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Neues Rechnungswesen: Doppik, NKF, NSM

„Warum Gläubige der Kirche wirklich den Rücken kehren“. Von Mathias Kamann, DIE WELT

Mathias Kamann schreibt in der Welt zu den gründen von Kirchenaustritten: „Warum Gläubige der Kirche wirklich den Rücken kehren“. Seine Analyse stärkt die Bedeutung der Ortsgemeinde.

Die Austrittswelle als Folge des geänderten Einzugsverfahrens der Kirchensteuer auf Kapitalerträge zeigt, dass finanzielle Aspekte eine Bedeutung für die Zugehörigkeit zur Kirche haben. Kamann erklärt die höheren Eintrittszahlen für die evangelischen Kirchen mit dem sozialen Engagement der Kirche. Die Kirchensteuer wird als sinnvolle Investition in die Gesellschaft gedeutet. Die Bereitschaft Kirchensteuer zu zahlen wird dieser Logik nach niedriger, wenn die Kirchen weiterhin einen Großteil für Pensionsansprüche und Verwaltung aufwenden.

Damit die Kirche ihre Gläubigen hält, muss sie nach Kamann ihre Lebensrelevanz beweisen. Das funktioniert nur, wenn Kirche im Alltag als sozialer Raum wirkt.

Fazit: Die evangelischen Kirchen sägen mit ihren Reformen an dem Ast auf dem sie sitzen.

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Siglitz zu „Fesseln der Buchführungssysteme“. Parallelen zu kaufmännischen Systemen. Oder: Gefahren der Doppik in der Kirche.

07/2015

Joseph Stiglitz zu staatlichen Buchhaltungssystemen (in: Chancen der Globalisierung, 2006, S. 200)

„Die Buchführung ist wichtig, weil sie Entscheidungen beeinflusst… Orientieren sich Länder stärker am grünen NSP (grünes Nettosozialprodukt), würden sie mehr für Umweltschutz ausgeben… Auch die Berechnungsweise von Defiziten muss geändert werden… die insbesondere jene Fälle vermerken, in denen Verkäufe von Vermögenswerten … in irreführender Weise dazu benutzt werden, die Defizite  niedriger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Länder können ihre Defizite verringern, in dem sie Wälder abholzen, Staatsvermögen verkaufen oder ihre natürlichen Ressourcen zu einem Bruchteil ihres vollen Wertes zu verschleudern. … Um den Fesseln der Buchführungssysteme zu entgehen, privatisieren viele Länder zu ungünstigen Bedingungen, so dass sie sich, völlig unnötig, selbst arm machen und ihre Zukunft gefährden.“

Über die Gefahren der Doppik hinsichtlich ihres Informationsgehaltes hatten wir in den Wort-Meldungen schon des Öfteren berichtet. U.a. auch anhand der Ausführungen von Koryphäen der Managementlehre wie Fredmund Malik (St. Gallen) oder Harvard-Prof. George Sandel.

Wir führen diese grundsätzlichen Betrachtungen hier fort mit Aussagen des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu volkswirtschaftlichen Systemen. Die Erkenntnisse können aber ohne größere Abstriche auf die Kirche und das kirchliche Buchhaltungssystem übertragen werden.

Die Frage ist: wie wird ein Schuldner zur Herausgabe seines Vermögens getrieben? Nun waren Kirche (und Gemeinden) bislang keine Schuldner. Ein reales Defizit (etwa an Liquidität) bestand nicht und besteht nicht: noch sprudeln die Kirchensteuereinnahmen.

