Archiv der Kategorie:
Grundsatzfragen der Ökonomie

Der größte Raubzug der Geschichte – eine Buchbesprechung.

Matthias Weik, Mark Friedrich: Der größte Raubzug der Geschichte.

Werden die Fleißigen ärmer, damit die Reichen noch reicher werden können?
Die Autoren stellen die zunächst einfach erscheinende Frage: Was ist Geld? Doch schon mit dem Versuch sie zu beantworten führen sie den Leser zielgerichtet zum Hauptthema dieses Buches. Eine ebenso verblüffende wie klare Antwort lautet: „Geld ist ein Anspruch auf Leistung!“. Diese Antwort und die daraus abgeleiteten Schlüsse führen den Leser zu grundlegenden Erkenntnissen über die derzeitigen Probleme im Bereich der globalen Finanzwirtschaft. Zur Buchbesprechung.

Teamgeist ist erfolgreich im Fußball

Aus Managementsicht hatten wir in den Wort-Meldungen schon Beiträge von Prof. Wolfgang jennewein zum Fußballereignis WM und was Unternehmen daraus lernen können, gebracht. Hier schreibt aus volkswirtschaftlicher Sicht ein ausgewiesener Experte, Heiner Flassbeck, von 2003 bis 2012 Chef-Volkswirt der UNCTAD.

16.07.2014, von Heiner Flassbeck
Teamgeist ist erfolgreich im Fußball. Warum begreifen wir das nicht für die Wirtschaft?
Teamgeist, sagen viele, war entscheidend für den Erfolg der deutschen Mannschaft bei der Fußballweltmeisterschaft. Da ist was dran. Die Mannschaft spielte nicht nur besser Fußball als alle früheren Weltmeister aus Deutschland (ich persönlich schaue erst, seit Joachim Löw die Mannschaft übernommen hat, wieder gerne ein Spiel der Nationalmannschaft), sie macht auch im Erfolg einen ruhigen und nicht einen überheblichen Eindruck. Und was mir besonders gut gefallen hat: Die gesamte Mannschaft hat verinnerlicht, dass es das Team der Fußballer und das Team der Betreuer war, das den Erfolg gemeinsam errungen hat…

Zum Artikel des ehemaligen Chefvolkswirts der UNCTAD (Welthandelsorganisation der UNO).

Internationaler studentischer Aufruf für eine Plurale Ökonomik

Stand 04.05.2014
Nachdem eine Öffnung der an den Universitäten etablierten Wirtschaftswissenschaften für neue Denkansätze und alternative methodische Herangehensweisen im Sinne der “Rethinking Economics” – Bewegung eine überaus zähe Angelegenheit ist, haben Studierende aus 20 Ländern  jetzt eine Initiative für “Plurale Ökonomik” gegründet (International Student Initiative for Pluralism in Economics) und sich mit einem Aufruf an die Öffentlichkeit gewandt. Sie fordern eine “offene, vielfältige und plurale Volkswirtschaftslehre” und entsprechende Reformen der universitären Ausbildung.
Internationaler studentischer Aufruf für eine Plurale Ökonomik

Die Weltwirtschaft befindet sich in einer Krise. In der Krise steckt aber auch die Art, wie Ökonomie an den Hochschulen gelehrt wird, und die Auswirkungen gehen weit über den universitären Bereich hinaus. Die Lehrinhalte formen das Denken der nächsten Generation von Entscheidungsträgern und damit die Gesellschaft, in der wir leben. Wir, 40 Vereinigungen von Studierenden der Ökonomie aus 19 verschiedenen Ländern, sind der Überzeugung, dass es an der Zeit ist, die ökonomische Lehre zu verändern. Wir beobachten eine besorgniserregende Einseitigkeit der Lehre, die sich in den vergangenen Jahrzehnten dramatisch verschärft hat. Diese fehlende intellektuelle Vielfalt beschränkt nicht nur Lehre und Forschung, sie behindert uns im Umgang mit den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts – von Finanzmarktstabilität über Ernährungssicherheit bis hin zum Klimawandel. Wir benötigen einen realistischen Blick auf die Welt, kritische Debatten und einen Pluralismus der Theorien und Methoden. Durch die Erneuerung der Disziplin werden Räume geschaffen, in denen Lösungen für gesellschaftliche Probleme gefunden werden können.

