Schlagwort-Archive: Christoph Fleischmann

Ein Pakt, den keiner kennt. EKD regiert in Finanzplanung der Landeskirchen. Eine Sendung im wdr von Christoph Fleischmann

Wenn’s ums Geld geht, hört die Liebe unter Glaubensgeschwistern auf: Die evangelischen Landeskirchen haben einen Erweiterten Solidarpakt beschlossen. Was nach Solidarität klingt, ist eigentlich eine Maßnahme um den Solidaritätsfall zu verhindern.

In der Tat hat die Kirchenkonferenz der EKD im Jahr 2006 einen Erweiterten Solidarpakt beschlossen. Die Kirchenkonferenz ist ein kleines Gremium, in dem in der Regel der leitende Geistliche und der Chefjurist jeder Landeskirche vertreten sind. In dem Solidarpakt geht es um die Vereinbarung finanzieller „Mindeststandards“ etwa bei Personalkosten, Rücklagen und Verschuldung. Diese Standards würden im Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft der Landeskirchen „überwacht“, erklärt Oberkirchenrat Thomas Begrich, der beim Kirchenamt der EKD für die Finanzen zuständig ist. „Dazu kriegen wir einmal im Jahr ein paar Kerndaten, die wir dann auswerten und dann wieder mit den jeweiligen Gliedkirchen sprechen: Wie ist der Stand, wo liegen die Probleme? Wo muss man mehr tun?“…
Die Vereinbarung droht den Landeskirchen an, ihnen einen Sparkommissar ins Haus zu schicken. Christian Grethlein (Prof. C.G., Münster, Anm. F.S.) meint, dass die Vereinbarung schon einen „gewissen Rechtscharakter“ habe, weil eine Rechenschaftspflicht der Landeskirchen gegenüber dem Finanzbeirat der EKD vereinbart worden sei. „Und von daher wundert es, dass offensichtlich in den Landeskirchen dieser Erweiterte Solidarpakt nicht oder nicht hinreichend diskutiert wurde“, so Grethlein… Zum Beitrag im WDR.

Zur Sendung zum Thema im wdr, ausgestrahlt am Sonntag, 27. Juli 2014, 09.20 – 10.00 Uhr

Mehr zum Thema Kirche und Kapitalrücklagen vom selben Autor, dem Journalisten und Theologen Christoph Fleischmann, am Sonntag, 03.08., im Kulturradio vom RBB in Berlin.


					

Castellio und der Streit um Toleranz. Von Christoph Fleischmann

Sebastian Castellio arbeitete in Basel als Buchdrucker und Korrektor. Die umstrittene Hinrichtung des Ketzer Michael Servet in Genf 1553 führte zu einem Streit um die Toleranz in der Reformation. Castellio ließ unter Pseudonym die Schrift „Über Ketzer und ob man sie verfolgen soll“ drucken. Darin forderte Castellio ein höheres Maß an Toleranz. Man müsse in jeder Stadt seine religiösen Überzeugungen wechseln, wie Münzen. Im Sinne der Humanisten schlägt Castellio zwischen offensichtlichen Wahrheiten, wie dem Monotheismus und nicht offensichtlichen Wahrheiten, wie Taufe, Abendmahl und den freien Willen zu unterscheiden. Da diese Fragen sich nicht eindeutig beweisen lassen, sollte hier Toleranz herrschen.

Hören Sie hier den Radiobericht oder lesen Sie hier den Artikel zu Castellio und den Streit um den Umgang mit Andersgläubigen.

Ein Pakt, den keiner kennt. Von Christoph Fleischmann.

Ein beeindruckendes Beispiel protestantischer Transparenz: Die Kirchenkonferenz, in der die beiden ranghöchsten Vertreter jeder Landeskirche zusammensitzen, beschließt einen „Erweiterten Solidarpakt“. Der betrifft das Finanzverhalten aller Landeskirchen: Man habe „finanzielle Mindesstandards einer verantwortlichen Finanzplanung“ festgelgt, die vom Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft aller Landeskirchen überwacht würden, erklärt Thomas Begrich vom Kirchenamt der EKD. Dazu liefern die Landeskirchen jährlich Daten bezüglich Personal, Rücklagen, Schulden, etc. nach Hannover.

Leider sind die Beschlüsse der Kirchenkonferenz nicht öffentlich. Aber, so versichert das Kirchenamt auf Nachfrage, selbstverständlich seien auch die Landessynoden „informiert“. Ist das so? Hat irgendeine Kirchenleitung den Beschluss der Kirchenkonferenz ihrer jeweiligen Synode im Wortlaut vorgelegt?  Zum Artikel.

Sparen für die Renten.

