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Überfrachtung des Ehrenamtstatus?

EKHN, Evaluation zur Kirchenvorstandswahl: „Rund 40 % der Kirchenvorstände „mussten“ die Zahl der zu wählenden Kirchenvorstandsmitglieder reduzieren.“

12/2015, EKHN- Synode
a) Bedenken aufnehmen – Wahlrecht weiterentwickeln

Dennoch stellen Kirchengemeinden Anfragen an das geltende Wahlrecht und fragen nach der
demokratischen Legitimität und Sinnhaftigkeit unserer Wahlen nach demokratischen Prinzipien:
– Gemessen an der Wahlbeteiligung, wurde das Wahlverfahren insgesamt vielfach als zu aufwendig
angesehen. In einzelnen Fällen wurde das Wahlrecht insgesamt in Frage gestellt.
– Die Kandidierendensuche gestaltete sich angesichts der gestiegenen Erwartungen an ehrenamtliche
Kirchenvorstände vielfach schwierig.
– Das Verfahren der Kandidierendensuche wurde mancherorts als intransparent empfunden.
– Rund 40 % der Kirchenvorstände „mussten“ die Zahl der zu wählenden Kirchenvorstandsmitglieder
reduzieren.
– Die Wahlbeteiligung stagniert trotz großen Aufwands insgesamt seit Jahren durchschnittlich
um die 20%, ist 2015 sogar leicht zurückgegangen.
– Das Wahlverfahren lässt auch „Verlierer“ zurück, mit denen der Umgang schwierig ist, zumal,
wenn sie in nicht unerheblicher Zahl in den Kirchenvorstand innerhalb von 6 Monaten nachrücken.
– Wann ist eine Wahlbeteiligung gut? …

mehr dazu, vgl. S. 7

Volker Jung lobt das Engagement ehrenamtlicher Helfer für Flüchtlinge

Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration der EKD äußert sich lobend über das ehrenamtliche Engagement bei der Aufnahme von Flüchtlingen. Jung sieht einen Lernprozess seit den Ausschreitungen der 90er Jahre: „Ich glaube, dass sich etwas verändert hat in den Köpfen. Da hat ein Umdenken stattgefunden hin zu der Erkenntnis: Fremdenfeindlichkeit ist nicht das, was wir wollen. So soll unser Land nicht sein.„

Es wäre nach Jung auch noch möglich weitere Flüchtlinge aufzunehmen. Dafür müsste aber das System geändert werden: „Wobei es ganz wichtig ist, dass Flüchtlinge gut in den Regionen verteilt werden. Genau so wichtig ist es, möglichst schnell ihre Integration zu fördern. Problematisch sind immer Situationen, in denen Flüchtlinge geballt an einem Ort untergebracht werden. Ich plädiere deshalb für eine dezentrale Unterbringung„

Leider bleibt Jung dabei Flüchtlinge als Hilfsbedürftige Menschen zu sehen. Gerade für die Kirche wäre es aber wichtig Gemeinschaft zu bilden. Solidarität darf nicht damit aufhören Hilfe zu verteilen. Paulus hat es für die christlichen Gemeinden im Rahmen der Jerusalemkollekte auf den Punkt gebracht: „So diene euer Überfluss ihrem Mangel diese teure Zeit lang, auf dass auch ihr Überfluss hernach diene eurem Mangel und ein Ausgleich geschehe;wie geschrieben steht: „Der viel sammelte, hatte nicht Überfluss, der wenig sammelte, hatte nicht Mangel.“(2.Kor8.14f)

Die Akzeptanz von Flüchtlingen wäre wesentlich höher, wenn wir diese Menschen nicht nur als EmpfängerInnen unserer Güte, sondern auch als Schenkende betrachten. Für die Kirche ist das eine wichtige Herausforderung, denn nur, wenn wir auch erkennen, dass auch wir bedürftig sind, kann ein Umgang auf Augenhöhe mit Flüchtlingen stattfinden.

Kultur des Rufens

Vielen Gemeinden fällt es schwer engagierte Personen als Ehrenamtliche zu gewinnen. Besonders offensichtlich wird dies, wenn es darum geht KandidatInnen für einen Kirchenvorstand aufzustellen.

Bischof Albert Rouet musste in seiner Dieszöse Priester einsparen. Aus der Not entwickelte er ein neues System von Sektoren. Ein Priester ist für mehrere Gemeinden zuständig. Hauptsächlich Ehrenamtliche leiten die Gemeinden als Equipe. Diese Equipe wird auf drei Jahre gewählt und die Mitglieder dürfen nur ein weiteres mal kandidieren.

