Schlagwort-Archive: Zweites Vatikanisches Konzil

Neue Formen der Gemeindeleitung. Ein Modellprojekt im Bistum Würzburg.

01/2015, Pfarrerinitiative

Die Pfarrerinitiative begrüßt das Modellprojekt der Diözese Würzburg zur Entwicklung „ergänzender Formen der Gemeindeleitung“ und bringt gleichzeitig aus der eigenen Sicht einige Gesichtspunkte mit in die Diskussion ein. Zu unserem Selbstverständnis gehört es, Leitung nicht als Aufgabe eines einzelnen Priesters zu verstehen, sondern als gemeinsame Aufgabe eines Teams, in das neben dem Priester auch andere Gemeindemitglieder ihre verschiedenen Charismen einbringen.
Das bisherige Verständnis von Gemeindeleitung als rein klerikal-priesterliche Amtsausübung ist weder im Sinne Jesu, noch im Sinne des Volk-Gottes-Gedankens des Zweiten Vatikanischen Konzils. Die durch die Vergrößerung von Seelsorgsräumen notwendig gewordene Unterscheidung von Pfarrei(engemeinschaft) als durch das Kirchenrecht einem Pfarrer zugeordnete Territorium auf der einen und Gemeinde als christliche Gemeinschaft vor Ort auf der anderen Seite stellt die Frage nach einer Neugestaltung kirchlicher Leitungsstrukturen. So ist eine alleinige Wahrnehmung aller Leitungsaufgaben in jeder Gemeinde allein durch einen Pfarrer nicht nur theologisch, sondern auch praktisch nicht mehr möglich. Dies bir gt die Chance neue Modelle der Leitung zu praktizieren, die den Charismen und Bedürfnissen der Gemeinden mehr entsprechen und dem Auftrag Jesu, der Sorge um den Nächsten, dienen. Diesen großen Spielraum gilt es phantasievoll aus zu nutzen und neue Wege zu gehen….

Wir hoffen, dass die Entwicklung gemeinschaftlicher und charismenorientierter Leitungsmodelle auf Gemeinde ebene auch Impulse gibt für eine Weiterentwicklung des Leitungsverständnisses auf höheren kirchlichen Ebenen. Zur Stellungnahme.

Revisted: Geschichte und Hintergründe der Eliminierung der Befreiungstheologen in Lateinamerika. Von Prof. Noam Chomsky, MIT

2010, Von Noam Chomsky *

„…Außer gegen Kuba richtete sich die Plage des Staatsterrorismus in der westlichen Hemisphäre 1964 auch gegen Brasilien, das durch einen Staatsstreich in einen der ersten in einer ganzen Reihe von neofaschistischen Nationalen Sicherheitsstaaten verwandelt und eine bis dahin in dieser Hemisphäre nicht gekannte Plage der Repression entfesselt wurde. Dahinter stand immer Washington, weshalb sich dort eine besonders gewalttätige Form des staatlich gelenkten internationalen Terrorismus entwickelte. Die Kampagne [in Brasilien] war in hohem Maße ein Krieg gegen die Kirche. Es war mehr als nur symbolhaft, dass sie im November 1989, nur wenige Tage nach dem Fall der Berliner Mauer, ihren Höhepunkt fand in der Ermordung von sechs führenden lateinamerikanischen Intellektuellen. Diese sechs Jesuitenpriester wurden durch ein salvadorianisches Elitebataillon ermordet, das gerade frisch von einem Lehrgang an der John F. Kennedy Special Forces School in North Carolina kam. Wie erst im letzten November bekannt wurde – offensichtlich ohne auf ein sonderliches Interesse zu stoßen –, war der Mordbefehl durch den Armeechef und seinen Stab unterzeichnet worden, die alle so eng mit dem Pentagon und der US-Botschaft verbunden waren, dass es kaum vorstellbar ist, dass Washington nichts von den Plänen dieses Musterbataillons gewusst haben soll. Diese Eliteeinheit hatte bereits eine Blutspur hinterlassen mit den in diesem fürchterlichen Jahrzehnt der 1980er Jahre in El Salvador üblichen Opfern. Das erste war Erzbischof Romero, die „Stimme der Unterdrückten“, dessen Mörder aus eben diesen Kreisen kamen.

Die Ermordung der Jesuitenpriester war ein vernichtender Schlag gegen die Befreiungstheologie, jene bemerkenswerte Wiederbelebung des Christentums, initiiert von Johannes XXIII. auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil, das er 1962 eröffnet hatte. Eine Veranstaltung, mit der eigentlich „eine neue Ära in der Geschichte der katholischen Kirche eingeleitet“ werden sollte, wie es der herausragende Theologe und Historiker Hans Küng damals ausdrückte. Inspiriert durch das Zweite Vatikanische Konzil, nahmen die lateinamerikanischen Bischöfe die „Option für die Armen“ an und erneuerten den radikalen Pazifismus des Evangeliums, der praktisch gegenstandslos geworden war, seit Kaiser Konstantin der Große das Christentum zur offiziellen Religion des Römischen Reiches gemacht hatte. „Eine Revolution“, so Küng, die aus der „verfolgten Kirche“ eine „verfolgende Kirche“ machte. Nachdem Zweiten Vatikanischen Konzil wurde versucht, die Lehre des Christentums aus der Zeit vor Konstantin dem Großen neu zu beleben. Priester, Nonnen und Laien trugen die Botschaft des Evangeliums zu den Armen und Verfolgten [Lateinamerikas], schlossen sie in „Basisgemeinden“ zusammen und ermutigten sie, ihr Schicksal in die eigenen Hände zu nehmen und gemeinsam das Elend des Überlebenskampfs im brutalen Herrschaftsbereich der USA zu überwinden. Die Reaktion auf diese schwere Ketzerei folgte schon bald. Die erste Salve war der noch zu John F. Kennedys Lebzeiten geplante und 1964 durchgeführte Militärputsch in Brasilien, mit dem eine leicht sozialdemokratisch angehauchte Regierung gestürzt und ein mit Folter und Gewalt herrschendes Regime errichtet wurde. Die Kampagne endete mit der Ermordung der jesuitischen Intellektuellen vor 20 Jahren. Es ist viel darüber diskutiert worden, wer den Anstoß zum Fall der Berliner Mauer für sich reklamieren kann, aber es wird kein Wort darüber verloren, wer die Verantwortung trägt für die brutale Zerschlagung des Versuchs, die Kirche des Evangeliums wiederzubeleben. Washingtons School of the Americas, berüchtigt wegen ihrer Ausbildung lateinamerikanischer Mordkommandos, warb voller Stolz damit, dass die Befreiungstheologie „mit Unterstützung der US-Armee besiegt wurde“ – sicher nicht ohne Unterstützung des Vatikan, der dazu die sanfteren Mittel des Kirchenausschlusses und der Unterdrückung abweichender Lehre einsetzte. 

Zum Vortrag „Die üble Geißel des Terrorismus“ – von Noam Choamsky.

Am 23. März 2010, dem 110. Geburtstag des Psychoanalytikers Erich Fromm (1900-1980), wurde der Sprachwissenschaftler und politische Intellektuelle Noam Chomsky mit dem Erich-Fromm-Preis 2010 ausgezeichnet. Die Internationale Erich-Fromm-Gesellschaft würdigte damit Chomskys akademisches Lebenswerk, vor allem aber »sein von öffentlichen Meinungen unabhängiges Urteil«. Wir dokumentieren die schriftliche Fassung von Chomskys Rede. Redaktionelle Anmerkungen erscheinen in eckigen Klammern. 

 

Kirchliche Autorität im Strukturwandel der Gesellschaft. Ein Buch von Heiner Katz .

Heiner Katz (* 1935) ist Dominikaner, Theologe und Soziologe. Er lehrt z.Zt. an der Universität Vechta und der Hochschule Osnabrück.

Die gegenwärtig verbreitet wahrgenommene Kirchenkrise im katholischen Christentum lässt sich nicht trennen vom derzeit ungelösten Problem der innerkirchlichen Autorität. Die Gehorsamsbereitschaft vieler, gerade auch engagierter Kirchenmitglieder gegenüber deren bis in Alltagsfragen reichende Sinn- und Weisungsansprüche hat sich dramatisch abgeschwächt. Gesellschaftlicher Strukturwandel und ein darin verändertes Bewusstsein erfordern eine neue Aufmerksamkeit für die subjektorientierten Selbstverständnisse von Kirchenmitgliedern. Wissenssoziologische und prozessorientierte Analysen von einschlägigen Dokumenten und Vorgängen seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil verdeutlichen die Grenzen institutioneller Legitimierungsstrategien. Im Rekurs auf psychologische wie sozial-kommunikative Voraussetzungen von Akzeptanz wird ein radikales Umdenken traditionaler Autoritätskonzepte unumgänglich. Zur Quelle.

Heiner Katz
Kirchliche Autorität im Strukturwandel der Gesellschaft
Eine religions- und wissenssoziologische Untersuchuchung zum nachkonziliaren Autoritätsproblem der katholischen Kirche
Reihe: Forum Religion & Sozialkultur – Abt. A: Religions- und Kirchensoziologische Texte
Bd. 15, 2012, 536 S., 39.90 EUR, 63.90 CHF, br., ISBN 978-3-8258-9623-2

 

Mein Blick auf das Konzil – Dr. Daniel Kosch Generalsekretär der Römisch-Katholischen Zentralkonferenz der Schweiz (RKZ)

… Aber schon während meines Theologiestudiums wurde spürbar, dass die Errungenschaften des Konzils bedroht waren. Man begann man von der Kirche «in winterlicher Zeit» zu sprechen und es meldeten sich die «zornigen alten Männer in der Kirche» zu Wort. Der «Fall Haas», die Art und Weise, wie Rom die Befreiungstheologinnen und –theologen zum Schweigen zu bringen versuchte, die theologische Diskreditierung der historisch-kritischen Exegese durch den damaligen Präfekten der Glaubenskongregation, Joseph Ratzinger, der römische Zentralismus und andere problematische Entwicklungen führten mich je länger, je mehr zur Überzeugung, dass das Konzil gegen den Rückfall der Kirchenleitung hinter das Vatikanum II verteidigt werden müsse. Das gleiche Konzil, dessen Texte ich zu Beginn des Studiums als «zu brav» und zu «affirmativ» empfunden hatte, wurde zur «gefährlichen Erinnerung» (J.B. Metz), diesbezüglich dem Zeugnis der Bibel verwandt. Um so erfreulicher, dass ich in meinem Fachbereich, dem Neuen Testament und der Bibelpastoral, viele Frauen und Männer kennen lernte, die im Geist des Konzils  das Evangelium, seine Option für die Armen, seine Vision vom Reich Gottes und den Einsatz für Frieden und Gerechtigkeit mitten in der Welt von heute ins Zentrum stellten… Zum Beitrag von Dr. theol. Daniel Kosch, CH.

„Papst kann jeder werden. Der beste Beweis bin ich.“ Zur Heiligsprechung von Papst Johannes XXIII.

Der liebenswürdige Reformer – von Joachim Frank, BZ

24.04.14

Dem katholischen Kirchenvolk gilt Johannes XXIII. schon lange als „der gütige Papst“, an diesem Sonntag wird er in Rom heiliggesprochen. Der Italiener wirkte zwar gemütlich wie ein Großvater – doch er war der Pontifex, der dem Wandel in seiner Kirche eine Chance gab.

Zum Artikel in der BZ.

Enzyklika ‚Pacem in terris‘ – das Ende des gerechten Krieges

von Andreas R. Batlogg SJ

Von ihrer beklemmenden Eindringlichkeit haben die Worte nichts eingebüßt, sie wirken fünfzig Jahre später so aktuell wie damals: „Darum widerstrebt es in unserem Zeitalter, das sich rühmt, Atomzeitalter zu sein, der Vernunft, den Krieg noch als das geeignete Mittel zur Wiederherstellung verletzter Rechte zu betrachten“ (Nr. 127). Geschrieben wurden sie unter dem Zwischentitel „Zeichen der Zeit“ von einem, der im 82. Lebensjahr stand: Am 11. April 1963, einem Gründonnerstag, veröffentlichte der bereits von einer schweren Krebskrankheit gezeichnete Papst Johannes XXIII. seine nicht nur an Katholiken, sondern (erstmals) „an alle Menschen guten Willens“ gerichtete achte Enzyklika „Pacem in terris“. Keine zwei Monate später war er tot… Zum Artikel.

»Papst Franziskus ist ein Showmaster« – Frido Mann, Enkel von Thomas Mann, über den Papst, Religionsunterricht in der Schule und Rückgrat gegenüber einer verknöcherten Institution

Ein Gespräch von Nils Sandrisser mit dem Schriftsteller Frido Mann über den Papst, Religionsunterricht in der Schule u.a.

