Archiv der Kategorie:
Verteilungsgerechtigkeit

Radiofeature: Warum unsere Gesellschaft die Armen verachtet

Florida Rolf und die faulen Griechen sind zwei Beispiele, wie Medien über Armut berichten. Nicht die Ursache von Armut ist der Gegenstand der Berichterstattung. Viel mehr geht es darum Menschen zu stigmatisieren und ihnen die Verantwortung für ihre Situation zuzuschreiben.

Julia Fritzsche und Sebasitan Doerfler haben zu diesem Thema ein Radiofeature für die Sendung Zündfunk erstellt. Sie gehen der Frage nach, warum stigmatisierende Bilder von Armut entstehen und wer von ihnen profitiert.

Rentenerhöhung 2015: Kleine Oase nach tiefer und langer Durststrecke. Von Prof. Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff.

1. Juli 2015 um 12:06 Uhr,
Die Renten steigen zum 1. Juli im Westen um 2,1 %, im Osten um 2,5 %. Das ist ohne Zweifel erfreulich, kann aber nicht darüber hinweg täuschen, dass Neurentner und Bestandsrentner seit 2000 massive Einbußen hinnehmen mussten. Ganz entgegen einer weit verbreiteten Ansicht gibt die deutsche Gesellschaft tendenziell immer weniger ihres Reichtums für die steigende Zahl von gesetzlichen Rentnern aus. Im Folgenden analysieren wir die drei schlimmsten langfristigen Verschlechterungen im deutschen Rentensystem seit 2000.
Sie sind so gravierend, dass wir die Fakten mehrfach kontrolliert haben.

Von Gerd Bosbach und Jens Jürgen Korff.

hier das Fazit:

Seit 2000 mussten Neurentner und Bestandsrentner massive Einbußen hinnehmen. Dadurch wurde der Anteil der Ausgaben für die gesetzliche Rente am BIP trotz steigender Rentnerzahlen deutlich gekürzt.
Die Rentenerhöhungen zum 1.7.2015 sind zwar zu begrüßen, aber kein Grund zum Feiern.
Eine grundlegende Verbesserung ist nötig. Ansonsten werden die jetzigen Rentenberechnungsformeln sowie die Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt die gesetzliche Rente langfristig noch weiter in den Keller und Millionen von alten Leuten in die Armut treiben.

Zum Artikel.

21,4 oder 38,7 Prozent atypisch Beschäftigte – wie problematisch hätten Sie’s denn gern? Zahlenspiele am Beispiel prekäre Beschäftigung.

4. Mai 2015, Von Markus Krüsemann, le Bohémien 

„Anlässlich einer Anfrage der Linksfraktion im Bundestag zur Entwicklung des Normalarbeitsverhältnisses präsentierte die Bundesregierung in ihrer Antwort vor 2 Wochen altbekannte Zahlen: Seit 1993 ist die Zahl der atypisch Beschäftigten gestiegen, um im Jahr 2013 einen Anteil von 21,4 Prozent der Beschäftigten zu erreichen. Nach anderen Berechnungen hat der Anteil allerdings bei 38,7 Prozent gelegen. Die Erklärung für die Diskrepanz ist einfach, sie ist aber auch ein Politikum.“ Zum Bericht.

Nach Bahn, Post, Kitas streiken nun auch die Lehrer – in Hessen: „Es ist eine Frage der Selbstachtung, dass wir die materielle und fachliche Abwertung unserer pädagogischen Arbeit in den Schulen nicht hinnehmen.“

06/2015, GEW, Lehrerstreik in Hessen am 16.juni

Unmittelbar nach der Unterzeichnung des Tarifvertrags für die 15 Bundesländer im Bereich
der Tarifgemeinschaft der Länder haben die Länder Bayern, Hamburg, Rheinland-Pfalz und
Sachsen für 2015 eine vollständige Übertragung auf ihre Beamtinnen und Beamten zugesagt – mit Gehaltserhöhungen zum selben Zeitpunkt und im selben Umfang wie bei den
Tarifbeschäftigten. Berlin, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen
und Sachsen-Anhalt übertragen mit geringen Abschlägen oder geringen zeitlichen Verzögerungen.
Nur Hessen, eines der reichsten Bundesländer, beharrt auf der Nullrunde. Das lassen wir
uns nicht bieten!  Mehr dazu oder zum Streikaufruf der GEW.

Besoldung: Mindestlohn für Richter und Staatsanwälte per Verfassungsgerichtsurteil. Und: Kita-Streik für uns alle.

5. Mai 2015, ein Kommentar von Wolfgang Janisch, SZ

Das Bundesverfassungsgericht hat erstmals ein Mindesteinkommen für die mehr als 25 000 Richter und Staatsanwälte in Deutschland festgeschrieben…

Sind 3300 Euro pro Monat zu wenig für Juristen im Staatsdienst? Ja, urteilt das Verfassungsgericht. Es zieht nun erstmals eine Untergrenze – die sich aus einer komplexen Formel ergibt.

 Zum Kommentar.

KITA-STREIK: Ein Streik für uns alle

06.05.2015, ein Kommentar von Stephan Hebel in der FR.

Erzieherinnen leiden unter der Legende von der armen öffentlichen Hand. Sie täten gut daran, zu streiken, bis der Staat sich von privatem Reichtum holt, was die Kommunen für die öffentliche Daseinsvorsorge brauchen. 

EKD- Denkschrift „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“ vorgestellt.

Soziale Ungleichheit, Verlust von Freizeit, seelische Belastungen: Die EKD erkennt schwere Mängel in der modernen Arbeitswelt – aber auch Chancen.

