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Institutioneller Wandel

G. Beckstein und K. Winterhoff zu Konzernbildung der EKD und Doppik

Zur Pressekonferenz vom 12. November 2013 auf der EKD-Herbstsynode

mit  Dr. Günther Beckstein und Klaus Winterhoff –  hier der Text ihrer Statements  – aus  zwei unterschiedliche Richtungen / Lagern ? – Urteilen Sie selbst!

Günter Beckstein:

„Wir haben den Anspruch gute Haushalter Gottes auf Erden zu sein, gerade weil auch erhebliche Finanzmittel uns anvertraut sind, die wir auch dringend brauchen für die vielfältigen Aufgaben, die die Kirche in unserer Gesellschaft hat. Man kann es nicht oft genug sagen, der Schwerpunkt der kirchlichen Arbeit liegt vor Ort. Kirchengemeinden wenden sich in den Dörfern und Städten unmittelbar den Menschen zu mit Verkündigung, Seelsorge, mit Beratung, mit Kultur- und Bildungsveranstaltungen, in der diakonischen Arbeit für Menschen, ohne Ansehen der Person, Herkunft oder Religion. Für diesen Dienst werden von den über 15.000 eigenständigen kirchlichen Trägern jedes Jahr rund zehn Milliarden Euro ausgegeben. Und dieses Stichwort 15.000 eigenständige Träger bedeutet auch, dass es nicht eine Art Konzernbilanz gibt und auch geben kann, denn zum Beispiel die Kirchengemeinde, aus der ich komme, Paul-Gerhardt-Gemeinde in Nürnberg, wird ja nicht etwa vernetzt, weder mit der Landeskirche oder mit erst recht der EKD, sondern es sind selbständige, eigenständige kirchliche Träger, so dass das als Konzernbildung nicht möglich ist und abgesehen davon auch nicht sinnvoll ist. Dass die evangelische Kirche ihr Geld verantwortungsvoll einsetzt, ist meine Überzeugung und zwar sowohl wenn wir vergleichbare andere Kirchen ansehen, als auch wenn wir den Staat ansehen. Die für unseren Haushalt der EKD zugrunde liegenden haushaltsrechtlichen Vorschriften sind mit den Vorschriften der Kommunen und Länder vergleichbar. Seitdem wir die Doppik haben mit den Haushalten der Kommunen eher als mit den Ländern, denn die Länder sind ja noch in der Kameralistik. Aber die Grundvorschriften, die Grundüberlegungen sind trotzdem ganz ähnlich. Die gewählten Leitungsgremien beschließen die öffentlichen Haushalte der Kirchengemeinden, Kirchenkreise und Landeskirchen. Und nur im Rahmen dieser Beschlüsse dürfen die Gelder dann schlichtweg auch eingesetzt werden. Für die Detaillees haben wir die Sachverständigen, die hier sitzen, und deshalb darf ich zunächst das Ratsmitglied Vizepräsidenten Klaus Winterhoff bitten, den Haushalt hier vorzustellen.“

Vizepräsident Klaus Winterhoff: „Ich knüpfe, Herr Dr. Beckstein, an einer Äußerung von Ihnen an,: Vergleichbarkeit mit anderen öffentlichen Kassen / keine Vergleichbarkeit bei dem Umstieg auf die Doppik mit den Ländern. Sagt mal, das würde ich gerne vergleichen. Öffentlich ist ja beispielsweise eine Bilanz, die Bilanz des Bundeslandes Hessen, kein armes Bundesland, aber angesichts de Verpflichtungen für die Versorgung steht dort das Eigenkapital auf der verkehrten Seite. So, also damit bin ich bei einer Herausforderung , die wir alle haben,..“

Dr. G. Beckstein: „Wenn ich eine Bemerkung dazwischen machen darf, deswegen haben wir in den Ländern uns auch ganz bewußt nicht für die Doppik entschieden, weil das Bild etwas falsch ist, dann. „

Vizepräsident K.Winterhoff: „Ob das Bild dann falsch ist oder ob das Bild dann zutreffend ist, jedenfalls können Sie sich im nächsten Jahr bei der EKD dann ganz genau darüber informieren, wenn wir im nächsten Jahr eine Eröffnungsbilanz auf den Tisch legen. Das wird auch im nächsten Jahr noch nicht alles abschließend gelungen sein, aber jedenfalls sieht man dann, was für Verpflichtungen wir auch in Zukunft haben, was ja einem kameralistischen Haushalt nicht zu entnehmen war, da er ja nur Einnahmen und Ausgaben enthält.

