Hier zunächst die vollständige Auswertung des vatikanischen Fragebogens in der
Fassung der Reformbewegungen „Laieninitiative“ und Plattform „Wir-sind-Kirche“.
Stellungnahmen und Auswertungen von Bistümern:
Bistum Mainz: „Die Umfrage öffnet uns nochmals die Augen“
Mainz, 18.12.2013
Eine tiefe Kluft zwischen der kirchlichen Lehre und dem Leben bzw. den Ansichten einer großen Anzahl von Kirchenmitgliedern hat die Auswertung der weltweiten, vatikanischen Umfrage zum Thema Familie im Bistum Mainz ergeben.
„Die Ergebnisse der Umfrage erzeugen und verstärken, auch wenn sie nicht repräsentativ sind, den Eindruck einer fatalen Situation. Eigentlich wissen wir schon lange darum..“, schreibt der Mainzer Bischof, Kardinal Karl Lehmann, am 16. Dezember, in einer ersten Reaktion auf die Ergebnisse…
Aus dem Bistum Mainz hatte es über 900 Rückmeldungen auf den Fragebogen gegeben. Die meisten Einsendungen kamen von Einzelpersonen und Ehepaaren, rund zehn Prozent der Einsendungen gaben die Meinung von diözesanen und pfarrlichen Räten, Gremien, Pastoralteams und Verbänden wieder. Mehr dazu.
Auszüge aus den Ergebnissen der Umfrage aus dem Bistum Augsburg:
4- Zur Pastoral für Gläubige in schwierigen Ehesituationen
a) Ist das Zusammenleben „ad experimentum“ in der Ortskirche eine relevante pastorale
Wirklichkeit? Welchen Prozentsatz macht es schätzungsweise aus?
Es ist eine heutzutage nicht mehr wegzudenkende Realität. Eheanwärter erproben so, ob das tägliche Zusammenleben auf Dauer gelingt, bevor sie in Ernsthaftigkeit eine Entscheidung für ihr Leben treffen. Die Liebe entwickelt sich und ist als Prozess zu sehen. Mit dem JA-Wort vor Gott ist dann das öffentliche Bekenntnis und eine endgültige Zusage an den Partner gemeint. Schätzung bezüglich des Zusammenlebens „ad experimentum“ sind 90%. In den Kirchen vor Ort sieht man diese Art des Zusammenlebens wenig, da sich diese Paare bereits von der Kirche entfernt haben. Die Jugendlichen kümmern sich dahingehend nicht mehr um die Empfehlungen und Vorgaben der Kirche…
b) Gibt es faktische Lebensgemeinschaften ohne religiöse oder zivile Anerkennung? Gibt es
dazu verlässliche statistische Daten?
Die gibt es natürlich. Darunter finden sich auch viele homosexuelle Paare, die sehr katholisch leben und unter der „Verurteilung“ ihrer Lebenssituation leiden. So finden homo- und heterosexuelle Lebensgemeinschaften auf ihrem Weg zu einem gelingenden Leben mit Gott bisher in der Kirche keine Erwähnung. Betroffene fühlen sich auf ein triebgesteuertes Wesen reduziert, obwohl sie die gleichen Probleme haben und erleben müssen wie verheiratete Paare.
d) All diese Fälle betreffend: Wie leben die Getauften ihre irreguläre Situation? Sind sie sich
dessen bewusst? Zeigen sie sich gleichgültig? Fühlen sie sich ausgegrenzt und leiden an
der Unmöglichkeit, die Sakramente zu empfangen? Die Menschen sind nicht gleichgültig, sondern fühlen sich vielfach als Versager und Sünder behandelt. Viele leiden darunter, andere kehren der Kirche den Rücken. Gleichgültigkeit ist nur bei denen zu sehen, die sich bereits von der Kirche verabschiedet haben… Einige Teilnehmer der Umfrage sehen in diesem Thema eine Doppelmoral der Kirche, da Paaren, die eine Beziehung ohne zu heiraten leben, keine Konsequenzen spüren, sobald man die Beziehung aber offiziell macht, man ausgeschlossen ist. Ganz schmerzhaft erleben das Paare, die in der zweiten Beziehung bereits 40 Jahre zusammenleben, das Ideal von Ehe und Familie über diese lange Zeit leben und immer noch ausgeschlossen sind.
6- Zur Erziehung der Kinder in irregulären Ehesituationen
a) Wie hoch ist der geschätzte Prozentsatz der Kinder und Heranwachsenden im Vergleich
zu den in regulären Familien geborenen und aufgewachsenen Kindern? Diese Frage muss an das statistische Bundesamt gerichtet werden. Die Wahrnehmung ist, dass
die Zahl der Kinder aus Teilfamilien, Patchworkfamilien und unverheiratet
zusammenlebenden Paaren, auch auf dem Land, erschreckend zunimmt. Wobei die Befragten anmerken, dass die Bezeichnung „irregulär“ zu überdenken ist, da die
Zahl dieser Kinder höher ist, als die aus regulären Verhältnissen und damit bereits eine
Mehrheit darstellen.
9- Weitere Herausforderungen und Vorschläge
Gibt es andere Herausforderungen und Vorschläge hinsichtlich der in diesem Fragebogen
behandelten Themen, die nach Meinung der Befragten dringlich oder nützlich sein mögen?
Eine große Herausforderung wird darin gesehen, dass Kirche neue Wege gehen muss,
Laienmitarbeiter mehr fördern muss, sich Gedanken über das Zölibat machen und auch das
Priestertum der Frau in Betracht ziehen muss. Die Amtskirche muss wieder mehr Vertrauen
zu den Menschen an der Basis zeigen. Menschen, die schwierige Situationen in ihrem
Glauben gemeistert haben, dürfen nicht ausgegrenzt werden, sondern müssen als
Hoffnungsträger gesehen werden. Priester sollen Familie haben, um mit den Situationen der heutigen Eltern konfrontiert zu sein und die Nöte der Familien besser verstehen zu können. Außerdem sollte die Ausbildung der Pfarrer überdacht werden. Sie brauchen eine größere Befähigung in psychologischen oder auch sozialpädagogischen Fragen. Die Kirche muss einfach annehmen, dass die Herausforderungen durch die Globalisierung in unserer Gesellschaft nicht mehr umkehrbar sind und so akzeptieren, dass ihre Mitglieder mündige Gläubige sind, die ein Mitspracherecht in Glaubensfragen wollen. Die vollständige Auswertung.