bildung als Persönlichkeitsentwicklung und Erziehung als ein personaler Prozess zwischen Lehrer und Schüler sind verloren gegangen, stattdessen geht es nur noch um die Ausbildung der eigenen Arbeitskraft und der quasi industriellen Produktion von Kompetenzen, um das Human-Kapital der künftigen Ich-AGs.

Zur immer noch aktuellen Buchbesprechung von Wolfgang Lieb von 2007.

Ökonomisierung und Entdemokratisierung des Bildungswesens – Veranstaltungshinweis

Sind Kompetenzen, Standards und Methoden ein Allheilmittel?
Vortragsreihe: Vom 31.10.2013 bis 30.01.2014 alle 14 Tage donnerstags um 19:30 Uhr in der Goethe-Uni Frankfurt, Campus Bockenheim Hörsaalgebäude, Gräfstraße, Ecke Mertonstraße

Bildungsstandards, Einzug des Qualitätsmanagements in die Schule, Individualisierung der Lernprozesse durch selbstorganisiertes Lernen, Ausrichtung der Schule an betriebswirtschaftlichen Kriterien – das sind einige der Schlagwörter, mit denen Bildungsplaner/-innen das auf angeblich abgestandenes „Abfragewissen“ zielende Schulsystem in Deutschland umkrempeln wollen.

Die Veranstaltungsreihe „*Ökonomisierung und Entdemokratisierung des Bildungswesens*“ der Frankfurter GEW in Kooperation mit dem AStA der Goethe-Universität und der „Gesellschaft für Bildung & Wissen“ zielt auf den Blick hinter die Kulissen, die von Politikern/-innen und Meinungsmonopolisten aufgebaut wurden und werden, um die Aufmerksamkeit von den für Lehrkräfte und betroffene Schülerinnen und Schüler negativen Folgen der beabsichtigten „Reformen“ abzulenken und um Veränderungen von Strukturen und Inhalten des Bildungssystems durchzusetzen, die kritisch zu hinterfragen sind.
Zum Programm der Abende.

Kampagne “Schule ohne Militär” startet

Zu Beginn des neuen Schuljahres startet das landesweite Bündnis „Schule ohne Bundeswehr (NRW)“, in dem sich Friedens- und antimilitaristische Gruppen, die LandeschülerInnenvertretung, Gewerkschaften und Jugendverbände zusammen­geschlossen haben, eine neue Kampagne „Schule ohne Militär“. Motiviert durch eine zunehmende Zahl von Schulen, die Werbe- und sonstige Auftritte der Bundeswehr vor Schülerinnen und Schülern ablehnen, will das Bündnis seine Aktivitäten verstärken.

Zum Artikel.

Zum Flyer, mit der über die Kampagne informiert werden kann

Kinder brauchen Zeit, keinen Luxus

01.08.13 Optimale Kinderbetreuung

Einige exklusive Betreuungsstätten werben mit stilvollen Altbau-Villen, französischen Kindermöbeln, Bewegungslounges und Balletträumen. Brauchen Kinder so etwas für eine optimale Betreuung? Oder brauchen Sie schlicht – mehr Zeit? Lesen Sie in der SZ.

Wessen interessen soll die Freiheit der Forschung schützen

Dürremat beschreibt in seinem Meisterwerk die Physiker die Unmöglichkeit die Kontrolle über eine Idee zu behalten. Nicht einmal die Flucht in ein Irrenhaus ermöglicht es den Missbrauch der Forschung zu verhindern.

12 Universitäten haben um die direkten Ergebnisse ihrer Forschung besser zu kontrollieren nun Zivilklauseln in ihre Satzung aufgenommen. Damit wollen sie sich verpflichten Forschung und Lehre nur auf zivile und friedliche Zwecke auszurichten. Personen an dieser Universität können sich daher zumindest in der ersten Instanz über die Verwendung ihrer Forschungsergebnisse sicher sein.

Doch die Freiheit nicht an Kriegsforschung beteiligt sein zu wollen wird von denen, die mit Kriegsforschung verdienen angegriffen. Sie berufen sich auf die vom Grundgesetz garantierte Freiheit der Forschung.

Lesen sie auf den NachDenkSeiten die Hintergründe des Streits.

Steckt der Wissenschaftsjournalismus in der Krise?

Im DR-Radio diskutieren Redaktion und WissenschaftsjournalistInnen über die Zukunft und die aktuelle Verfassung des Wissenschaftsjournalismus. (Podcast rechts oben)

Immer mehr WissenschaftlerInnen vermarkten sich selbst und sind auf die Zeitungen als Publikationsplatform weniger angewiesen. Doch damit treten sie in Konkurenz zu WissenschaftsjournalistInnen. Eine kritische Berichtserstattung ist jedoch wichtig, da die Wissenschaft oft auf eigene Interessen an der Vermarktung ihrer Forschung hat.

Als ExpertInnen werden die Wissenschaftsjournalisten oft auf die hinteren Meldungen verbannt. Es sei denn eine Katastrophe muss erklärt werden. Daher wäre es wichtig, das WissenschaftsjournalistInnen auch mehr in der Redaktion gefragt werden.

 

Es entsteht im Studio eine interessante Diskussion über die Vermittlung von Wissen in der Gesellschaft.

Wider die Ökonomisierung der Bildung – von Ekkehardt von Kuenheim (BMW)

von Ekkehardt von Kuenheim (von 1970 bis 1999 Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats von BMW)

„Gehen wir mal auf den Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt zurück, der derzeit in der ganzen Welt eine nie gekannte Beachtung findet – außer in Deutschland –  so versteht man darunter im weitesten Sinne die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit basierend auf einer möglichst breiten Allgemeinbildung, in der Selbstbestimmung, Mündigkeit und Vernunftgebrauch die zentralen Elemente darstellen. Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender der gleichnamigen Stiftung und jahrelanger Vorstandsvorsitzender von BMW, hat in einem leider viel zu wenig beachteten Artikel in der FAZ mit dem Titel „Wider die Ökonomisierung der Bildung“ eindringlich vor einem reinen Nützlichkeitsdenken gewarnt, da ein strenger Utilitarismus genau die Schäden verursache, die man beklage. Insbesondere auch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen – die heute sowohl an Schulen als auch an Universitäten im Rahmen eines bisher nie gekannten Drittmittel- und Employabilitywahns in ihrer Daseinsberechtigung angezweifelt werden – sollten dazu beitragen, die Kindern zu mündigen und kritischen Bürgern zu erziehen, die sowohl in ihrem persönlichen als auch im gesellschaftlichen Leben auf der Basis von Wissen kompetent Entscheidungen, Bewertungen und Kommunikationen durchführen können, was übrigens auch der Anspruch eines sinnvollen Kompetenzbegriffs durchaus anfangs war.“ Lesen Sie den vollständigen Artikel.