28. April 2015,, Von Matthias Drobinski, SZ

München – Die evangelische Kirche in Deutschland (EKD) kritisiert die wachsende soziale Ungleichheit im Land. Der Arbeitsmarkt insgesamt entwickle sich zwar positiv, doch gebe es immer mehr Beschäftigte, die von ihrem Lohn nicht leben können, heißt es in der Denkschrift „Solidarität und Selbstbestimmung im Wandel der Arbeitswelt“…

Bei allem Lob für Tarifautonomie und Tarifverhandlungen möchte die EKD am sogenannten Dritten Weg festhalten. Die Gewerkschaft Verdi hatte vergeblich versucht, vor dem Bundesarbeitsgericht diese Regelung zu kippen, die Streiks in kirchlichen Einrichtungen verbietet. Man sei sich aber mit den Gewerkschaften einig, dass der Sozialsektor eine angemessene Finanzierung brauche. Zum Artikel.

Ein Brief an Amazon von Erwin Helmer, Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) in Augsburg.

05/2015, Publik-Forum

Erwin Helmer, Diözesanpräses der Katholischen Arbeitnehmer Bewegung (KAB) in Augsburg, hat Jeff Bezos, Chef des Versandhändlers Amazon einen offenen Brief geschrieben. Er prangert darin Überwachung und Lohndumping an. Ein Interview mit dem Betriebsseelsorger. Zum Interview. 

Armut, die erschüttert: Arbeitslose Griechen veröffentlichen Tagebücher

10.01.2015, Von Alkyone Karamanolis, Deutschlandradiokultur

Keine Grundsicherung, Steuern auf nicht vorhandenes Einkommen: Wer in Griechenland arbeitslos wird, dem droht der Absturz. Auf einer Website schreiben Betroffene, was es für sie bedeutet, um ein Leben in Würde zu kämpfen. Nun wird ein Buch daraus.

Mehrmals am Tag unterbricht der Journalist Christoforos Kasdaglis seine Arbeit, um nachzusehen, ob neue Texte aufgelaufen sind. Er gibt ihnen einen Titel, setzt die Tags und schaltet sie frei. „Tagebuch eines Arbeitslosen“ heißt die Internetplattform, Christoforos Kasdaglis hat sie ins Leben gerufen. Niemand spricht über die Menschen hinter diesen Zahlen. Und die Arbeitslosen selbst sind gefangen in Gefühlen von Schuld und Scham. Dieses Tabu wollte ich durchbrechen.“… Zum Artikel.

Teilen, nicht töten. Von Prof. Friedhelm Hengsbach

erschienen: 10.11.14

…Hat Papst Franziskus Recht, wenn er behauptet, dass die jetzige Wirtschaftsordnung ganze Bevölkerungsgruppen ausgrenzt, soziale Ungerechtigkeiten erzeugt und Gewalt hervorbringt? Diese Frage wird man eindeutig mit „Ja“ beantworten. Also gilt, was einige namhafte Wirtschaftsexperten längst entdeckt haben: Reichtum, den viele erzeugen, darf nicht von wenigen angeeignet werden. Eine ausgewogene Verteilung des geschaffenen Reichtums dient dem gesellschaftlichen Zusammenhalt und dem Frieden. Und es kann nicht Staatsziel Nummer Eins sein, alle Nationen konkurrenzfähig und alle Menschen beschäftigungsfähig zu machen. Friedhelm Hengsbach, Deutschlands führender Sozialethiker, fordert eine Verteilung, die die bisherige Regel der vorrangigen Kapitalverzinsung korrigiert: Natur, Arbeit, Geld und gesellschaftliche Vorleistungen erarbeiten gemeinsam eine Wertschöpfung, und müssen gleichberechtigt entlohnt werden.

Zum Artikel.

Michael J. Sandel: Gerechtigkeit. Wie wir das Richtige tun. Buchvorstellung

Der seit 1980 in Harvard Politische Philosophie lehrende Michael J. Sandel ist spätestens seit seinem 2012 erschienenen Buch »Was man für Geld nicht kaufen kann. Die moralischen Grenzen des Marktes« (vgl. die Besprechung von Wolfgang Erich Müller in ThLZ 138 [2013], 735 f.) auch in Deutschland einer der bekanntesten Moralphilosophen. Vor allem das Thema »Gerechtigkeit« und seine sehr anschauliche Art, höchst diffizile ethische Dilemmata von allen Seiten zu beleuchten, haben ihn weltweit populär gemacht. Auch im hier möglichst vielen Lesern und Leserinnen empfohlenen Buch führt Sandel – oft in juristischer Argumentationsmanier – eine Vielzahl von aus dem Leben gegriffenen Fallbeispielen vor. Seine Ausführungen sind infolgedessen immer an konkrete Geschehnisse rückgebunden, was gewiss ein Hauptgrund für den Erfolg seiner Vorlesungen und Bücher ist.
Sandel geht davon aus, dass menschliche Moralvorstellungen nicht ein für alle Mal »durch Erziehung und Glauben« feststehen, sondern dass vernunftgeleitete moralische Überzeugungsarbeit möglich ist (vgl. 42). Er hat an dieser Stelle die teils stark ideologisch gefärbten religiösen Grabenkämpfe seines US-amerikanischen Kontextes vor Augen. Das Thema seines Buches beschreibt er folgendermaßen: »Wie also können wir mit unserer Vernunft so erfolgreich durch das umstrittene Terrain navigieren, in dem es um Fragen der Gerechtigkeit und Ungerechtigkeit, Gleichheit und Ungleichheit, die Rechte des Einzelnen und das Allgemeinwohl geht?« (43). …

Mehr dazu.

Michael J. Sandel, Aus dem Amerik. v. H. Reuter.
Gerechtigkeit. Wie wir das Richtige tun
Berlin: Ullstein 2013. 413 S. Geb. EUR 21,99. ISBN 978-3-550-08009-8.