Vereint über Grenzen hinweg rufen wir zu einem Kurswechsel auf. Wir maßen es uns nicht an, die endgültige Richtung zu kennen, sind uns aber sicher, dass es für Studierende der Ökonomie wichtig ist, sich mit unterschiedlichen Perspektiven und Ideen auseinanderzusetzen. Pluralismus führt nicht nur zur Bereicherung von Lehre und Forschung, sondern auch zu einer Neubelebung der Disziplin. Pluralismus hat den Anspruch, die Ökonomie wieder in den Dienst der Gesellschaft zu stellen.

Im Zentrum sollten dabei drei Formen des Pluralismus stehen:

Theoretischer Pluralismus, methodischer Pluralismus und Interdisziplinarität…

Unterzeichnet von den Gründungsmitgliedern der Internationalen Studierendeninitiative für eine Plurale Ökonomik (International Student Initiative for Pluralist Economics – ISIPE)

Der Aufruf wird außerdem unterstützt von über 230 (Stand 04.05.2014) AkademikerInnen, Hochschullehrenden und ProfessorInnen. Zur Quelle.

Ein Paradigma der Ökonomie ursurpiert alle Lebensbereiche: Wettbewerbsfähigkeit.

5. Juni 2014  Verantwortlich: Jens Berger; Texteinschub im Vorspann zu Kirche: FS
„Kaum ein Begriff beherrschte die Medienlandschaft der vergangenen Jahre bis heute so stark wie „Wettbewerbsfähigkeit“. Inzwischen gibt es kaum mehr eine Rede, Talkshow oder ein Interview, in dem der Begriff „Wettbewerbsfähigkeit“ mit einem mahnenden oder fordernden Unterton nicht enthalten ist. Bundeskanzler von Schröder bis Merkel, Wirtschaftsminister wechselnden Namens aus SPD, CSU und FDP, Arbeitsminister, Parteivorsitzende, Konzernchefs, sogar Gewerkschaftsbosse und Journalisten führen allerorten das Wort der Sicherung oder gar Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Mund.“ Und selbst in der Kirche wird das Wettbewerbsparadigma auf der Basis der us- amerikanischenen „Rational-Choice-Theorie“ zu kultivieren versucht. Allerdings mit schwacher empirischer basis – wie jeder Praktiker weiß. Und so gilt in der Kirche in Punkto Wettbewerb, was auch ansonsten konstatiert wird:  „nur selten war eine Begrifflichkeit ist so stark mit Mythen und falschen Assoziationen behaftet wie diese. Falsche Assoziationen, die das Verstehen und das Handeln grundlegend verzerren.“

Zum Artikel von Lutz Hausstein

Prof. Fredmund Malik: Die doppelte Buchhaltung (in bestimmten Punkten) auf gefährliche Weise irreführend

In den Wort-Meldungen hatten wir bereits über potentielle Probleme der betriebswirtschaftliche Fehlsteuerung wegen der Doppik berichtet. Prof. Fredmund Malik, der ‚Management-Guru‘ (DIE ZEIT), zeigt entsprechende Probleme in volkswirtschaftlicher Sicht dar.  Zurückhaltung in Sachen Doppik hätte der Kirche also gut angestanden, so lange sie immer wieder Kritik an der volkswirtschaftlichen Entwicklung übt.

Wir entnehmen den Beitrag einem Kapitel, das uns der Autor Prof. Malik freundlicher Weise zur Verfügung gestellt hat. Und das schon einmal in anderem Zusammenhang Basis einer Wort-Meldung war.

„Der Markt ist somit nicht nur der Ort des Aufeinandertreffens von Angebot und Nachfrage, sondern er ist auch – und vor allem – der Ort, wo verschuldete Produzenten die erforderlichen Schuldendeckungsmittel, nämlich Geld, aufzutreiben versuchen. In allen Fällen, in denen die Illusionen eines infalliblen Finanzsystems zusammenbrachen, konnte man das gut beobachten. Das Problem sind nicht die übertriebenen Konsumansprüche der Menschen. Diese Ansprüche insbesondere für das tägliche Leben können die Menschen weit heruntersetzen, und sie tun es auch, sobald sie dazu gezwungen sind. Was sie nicht beseitigen können, sind die vorher gemachten Schulden, die aufgrund von Zins und Zinseszins ihr autonomes Wachstum haben, das sich nicht danach richtet, wie es den Leuten wirtschaftlich geht…