Damit das System funktioniert, muss das Defizit also zunächst noch geschaffen werden. Und da kommt das Buchhaltungssystem ins Spiel. Die Kameralistik gibt das nicht her. Zu diesem Zweck braucht es die Doppik. Jetzt braucht es Abschreibungen auf vorher mit großem Sielraum festgelegte Immobilienwerte. Und jetzt droht das rechnerische Defizit. Die solcherart arm gerechneten Einrichtungen oder Gemeinden müssen dann genau das tun, was auch Staaten (vom IWF) abverlangt wird: sie müssen ihre Defizite verringern, indem sie Kirchenvermögen verkaufen. Genau das ist landauf-landab in der Kirche geschehen, etwa flächendeckend in der EKiR schon heute sichtbar mit Gemeindeimmobilien, oder in mehr oder weniger allen Landeskirchen mit Tagungshäusern aller Art. Damit wurden nun aber weder die realen immobilienwirtschaftlichen Aufgaben in den Blick genommen, die ein echtes Controlling hätte erstellen können. Noch kamen die wahren „Defizite“, die eigentlichen Probleme der Kirche in den Blick. Ganz im Gegenteil.
Erstaunlich: dass selbst ökonomische Laien allein mithilfe des gesunden Menschenverstandes die Problematik erkennen konnten, wenngleich ihnen die Worte fehlten, das Problem zu verbalisieren. Daher hat die Kirche weit in die Basis hinein Vertrauen durch falsches Management, basierend auf einem falschen Buchführungssystem, verspielt.
In Landeskirchen, die die Doppik noch nicht eingeführt haben, die also noch im status problembehafter Piloten sind, wie etwa die EKHN, ist man sich dieser eigentlichen Problematik offensichtlich noch immer nicht bewusst. Hier sorgen bislang allein grobe handwerkliche Schnitzer bei der Implementierung für Frust.  Aber das dicke Ende wird erst noch kommen. Wenn die neue Buchhaltung Doppik Verkaufsentscheidungen von Vermögen (Gebäude, Grundstücke) erzwingt für Defizite, die allermeist nur in den Büchern stehen.

Am Erstaunlichsten von allem: die Kirche hat sich diese Fesseln selbst angelegt. Und für die eigenen Fesseln auch noch Unsummen an Kirchensteuermitteln verschwendet. F.S.

 

Finanzminister Christian Görke, Brandenburg: Doppik „sehr aufwendig“ und „weniger transparent als kamerale Haushalte“

eingestellt 07/2015; aus: Behördenspiegel 07/2014

„Keine unmittelbaren Vorteile“ – Doppik „sehr aufwendig“ und „weniger transparent als kamerale Haushalte“.  Der vollständige Text des Interviews.

EKHN: Pilotphase zur Einführung der Doppik wird verlängert. Flächendeckende Implementierung auf 2017 (!) verschoben.

26.05.2015, EKHN/Kirchenbunt

Die Kirchenleitung hat in ihrer Sitzung am 21. Mai 2015 dem Beschluss der Projektsteuerungsgruppe Doppik zugestimmt, die Pilotphase der Doppik-Einführung zu verlängern und den flächendeckenden Roll-Out in 2017 vorzunehmen. Die Kirchengemeinden, -verbände und Dekanate der EKHN erhalten in Kürze dazu ein persönliches Schreiben von der Kirchenverwaltung.  Dazu.

Ursprünglich sollten die Dekanate der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau 2016 auf die Doppik umstellen. Erhebliche Probleme mit der Software zwingt nun die Kirchenleitung, die Pilotphase zu verlängern und den Roll-Out, d.h. die flächendeckende Einführung des neuen Buchungssystems auf 2017 zu verschieben. Das berichtet die Evangelische Regionalverwaltung Starkenburg-Ost auf ihrer Website…  Zum Artikel des Kirchenbunt.

Integrated Reporting oder: die nächste Reform des Berichtswesens – wenn die Doppik überstanden sein wird?

06/2015

Integrated Reporting – Zeigen gute Zahlen immer gute Unternehmen?

17. März 2015 von Sebastian Reek

Veränderte Erwartungshaltung

Ein aktueller Artikel des Handelsblatts zitierte kürzlich sehr aufschlussreiche Ergebnisse einer Studie des Beratungsunternehmens Deloitte. Mittels dieser Studie wurden die Erwartungen von jungen Menschen, aus 79 global verteilten Ländern, hinsichtlich ihrer persönlichen beruflichen Ambitionen sowie an das Handeln von Unternehmen als Gesamtorganisation untersucht. Eine wichtige Erkenntnis: Weltweit betrachtet sehen 75% der befragten jungen Menschen eine rein profitorientierte Unternehmensführung kritisch….

