Schlagwort-Archive: Sexueller Missbrauch

Die Täter sind mit sich selbst barmherzig. Zum Ende des Jahres der Barmherzigkeit. Von Christoph Fleischmann.

12/2016

Mit einem Sündenbekenntnis in einem Gottesdienst wollten sich die katholischen deutschen Bischöfe im März 2011, ein Jahr nach Aufdeckung massenhaften Missbrauchs durch Kleriker, selbstkritisch zeigen. Robert Zollitsch hatte als damaliger Vorsitzender der Bischofskonferenz die Aufgabe, in der Predigt das Gleichnis vom Weltgericht aus dem Matthäus-Evangelium zu deuten.

Er interpretierte den Text so, dass Gott da sei, wo Menschen Erbarmen bräuchten und erführen…

Mehr dazu.

Oscar für Spotlight. Als das Kartell des Schweigens zerbrach. Von Matthias Drobinski, SZ.

29. Februar 2016
Der Gewinner „Spotlight“ erzählt von hartnäckigem Journalismus, Macht, sexuellen Übergriffen – und von einem Wendepunkt in der katholischen Kirche.

Von Matthias Drobinski

…Doch die mehr als 600 Artikel des Boston Globe zerstören das Schweigekartell – auch, weil sie endlich den Betroffenen eine Stimme geben, sie aus der Vereinzelung holen und ihnen die Scham nehmen. Immer mehr Männer und auch Frauen melden sich und berichten, was ihnen vor zwanzig oder dreißig Jahren angetan wurde. Bald wird gegen insgesamt 2000 Priester in den USA ermittelt,…

Zum Artikel.

Umgang mit Missbrauchsüberlebenden – kath. Kirche hat nichts gelernt.

03.07.2015, von Christoph Fleischmann
In der Zentrale der katholischen Kirchenhierarchie in Deutschland hat man nichts gelernt: Da begnet man Missbrauchsüberlebenden und ihren Familien weiter mit einer gönnerhaften Haltung von oben. Selbstkritik? Fehlanzeige. Die Kirche, die Kirche, die hat immer recht.

Der Fall: „Ein Pfarrer aus dem Bistum Aachen ist im Februar wegen sexuellen Missbrauchs zu sechs Jahren Haft verurteilt worden. Aufgedeckt werden konnten die Taten nur, weil couragierte Eltern aus der deutschen Gemeinde im südafrikanischen Johannesburg Alarm geschlagen hatten. Sie beschuldigten den Pfarrer, sich mit Jungen ins Bett gelegt zu haben. Bis heute warten sie auf eine Entschuldigung der Deutschen Bischofskonferenz.“

Zum aktuellen Artikel.

 

Bistum Regensburg. Missbrauchsopfer warnt Betroffene „Wendet Euch nicht an dieses Bistum!“ und: Zweiter Domspatz warnt vor dem Bistum.

Missbrauchsopfer warnt Betroffene „Wendet Euch nicht an dieses Bistum!“

15 Jan 2015; von Stefan Aigner

Der ehemalige Domspatz Udo Kaiser widerspricht dem Rechtsanwalt Geedo Paprotta, der im Auftrag des Bistums Regensburg Anträge auf Anerkennung sexuellen Missbrauchs prüft. Paprotta hatte einen sexuellen Missbrauch bei Kaiser verneint, lehnt es aber in einer weithin beachteten ARD-Dokumentation ab, sich näher dazu zu äußern.

Sie haben sich 2009 mit diesen Schilderungen an die Missbrauchsbeauftragte des Bistums Regensburg gewandt und später einen Antrag auf „Anerkennung des erlittenen Leids“ gestellt. Dieser Antrag wurde 2012 abgelehnt. Sie erhielten einen Serienbrief, in dem Ihre Schilderungen als „nicht nachvollziehbar“ bezeichnet wurden. Wegen Details hat man Sie an Rechtsanwalt Paprotta verwiesen. Wie verlief das Gespräch mit ihm?

Wir haben vielleicht eine Stunde geredet. Herr Paprotta hat mir erklärt, dass er – ausdrücklich er – aufgrund der Aktenlage entschieden habe, dass es bei mir zu keinem sexuellen Missbrauch gekommen sei. Er hat auch eingeräumt, dass er an dem Serienbrief mitgeschrieben hat, mit dem ich der Lüge bezichtigt werde. Insofern ist es falsch, wenn Herr Paprotta behauptet, er hätte nichts zu entscheiden. In meinem Fall hat er entschieden…  Zum Artikel.