Die unmittelbaren Kosten für die Produktion fließen als Betriebsausgaben wieder zurück in den Markt. Die Produktion schafft sich somit scheinbar die eigene Kaufkraft und Nachfrage. Das ist deshalb nur scheinbar so, weil jede Produktion und ganz allgemein alles Wirtschaften, wie gesagt, vorfinanziert werden müssen. Das Geld (oder Kapital) für die Vorfinanzierung kann gesamtwirtschaftlich gesehen im Wirtschaftskreislauf aber niemals schon vorhanden sein. Die Wirtschaft ist gesamthaft also immer verschuldet. Die doppelte Buchhaltung, also die betriebswirtschaftliche Betrachtungsweise, die gelegentlich zur Erklärung ökonomischer Vorgänge herangezogen wird, ist in diesem Punkt auf gefährliche Weise irreführend. Die Kosten der Vorfinanzierung, das Risiko und der Gewinn werden zwar kalkuliert und verbucht, aber diese Komponenten sind im Nachfragekreislauf nicht vorhanden. Sie existieren nur scheinbar als wirtschaftliche Realitäten, sind aber in Wahrheit Fiktionen des Rechnungswesens. Diese Kosten können immer und ausschließlich nur durch Vorverschuldung aufgebracht werden. Die Produktion kann also – und konnte – niemals ihre
eigene Nachfrage schaffen, wie die Theorien behaupten. Die freiwillig und unfreiwillig entstehenden Schuldverhältnisse und die mit ihnen verbundenen Zinsverpflichtungen stellen, wie erwähnt, den entscheidenden Dynamik- oder Druckfaktor dar.“

Lesen Sie zum Thema insbesondere die Seiten 130ff dieses Kapitels aus dem Werk Malik_Management-Das-A-und-O-des-Handwerks_Kapitel-8 (1).

Thomas Piketty stellt die Fundamentalfrage

26. März 2014, Markus Diem Meier

Der französische Ökonom hat einen Wälzer verfasst, in dem er den Kern der kapitalistischen Entwicklung untersucht und er warnt vor einer Spaltung der Gesellschaft…

Aus dem Artikel:

Die erste Grafik zeigt am Beispiel der USA den Einkommensanteil der reichsten 10 Prozent in den 100 Jahren zwischen 1910 und 2010. Die Einkommensunterschiede werden von Ökonomen oft mit der Nachfrage nach besonderen Fähigkeiten in Zeiten eines starken technologischen Wandels erklärt («Skill biased technological change»). Piketty hält dagegen die Erklärung für besser mit den Daten vereinbar, dass die Entwicklung vor allem den Einfluss von Topmanagern zeigt, die ihre Macht dafür nutzen, sich selbst hohe Einkommen zuzuschanzen, ohne dass das mit einer messbaren Produktivität von ihrer Seite erklärt werden könnte. Obwohl diese Ursache von Ungleichheit vor allem die öffentliche Debatte bestimmt und im Buch behandelt wird, hält sie Piketty nicht für die wichtigste.

Problematischer ist für ihn eine Ungleichheit, die bestehende Vermögensverhältnisse und dadurch auch gesellschaftliche Macht- und Chancenverhältnisse zementiert…

Zur Rezension.

Das große Versagen: Wie sich die Wirtschaftswissenschaft ändern muss – von Prof. Dr. Gustav Horn

„Warum hat niemand die Krise kommen sehen?“, fragte die Queen im November 2008 bei einem Treffen prominenter Wirtschaftswissenschaftler an der London School of Economics. Zu diesem Zeitpunkt waren die Finanzmärkte bereits zusammengebrochen und weltweit begannen sich die Auswirkungen auf die Realwirtschaft auszubreiten. Insbesondere die Banken entwickelten ein tiefes Misstrauen gegenüber anderen Banken und weigerten sich, diesen Geld zu leihen oder taten dies nur zu sehr hohen Zinsen. Folglich kam der gesamte Kreditprozess und vor allem die Finanzierung von Investitionen und Handel zum Erliegen, wodurch sich die Weltwirtschaft auf die schwerste Rezession seit dem Zweiten Weltkrieg zu bewegte (IMK 2013).