Reaktionsmöglichkeiten des Berichtswesens

Wie kann das Berichtswesen in diesem gewandelten Kontext seine Relevanz für interne und externe Empfänger wahren bzw. wiedergewinnen? Indem es nicht nur direkte ökonomische Resultate der Arbeit des Unternehmens in seine Berichte integriert, sondern das Berichtswesen auch weitergehenden Inhalten öffnet. Mit diesen Berichtsinhalten muss dann die Frage erörtert haben, welche Auswirkungen das Handeln des Unternehmens auf Stakeholder wie Kunden, Mitarbeiter, Gesellschaft und Umwelt halt. Ökonomisch ausgedrückt: Ein modernes Berichtswesen darf nicht nur den Output der Unternehmung fokussieren, sondern auch den Outcome greifbar darstellen…

Wandel durch Integrated Reporting

Um diesen Problemstellungen entgegenzuwirken, hat sich in den vergangenen Jahren die Idee eines „Integrated Reporting“ etabliert. Integrated Reporting sieht vor, ökonomisch orientiertes Handeln nicht von der ökologischen und sozialen Verantwortung der Unternehmen zu trennen, sondern gegenteilig durch einen gemeinsamen, integrierten Bericht die gegenseitige Abhängigkeit zu visualisieren und zu betonen….  Mehr dazu.

Doppik in EKHN: Mehrkosten, Intransparenz, Frust: Doppik-Einführung in der EKHN legt Fehlstart hin. Wachsames Dekanat legt Finger in Wunden.

