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Zwischenbilanz des Umbauprozesses

„Die meisten Sorgen bereiten in den katholischen Pfarreien und Gemeinden zur Zeit die pastoralen Prozesse der Diözesen, die teils zu sehr großen Einheiten führen.“ ZdK Vollversammlung.

Freitag, 24. November 2017

Bericht zur Lage (Prof. Dr. Thomas Sternberg)

VOLLVERSAMMLUNG DES ZENTRALKOMITEES DER DEUTSCHEN KATHOLIKEN AM 24./25. NOVEMBER 2017

 

…Die meisten Sorgen bereiten in den katholischen Pfarreien und Gemeinden zur Zeit die pastoralen Prozesse der Diözesen, die teils zu sehr großen Einheiten führen. Die ersten Konsequenzen aus einem künftig katastrophalen Priestermangel beginnen sich abzuzeichnen. Bei allen Überlegungen ist zu bedenken, dass man die Fehler der Politik der siebziger Jahre nicht wiederholen sollte. Die Territorialgemeinde im Dorf und im Stadtteil bleibt nach wie vor ein wesentliches Element der Gemeindebildung. Zu erwarten ist wohl auch, dass die bessere Einbindung der Frauen in die Amts- und Leitungsstrukturen durch die pastorale Notsituation beschleunigt wird. In der Frage des Frauendiakonats haben wir leider noch keine Neuigkeiten….

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Prof. Eberhard Mechels verstorben.

05/2017

Prof. Eberhard Mechels, der Mitherausgeber des Buches „Kirche der Reformation?“, verstarb am Dienstag nach Ostern nach schwerer Krankheit.

Aus diesem Anlass stellen wir hier einen seiner kritischen Reflexionen zum Reformprozess „Kirche der Freiheit“ ein. Der Artikel erschien in der Ausgabe 06/2010 des deutschen Pfarrerblattes.

Das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ und seine Weichenstellungen. Ein Zwischenruf aus dem Jahr 2010. Von Prof. Eberhard Mechels.

05/2017

Das Impulspapier „Kirche der Freiheit“ und seine Weichenstellungen.
Ein Zwischenruf aus dem Jahr 2010

Eberhard L.J. Mechels

1. Eine positive Bilanz?

Die Bilanz „Reformprozess“ der EKD seit der Veröffentlichung des Impulspapiers „Kirche der Freiheit“ vom Juli 20062 ist nicht so positiv, wie einige sie gern sehen wollen. Denn erstens sind Bilanzen von der Art „Aufbruch mit Rückenwind“3 wenig überzeugend, wenn dort Reformen als durch „Kirche der Freiheit“ „angestoßen“ oder „beflügelt“ aufgelistet werden, die zum großen Teil vor 2006 bereits abgeschlossen waren (so in der EKHN, 2000) bzw. vor und unabhängig von „Kirche der Freiheit“ begonnen wurden und liefen (so in der Badischen Landeskirche, in der Evangelischen Kirche im Rheinland, in der Nordkirche.) Und zweitens ist der Tenor dort so überaus positiv, auch von Insidern des EKD-Kirchenamtes, dass Zweifel aufkommen: „´Kirche der Freiheit´ hat als Katalysator gewirkt und überall die Reformkräfte gestärkt, bestätigt Oberkirchenrat Thorsten Latzel, Leiter des ´Projektbüros Reformprozess im Kirchenamt…“4 „So viel Aufbruch gab es selten.“5 Demgegenüber fällt auf, dass auf kritische Stimmen wie z.B die von Michael Welker, Matthias Rein, Christian Möller, Christoph Demke, Rolf Adler, Rolf Festerra, Klaus Douglass, Klaus Hoffmann, Friedrich Weber, Wilfried Härle, Isolde Karle, Heino Falcke, Klaus Weber, Christof Dinkel, Günter Thomas, Hans Martin Dober6, um einige der fundiert argumentierenden Kritiker zu nennen, inhaltlich kaum Bezug genommen wird, sondern allenfalls durch diskreditierend – abschätzige Charakterisierungen. Dazu nur ein Beispiel: “Der Impuls der EKD ´Kirche der Freiheit´ wurde in der inner- und außerkirchlichen Öffentlichkeit überwiegend positiv aufgenommen… Aus dem Funktionärsmilieu und von Hochschullehrern kam dagegen harsche Kritik.“7 Mit keinem Satz wird hier auf die Argumente und Anfragen eingegangen, sondern es wird schlicht konstatiert: „Im Rückblick auf diese Debatte können sich die Autoren des Impulspapiers nur bestätigt fühlen.“8