Vielleicht ein Wort zur gesamten Ausgangslage. …Wir hatten im letzten Jahr das höchste nominale Kirchensteueraufkommen in der EKD, aber ich lege wert darauf / auf die Feststellung das das nominale Kirchsteueraufkommen nun überhaupt nichts sagt, wenn man auf der anderen Seite nicht den Kaufkraftverlust entgegen setzt. Seit 1994 Kirchsteueraufkommen
9 % Zunahme, Kaufkraftverlust in der gleichen Zeit 30 %.
Von meiner eigenen Landeskirche kann ich sagen, wir können uns seit den neunziger Jahren real über ein Drittel weniger leisten. Und von daher ist die Redeweise vom Reichtum der Kirche, aus meiner Sicht, doch sehr zu hinterfragen. Ich habe das weiter ausgeführt in der Haushaltsrede. Wir haben, das ist meine Prognose jetzt mittelfristig, zur Zeit eine relativ stabile, leicht positive Seitwärtsbewegung auch noch in den nächsten Jahren bei der Kirchensteuer zu erwarten. Das heißt für die Struktur der Kirche: Wir haben eine Atempause, das Notwendig zu tun und ich hoffe, dass diese Atempause möglichst lange anhält, dass wir in keinen hektischen Aktionismus verfallen.

Wir müssen feststellen: Die Gemeindegliederzahl sinkt weiter kontinuierlich und zugleich steigt aufgrund des Wirtschaftswachstums die Kirchensteuer: Das heißt der Verlust an Gemeindegliedern wird überkompensiert durch die wirtschaftliche Entwicklung. Und das wird nicht so bleiben. Wir sehen nur nicht den Zeitpunkt, wann die Gegenbewegung eintritt, deswegen heute Vorsorge und das aller Wichtigste aus meiner eigenen Verpflichtung als Finanzreferent in der westfälischen Kirche heißt: Wir müssen vorsorgen für insbesondere die Versorgungsverpflichtungen. Das wird den Gliedkirchen – die EKD ist weniger beteiligt – das wird die Gliedkirchen in den nächsten Jahren noch deutlicher herausfordern.

Denn sie müssen sehen, wenn sie heute eine Person einstellen, als Pfarrerin,als Pfarrer mit 30 Jahren übernehmen, dann haben Sie noch 60 Jahre Versorgungsverpflichtungen für die Hinterbliebenen. Und was in 60 Jahren ist, das kann man zwar versicherungsmathematisch alles ausrechnen unter verschiedenen Szenario, aber dann muss die Kirchensteuer aber in 60 Jahren immer noch sprießen und fließen. Das ist die Herausforderung. Deshalb lautet mein Stichwort immer: Derzeit Vorsorge treffen und nicht alles in konsumtive Ausgaben stecken. Die schwierigen Jahre kommen noch. Sie liegen vor uns. Aber heute erst mal Dankbarkeit für das, was wir haben. Der Haushalt als solcher ist unspektakulär. Er beruht auf der mittelfristigen Finanzplanung. Diese wird umgesetzt. Und es ist ein Haushalt der Kontinuität, der eigentlich nichts Besonders enthält mit Ausnahme der einen oder anderen neuen Akzentuierung, die von der Synode dem Rat mitgegeben ist.“

Anders als hier in der Pressekonferenz scheinen sich Dr. G. Beckstein und K. Winterhoff laut den Aussagen Winterhoffs in seiner Haushaltsrede nicht zu widersprechen.

Vizepräsifdent K. Winterhoff führte dort u.a aus:

„Wie wird das Geld nun eingesetzt?
Für die EKD und die Gliedkirchen versuchen wir einen kleinen Überblick in der Broschüre „gezählt“ zu geben. Der Überblick ist nicht vollkommen: Da die (noch) zumeist kameralen Haushalte Vermögen und Verpflichtungen nicht erfassen können, ist eine Aussage über das gesamte wirtschaftliche Potenzial oder die wirtschaftlichen Schwächen auch noch nicht möglich. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass dies angesichts der Verfasstheit der EKD und der Gliedkirchen auch in Zukunft nicht komplett möglich sein wird. Schließlich ist die EKD mit ihren 20 Gliedkirchen und 15.000 Kirchengemeinden keine Konzernholding die eine konsolidierte Bilanz vorlegen könnte. