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Thema des Monats

Der Dritte Weg – Das kirchliche Arbeitsrecht in der politischen Bewertung

Ottmar Schreiner (MdB)

 

Der Dritte Weg ist darauf angelegt, eine wesentliche Funktion der Tarifautonomie zu ersetzen: nämlich die Herstellung einer Verhandlungslage, in der sich Arbeitgeber und Arbeitnehmer „auf Augenhöhe“, also unabhängig und gleichgewichtig gegenüberstehen. Dabei ist der Einfluss der Arbeitgeberseite beim Dritten Weg keineswegs einheitlich. In einigen evangelischen Landeskirchen gibt es die Vetorechte der Synode. Bei der KODA (Arbeitsrechtsordnung der katholischen Kirche) hat der Bischof das letzte Wort.

Ich will gar nicht bestreiten, dass auch diese Varianten auf eine faire Lohnfindung zielen, die im Einklang mit dem kirchlichen Selbstverständnis stehen. Allerdings ist der gleichzeitige Anspruch der Kirchen, ihren Arbeitnehmern eine dem Tarifsystem gleichwertige Verhandlungsposition bei Lohnkonflikten einzuräumen, kaum nachvollziehbar.

Vor wenigen Tagen (Ausgabe vom 3./4.03.2012) berichtete die „Saarbrücker Zeitung“, das Bistum Trier wolle massiv sparen. Unter anderem soll die Katholische Akademie geschlossen und die Mittel für die Kindertagesstätten jährlich um knapp drei Millionen Euro gekürzt werden. Scharfe Kritik an den Plänen äußerte die Gesamtmitarbeitervertretung (GMAV): „’Der gesamte Kostensenkungsprozess ist in diesem Umfang nicht notwendig’, heißt es in einer Stellungnahme, die Schließung der Katholischen Akademie sei nicht notwendig. Zudem kritisiert die 2700 Mitarbeiter vertretende GMAV die fehlende Mitwirkungsmöglichkeit am Klärungsprozess: ‚Der Generalvikar wollte uns ausdrücklich nicht beteiligen. Die Ergebnisse waren zementiert’.“ Eine Partnerschaft „auf Augenhöhe“ sieht anders aus!

Wer den Kirchen gut will, der kann ihnen nur anraten, einen das eigene Selbstverständnis bedrohenden Dauerkonflikt mit erheblichen Teilen der eigenen Belegschaften und ihrer Vertretungen abzuwenden. Das heißt dann aber auch, der in Sonntagsreden immer wieder betonten Bedeutung von Gewerkschaften auch praktische Konsequenzen folgen zu lassen. Warum sollte all dies sich um Himmels Willen nicht mit einer christlich inspirierten Unternehmenskultur vertragen können?

Lesen Sie den Vortrag von Ottmar Schreiner, MdB

Was George Sandel mit der Doppik/NKF in der Kirche zu tun hat

George Sandel: Was man für Geld nicht kaufen kann, Berlin 2012

Als Papst Benedikt die USA besuchte, las er Messen in Stadien in New York und Washington. Für die kostenlos ausgegebenen Karten entwickelte sich ein Schwarzmarkt, bei dem bis zu 200 Dollar für eine Karte geboten wurde. Die Kirche protestierte: „Die Feier eines Sakraments sei mit Geld nicht aufzuwiegen“. – Dies ist nur eines vieler Beispiele, wie Markt- und ökonomistisches Denken in alle Bereiche des Lebens eingedrungen sind: in die Politik, die Medizin, die Bildung, Sport – und auch in Kirche und Religion.

