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„Volkskirche qualitativ weiter entwickeln.“ Historie und zukünftige Ziele des Reformprozesses der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Hess. Pfarrerblatt 2 April 2016, von  Wolfgang Kallies Geschäftsführer des Reformprozesses,
Dr. Volker Mantey Vorsitzender des Zukunftsausschusses und des Begleitausschusses 2012 2015

Am 21. November 2011 beschloss die Landessynode einen Verfahrensvorschlag zur Posterioritätendiskussion. Sie beauftragte den Rat der Landeskirche, einen Ausschuss einzurichten, der einen Vorschlag zur Festlegung von sog. Posterioritäten erarbeiten sollte… Die inhaltliche Vorgabe für den Zukunftsausschuss lautete zunächst, 25% der Kosten zu identifizieren, die auf der Basis des landeskirchlichen Haushalts von 2010 als Referenzgröße bis 2026 zu reduzieren seien…

Das Leitmotiv des Prozesses und am Ende auch des Gesamtergebnisses wurde dem Gutachten der Theologischen Kammer zum Reformprozess entnommen: „Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“. … Sechs Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die alle Bereiche des kirchlichen Lebens im Haushalt unserer Landeskirche abbilden, entfalteten in der Folge die auf der Grundlage der Vorschläge des Zukunftsausschusses gefassten Beschlüsse inhaltlich und finanziell:… Insgesamt fanden inklusive mehrtägiger Klausuren 125 Sitzungen mit insgesamt 90 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern statt. Zuarbeitende aus dem Landeskirchenamt, den Kirchenkreisen und anderen Gremien waren ca. 250 Personen…

Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“ – was aus den Ergebnissen folgt. Mit den Beschlüssen der Synode im Herbst 2015 und dem Verlauf des Prozesses ergeben sich unseres Erachtens insbesondere für den Gemeindepfarrdienst folgende Konsequenzen:
a) … , die Anpassung von Gemeindepfarrstellen bleibt an der Entwicklung der Mitgliederzahlen orientiert, während für die Funktionspfarrstellen eine feste Reduktion beschlossen wurde. Damit zieht das Ergebnis Konsequenzen aus der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hinsichtlich der vor allem lokalen und regionalen Wahrnehmung von Kirche. …

d) Der Duktus der Beschlüsse richtet sich auf eine Stärkung der Verantwortung in den Regionen (Kirchenkreise / Kooperationsräume). B…
e) Die Entscheidungen der Landessynode, sowohl Stellenpools in den Kirchenkreisen einzurichten, als auch das berufliche Profil der Diakoninnen und Diakone als explizit soziales Amt der Kirche weiterzuentwickeln, bedeutet mittelfristig einen Einstieg in „interprofessionelle Teams“ in regionalen Kooperationsräumen …
So wie sich die finanzielle Entwicklung und die des theologischen Nachwuchses absehen lässt, wird man in der Landeskirche mutmaßlich immer wieder einmal in die Lage kommen, in der zwar finanzielle Ressourcen für die Besetzung einer Pfarrstelle vorhanden sind, aber kein Personal. …
vgl. S. 43-47 (print)

 

Die Beschlüsse in der Kurz- und Langfassung finden Sie unter folgendem Link im Internet.

Auch Mitglied der Pfarrvertretung der EKKW fordert Bilanzierung der Reformen und Moratorium des Reformprozesses.

 Die EKKW und ihre Zukunftsdebatte, von Pfr. Konrad Schullerus, Pfarrvertretung der EKKW (Ev. Kirche Kurhessen-Waldeck).

Nach einer Analyse der zurückliegenden Kirchenreformen in der EKKW und des weiteren Reformkonzets des Zukunftsaussschusses zieht der Autor folgendes Fazit:

„Was tun, sprach Zeus?