19 Jan 2015

Zweiter Ex-Domspatz warnt vor dem Bistum
„Fall neu aufrollen“? Missbrauchsopfer reagiert mit offenem Brief

Das Bistum Regensburg hat angekündigt, seinen Fall neu aufrollen zu wollen: Jetzt antwortet der ehemalige Domspatz Georg Auer (hier schildern wir seinen Fall ausführlich) darauf in einem offenen Brief und erklärt, warum er überhaupt den schweren Weg in die Öffentlichkeit gewagt hat. Wir veröffentlichen ihn in kompletter Länge. Post vom Bistum Regensburg hat Auer übrigens schon letzte Woche bekommen: Zwei Jahre nach seinem Kirchenaustritt fordert das Katholische Kirchensteueramt eine Nachzahlung von 7,27 Euro.

Offener Brief an die Leitung des bischöflichen Ordinariats Regensburg

Sehr geehrter Bistumssprecher Clemens Neck und Generalvikar Michael Fuchs,

laut den letzten Medienberichten will das Bistum Regensburg auf die Ausstrahlung der ARD-Dokumentation „Sünden an den Sängerknaben“ meinen Missbrauchsfall bei den Regensburger Domspatzen neu prüfen und neu bewerten, ob nun doch eine Opferentschädigung in meinem Falle infrage kommt. Des Weiteren sprach man davon, dass die Leitung des Bistums in dieser Angelegenheit mit meiner Person erneut Kontakt aufnehmen will.

Hierzu will ich mich nun persönlich und öffentlich äußern.

1. Seit meinem Brief an die Leitung der Domspatzen-Vorschule im Juni 2006 – in dem ich meine Missbrauchs- und Gewalterlebnisse in der damaligen Vorschule in Etterhausen schilderte – hatte ich niemals einen persönlichen Kontakt mit irgendwelchen Personen des Bistums. Meine damaligen Kontakte beschränkten sich nur auf die damalige Missbrauchsbeauftragte des Bistums Regensburg und den damaligen Direktor der Domspatzen-Vorschule…  Zum vollständigen Text.

 

Nordkirche: Bericht der unabhängigen Kommission über sexuellen Missbrauch. Veröffentlichung des Berichts

Nach knapp zwei Jahren Arbeit hat die unabhängige Expertenkommission zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen im Gebiet der ehemaligen Nordelbischen Evangelisch-Lutherischen Kirche, heute Evangelisch-Lutherische Kirche in Norddeutschland (Nordkirche) am 3. Oktober 2014 ihren Schlussbericht vorgelegt, den die Nordkirche hiermit veröffentlicht.

Anlass für den Auftrag der Nordkirche an die unabhängige Expertenkommission waren zahlreiche Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen in der Kirchengemeinde Ahrensburg in den siebziger und achtziger Jahren, die im Jahr 2010 bekannt wurden. Darüber hinaus wurden auch Fälle aus der jüngeren Vergangenheit beleuchtet.

Mit dem Auftrag an die Untersuchungskommission hatte die Nordkirche auch ein Verfahren für individuelle Unterstützungsleistungen zugunsten von Missbrauchsopfern in Anerkennung ihres Leides und in Verantwortung für die Verfehlungen der Institution beschlossen.  Zum Bericht.

Vgl. zur selben Thematik auch die Sendung des NDR.

Über die Abgründe des Missbrauchssystems – Mea Maxima Culpa (Film und Besprechung)

Institutionalisiertes Schweigen der Kirche: Die Filmrecherchen führen bis in den Vatikan.

Die Opfer sind gehörlos und zum Schweigen gezwungen, der Täter ist ein Priester und als Autorität anerkannt: In einem von der katholischen Kirche geführten US-Internat kam es jahrzehntelang zu sexuellem Missbrauch. Alex Gibney schildert die Qual der Kinder in einem parteiischen, aber aufwühlenden Dokumentarfilm. Zum Artikel in der SZ.

Mea Maxima Culpa
STILLE IM HAUS DES HERRN. Ausgehend von dem Fall eines amerikanischen Paters, der sich über Jahrzehnte an Schutzbefohlenen verging, zeigt Oscar-Preisträger Alex Gibney, welches Ausmaß die pädophilen Verbrechen von Geistlichen angenommen haben und mit welcher Beharrlichkeit die Kirche zu den Missständen geschwiegen hat. Zum Film.

Prof. Ruppert: Das Trauma des sexuellen Missbrauchs überwinden – Theorie und Psychotherapie

Das Phänomen, die Ursachen, der Teufelskreis, die Heilungschancen.

Eine Darstellung: kurz, prägnant, klar

 

eine Präsentation von Prof. Dr. Franz Ruppert, KSFH München

 

Ein „Fehlurteil“ der EKD in Sachen Missbrauch (Regionalbischöfin Greiner)

Langsam muss sich wohl jeder Sorgen um die Verfassung der EKD machen. In der letzten Ausgabe der Wort-Meldungen berichteten wir, dass die EKD der Auffassung ist, dass sie nicht durch die Grundrechte gebunden sei: „Die Kirche ist nach Art. 140 GG i. V. m. Art. 137 Abs. 3 WRV in der Ausgestaltung ihres Dienstrechtes unabhängig. Daraus folgt, dass sie generell weder durch die Grundrechte noch durch … gebunden ist“. Diese Aussage darf man ruhig noch einmal nachlesen und überdenken.