Warum sah keiner der Mainstream-Ökonomen dies kommen? Die einfache Antwort findet sich in der Annahme der Mainstream-Ökonomie, dass freie Märkte grundsätzlich stabil sind und folglich ökonomische Krisen nicht Bestandteil der Standardtheorien und der entsprechenden empirischen Forschung sind. Mainstream-Ökonomen fehlte somit das intellektuelle Handwerkszeug, um zu verstehen, was 2007 und 2008 und in der darauf folgenden Krise der Eurozone passierte.

David Collander (Collander et al. 2009) bezeichnete das als ein vollständiges moralisches Versagen der Wirtschaftswissenschaften. Die Ökonomen wussten mit kleineren wirtschaftlichen Schwankungen umzugehen, waren aber nicht in der Lage, der Situation gerecht zu werden, als die Ereignisse wirklich besorgniserregend wurden. Dies ist der Hauptgrund, warum sich die Wirtschaftswissenschaft verändern muss. Zukünftige Ökonomen sollten wissen, dass Krisen möglich sind; sie sollten wissen, wenn Gefahr droht; und sie sollten wissen, wie man damit umgehen kann. Dieses Essay beschreibt ein paar Elemente einer solchen zukünftigen Wirtschaftswissenschaft… Zum Artikel.

Die englische Version des Artikels ist Teil dieses jüngst erschienen Buches, zu bestellen unter: ISBN 9781 4937 49423

Carl Christian von Weizsäcker: Macht mehr Schulden!

Von Jung, Alexander und Mahler, Armin

Der Abbau der öffentlichen Verbindlichkeiten gilt gemeinhin als erstrebenswertes Ziel – nicht aber für Carl Christian von Weizsäcker. Der Bonner Ökonom plädiert dafür, dass die Bürger dem Staat noch mehr Geld anvertrauen.

Im Koordinatensystem der Ökonomie lässt sich Carl Christian von Weizsäcker schwer einordnen. Im Grunde ist der Volkswirtschaftsprofessor ein Liberaler; er vertraut der Kraft des Marktes und des Wettbewerbs. Aber wenn Weizsäcker das Schuldenmachen preist, dann klingt er wie ein hartgesottener Keynesianer. Seine Offenheit bringt ihn auf unkonventionelle Gedanken; darin ähnelt er seinem Lehrer, dem 2009 verstorbenen Ökonomen Paul Samuelson. Weizsäcker, 75, leitete die deutsche Monopolkommission, heute arbeitet er am Max-Planck-Institut zur Erforschung von Gemeinschaftsgütern in Bonn. Er stammt aus prominenter Familie: Sein Vater Carl Friedrich war Physiker und Philosoph, sein Onkel ist der Altbundespräsident Richard von Weizsäcker. Zum Interview.

Flop mit Signalwirkung: „Würzburg integriert!“ von Bertelsmann endgültig beendet

Bertelsmann-Tochter und Stadt Würzburg schleichen sich aus gepriesenem Pilotprojekt. Banken, Bundesregierung und EU forcieren Public-Private-Partnership-Vorhaben weiter.

Es ist ein Scheitern mit Signalwirkung: Die Bertelsmann-Tochter Arvato direct services GmbH und die Stadt Würzburg haben Ende September einen außergerichtlichen Vergleich geschlossen. Damit wird das gemeinsame Projekt »Würzburg integriert!« endgültig beendet.

Mehr dazu.

Monitor-Beitrag zum sog. Freihandelsabkommen TTIP

von Jens Berger

In seiner gestrigen Sendung hat sich das WDR-Magazin Monitor dankenswerterweise einmal mit den sogenannten Studien beschäftigt, auf deren Basis dem kommenden europäisch-amerikanischen Freihandelsabkommen TTIP sagenhafte Auswirkungen zur Wirtschafts- und Arbeitsplatzentwicklung zugeschrieben werden. Die NachDenkSeiten haben sich bereits im letzten Juni ausführlich mit der Bertelsmann-ifo-Studie beschäftigt, die nun auch Monitor aufgespießt. Seltsamerweise belässt es Monitor jedoch bei einer Kritik an der Politik und fasst die Autoren der Studie mit Glacéhandschuhen an. Von Jens Berger