Was die Prioritäten kirchlichen Handelns betrifft, ist die EKKW weiter als 1992, dank der Arbeit des Strukturausschusses II. Bei der Umsetzung der von diesem erarbeiteten Prioritäten allerdings ist sie nicht wirklich voran gekommen. Die von Vizepräsident Bielitz schon 1992 angemahnte Zielperspektive kirchlichen Handelns – man könnte auch von strategischer Ausrichtung sprechen oder von der Form, in der die Kommunikation des Evangeliums sinnvoll Gestalt gewinnen soll – fehlt nach wie vor. Es gibt vor allem Sparbeschlüsse, die aufgrund einer fragwürdigen Prognose getroffen worden sind und den genannten Prioritäten mehr oder minder zuwiderlaufen, ohne dass Zielkonflikte als solche benannt werden.

M.E. wäre dringend ein Moratorium angesagt, um Zeit zum Nachdenken zu gewinnen. Ich rege folgende Fragestellungen und Vorgehensweise an, wobei einige der Überlegungen des Zukunftsausschusses durchaus aufgegriffen werden können:

1.Was haben die bisherigen Reformen – Kirchenkreisfusionen, Pfarrstellenabbau, neue Finanzverfassung, Einführung der Doppik – gebracht, und was haben sie gekostet? Es erscheint mir wenig sinnvoll, neue Reformprojekte loszutreten, ohne die Folgen der bisherigen Projekte angeschaut und daraus gelernt zu haben. Für alle zukünftigen Projekte ist vorher eine Kosten-Nutzen-Analyse vorzunehmen.

2….

3. Keine Planung kommt ohne Prognosen aus, das ist klar. Prognosen aber werden nun mal mit steigendem Prognosehorizont zunehmend unsicher. Wo werden Überprüfungszeiträume eingebaut? Wie müssen Beschlüsse aussehen, die nicht von vornherein auf irreversible Fakten hinauslaufen, sondern modifizierbar, anpassbar bleiben, je nach tatsächlicher Entwicklung der Lage?…“

Lesen Sie die weiteren Vorschläge und den gesamten Artikel auf den Seiten 11ff.

Wandel im Reformdiskurs der Kirchen am Beispiel des Berichts „Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“ der EKKW

„Ja und nein. Ich hatte damals ja dargestellt, dass die Bildungsreformen im Kontext von PISA und Bologna maßgeblich mit Mitteln sogenannter „soft governance“ durchgesetzt wurden. Zu Deutsch: mit nicht demokratisch legitimierter Einflussnahme.. Hier hat durchaus Wirkung gezeigt, dass viele Kritiker immer deutlicher ihre Stimme erheben. Andererseits haben die Bildungslobbyisten, die Bildung ökonomisieren und steuern wollen, daraufhin ihre Strategie und Rhetorik geändert und treten nun anders auf. Statt der allzu betriebswirtschaftlich klingenden Rhetorik der letzten Jahre („Humankapital“, „Output-Orientierung“, „Qualitätsmanagement“ etc.) werden nun zunehmend reformpädagogisch klingende Begriffe und Konzepte vor den Reformkarren gespannt. Das sieht dann humanistischer und kinderfreundlicher aus, ist es aber wohl nicht, sondern es sind die alten Konzepte neu verpackt.“ – So formulierte der Bildungsforscher Prof. Krautz in dem schon hier eingestellten Interview zum Wandel im Reformdiskurs des Bildungswesens.

Der Zukunftsausschuss der EKKW hat der Synode einen Abschlussbericht vorgelegt. Der Titel: Volkskirche qualitativ weiter entwickeln; das Motto:  „Zuversichtlich kleiner werden “.  Das Motto zeigt an worum es geht: um einen breit angelegten Downsizing- Prozess von PfarrerInnen und Gebäuden.

„Unsere Kirche ändert ihre Gestalt unter den Bedingungen der Gegenwart, um ihrem  Auftrag treu zu bleiben. Sie ist stark, wenn sie sich auf die Kraft des Heiligen Geistes  verlässt und zugleich mit Zuversicht neue Wege geht. Dazu gehört auch der verantwortliche Umgang mit dem anvertrauten Geld…
Mit den vorliegenden Beschlüssen kommt die Landessynode der Evangelische
Kirche von Kurhessen-Waldeck ihrem Auftrag nach: mit gebündelten Kräften,
verlässlich, nah bei den Menschen.