Für Den Autor und Harvard- Professor Sandel stellt sich anhand etlicher Beispiele aus der Lebenswirklichkeit die Frage: wollen wir eine (zu begrüßende) Marktwirtschaft oder eine die Gesellschaft im Kern bedrohende Marktgesellschaft? Bisher verhinderte ein prekärer Diskurs die Dominanz von Argumenten über das gute Leben in die Politik – und ließ banales, marktkonformes, gegenüber Werten neutrales Denken triumphieren. Was es daher heute braucht ist eine Debatte darüber, in welchen Bereichen Märkte dem Gemeinwohl dienen und wo sie eben nichts zu suchen haben. Denn: Märkte und Kommerz verhalten sich gegenüber dem Charakter der von ihnen erfassten Güter eben nicht neutral, sondern verändern ihn. Im eingangs genannten Beispiel der Papstmesse wird das offensichtlich. Die Reaktion zeigte, dass man erkannt hat, dass Güter beschädigt oder entwertet werden, wenn man sie kommerzialisiert, im Beispiel also die Eucharistie käuflich zu erwerben ist. Das wird in dem besonderen Fall zwar besonders eindrücklich, trifft aber generell zu: Der Charakter der Güter verändert sich unter Marktbedingungen. Diese Erkenntnis führt zwangsläufig zu der Frage, wie weit denn der Markt reichen dürfe. Und wo dem Markt Grenzen gezogen werden müssen, damit die Gesellschaft selbst keinen Schaden nimmt. Denn Marktdenken führt anders als herrschende (und für Crashs verantwortliche) Ökonomen gerne behaupten, in anderen Sektoren als der Ökonomie selbst eben gerade nicht zu höherer, sondern zu geringerer Wirksamkeit. Sandel belegt das bspw. mit Studien zur intrinsischen Motivation aus der Schweiz. Sie haben gegenüber der marktkonformen extrinsischen Motivation eine geringere Wirkung. Damit sind wir mitten in einer in der kirchlichen Reformdebatte heiß diskutierten Frage. Weil die kirchlichen Reformen ja gerade die intrinsische Motivation zerstört wie etwa Prof. Michael Welcker oder Prof. Isolde Karle u.a. nicht müde werden zu betonen. Und folglich die von den Reformern intendierte Wirksamkeit kirchlicher Arbeit gerade schwächen.

Ein weiteres zentrales kirchliches Reformthema ist durch die Darstellung von Sandel ebenfalls berührt, wenngleich dort selbst nicht erwähnt: die Frage des Rechnungswesens. Denn Märkte und Kommerz verändern den Charakter der von ihnen erfassten Güter – so Sandel. Das gilt in der Kirche analog für das Rechnungswesen. Eine Umstellung von der (erweiterten!) Kameralistik auf die Doppik ist wie wir in Beiträgen im Monatsthema Mai 2013 darlegen konnten, organisatorisch eine Herausforderung, ein „Jahrhundertprojekt“. Und es verursacht hohe Kosten bei einem nicht feststellbaren Nutzen (vgl. den Beitrag von Prof. Bogumil, Bochum, im Dt. Pfarrerblatt). Allein diese Fakten wiegen überaus schwer. Viel schwerer wiegt aber die Tatsache, dass mit der Doppik ein Marktdenken in die Kirche eindringt, das dem Charakter der Kirche diametral entgegenläuft. Und das sich dem Gegenstand gegenüber nicht neutral verhält, sondern seinen Charakter verändert. „Die Feier eines Sakraments sei mit Geld nicht aufzuwiegen“, stellten die Kirchen in den USA anlässlich des Schwarzmarktes für die Karten zur Papstmesse fest. Analog gilt noch viel mehr: „Der Wert der/einer Landeskirche lässt sich monetär nicht bewerten!“. Genau das geschieht aber in der Bilanz. Die Bilanz bewertet die Summe dessen, was Kirche ausmacht und zu kirchlichem Handeln gehört, monetär. Aus theologischer Sicht geht das aber gar nicht! Spätestens dann, wenn eine ernsthafte theologische Debatte um die Doppik einsetzt, spätestens dann wird die Doppik nicht nur als (im Vergleich zu einer erweiterten Kameralistik) nutzlos und teuer, sondern als im Kern schädlich erkannt werden.  Denn Doppik/NKF ist kein Beleg einer sich auch in der Administration endlich modernisierenden, auch wirtschaftlich handelnden Organisation, sondern Symbol einer angepassten Marktkirche – und damit eine Parallele zu der von Sandel beschriebenen gesellschaftsschädigenden Marktgesellschaft. 

Pfr. Friedhelm Schneider

Wer berät unsere Kirchen?

Bei der praktischen Umsetzung, der »Implementierung« des neuen Systems, sei zu sehr auf externe Beratung gesetzt worden. Das habe viel Geld gekostet und verhindert, dass Kompetenz innerhalb der kirchlichen Finanzverwaltung aufgebaut wurde, die Dokumentation und Verwaltung der elektronischen Daten sei unzureichend gewesen. Als besonderes Anliegen hob der Prüfungsausschuss hervor, auch für die Finanzverwaltung in der Landeskirche qualifiziertes Personal zu gewinnen und auszubilden. – So Werner Scheler, der Vorsitzende des synodalen Rechnungsprüfungsausschusses der ELK Bayern auf der Frühjahrssynode 2013 der ELK Bayern.