Wie frei und souverän man sich fühlt, zeigt die EKD jetzt aufs Neue mit einem Urteil der Disziplinarkammer in einem Falle sexuellen Missbrauchs.

Was ist vorgefallen? Im Jahr 2011 war in der Bayerischen Presse zu lesen:

Hof/Bayern. In der Schwere der Fälle und der „drückenden Beweislast“ sieht der Hofer Dekan Günter Saalfrank die Gründe für die Verurteilung gegen einen in Hof lebenden ehemaligen Pfarrer und Oberkirchenrat. Der heute 87-Jährige war wie berichtet von der Disziplinarkammer der evangelischen Landeskirche aus dem kirchlichen Dienstverhältnis entfernt worden, weil er in den 60er-Jahren ein junges Mädchen missbraucht und sich später sexueller Übergriffe an zwei erwachsenen Frauen schuldig gemacht hatte.“ Mehr dazu.

Der Beschuldigte ging bei einem übergeordneten EKD- Gericht in Berufung. Dort wurde jetzt das Disziplinarverfahren vom Disziplinarhof der EKD überraschend eingestellt (AZ 0125/1-11). „Die bayerische Landeskirche kann dieser ganzen Argumentation nicht folgen“, heißt es im Bayerischen Sonntagsblatt vom 30.06.13. (die Zitate auf den S. 4-6). „In den Äußerungen des Disziplinarhofs ‚dominieren die Interessen des Täters‘, die Situation der schwer traumatisierten Opfer und die Folgen der Entscheidung für Ansehen und Glaubwürdigkeit der Kirche bliebe außer Betracht“. Die vom Disziplinarhof benannten Gründe scheinen der Bayerischen Landeskirche „in entscheidenden Punkten verfehlt“, weswegen Regionalbischöfin Greiner auch offen und öffentlich von einem „Fehlurteil“ spricht.

Sprechend sind die Ereignisse an den Verhandlungstagen. Das Opfer war am 1. Tag auf 13 h bestellt, die Verhandlung wurde aber schon vorher – um 12.54h – endgültig beendet. Als sie dennoch den Verhandlungssaal betrat, „musste sie ansehen, wie der Angeklagte auf die Richter zuschritt und sich bei jedem Mitglied des Gerichts mit Handschlag dankend verabschiedete. Sie selbst wurde von der Vorsitzenden Richterin auf die Nachfrage, warum sie nicht aussagen durfte mit der Antwort abgefertigt: ‚Das war nicht unser Thema’“.

Besonders brisant: dem Beschluss wurden „Leitsatz“ und „Tenor“ vorangestellt. Ein Leitsatz enthält die Essenz des Urteils. Er „entfaltet oft große praktische Bedeutung als Quasi-Richtlinie für die nachgeordneten Gerichte“(wikipedia). Dem Urteil kommt also auch noch Präzedenzwirkung zu.

Auch in der katholischen Kirche stockt der Aufklärungsprozess. Daher wendet sich die

Priesterinitiative in der Diözese Augsburg

in einem Schreiben an die deutschen Bischöfe:

Aufruf an die deutschen Bischöfe zur Fastenzeit 2013 Aufklärung der durch Priester und Ordensleute begangenen Missbrauchsfälle und zukünftige Prävention.

vgl. zum Thema sexueller Missbrauch einen Fall aus Krems im Wiener Standard vom 01.07.13:

Missbrauch im Kloster erstmals vor einem Strafgericht

Am Landesgericht Steyr startet der Prozess gegen einen ehemaligen hochrangigen Geistlichen des Stiftes Kremsmünster. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 79-Jährigen unter anderem schweren sexuellen Missbrauch vor

 

 

Der Missbrauchskandal ist mit dem Umgang mit Macht in der Kirche verbunden.

Klaus Mertes war als Rektor des Berliner Canisius Kollegs maßgeblich an dem Bekanntwerden der zahlreichen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche beteiligt. Später wurde er ein Anwalt der Opfer.

 

Nun erschienen in der Zeit erste Auszüge seines neuen Buches „Verlorenes Vertrauen – Katholisch sein in der Krise“. Der Jesuit Mertes kommt dabei zu für katholsiche Verhältnisse fast revolutionären Ansätzen. So wirft er seiner Kirche vor in Fragen der Sexualität das Liebesgebot verloren zu haben. Der Umgang mit Geschiedenen oder Frauen, die eine Abtreibung durchgeführt haben sei oft unbarmherzig.

Die Schlüsselfrage für den Umgang mit sexualisierter Gewalt ist für Mertes der „Umgang mit der Macht in der Kirche“.

Lesen sie hier den ganzen Auszug bei Zeit-Online.