Mechels Aufsatz 2010

Ein Schiff auf Sand. Anmerkungen zum Zustand der Ev. Kirche im Rheinland im Jahr des Reformationsjubiläums

04/2017, Von Hans-Jürgen Volk

 

… Ceterum censeo: In strategischer Hinsicht betreibt die EKiR Selbstdemontage. Sie entwickelt sich zu einer Behördenkirche mit gut ausgebauter Investmentabteilung, der die Basis mehr und mehr wegbricht. Eine Umkehr, wie das „Wormser Wort“ sie fordert, ist dringlicher denn je.

 

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Wolfgang Nethöfel, Holger Böckel, Steffen Merle (Hgg.): Vielfältige Vernetzung. Eine Buchbesprec hung von Dr. Friederike Erichsen-Wendt

02/2017

Die Rezeption ist allerdings dadurch erschwert, dass sich die überwiegende Zahl der Beiträge auf vorausgehende umfassende Publikationen der jeweiligen Verfasser bezieht, die mehr oder minder vorausgesetzt werden und deren Kenntnis für das Verständnis der Beiträge mindestens hilfreich ist. Deshalb ist zu fragen, wer als Zielgruppe des Bandes eigentlich im Blick ist. Die systemtheoretischen (Nethöfel) und weitergeführt semiotischen (Merle) Erörterungen zeigen Wichtiges auf, setzen aber beim Leser eine hohe Sachkenntnis in beiden Bereichen voraus. Hier wäre eine grundlegende Einführung, mindestens ein Glossar, als Lesehilfe wünschenswert gewesen. Daran hätte deutlich sein können, worin für alle AutorInnen des Bandes begrifflich Übereinstimmung besteht. Gleichermaßen hätte ein Schlusskapitel, das Querschnittsthemen der Beiträge noch einmal aufzeigt und bündelt, neue Einsichten bringen und hilfreich für die Weiterarbeit sein können (etwa zu den Stichworten Qualität,Parochie u.a.)…


Wolfgang Nethöfel benennt eine Reihe von ekklesiologischen Fehlschlüssen und Selbstmissverständnissen von Kirche, um deutlich zu machen, inwiefern Organisationshybride für die Lösung drängender Fragestellungen (insbesondere milieudifferenzierte Zielgruppenansprache, alternatives Finanzierungssystem) besonders leistungsfähig sind, indem sie Gleichgewichtszustände systematisch produktiv irritieren. …

mehr dazu, vgl. S. 15ff

Anm. F.S. die Welt der Begriffe und der Modelle zu entwickeln und eloquent zu beschreiben ist das eine. Das andere ist, ob und wieweit sie in der Lage sind, die Wirklichkeit tatsächlich adäquat abzubilden. Mit diesem Problem ringt die Rezensentin ganz offensichtlich.

Pathologische‘ Beziehung zwischen Person und Institution: Heile, heile Segen – Gesundheitsförderung von Pfarrerinnen und Pfarrern zwischen Zauberworten und Beschwichtigungsstrategien. Von Dr. Lothar Stempin.

hier: 02/2017, Vortrag auf dem Rheinischen
Pfarrertag 2016

…SeelsorgerInnen zeigen eine überraschend hohe Lebens- und Arbeitszufriedenheit – höher als bei der Normalbevölkerung. Diese steht jedoch im Kontrast zur Zufriedenheit mit der eigenen Organisation. Die Fähigkeit zur Strukturierung und Leitung der Kirchenämter und Kirchenleitung finden viele Mitarbeitende unbefriedigend. In der Folge ist das Vertrauen in die eigene Kirchenorganisation im letzten Jahrzehnt geschwunden.