Dr. Ulrich Metzmacher, Vorstandsvorsitzender der Paul Gerhardt Diakonie“ sprach in seinem Vortrag „Erwartungen der Diakonie an ‚ihre‘ Kirche“  auf dem Fachtag „Diakonie und Kirche am 10.  April 2013  in Lobetal von Ernst &Young Gutachten, voraussetzend, dass seine Hörer wissen, wer damit gemeint ist:

Natürlich ist heute auch die Organisation Kirche durchdrungen von Ressourcenknappheit, Ernst & Young Gutachten, Tarifverträgen, Wirtschaftsplänen etc. – all die Dinge, die die heile Welt stören und denen man mitunter klammheimlich, manchmal auch ganz offen, ablehnend gegenüber steht. Gleichzeitig aber muss man notgedrungen bei diesen lästigen Effizienz- und Effektivitätsprojekten irgendwie mitmachen, weil Kirche eben auch eine Organisation ist. Und so ist das Schimpfen auf die Diakonie, die sich zum sozialwirtschaftlichen Kontext bekennt, auch ein probates Mittel, eigenes Unbehagen – eigentlich möchte man ja mit dieser ganzen unmoralischen Ökonomisierung nichts zu tun haben – zu externalisieren. Psychoanalytisch ist das ein klassischer einfacher Projektionsmechanismus. Ich schimpfe auf die anderen, weil sie Elemente repräsentieren, die ich in meinem eigenen Handeln nicht wahrhaben will oder nicht mag.“ (Diakonie und Kirche– 10 theologische Überlegungen, in:Dokumentation „Diakonie und Kirche – gemeinsam auf dem Weg?“ Fachtag am 10. April 2013 in Lobetal, hrsg. vom DWBO u.a., S. 24)

Ernst& Young stellt sich selbst auf seiner Webseite so vor: „Ernst & Young ist einer der internationalen Marktführer in der Wirtschaftsprüfung, Steuerberatung, Transaktionsberatung sowie Risiko- und Managementberatung. Unsere über 7.400 Mitarbeiter in Deutschland sind durch gemeinsame Werte und unseren hohen Qualitätsanspruch verbunden. Gemeinsam mit den 167.000 Kollegen der internationalen Ernst & Young-Organisation betreuen wir unsere Mandanten überall auf der Welt. Das gemeinsame Ziel aller Mitarbeiter ist es, unter Einsatz all ihrer Ressourcen, Fähigkeiten und Kompetenzen das Potenzial unserer Mandanten zu entfalten.“

Hauptsitz in Deutschland ist  Stuttgart
Vorsitzender der Geschäftsführung ist  Georg Graf Waldersee

Die Ernst & Young Group hat 2012 einen Jahresumsatz von 1,22 Mrd. Euro gehabt. Ihre Geschäftsberichte sind seit 2004 ebd. einsehbar.

Neue Steuerungsmodelle befördern Mainstream-Forschung

Die Auswirkungen aktueller Reformen auf die Forschungsvorhaben und -projekte untersuchen die „Beiträge zur Hochschulforschung“.

Mit der Umsetzung neuer Steuerungsmodelle scheinen sich nicht nur die finanziellen Möglichkeiten zu verringern, ergebnisoffene Forschungsprojekte verfolgen zu können, auch Forschungslinien werden stärker von Außen beeinflusst.“ Zu diesem Schluss kommen die Wissenschaftler Regina von Görtz, Richard Heidler und Dorothea Jansen in einer aktuellen Ausgabe der „Beiträge zur Hochschulforschung“.

Baden-Württemberg: Stopp der Einführung der NSM gefordert

Die SPD-Landtagsfraktion fordert die Landesregierung mit Nachdruck auf, die Einführung der „Neuen Steuerungsinstrumente“ (NSI) in der Landesverwaltung zu stoppen und damit eine Phase der Neubewertung und Neuausrichtung zu ermöglichen. Die bisherigen Erfahrungen mit der Einführung neuer Steuerungsinstrumente in der Landesverwaltung von Baden-Württemberg zeigen nach Auffassung von Fraktionschef Wolfgang Drexler, dass der flächendeckende, generelle und schnelle Einsatz der Kosten- und Leistungsrechnung nicht sachgerecht ist. Dieser Weg führe nach allen bisherigen Erfahrungen nicht zu den erhofften Effizienzgewinnen. Im Gegenteil: die Gefahr sei groß, dass durch NSI sogar dauerhafte Mehrbelastungen an Personal und Finanzen entstehen und dass die Einführungskosten von rd. 330 Mio. € bei weitem nicht ausreichen, argumentiert Drexler. Der Rechnungshof habe die Kosten des Projekts einschließlich der so genannten Beistellkosten der Ministerien, d. h. der nicht direkt auf NSI gebuchten Kosten der Einführung der neuen Steuerung, sogar auf mindestens 550 Mio. € geschätzt.