05/2015, von Roland Wolewski

Der ambitionierte Zeitplan für die flächendeckende Einführung der Doppik in der EKHN ab 2016 scheint zu scheitern! Daran konnte auch die hochgelobte, jedoch teure Software mit dem verheißungsvollen Namen „MACH“, was ja irgendwie nach Schnelligkeit und Überschallgeschwindigkeit klingt, nichts ändern – im Gegenteil: MACH scheint mit ein Grund des Absturzes zu sein.
Eigentlich sollte auf der EKHN-Frühjahrssynode (23. – 25.04.2015) das Thema „Doppik“ nur versteckt im schriftlich vorgelegten „Bericht der Kirchenleitung“ unter vielen anderen Themen möglichst geräuschlos abgehandelt werden. Doch dank der Fragen zweier Synodaler in der sog. „Fragestunde“ musste die Kirchenleitung nun doch öffentlich einräumen, dass der avisierte Zeitpunkt einer flächendeckenden Einführung der Doppik ab 2016 wahrscheinlich nicht zu halten ist.
Sogar die von Haus aus kirchenleitungsfreundliche Evangelische Sonntagszeitung berichtet in ihrer Ausgabe am 3.5.2015 in einem eigenen Artikel „Doppik kommt wohl erst später“ über die Missstände:
„Die Software ist fehlerhaft und störanfällig, es werden weiterhin Papierbelege benötigt, weil das Scannen und digitale Verarbeiten nicht funktioniert – die zum 1. Januar 2016 geplante flächendeckende Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in der hessen-nassauischen Kirche muss wegen zahlreicher Pannen in der Testphase vermutlich um mindestens ein Jahr verschoben werden. Finanzdezernent Heinz Thomas Striegler erklärte in der Fragestunde der Synode, wegen der bisherigen Erfahrungen mit der Doppik in zwei Regionalverwaltungen sei ein Festhalten am Termin „nicht zu verantworten“.
Ein hinzugezogenes Beratungsunternehmen habe klargestellt, dass für ein derartiges Vorhaben in der Regel mehr Personal und Zeit erforderlich seien, als von der Kirche zunächst vorgesehen. Vermutlich werde die mit insgesamt neun Millionen € veranschlagte Einführung der doppelten Buchführung nun eine Million € teurer. Der Software-Lieferant habe Vertragsstrafen zahlen müssen, deren Höhe Striegler nicht bezifferte. Wenn alles funktioniere, werde der Aufwand für die Gemeinden aber im Vergleich zum bisherigen System auf ein Viertel reduziert, versicherte er.“
Da bleibt manches im Trüben – von Transparenz kann man nur bedingt sprechen. Auf die schriftlich eingereichte Frage eines Synodalen, was das Projekt Doppik bisher gekostet hat, wurden 3,68 Mio € beziffert.
Jedoch: Kann das stimmen bei den jetzt evident gewordenen Problemen und Verzögerungen? Wieviel hat eigentlich das extra hinzugezogene Beratungsunternehmen verlangt für seine in der Tat weise, aber nicht neuwertige, sondern durchaus zu erwartende Erkenntnis, dass hier personell, finanziell und zeitlich deutlich fehlgeplant wurde und die von der Synode beschlossenen neun Mio € nicht reichen werden? Wann wird Herr Striegler (oder aus optischen Gründen eine von ihm gebriefte, freundliche, hübsch anzusehende Dame seines Hauses wie bei der Grundsatzentscheidung zur Doppik) vor die Synode treten, um bedeutungsschwanger mit beeindruckendem medialen Einsatz bunt glitzernder Präsentations-Charts auf der Großbildleinwand weitere Millionensummen beschließen zu lassen? Vermutlich wird er dies wohlweislich erst vor der neugewählten Synode ab 2016 tun, dann erinnern sich nämlich nicht mehr allzu viele Synodale daran, mit welcher Euphorie und mit welchen Heilsversprechungen die Kirchenleitung das Projekt Doppik trotz ernstzunehmender Warnungen einst der Synode für „nur“ neun Millionen Euro „verkauft“ hat.
Interessant und hilfreich für ein transparentes Vorgehen wäre es auch, zu erfahren, wie hoch die angesprochene Vertragsstrafe für die Softwarefirma MACH ausgefallen ist. Tatsache ist nämlich, dass die ganze jetzt evident werdende Problematik bei der Doppik-Einführung nichts Neues ist. Die EKiR hat diese Erfahrungen mit MACH bereits schmerzhaft hinter sich, verbunden mit extrem steigenden Ausgaben. Unwidersprochen stehen dort mittlerweile 60 Mio. € Einführungskosten im Raum. Aber anstatt seitens der EKHN daraus die Konsequenz zu ziehen und abzuwarten, wie sich das Projekt mit Hindernissen in der Nachbarkirche entwickelt, tappen die EKHN-Verantwortlichen blindlings in dieselbe Misere und verbrennen ohne Not Kirchensteuermittel in Millionenhöhe. Man kann verstehen, dass diese Tatsache nicht unbedingt in die Öffentlichkeit gelangen sollte, denn nach der Tebartz-Affäre sind auch die ev. Christen wacher und sensibler geworden, was mit ihren Geldern geschieht, die sie ihrer Kirche anvertrauen. Ein Doppik-GAU scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein, auch wenn Herr Striegler tollkühne Behauptungen aufstellt, dass sich der Aufwand für die Gemeinden schlussendlich auf ein Viertel im Vergleich zum bisherigen System reduzieren wird. Das Ganze erinnert an einstige Beteuerungen, dass sich der GAU in einem Atomkraftwerk statistisch wohl kaum einzustellen wird. Wohin sich jedoch die vermeintlich sichere Atomkraft entwickelt hat, wissen wir alle seit Fukushima – wohin sich die Doppik zu entwickeln droht, das zeigen die Erfahrungen in der Rheinischen Kirche oder auch im kommunalen Bereich. Der Bericht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz von 2008 (!) „Orientierungsprüfung Kommunale Doppik“  spricht Bände. Vielleicht wäre es für Herrn Striegler und seine Mitarbeitenden angesagt, sich diesen Bericht zu Gemüte zu führen, um sich die Augen öffnen zu lassen. In seinem Kommunalbericht bilanziert der Rechnungshof übrigens ein Jahr später (S. 51): „Sowohl die Orientierungsprüfung „Kommunale Doppik“ als auch die Querschnittsprüfung „Kommunale Eröffnungsbilanzen“ zeigten, dass die Einführung und auch die Umsetzung des neuen Rechnungswesens erhebliche personelle und sachliche Ressourcen binden und zu teilweise beträchtlichen zusätzlichen Aufwendungen für Personal, Schulungen sowie Hard- und Software führten. Die mit der Doppik erwartete Verbesserung in der Steuerung und Transparenz der kommunalen Haushalte hat sich hingegen bei den meisten Kommunen bisher noch nicht oder allenfalls ansatzweise eingestellt.“
Jedenfalls fragt man sich angesichts dieser Erkenntnisse, wann der Tag kommen wird, den Herr Striegler schon so eisern und heilsversprechend im Blick hat: „Wenn alles funktioniere…“ Da werden noch manche schmerzhafte Naherwartungsverzögerungen zu verkraften sein – nicht zuletzt auch pekuniär. Bis dahin gilt es deshalb, den neutestamentlichen Ratschlag nicht aus dem Blick zu verlieren: „Seid wachsam!“
In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass nicht nur die beiden Synodalen das Thema für die Fragestunde der Synode aufgegriffen haben, sondern sich auch die Dekanatssynode des Dekanates Bergstraße entsprechend positioniert hat.
In einem Antrag an die Kirchensynode heißt es: „Die Kirchenleitung soll einen Bericht über die Einführung der Doppik vorlegen.“
Zudem lauten weitere Anträge:

Bildschirmfoto vom 2015-05-09 21:04:38
Sind wir also gespannt, wie die Synode nun reagiert. Noch ist es nicht zu spät – besser jetzt ein Stopp, als weitere Millionen zu verpulvern. Der „Point of no return“ ist nicht mehr allzu weit entfernt. Und dann wird es richtig teuer! Da wird anstatt Reduzierung Erhöhung angesagt sein. Und ein Viertel von neun Millionen (2,25 Mio.) wird auch Herrn Striegler als Nachschlag bei weitem nicht reichen. Und das bei, seiner Aussage nach, sich nur seitwärts entwickelnden Kirchensteuereinnahmen…

Doppik in der ELK Bayern: Die Frage, ob der Erkenntnisgewinn den damit verbundenen Aufwand rechtfertigt, bleibt aus Sicht der Pfarrer-Kommission offen. Pilotprojekt für Kirchengemeinden.

05/2015

…Die Neufassung der Kirchlichen Haushaltsordnung (KHO) – trotz ihres Namens ein Gesetz – wurde von Dr. Kranjcic vorgestellt, der sich sehr bemühte, die Vorteile der Doppik in der Fassung des Handelsgesetzbuches auch für Nicht-Buchhalter verständlich zu erläutern. Die erneute Umstellung verzichtet endgültig auf kamerale Elemente und verlangt damit von allen »eine neue Denke«. Die bisherigen Rücklagen werden z.B. vollständig abgeschafft. Auch die Buchungszeitpunkte verändern sich. Die Frage, ob der Erkenntnisgewinn den damit verbundenen Aufwand rechtfertigt, bleib aus Sicht der Kommission offen.

Neue Erkenntnisse über die Umsetzung der Doppik im Bereich der Kirchengemeinden und der mittleren Ebene erwartet man sich vom »ergebnisoffenen Feldversuch« in Augsburg. Hier soll gestuft und über zwei Jahre gestreckt ausprobiert werden, was sich wie am besten umsetzen lässt. Die nötigen Verordnungen und Handlungsanweisungen können dann passgenau (neu) geschrieben werden. Das gibt dem System die nötige Flexibilität und allen die Möglichkeit, Regelungen nochmals zu überdenken. Allerdings stellt auch Herr Dr. Kranjcic die Frage, ob auf allen Ebenen Mitarbeitende sind, die die nötige Ausbildung bzw. die Kompetenzen mitbringen um das neue System umzusetzen.  Lesen auf S. 15f

Liegt der Wert des Kirchengebäudes bei 1 € oder bei 1 Mio. €? Die Doppik antwortet völlig unzureichend auf Fragen, die nie ein Gemeindeglied je gestellt hat. Zur Promotion des Wirtschaftsprüfers Daniel Wolf .

05/2015, epd

Auch nach ihrer Finanzreform wird niemand genau wissen, wie viel das Vermögen der Evangelischen Kirche wert ist.

Doch auch nach Einführung der „Doppik“ werden die Kirchenfinanzen zu einem guten Teil undurchsichtig bleiben, meint Wirtschaftsprüfer Wolf. Und: „Das Vermögen einzelner Landeskirchen wird definitiv nicht miteinander vergleichbar sein.“

Wolf hat jüngst eine Doktorarbeit veröffentlicht, in der er die Einführung der Doppik in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) analysiert. …Sein Fazit: die Reform macht die Kirchenfinanzen zwar transparenter. Einen realistischen Einblick in die kirchliche Vermögenslage bietet sie aber nur bedingt.

Hauptgrund dafür: Zwar hat die EKD 2006 eine Richtlinie über die Einführung der Doppik erlassen. Diese lässt den Landeskirchen aber große Spielräume, wie sie ihr Vermögen bewerten. Das gilt vor allem für den wichtigsten Posten: die Immobilien. Rund 75.000 Gebäude besitzt die Evangelische Kirche deutschlandweit, gut 20.000 davon sind sakrale Bauten, also Kirchen und Kapellen. Um ihren Wert festzustellen, können die Landeskirchen verschiedene Methoden wählen…

In seiner Doktorarbeit führt der Ökonom ein Beispiel an, wonach dieselbe Kirche in den Bilanzen verschiedener Landeskirchen mal mit einem Euro auftauchen würde, mal mit einer Million – je nach Bewertung. „Vergleichbarkeit“, sagt Wolf, „sieht anders aus.“ Dabei räumt der Betriebswirt ein, dass sich Kirchen nicht ohne weiteres verkaufen lassen. Das aber spiele bei der Bilanz eine untergeordnete Rolle: „Sie soll zeigen, wie viel Vermögen investiert wurde und wo das Kapital gebunden ist.“…  Zur Quelle.