Herr Mann, Sie sind vor vier Jahren aus der katholischen Kirche ausgetreten. Was denken Sie über die Limburg-Affäre?
Frido Mann:

Das alles wundert mich nicht. Es würde mich auch nicht wundern, wenn das nur die Spitze des Eisbergs wäre. In vieler Hinsicht erinnert mich die Situation der katholischen Kirche an den Zustand am Vorabend der Reformation. Der echte Geist fehlt, der Impuls zum erfahrungsorientierten Glauben. Es wirkt alles verknöchert und erstarrt. Das liegt an der Institution selbst. Joseph Ratzinger und Hans Küng zum Beispiel waren früher beide Progressive. Es gibt Hoffnungsträger, die sehen, dass es so nicht weitergeht. Aber entweder kommen sie in ihrem Hindernislauf nicht wesentlich weiter oder sie verlieren ihr Rückgrat…

Mehr dazu.

 

Was verraten die römischen Vorgaben des neuen Messbuches?

„Deine Sprache verrät dich!“
April 2013. Was verraten die römischen Vorgaben des neuen Messbuches?
Nach jetziger Planung wird 2014 ein neues Messbuch für den deutschsprachigen Raum eingeführt werden. Darin soll nach den seit 2001 gültigen Vorgaben aus Rom das lateinische Messbuch möglichst wörtlich übersetzt werden. Die sprachliche Gestalt soll sich ganz am römischen Messbuch ausrichten und landestypische Traditionen (Gebete zur Auswahl, die jetzt gerne in Gottesdiensten genutzt werden) sollen fast ganz verschwinden. Das war nicht immer so. Nach dem zweiten Vatikanischen Konzil gab es entgegengesetzte Richtlinien. Damals wurde bei der Übersetzung der Texte auf Verständlichkeit geachtet. Leitend war der Gedanke, dass alle Gläubigen aktiv und bewusst am Gottesdienst teilnehmen können. Mehr dazu.

50 Jahre Zweites Vatikanisches Konzil

von Jan-Heiner Tück, Dr. theol, ist Professor für dogmatische Theologie in Wien.

In Peter Handkes Erzählung „Die morawische Nacht“ findet sich die Aussage: „Es wurde dort kein besonderer Glaube gegen irgendwelche bösen Feinde oder feindlichen Brüder verteidigt. Keine Grenzziehungen wurden finster gefeiert. Kein Bollwerk gegen die oder die?…, keine Außenposten eines alleinseligmachenden Christentums.“ Im Sinne dieser Aussage ist festzustellen: Die katholische Kirche hat auf dem Zweiten Vatikanischen Konzil die Auffassung, dass nur ein Teil der Menschheit von Gott ins ewige Leben gerettet wird – also den sogenannten Heilsparti­kularismus – verabschiedet. Der klassische Lehrsatz, dass „außerhalb der Kirche kein Heil“ sei, wurde entsprechend neu gedeutet. Der Rückgriff auf das heilsuniversalistische Erbe in der Heiligen Schrift und der Tradition hat eine dialogische Öffnung zu den nichtkatholischen Kirchen und nichtchristlichen Religionen eingeleitet.

Lesen Sie den vollständigen Artikel von Prof. Tück, Wien.

Das geheime Vermächtnis des 2. Vatikan. Konzils – eine DVD

Die Szene hat etwas Geheimnisvolles: Am 16. November des Jahres 1965 steigen in Rom rund 40 Bischöfe – Teilnehmer des Zweiten Vatikanischen Konzils – in die Domitilla-Katakomben hinab, feiern einen Gottesdienst und unterzeichnen eine radikale Selbstverpflichtung. Auf teure Dienstwagen, auf Bischofspaläste, prunkvollen Ornat und selbst auf ihre Ehrentitel wollen sie verzichten. Stattdessen machen sie es sich zur Aufgabe, arm zu leben und für die Rechte der Armen zu streiten. 500 Konzilsväter werden am Ende diesen Katakombenpakt unterschrieben haben.
Film von Bernd Seidl und Wolfgang Rommel, SWR-Fernsehen – DVD
Länge 43 Minuten

Paul M. Zulehner