„Die Kirche… ist stark, wenn sie… mit Zuversicht neue Wege geht. Dazu gehört auch der verantwortliche Umgang mit dem anvertrauten Geld“.

Und: „Die Evangelische Kirche von Kurhessen-Waldeck ist eine Kirche nahe bei den
Menschen. Deshalb wird ein flächendeckendes Netz pfarramtlicher Versorgung
erhalten, das im Jahr 2026 mindestens 400 Gemeindepfarrstellen und min-
destens 150 funktionale Pfarrstellen umfasst.“

Zum Vergleich: Die Statistik 2013 gibt eine Zahl von 969 „aktiven“ Pfarrerinnen und Pfarrern an (inkl. Vikare). Im Jahr 2026, in 13 Jahren, werden also noch knapp 60% des Pfarrpersonals erhalten bleiben. Das entspricht einem Personalabbau von 3% p.a. Zum Vergleich: die EKHN hat in der Frühjahrssynode 2013 den Beschluss zum Abbau auf ca. 1,1% p.a. festgesetzt.
Selbst wenn man berücksichtigt, dass Pfarrstellenzahl und Personenzahl der Pfarrer nicht identisch ist (Defizit in den EKKW-Angaben), ist der Abbau der Pfarrstellen mehr als doppelt so hoch wie in der EKHN. Und damit wächst gerade in einer ländlichen Landeskirche schon die räumliche Entfernung der Kirche (der PfarrerInnen) zu den Menschen. Und das wird im Zukunftspapier der Synode mit „verlässlich, nah bei den Menschen“ beschrieben.
Im folgenden wird dann die Möglichkeit vom Abbau des Gebäudebestandes reflektiert und durchgespielt…

Mit einem solchen umfassenden Downsizing- Programm also will die EKKW die „Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“ und „nahe bei den Menschen“ bleiben…

Positiv besetzte Vokabeln werden aufgegriffen und für andere Zielsetzungen instrumentalisiert. Die Parallele zum Wandel im Reformdiskurs der Pädagogik ist offensichtlich. Das Wort „nahe bei den Menschen“ z.B. stammt aus der EKHN- Debatte von „Person und Institution“ (1992). Einer Zeit also, in der Kirchenreform eine Antwort auf die Differenzierungsprozesse der Gesellschaft der 70iger und 80iger Jahre suchte. Das Ziel dieser Epoche war, trotz und in dieser Differenzierung in Milieus, als Kirche glaubwürdig zu bleiben.

Ein entscheidender Kritikpunkt in der heutigen Reformdebatte besteht gerade darin, die Nähe zu den Menschen, ja den Menschen selbst aus dem Blick verloren zu haben. So fordert etwa Ingrid Schneider, die Menschen erst einmal wieder wahr- und ernstzunehmen:

Grundlegende Muster dieser Veränderungsarbeit gehen in eine dreifache Richtung: Nötig ist zum einen ein intensiver Austausch mit dem Umfeld, in dem Kirche/Gemeinden sich bewegen. In Dialog treten und aufmerksam die Rückmeldungen von Menschen wahrnehmen, die aus ganz anderen gesellschaftlichen Bezügen auf Kirche blicken, ist Teil einer offenen Haltung, die Ideen entstehen lässt, wohin Kirche sich entwickeln kann oder sollte. Und dieses gilt in der Regel individuell verschieden vor Ort in den unterschiedlichen Lebensräumen. Erstaunlicherweise vermögen Menschen am Rande von Systemen oft viel präziser zu benennen, worin sie das Besondere und Spezifische einer Organisation sehen und zugleich Schwächen zu benennen, die der Innenblick verstellt.

Und Hans- Jürgen Volk fordert aufgrund der Reformfolgen in der EKiR: Ankerpunkt aller Reform-, Umstrukturierungs- und Sparmaßnahmen müssen die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Verantwortungsbereich der Kirche sein.

Das also ging verloren bei allerlei und mancherlei Reformaktivismus.
In einem sehr weitgehenden Downsizing- Konzept wie es von der EKKW vorgelegt wird, in den Zielen weitgehender als das der EKiR, wird der Mensch kaum vorkommen. Was sich ändert, sind nicht die Ziele, sondern die Diskursführung.

Der Wandel im Reformdiskurs seitens der Protagonisten hat also auch die Kirche erreicht. Dies wird bei der Lektüre von einschlägigen Texten immer mitbedacht werden müssen. Bis zum Erweis des Gegenteils gilt bei wohlklingenden Worten in Reformkonzepten die Vermutung: Die Reforminhalte sind dieselben. Nur die verbale Verpackung hat sich geändert.

Vgl zum Thema Bericht des Zukunftsausschusses auch den Artikel „Wie der Zukunftsausschuss der EKKW am Berufsbild von Pfarrerin und Pfarrer rüttelt“ von Dekan Grigat.

Friedhelm Schneider

„Zuversichtlich kleiner werden“ – Abschlussbericht des Zukunftsausschusses der EKKW

 Zum Abschlussbericht des Zukunftsausschusses der EKKW, Synode 26./27. April 2013 Hofgeismar.

Von Friedhelm Schneider, Pfarrer & Immobilienfachwirt (IMI)

 

Der Bericht enthält Forderung nach (Kürzungs-)Maßnahmen in vier Bereichen: 1. Immobilien, 2. Gemeindepfarrstellen, 3. Funktionspfarrstellen 4. Verwaltung.

Der Inhalt ist typisch für Kürzungs- und Abbaumaßnahmen im Fahrwasser des Impulspapiers „Kirche der Freiheit“.

In dieser Ausgabe beschäftigen sich die Wort-Meldungen mit dem ersten Kürzungsthema Immobilien.

Die Verheißung: Präsenz in der Region, Pfarrer sollen sich (wieder verstärkt) geistliche Aufgaben widmen können

Die Realität der Umsetzung: Abbau des Immobilienbestandes, der Pfarrstellen.

Vor unseren Beitrag zum Thema Abbau des Immobilienbestandes gemäß Zukunftsausschuss der EKKW stellen wir unter die Leitfrage von Thomas Erne, dem Leiter des Instituts für Kirchenbau, Marburg: „Zu viele Räume – zu wenig Ideen?“ (Artikel in Isolde Karle: Kirchenreform).

 

1. Problem: „hohe Unterhaltungs- und Renovierungskosten“

Die Frage der Immobilien wird im Bericht des Zukunftsausschusses ausschließlich unter dem Aspekt der Ausgaben, also in kameraler Denkweise (von Ausgaben und Einnahmen) betrachtet. Das Problem besteht dann in „hohen Unterhaltungs- und Renovierungskosten“. Dass die Thematik derart eng geführt wird ist überaus spannend, hat man doch gerade in der EKKW die Doppik eingeführt. Dort werden die Immobilien als Sachanlagen im Vermögensteil aufgelistet (und bewertet. Zum Thema Doppik generell: Thema des Monats Mai). Von diesem Aspekt ist dem Zukunftsausschuss mit keinem Wort die Rede (s.u.). Warum?

Doch folgen wir bereitwillig der Argumentation des Papiers und betrachten zunächst die Ausgabenseite. Das Baumittelantragsvolumen belaufe sich auf 70 Mio. im Jahr 2012;

Anmerkung: der übliche Anteil dürfte bei ca. 15-20 Mio. p.a. liegen (im Vergleich die etwa doppelt so große EKHN: ca. 35 Mio. € p.a.); die besondere Höhe des Antragsvolumens 2012 dürfte also einem aufgelegten Sonderbauprogramm der EKKW geschuldet sein.