Dennoch ist diese gestörte Beziehungssituation zwischen Pfarrerinnen und Pfarrer auf der einen Seite und kirchenleitenden Gremien auf der anderen Seite nicht allein mit persönlichem Unvermögen zu erklären. Vielmehr charakterisiert diese Lage generell Institutionen, die in der Tiefe ermüdet sind. Das auf dem kirchlichen Feld zu bemerkende schwindende Organisationsvertrauen ist auch in anderen gesellschaftlichen Feldern wahrzunehmen. …

Damit rücken scheinbar Institution und Person auseinander und für Pfarrerinnen und Pfarrer werden personenbezogene Vergewisserungstechniken wichtig. Angesichts der Schwäche der Institutionen ziehen Zauberworte am Horizont auf, wie Salutogenese und Resilienz. „Heile, heile Segen …“ diese Worte müssen aus der Tiefe der Person aufsteigen, dem der wärmende Mantel des Himmelsgewölbes genommen ist. Coaching und Supervision unterstützen diese Schritte zur Selbsterbauung. Sie fördern die Selbststeuerung und wecken die eigenen Ressourcen. Ist das nicht die konsequente Antwort auf die Schwäche der Organisationen? …

An dieser Stelle muss noch einmal betont werden, dass mit diesen Beschreibungen ein wechselseitig gestörtes Verhältnis von Personen und Institutionen erfasst werden soll. Diese ‚pathologische‘ Beziehung wird nicht hinreichend durchschaut, wenn Salutogenese als Befreiung aus der depressiven Gestimmtheit durch Handlungsorientierung und Selbststeuerung gesehen wird. Generell verfehlt das Optimierungsparadigma die gegenwärtigen gesellschaftlichen und kulturellen Herausforderungen. Entspannungstechniken und andere Regenerationsmethode stehen in der Gefahr, zu Instrumenten einer methodischen Lebensführung zu werden, die den Kern des Lebendigen verfehlen….

Mehr dazu, vgl. S.2ff

EKiR: Bericht des Vorsitzenden des Pfarrvereins in der Mitgliederversammlung in Bonn

02/2017, Bericht von Friedhelm Maurer gehalten am am 7.11.2016

… Das große Reformationsjubiläum stellt eine große Chance dar, uns wieder darauf zu besinnen, was Kirche heißt. Die reformatorische Minimalbestimmung der notae ecclesiae sollte wieder bewusst werden im Angesicht einer Situation, in der Verwaltungsdenken unsere Kirche zu einer Behördenkirche aufbläht. Wo das Evangelium wiederentdeckt wird, reformiert sich Kirche durch das Wort Gottes selbst. Die Reformation war eine Predigtbewegung und lief nicht Gefahr, in „Struktur- und Reformprozessen“ zu ersticken.
Andreas Kahnt, der Vorsitzende des Verbandes Evangelischer Pfarrerinnen und Pfarrer in Deutschland e.V., dem etwa 21.000 Pfarrerinnen und Pfarrer angehören, hat in seinem Vorstandsbericht auf der Mitgliederversammlung am 26.September 2016 in Travemünde in aller Klarheit Stellung genommen zu dem unsäglichen Reformprozess, der vor zehn Jahren mit dem „Impulspapier“ der EKD „Kirche der Freiheit“ in Gang gesetzt wurde: …

Zu einer Rückschau auf zehn Jahre Impulspapier wurde der Verband trotz eines konstruktiven Gesprächs des Verbandsvorsitzenden mit dem Leiter des Reformbüros nicht eingeladen. Nun war zu erfahren, dass die Veranstaltung ausgefallen ist. Das ist schade. Es hätte ein schönes Forum fröhlicher Auseinandersetzung werden können.“…

Auch wir in der Kirche haben zuallererst ein Problem in der Leitung. Wer trägt die Verantwortung für die Einführung der Doppik?

Der vollständige Vortrag, vgl. S. 10

Ein Schiff auf Sand. Anmerkungen zum Zustand der Ev. Kirche im Rheinland im Jahr des Reformationsjubiläums. Von Hans-Jürgen Volk.

01/2017

Martin Luther war wahrhaftig kein Heiliger. Prägend für den Protestantismus ist jedoch sein Auftritt auf dem Wormser Reichstag 1521. Das Schicksal von Jan Hus noch im Gedächtnis, der trotz Sicherheitszusagen im Rahmen des Konstanzer Konzils als Ketzer verbrannt worden war, widersetzt sich Luther dem autoritären Ansinnen auf Widerruf seiner Positionen, wie er sie insbesondere in den 1520 erschienen Schriften „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, „An den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“ und „Von der babylonischen Gefangenschaft der Kirche“ zum Ausdruck gebracht hatte. Luther sagte damals: „… wenn ich nicht durch Zeugnisse der Schrift und klare Vernunftgründe überzeugt werde; denn weder dem Papst noch den Konzilien allein glaube ich, da es feststeht, daß sie öfter geirrt und sich selbst widersprochen haben, so bin ich durch die Stellen der heiligen Schrift, die ich angeführt habe, überwunden in meinem Gewissen und gefangen in dem Worte Gottes. Daher kann und will ich nichts widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen!“

Trotz des Netzwerks an Unterstützern, zu dem eine Reihe von einflussreichen Landesfürsten gehörte, offenbart diese Haltung Mut. Ein einzelner Theologe stellt sich der sich selbst sakralisierenden Großorganisation „Kirche“ entgegen, die in der damaligen Zeit keinerlei Skrupel hat, vermeintliche oder tatsächliche Widersacher auf demütigende und schmerzhafte Weise ins Jenseits zu befördern.

Offene Debatten nicht gewünscht!
Blickt man auf die Landessynoden der Ev. Kirche im Rheinland (EKiR) der vergangenen Jahre, so wird man von diesem mutigen, widerständigen und organisationskritischen Geist Luthers bestenfalls Spurenelemente ausmachen können. Es ist zu befürchten, dass sich dies auch bei der Landessynode im Jahr des Reformationsjubiläums kaum anders darstellen wird.
Diese fehlende Debattenkultur hat für die EKiR schädliche Nebenwirkungen. Falsche Weichenstellungen werden so verstetigt. Neue Fakten, die diese falschen Weichenstellungen in Frage stellen, werden nicht genügend wahrgenommen oder gänzlich ignoriert. Offenkundige Baumängel werden nicht behoben, sondern hinter Putz verbaler Euphemismen verborgen. Dies gefährdet zunehmend die Statik des gesamten Kirchengebäudes.
Es wird immer deutlicher, dass die grundsätzlichen Bedenken im Blick auf zentrale Umbauprojekte wie der Verwaltungsstrukturreform, der Einführung des neuen kirchlichen Finanzwesens (NKF) oder zum Thema „Personalplanung“ mehr als berechtigt waren. Empfohlen sei eine durchaus kritischer Blick die „Zwischenrufe“ und hier vor allem auf die Beiträge aus dem Jahr 2011 unter den Rubriken EKiR, „Kirche und Geld“ und „Landessynode“. Leider ist aus heutiger Sicht festzustellen, dass die damaligen Befürchtungen vielfach durch die Realität negativ überboten worden sind.
In etlichen Kirchenkreisen haben sich die Vollzeitstellen in der Finanzverwaltung vervielfacht. Begründet wird dies in der Regel mit dem erhöhten Aufwand durch das NKF. Aber auch in anderen Arbeitsfeldern kommt es, beflügelt durch die von der Kirchenleitung empfohlenen Vorgaben zur Personalbemessung, zu einem Stellenaufwuchs bei den zentralen Verwaltungen.
Die Kosten für den erhöhten Finanzbedarf tragen überwiegend die Kirchengemeinden, deren Finanzlage in einigen Regionen der Landeskirche immer prekärer wird.
Der Personalplanung der Kirchenkreise wird hierdurch die finanzielle Basis entzogen. Stellen im Küsterdienst, in der Jugendarbeit oder der Kirchenmusik sind gefährdeter denn je. Gemeindefusionen werden vorangetrieben und kirchliche Häuser aufgebeben, auch um die gestiegenen Verwaltungskosten zu stemmen. Nahezu überall werden Stellen reduziert, in jedem Fall gilt dies immer noch für den Pfarrdienst. Gegen den Trend wächst in der EKiR zur Zeit alleine die Verwaltung.
Von dem an sich guten Gedanken des „Personalmix“ kann angesichts einer derartigen Entwicklung keine Rede mehr sehr. In einigen Kirchenkreisen ist absehbar, dass in wenigen Jahren bei ungebremster (Fehl-)entwicklung die Anzahl der Vollzeitstellen in der zentralen Verwaltung mindestens doppelt so hoch sein werden, wie z.B. im Pfarrdienst. Die bittere Wahrheit ist, dass, um die steigenden Verwaltungskosten zu schultern, Stellen in anderen Arbeitsfeldern reduziert oder ganz gestrichen werden und Einrichtungen wie Jugendzentren, Büchereien oder Kindertagesstätten bedroht sind.
Es wäre die Aufgabe der Landessynode, eine gründliche Evaluation dieser Umbauprozesse zu fordern. Die Pflicht insbesondere der Superintendenten aus strukturschwachen Regionen wäre, die prekäre Situation in ihren Kirchenkreisen offensiv zu thematisieren. Man darf gespannt sein!