Von Christoph Fleischmann.

Die evangelischen Landeskirchen tragen immer mehr Geld auf die Finanzmärkte.

Wie ein Riss in einer hohen Mauer – so lautete der Titel einer Stellungnahme zur Finanzkrise, die der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) im Sommer 2009 veröffentlichte. Darin wird das Vertrauen auf die scheinbar sicheren Finanzmärkte als eine Ursache der Finanzkrise ausgemacht: »Man glaubte, den Umfang und die Struktur der Risiken im eigenen Einflussbereich berechnen und beherrschen zu können. Die global und gesamtwirtschaftlich sich entwickelnden Risiken aber nahm man sehenden Auges in Kauf oder maß ihnen keine Bedeutung bei.«

Was in dem Text nicht stand: Auch die evangelischen Landeskirchen tragen immer mehr Geld in die Finanzmärkte – von dreißig Milliarden Rücklagen ist die Rede –, zu einem guten Teil für die Alterssicherung ihrer Angestellten und Pfarrer.
Zum Artikel von Christoph Fleischmann.

Kirche und Pfarrpensionen. Zur Struktur einer Diskussion.

von Christoph Fleischmann

Die Kirchen in Deutschland sind wohlhabend – und doch hören das die Kirchenleitungen nicht gerne. Sie finden, dass sie viele Aufgaben zu schultern und deswegen das viele Geld nur zu bitter nötig hätten. In den evangelischen Kirchen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Pensionslasten der Kirchen verwiesen, also die Kosten für die Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand, die in den folgenden Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gingen, noch deutlich zunähmen…

Pfarrer Christoph Bergner war rund 18 Jahre im Finanzausschuss der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; seiner Erfahrung nach schätzte seine Kirche sich immer ärmer ein als sie war:

„Als wir angefangen haben mit den Sparmaßnahmen, das war in den Jahren 94/95, dass das vorgetragen wurde von der Kirchenleitung, habe ich diesen Prognosen getraut. Und ich habe erst nach acht Jahren Mitgliedschaft im Finanzausschuss zum ersten Mal – und zwar aufgrund eines großen Streits – die Möglichkeit gehabt zu erfahren, was eigentlich an Geldern in der Landeskirche war; und hab da gemerkt: Unter diesen Bedingungen stimmen die ganze Annahmen nicht. Und seitdem bin ich an dieser Stelle sehr kritisch, und das hat sich auch bewahrheitet in den letzten zehn Jahren. Ich habe immer wieder gesehen: Die Prognosen und was ist hinterher dabei rausgekommen. Bei einem soliden Haushalt muss ein ordentlicher Finanzreferent immer so ein bisschen bescheidener schätzen, das ist ja auch gut, dann kann man Risiken auch abfangen im laufenden Jahr, aber wenn am Schluss 30, 40, oder 50 Millionen übrig sind, dann muss man irgendwann mal fragen: Stimmen denn auch die Prognosen so?“

Christoph Bergner, Autor des Buches Die Kirche und das liebe Geld, sah wie unter dem Eindruck negativer Finanzprognosen Sparmaßnahmen beschlossen wurden:

„Und die Mehreinnahmen, die man hat, die kann dann die Kirchenleitung für bestimmte Projekte benutzen. Der demografische Wandel wird in den Gemeinden abgebildet: Ihr kriegt jetzt da keinen Pfarrer mehr und da keinen Pfarrer mehr, aber das Geld, das da ist, wird dann für andere Projekte verwendet. Oder eben in irgendwelche Rücklagen getan.“ …

Zum Artikel.

 

Neues zum „Geist des Kapitalismus“. Die religiöse Struktur des modernen Wirtschaftsdenkens.

Bei den Stichworten „Kapitalismus“ und „Religion“ fällt den meisten immer noch der Name Max Weber ein. Der meinte, dass der Calvinismus die geistigen Vorraussetzungen geschaffen habe für die Entwicklung des Kapitalismus in Europa und Amerika. Seine Studie „Die protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ hat eine Wirkungsgeschichte nach sich gezogen, vor der jeder Autor nur vor Neid erblassen kann. Obwohl Historiker immer wieder nachgewiesen haben, dass der von Weber postulierte Zusammenhang von Konfession und wirtschaftlichem Erfolg nicht taugt zur Erklärung der Wirtschaftsgeschichte, ist die These dennoch kaum totzukriegen. Von daher ist der Versuch, den „Geist des Kapitalismus“ einmal anders zu rekonstruieren, reizvoll und nicht so verwegen, wie es scheint. Kann man dazu doch an die alte Weber-Kritik von Lujo Brentano und Werner Sombart anknüpfen. Zum Artikel von Christoph Fleischmann.