Weiter: „geschätzter Sanierungsstau: 100 Mio. €“;

Dazu zwei Anmerkungen.

Anmerkung 1: mit geschätzten Zahlen bei derartigen Maßnahmen kann man in der Regel gar nichts anfangen. Denn selbst die Bezugsgrößen bleiben im Dunkeln. Weder wird

  • von der Anzahl der betroffenen Gebäude gesprochen, noch
  • vom detaillierten Gebäudezustandsgrad aller Objekte (Gebäudeinformation gibt es ja nicht – s.u.) noch vom
  • Grad des Zustands des Gebäudebestandes nach erfolgter Sanierung, also der Definition des Sanierungsbegriffs. Die Aussage ist insoweit nicht aussagekräftig und für eine Entscheidung in keinem Falle ausreichend.

Anmerkung 2: Lässt man sich dennoch auf den „Schätzwert“ ein, dann hilft ein Vergleich mit anderen Ausgabenpositionen des Haushalts weiter. Nehmen wir als Beispiel den Mittelbedarf für die Bildung von Rücklagen für Beihilfeleistungen. Mit Einführung der Doppik unterzieht sich die EKKW völlig freiwillig der Pflicht der Rücklagenbildung auch für Beihilfeleistungen. Für die Pensionen ist das üblich, für die nur geringfügig ins Gewicht fallenden Beihilfeleistungen nicht. Es dürfte um einen Betrag von ca. 150 Mio. € gehen (vgl. die etwa doppelt so großen Landeskirchen Württemberg ((ca. 350 Mio)) und Bayern ca. 350 Mio.). Die Rücklagenbildung verlangt also einen um 50% höheren Mittelaufwand als die geschätzte umfassende Gebäudesanierung. Dabei ist bekannt, dass Kapitalanlagen derzeit keine Renditen abwerfen und sich bei Berücksichtigung der Inflation real selbst verzehren.

 

2. Lösung: Abbau des Immobilienbestandes

Die Frage ist zu stellen, wie die hohen Unterhaltungs- und Renovierungskosten eingedämmt und deutlich reduziert werden können“. Lösung: Aufgabe von Gebäuden, Erhalt weniger (!) verbleibender Gebäude; gedacht ist an die infolge Stellenabbaus frei werdenden Pfarrhäuser und an Gemeindehäuser. An Gemeindehäusern bestünde – wie im Falle der kathol. Kirche und der Kommunen – ein Überhang. Für den Verkauf „nicht mehr benötigter Gemeindehäuser“ sollen Anreize geschaffen werden. Doch auch Kirchengebäude, die als wichtigste Gebäudeart eingestuft werden, sind nicht völlig tabu. Sollen wenige Gebäude erhalten bleiben, ist an einen massiven Abbau gedacht. Konkrete Zahlen werden nicht genannt.

 

Dazu wieder ein paar Anmerkungen:

1. vielsagend ist der Weg: Nach Abbau von Gebäuden (!) soll dann ein Gebäudemanagement zu Einsparungen führen. „Deutliche Einsparungen können nur durch die beschriebenen Maßnahmen (Gebäudeabbau) ansatzweise realisiert werden“. Bei Anpassungsmaßnahmen des Immobilienbestandes an veränderte Gegebenheiten muss aber stets Information die Grundlage von Entscheidungen! Immobilieninformation ist etwas anderes als ein „Gebäudekataster“.

2. Die Frage der Gebäude wird allein fiskalisch – als Ausgabenproblem gesehen. Nicht aber aus Vermögenssicht. Der Gebäudebestand ist aber Teil des Vermögens. Eine Sicht, die in der Kirche oft ausgeblendet wird. Dafür gab es Gründe, die heute etwas anders zu bewerten sind. Eine entsprechende Betrachtung zeigt, dass aktuell eine Flucht der Investoren in Immobilienvermögen stattfindet, weil andere Anlagen (zu) unsicher geworden sind. Anlagen- und Rücklagenbildung in den bekannten Kapitalanlagen wird zunehmend kritischer. Warum will also die Kirche in dieser Zeit große Teile ihres Immobilienvermögens abstoßen?

3. Die Ausgabensicht ist beschränkt auf die Ausgabenseite bei dauerhaftem Betrieb.  Ausgeblendet ist die Ausgabenseite für den Transformationsprozess selbst. Vielfach geht es nicht schlicht um Verkauf. Im falle von Gemeindehäusern wird die „Integration von Gemeinderäumen in den Bestand der Kirchen“ angestrebt. Solche Veränderungsprozesse sind in vielfacher Hinsicht problematisch. Die sind hier nicht alle aufzuführen. Finanzielle Vorteile solcher Investitionen bei vergleichenden Vollkostenrechnungen werden höchst selten auftreten.

3. Auch funktionierende oder zuvor selbst erfolgreich reorganisierte (!) Tagungshäuser in nicht uninteressanter Lage wie in Bad Orb wurden verkauft. Lesen Sie mehr.

 

3. Die Erhaltung von Pfarrhäusern ist kostengünstiger als die Auszahlung des Ortszuschlags

Aufwendung von Baumitteln für Pfarrhäuser werden mit ca. 4,5 Mio. p.a. Beziffert – einmal eine konkrete Zahl! Bei einer (aufgrund von vergleichen geschätzten Zahl von ca. 500 Pfarrhäusern wären das ca. 9.000.- € p.a. Das ist in der Tat ein hoher Betrag. Ein privater Eigentümer käme sicher mit geringeren Ausgaben aus. Für das Management besteht also durchaus Optimierungsspielraum. Trotzdem muss die Kirche eine andere Kennziffer heranziehen: die der Ausgaben für Ortszuschläge, wenn eine Dienstwohnung nicht gestellt wird. In der Regel sind für die Kirche die Kosten bei Auszahlung der Ortszuschläge höher als die Kosten der Bauunterhaltung. Das ergab eine Recherche des früheren Synodalen und Finanzausschussmitglieds Dr. Bergner in der EKHN. Eine Entlastung des Haushalts findet bei einem Verkauf in diesem Falle also – anders als behauptet – gar nicht statt.

 

4. Einsparung? Kürzung!

Die Verheißung: mit Einführung des Gebäudemanagements und Budgetierung wurde der Bauunterhalt auf 1 Mio. und die Bewirtschaftung ebenfalls auf 1 Mio. gedeckelt. Gegenüber zuvor 2,5 Mio. € p.a. Fallen nurmehr jetzt 2 Mio. an. Das wird als Einsparung 500.000.- verbucht.

 

Anmerkung: die genannte „Einsparung“ ist nichts andres als eine Kürzung der Mittel. Das kann im Falle der Bewirtschaftungskosten bedeuten, dass im Winter die Leute in den Kirchen und Gemeindehäusern frieren müssen, weil – bei zudem steigenden Energiekosten – die Mittel nicht mehr ausreichen.

Deutlicher heißt es an anderer Stelle: „Es wird ein Prüfauftrag erteilt, ob die Mittel für den Bauunterhalt ab dem Jahr 2017 um 50% gekürzt werden und …ab 2026 entfallen können.“

Nicht ist die Rede von einer Steigerung der Wirtschaftlichkeit, die dazu führen könnte, dass über Leistungssteigerung bessere Ergebnisse erzielt würden (Rationalprinzip der Ökonomie).

 

5. Gesamtbeurteilung

Der Ansatz des Zukunftsausschusses ist ganz offensichtlich dominiert von dem Ziel des Abbau des Gebäudebestandes. Dabei wird wohl im Falle des Pfarrhauses über die symbolische Bedeutung kaum angemessen eingeschätzt. Und im Falle der Gemeindehäuser wird die funktionale Bedeutung sowohl im städtischen als auch ländlichen Raum auch angesichts von gesellschaftspolitischen Veränderungsprozessen kaum angemessen erfasst.