Die Fiktion von einer „Kirche mit leichtem Gepäck“
Das Kirchenschiff der EKiR hat kräftig Schlagseite und hängt fest auf der Sandbank aufreibender Selbstbeschäftigung, mit der man es nunmehr vor allem in den Kirchenkreisen zu tun hat. Trotz des enormen Aufwands zeigen wichtige „Kennzahlen“ wie die Mitgliederentwicklung oder die Teilnahme an unseren Gottesdiensten tendenziell nach unten. Es geht nicht voran, jedenfalls nicht in die richtige Richtung.
Im Rahmen der Sondersynode von Hilden entwickelte Manfred Rekowski das Bild von einer „Kirche mit leichtem Gepäck“. Ein enormer Finanzalarmismus veranlasste die Synode dazu, ein drastisches Sparprogramm zu beschließen.
Basis der den Beschlüssen zu Grunde liegenden Berechnungen war ein Netto-Kirchensteueraufkommen von 575,4 Mio. € sowie ein strukturelles Defizit im landeskirchlichen Haushalt von ca. 8. Mio. €. Ausgelöst wurde der schon damals nicht plausible Finanzalarmismus durch die nach den EKD-Vorgaben des sog. „erweiterten Solidarpakts“ zu geringe Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche.
Die Sondersynode in Hilden folgte der Kirchenleitung und beschloss im November 2013, ein Sparpaket („Aufgabenkritik“) in Höhe von 8 Mio. € bereits bis 2015 und weitere Kürzungen in Höhe von 12 Mio. € bis 2018 auf den Weg zu bringen. Insgesamt sollte der Haushalt der Landeskirche um drastische 35% reduziert werden.
Mittlerweile hat sich die Einnahmesituation der EKiR derart verbessert, dass den damaligen Beschlüssen jegliche sachliche Grundlage entzogen ist. Seit 2005 erleben wir eine Phase stetig steigender Kirchensteuereinnahmen, die lediglich durch die Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 etwas gedämpft wurde. 2005 gab es ein Nettokirchensteueraufkommen von 492 Mio. €. Für 2017 können wir mit einem Betrag von 710 Mio. € planen. Dies entspricht einer Steigerung von 218 Mio. € (30,70 %). Im Vergleich zu 2013 ergibt sich eine beachtliche Steigerung von 134,6 Mio. €. (18,87%), was deutlich macht, dass sich die positive Entwicklung bei den Kirchensteuereinnahmen verstärkt hat.
Da ist es verblüffend offen, wenn in der Drucksache 1.2 „Bericht über den Stand der Umsetzungen aus der Aufgabenkritik und zur Weiterarbeit an der Umsetzung der Haushaltskonsolidierung“ folgender Satz zu lesen ist: „Unabhängig von Veränderungen gegenüber der Ausgangssituation im Jahr 2013 hält die Kirchenleitung an den Zielen der Aufgabenkritik und der Haushaltskonsolidierung fest. Die angestrebten Veränderungen sind notwendig, um auch in Zukunft handlungsfähig zu bleiben.“
Sparen als purer Selbstzweck? – Wohl eher nicht. Es geht tatsächlich um eine Umschichtung von Mitteln. Organisation und Verwaltung werden gestärkt. Mindestens 25% des Netto-Kirchensteueraufkommens dienen zur Absicherung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche. Überall dort, wo Menschen in direktem Kontakt mit Menschen arbeiten, werden Mittel abgezogen, Einrichtungen geschlossen und Stellen abgebaut.
Das schwere Gepäck explodierender Verwaltungskosten sowie in astronomische Höhen steigender Finanzabflüsse, die zur Kapitalbildung dienen, bringt das Kirchenschiff in Schräglage. Wäre einem an einer positiven Entwicklung kirchlicher Arbeit gelegen, so würde man angesichts der positiven Entwicklung bei den Kirchensteuereinnahmen durch eine moderate Senkung der Versorgungsicherungsumlage um 2-4 Punkte etwas Luft geben. So aber pumpt man alles, was man hat in Richtung Versorgungskasse und offenbart damit ein geradezu naives Zutrauen in die zukünftige Integrität der Finanzmärkte.