Das System hat zu tiefen Änderungen in den Gemeinden geführt. Um den Bedarf an ehrenamtlichen LeiterInnen zu decken, muss die Kirche eine „Kultur des Rufens“ etablieren. Auch in der Dieszöse kennen die Schwierigkeit geeignete KandidatInnen zu finden. „Doch nach sechs Jahren müssen andere Personen gerufen werden. Dann beginnt das Jammern und Stöhnen. ‚Das wird nie klappen! Nach uns gibt es niemanden mehr! Da ist keiner in Sicht!“

Für dieses Problem gibt Bischof Rouet einige gute Tipps. So hat es sich bei ihm bewährt die Verantwortlichkeit zeitlich zu begrenzen: „Wenn in einer Pfarrei die Katechese seit siebzehn Jahren von ein und derselben Person erteilt worden ist, kann man getrost davon ausgehen, dass sich für sie kein Ersatz finden wird. Kein Freiwilliger wird bereit sein, sich auf einen nicht terminierten Vertrag einzulassen „

Die Kultur des Rufens muss die Gemeinde durchdringen. Viel zu oft begreift man sich selber als Berufener ohne selber zum Rufender zu sein. Doch gerade in der Kultur des Rufens stecken Möglichkeiten für die Kirche. Sie zwingt über den Tellerrand der Kerngemeinde heraus zu blicken. Neue Wege zu gehen und Freiheiten zu nutzen.AJ.

Lesen Sie hier den Artikel der Theologischen Hochschule Chur zur Kultur des Rufens.

Studie von Herbert Lindner zur Kirchen(gemeinderats)wahl 2013 in der Württemberg. Landeskirche.

Die Ergebnisse der Kirchenwahl 2013 wurden wissenschaftlich untersucht:

Das Lebensalter der Wahlberechtigten sowie die Größe der Kirchengemeinde haben Einfluss auf die Wahlbeteiligung

… Je kleiner eine Kirchengemeinde sei, je kleiner die Kommune sei und je mehr Evange­lische in der Kommune lebten, desto höher sei die Wahlbeteiligung, erklärte der Theologe. Reichere und höher gebildete Menschen begriffen sich zudem eher als Teil des Gemeinwesens und beteiligten sich deshalb auch eher an Wahlen.
Die allgemeine Versendung der Briefwahlunter­lagen habe den Gemeinden, die dies erstmals angeboten hatten, einen Zuwachs der Wahlbeteiligung um durchschnittlich zwei
Prozent­unkte gebracht… Zum Artikel über die Studie.( S. 5)

»Dankeskultur« in der Kirche zu sehr ausgeprägt… – Eine empirische Studie in Bayern über „Die Ehrenamtlichen in unserer Kirche“

Von Joachim König / Dietmar Maschke

Im Jahr 2012 wurde innerhalb der bayerischen Landeskirche eine umfangreiche Studie zur Frage ehrenamtlichen Engagements in der Kirche entwickelt. Joachim König und Dietmar Maschke stellen zunächst die wichtigsten Ergebnisse vor. In einem zweiten Beitrag machen die Autoren auf Unterschiede zwischen dem ehrenamtlichen Engagement in Gemeinden ­einerseits und in Diensten und Werken andererseits aufmerksam.

Auszug:

Ehrenamt und Lebenslagen

Das kirchliche Ehrenamt wandelt sich mit den Menschen und ihren Lebenslagen: Es ist häufiger zeitlich befristet, klarer projekt-, ziel- und aufgabenorientiert und deckt sich viel eher mit einem selbst definierten Motiv und Eigennutz der freiwillig Engagierten. Diese Anpassungsfähigkeit zeigt sich als eine große Stärke: Kirche bietet in ihrer Vielfalt für jede Lebensphase und Lebenslage ein passendes Engagementfeld. Eltern engagieren sich z.B. oft in der Kinder- und Jugendarbeit, von den Krabbelgruppen und dem Kindergottesdienst angefangen bis zur Konfirmandenarbeit.

Interessant dabei ist vor allem: Für rund 40% spielt Religiosität und Spiritualität in ihrer Tätigkeit eine eher kleine oder gar keine Rolle. Für sie steht in erster Linie das Engagement für die Menschen und für die Gesellschaft im Vordergrund. Und das heißt eben auch: Es engagieren sich in der Kirche längst nicht nur die sog. »Hoch-Verbundenen«, sondern wir haben in vielen Bereichen eine breite Öffnung in die Gesellschaft hinein gefunden.

Zum Bericht über die Ergebnisse der Studie.

Buchvorstellung: Freiwillig zu Diensten? – Über die Schattenseiten des Ehrenamts.

Ehrenamtliche sind im Kirchlichem Alltag oft unverzichtbar. Auch über die Grenzen der Kirchen hinaus läuft vieles nur dank des bürgerschaftlichen Engagements. Immer mehr wird das Ehrenamt als Ressource erkannt und gefördert.

In ihrem Buch „Freiwillig zu Diensten?“ schreibt Claudia Pinl über die Schattenseiten des Ehrenamts. Häufig ersetzt das Ehrenamt angesichts knapper Kassen reguläre Arbeitsplätze. Die Folgen sind eine Dequalifizierung der Hauptamtlichen und eine Verschlechterung ihrer Arbeitsbedingungen.