Anm. F.S. : Die Frage ist weniger, dass die Ergebnisse der Landeskirchen nicht vergleichbar sind. Insofern greift die Promotion deutlich zu kurz. Die Frage lauten vielmehr:

1. macht es Sinn wie im Falle kirchlicher Immobilien mit hohem Aufwand Vermögenswerte zu ermitteln, die letztlich frei definierbar, also beliebig, sind. Bischof Bedford-Strohm in dem aktuellen Bericht zur Synode der ELK Bayern“Das Vermögen der Kirche” im Sinne eines einheitlichen verfügbaren Vermögensbestandes gibt es nicht. Nehmen wir allein die Immobilien: Der Wert dieser Gebäude ist nur schwer bezifferbar. Kirchengebäude haben in der Regel keinen realen Handelswert.“ Es ist mittlerweile also jedem klar, dass „auch nach ihrer Finanzreform … niemand genau wissen (wird), wie viel das Vermögen der Evangelischen Kirche wert ist.“

2. macht es Sinn mit hohem Aufwand für die interne Steuerung der Kirche unbrauchbare Werte zu ermitteln, die kein Gemeindeglied je interessiert hat. Mehr noch: die Gemeindeglieder nachhaltig irritieren. Nimmt man also die Menschen wieder in den Blick, wie etwa der badische Bischof Cornelius-Bundschuh im jüngsten Synodenbericht von Landesbischof ist entsprechend die Kirche nicht in Bezug auf ihren Geldwert wie bei der Doppik/NKF bedeutsam, sondern in Bezug  auf den Symbolwert des Gebäudes und Kirchenraums. Eine Erkenntnis, die wahrlich nicht neu ist, vgl. z.B. „Kirchliches Immobilienmanagement“, Darmstadt 2004.

Kurz: in der Kirche angewandt ist die Doppik/NKF also geeignet, falsche Fragen in den Raum zu stellen – und diese dann auch noch  unzulänglich, nämlich mit riesigen Bewertungsspielräumen zu beantworten. Die Resultate: Fehlallokation von Mitteln führen zu Irritationen bei Gemeindegliedern (Ökonomisierung), Frust und  Überforderung bei den Mitarbeitenden (Selbstbeschäftigung) und Verfehlung der eigentlichen Aufgabenstellung „Kommunikation des Evangeliums“.

EKHN: „Frust hat sich auf allen Seiten ins Unermessliche gesteigert.“ Präses Paul Ewald, Dekanat Ried, wirft der Kirchenverwaltung Dilettantismus vor.

23.03.2015


Dilettantismus warf Ewald der Kirchenverwaltung in Bezug auf die Einführung der Doppik in den Pilotdekanaten vor. Die Regionalverwaltung Starkenburg-West laufe am Limit, weil die Systemprogramme nicht funktionierten und sich der Frust auf allen Seiten ins Unermessliche gesteigert habe in den letzten Wochen und Monaten. Vor allem die menschlichen Verbrennungen und Überlastungen durch falsche Planung und die schlechte Umsetzung seien bedenklich und zu kritisieren. …  Zum Bericht.

Projekt „Doppik“ nun auch in der EKHN mit spürbaren Problemen.

04/2015 , von Horst Kandler (vgl. dazu: EKHN. Der Reformstress geht weiter.)