 

In ökonomischer Hinsicht irritiert, dass die Immobilienfrage nicht primär als Vermögensfrage behandelt wird. Immerhin handelt es sich um Vermögensanlagen, die über Jahrhunderte bestanden oder gebildet wurden. Anleger suchen gezielt nach Immobilienanlagen als sicher Häfen. Und dabei ist auch das Immobilienvermögen im Visier. In einem Standardwerk Immobilieninvestition heißt es: „Das Vermögen der Kirchen wird häufig unterschätzt, weil es sich auf eine Vielzahl kirchlicher Rechtsträger… verteilt. Der Grundbesitz der Kirchen wurde zuletzt in 1937 in einer offizieller Reichsstatistik erfasst. Aktuelle zahlen gibt es nicht. Unbestätigten Schätzungen von Frek gehen davon aus, dass die Kirchen in Deutschland direkt und indirekt Immobilienwerte von 150 Mrd. € besitzen. Der Flächenbestand wird auf 6,8 Mrd. qm geschätzt. Damit zählen die Kirchen zu den bedeutsamsten Akteuren auf dem Immobilienmarkt.“

Die Beurteilung des Zukunftsausschusses allein nach Ausgabengesichtspunkten ist bei Immobilien generell, speziell in der besonderen aktuellen Lage schlicht unprofessionell.

Der Verkauf von zuvor reorganisierten Gebäuden erinnert an den Verkauf von ehemals staatlichen und kommunalen Kliniken an Privatinvestoren und damit an Ökonomisierungsprozesse von Bereichen der Daseinsvorsorge, denen sich die Kirche unterwirft. Dabei mag die Tatsache des Verkaufs an einen Klinik-Konzern selbst ein reiner Zufall sein.

 

Betroffen ist auch das Thema Partizipation: Die Daten- und Informationslage der Landeskirche ist für qualifizierte Vorlagen kaum ausreichend. Die für die weitreichenden Maßnahmen genannten spärlich eingestreuten Zahlen sind als Basis derartiger Entscheidungen unzureichend. Die vorgeschlagenen Entscheidungen sind damit weder überprüfbar noch nachvollziehbar. Entscheidungen können nur auf der Basis von Gutgläubigkeit und Vertrauen getroffen werden. Der Respekt vor den Mitwirkenden in den synodalen Gremien gebietet eine Grundlage, die verantwortungsvolle Mitwirkung an Entscheidungen ermöglicht. Dazu braucht es andere Grundlagen.

 

 

Wie der Zukunftsausschuss der EKKW am Berufsbild von Pfarrerin und Pfarrer rüttelt

Ich lese derzeit ein wirklich spannendes Buch über das Pfarrhaus… in dem die Autorin eindrücklich beschreibt, wie singulär das evangelische Pfarrhaus in der europäischen Kulturgeschichte steht als Träger der protestantischen Kultur, als geistliches Kraftfeld, als künstlerisches Ferment; wie häufig war in der Geschichte das Pfarrhaus Ort der Künste und der Wissenschaft und in der jüngeren Geschichte in der DDR Schutzraum der Opposition.

In ihrem Ausblick… formuliert Frau Eichel: Es „…wird sich zeigen, ob das Pfarrhaus ein Fluchtpunkt sein kann, ein Gegenentwurf, ein Haus der Hoffnung. Und dann wird auch die Funktion des Pfarrers neu definiert werden, im Spannungsfeld von sozialem Engagement, spirituellem Charisma und seelsorgerlicher Strahlkraft. Dass sich das evangelische Pfarrhaus immer wieder neu verortet, dass es durchlässig ist für das gebotene und offen für das Notwendige, ist nicht seine Schwäche, es ist seine Stärke.“ Lesen Sie den Artikel von Dekan i.R. Lothar Grigat im Hess. Pfarrerblatt, S. 49.