„Ohne Druck geht es nicht“
Auf S. 5 und 6 der Vorlage werden u.a. die sozialen Folgen des Sparkurses angesprochen. Zu loben ist auch hier wieder die Offenheit in der Analyse, aus der hervorgeht, dass gering Qualifizierte und hier wiederum vor allem Frauen am stärksten betroffen sind. Deutlich wird, dass hier rote Linien überschritten werden. Obwohl theoretisch genügend Finanzmittel vorhanden wären, verlieren vor allem die „Kleinen“ durch Stellenstreichungen und Outsourcing gesicherte Arbeitsplätze.
Warum hält man derart ideologisch am einmal eingeschlagenen Kurs fest, obwohl sich die Finanzlage deutlich verbessert hat?
Es gibt starke Indizien dafür, das hinter all dem das simple, jedoch zutiefst autoritäre und elitäre Ressentiment steht, ohne Finanzdruck käme man nicht zu den gewünschten strukturellen Veränderungen. Ich möchte dies am Beispiel des „Hauses der Stille“ verdeutlichen.
Es ist eine politische Entscheidung, ob man eine derartige Einrichtung vorhalten möchte oder nicht. Ich persönlich gehöre zu denen, die einen derartigen Ort gerade in unseren hektischen Zeiten für unentbehrlich halten. Dann allerdings sollten man denen, die dort die fachliche Arbeit leisten, auch den Rücken freihalten. Das Gegenteil geschieht. Auf S. 19 der Vorlage wird festgehalten, dass von den angestrebten 333.430 € an Einsparvolumen bereits 263.430 € erreicht worden sind. Es bleibt ein Restbetrag von 70.000 €. Dennoch lassen die Beschlussvorschläge die Zukunft dieser Einrichtung weiter offen, was zwangsläufig die dort Beschäftigten unter Druck setzen muss. Noch einmal, es geht um 70.000 €, mehr nicht. Kirchenkreise stocken im Augenblick in erheblich größerem Umfang Stellen insbesondere in der Finanzbuchhaltung auf. 70.000 € sind in etwa die Kosten für einen qualifizierten Finanzbuchhalter. Eine Kirche, die derart schräg ihre Prioritäten setzt, ist auf dem falschen Weg.
Ceterum censeo: In strategischer Hinsicht betreibt die EKiR Selbstdemontage. Sie entwickelt sich zu einer Behördenkirche mit gut ausgebauter Investmentabteilung, der die Basis mehr und mehr wegbricht. Eine Umkehr, wie das „Wormser Wort“ sie fordert, ist dringlicher denn je.

Ein protestantisches Missverständnis: »ecclesia semper reformanda«

01/2017, Dirk Acksteiner, Pfarrer in Sonnefeld, in: Korrespondenzblatt Bayern
„…Gelassenheit und Gottvertrauen Wer heutzutage von einer ecclesia semper reformanda ausgeht, braucht sich eigentlich nicht wundern, wenn gerade die engagierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dieser Kirche früher oder später im Burnout landen. Das kirchliche Handeln wird oft von einer ziellosen Hektik geprägt: Die eine Reform ist noch nicht richtig auf den Weg gebracht, geschweige denn umgesetzt, da kommt schon die nächste. Obendrein sind wir gesellschaftlichen Veränderungsprozessen ausgesetzt, auf die wir keinen Einfluss haben. Zeitgeist und Heiliger Geist müssen mühsam auseinander gehalten werden. Wer unter diesen Bedingungen gut, gerne und wohlbehalten im Pfarramt leben und arbeiten will, sollte zuerst einmal abwarten lernen…“

Mehr dazu, vgl. S.9+10 des Januarheftes