In der jüngst veröffentlichten Synodendrucksache Nr. 04-1/15 „Bericht der Kirchenleitung“  heißt es: 

„Mit dem Produktivstart im Pilotbetrieb hat sich sehr schnell gezeigt, dass der Scanprozess und die digitale Bearbeitung von Buchungsbelegen einer erheblichen Optimierung bedürfen. Durch eine unzureichende Erkennung der wesentlichen Buchungsinformationen der vom Dokumentenmanagementsystem über eine Schnittstelle in das Buchhaltungsprogramm MACH zu übergebenden Belegdaten kam es zu erheblichen Bearbeitungsrückständen und Belegstaus in den Finanzabteilungen der Pilotkassengemeinschaften, weil die wesentlichen Beleginformationen nun manuell in MACH „nach“erfasst werden mussten und Belege z.T. mehrfach im System vorhanden waren. Zur Abarbeitung des Rechnungsstaus sind nun folgende Maßnahmen beschlossen worden:
– Kurzzeitige personelle Unterstützung bei der Buchführung in den beiden Pilotregionalverwaltungen, bis die anderen Aufgaben Haushaltsplanung und Jahresabschluss weitestgehend abgearbeitet werden konnten.
– Vorübergehendes Aussetzen des Scanprozesses in der Gesamtkirche mit dem Ziel, den Scanvorgang und die dazugehörenden Bearbeitungsformulare so zu standardisieren, dass die Belegerkennung die Buchhaltung unterstützt.“

Was sich hinter dieser eher nüchternen Darstellung verbirgt, wird in einem Artikel von Renate Haller in der Ev. Sonntagszeitung vom 29.03.2015 evident (leider online nicht verfügbar, deshalb hier verkürzt):

Unbezahlte Rechnungen
Die Einführung der doppelten Buchführung bringt Probleme in rund 20 Kirchengemeinden Darmstadt. Ärger mit Telefon- und Stromanbietern sowie mit Handwerkern – die Einführung des Doppik-Verfahrens in der hessen-nassauischen Kirche hat wegen unbezahlter Rechnungen mancherorts für Ärger gesorgt.
Mehr Transparenz und eine bessere Übersicht über tatsächlich entstandene Kosten soll die doppelte Buchführung, das Doppik-System, bringen. (…) In zwei Pilotregionen (…) wird es getestet. Dabei ist einiges schief gelaufen.
Zum neuen System gehört das Scanverfahren. (…) Zum einen waren die Scanner nicht überall pünktlich zum Starttermin 1. Januar geliefert, zum anderen funktionierte die damit verbundene Software nicht richtig (…) „(…) die Softwareentwicklung war noch nicht so weit, wie wir das erwartet hatten (…)“. In den Regionalverwaltungen seien „unvollständige Belegfragmente“ angekommen. Ergo wurden die Rechnungen nicht bezahlt. Die Gemeinden, im guten Gefühl, die Rechnungen zum Bezahlen ordnungsgemäß auf den Weg gebracht zu haben, waren überrascht, als Mahnungen ankamen. Zum Teil haben sie die Rechnungen dann selbst überwiesen, was zu doppelten Bezahlungen führte. Denn auch in den Regionalverwaltungen wurden die Papiere (…) nach aufwendigem Nacharbeiten, um alle notwendigen Daten zusammenzubekommen, dann auch bezahlt.
Die Regionalverwaltung (…) hatte im Vorfeld der Systemumstellung alle Lastschriftverfahren gekündigt. Das bedeutet, auch die Rechnungen von Strom-, Wasser- und Telefonanbietern wurden nicht mehr einfach abgebucht, sondern mussten überwiesen werden. „Zum Teil hatten die Gemeinden Angst, dass ihnen der Strom abgestellt wird.“ Bei einer Gemeinde sei sogar ein Inkassobüro erschienen, um das fehlende Geld einzutreiben. Auch Handwerker seien sehr ärgerlich gewesen, als ihre Rechnungen nicht bezahlt wurden. Das Scanverfahren ist nun fürs erste gestoppt, und in den Regionalverwaltungen helfen jeweils zwei Zeitarbeitskräfte, das Liegengebliebene aufzuarbeiten. Die angefallenen Mahngebühren zahlt die Gesamtkirche. (…)“

Frage: Wer trägt eigentlich die Kosten für das „aufwendige Nacharbeiten“, die doppelten Bezahlungen, die Zeitarbeitskräfte? Wie hoch sind sie zu beziffern?
Wer repariert eigentlich den hervorgerufenen Imageschaden der Ev. Kirche bei Handwerkern oder Versorgungsbetrieben?
Und das alles ist ja erst der Anfang…

P.S.: was nicht zu erwarten war: dieser Reformpatzer wird sogar in der Sonntags-Zeitung der EKHN mit einem Artikel bedacht („Unbezahlte Rechnungen“, 29.03.2015, S. 16). Kehrt die Kirchenpresse zur Abbildung realer Vorgänge und Probleme zurück?