Lesen Sie mehr.

Inzwischen wurde für Kommunen das Wahlrecht infolge hoher Kosten beschlossen. Dazu mehr.

Bilanz aus 15 Jahren „Neuem Steuerungsmodell“ und Doppik in den Kommunen

Neues Steuerungsmodell und Doppik in der Praxis – Erfahrungen aus den Kommunalverwaltungen.

Mit Prof. Dr. Jörg Bogumil (Ruhr-Universität Bochum) schreibt ein ausgewiesener Experte der empirischen Forschung über Neue Steuerungsmodelle/ Doppik/ NKF in den Öffentlichen Verwaltungen für das Deutsche Pfarrerblatt.

Sein Fazit:

Insgesamt ist mir bisher kein einziger extern evaluierter „Erfolgsfall“ der Doppik in Deutschland bekannt. Politische Entscheidungsträger wie auch solche quasi- öffentlicher Einrichtungen wie der Kirchen tun also gut daran, wenn sie die Doppik mit outputorientierter Budgetierung nicht automatisch einführen, sondern zunächst die Kosten dieser Reform prüfen und in kleinen Modellprojekten erproben. Lesen Sie den Artikel hier.

Doppik gescheitert – Vertröstung auf Erfolge in ferner Zukunft

Aus den Erfahrungen anderer lernen – Zum Thema Doppik – Kameralistik bei den Gemeinden

Lesen Sie den Artikel.

Vertröstung auf zukünftige Erfolge.

Weil die Erfolge der Einführung der Doppik und auch damit zusammenhängender IT-Technik  recht spärlich sind, werden Nutzer und Öffentlichkeit auf zukünftige Erfolge vertröstet. Dazu zwei wahllos herausgegriffene Beispiele, die man beliebig vermehren könnte:

1. „Der Erfolg dieser Reform wird erst in Jahren beurteilt werden können, da die Wirkungen eines fundamental veränderten Haushalts- und Rechnungswesens erst dann sichtbar werden, wenn die einzelnen Instrumente eingeführt, durch die Mitarbeiter beherrscht und vor allem von den Mitarbeitern und der Politik inhaltlich akzeptiert und angewendet werden.“ zur Quelle Raupach/Hilgers, Quo vadis?

 

2. „Wer SAP einführt, braucht einen langen Atem. Nicht umsonst wird SAP gerne auch mit „Super-Aufräum-Programm bezeichnet“ , so der Finanzdezernent der Bayerischen Landeskirche auf der Frühjahrssynode 2013, zur Quelle.

Doppik „das Jahrhundertprojekt“ der Kirchen ?

Bayern

Dieses »Jahrhundertprojekt« der umfassenden Umstellung des Buchungssystems von der Kameralistik zur Doppik brachte zwangsläufig eine Reihe von Schwierigkeiten, Unwägbarkeiten und Fehleinschätzungen mit sich, wie Werner Scheler, der Vorsitzende des synodalen Rechnungsprüfungsausschusses in einer engagierten Rede deutlich machte.

Eine Warnung zum Thema – aus dem Jahr 2008!

Dies alles sind insoweit Fragen, die man in allen Bereichen der Kirche in gleicher Weise stellen könnte. Im Rahmen dieser Rubrik hat sie eine besondere Relevanz, weil hier ein immenser Nachholbedarf bestand und besteht – und weil die Frage der Qualität erforderlicher Prozesse zur Verbesserung eine hohe Professionalität der Verantwortlichen in den Verwaltungen erfordert. Ist diese nicht vorhanden, wird sich ein solcher Prozess sich in schlichten Datensammlungen erschöpfen – der exorbitante Kosten verursachen wird…

 

Stellungnahme des Vorstandes des westfälischen Pfarrvereins zum NKF-Westfalen

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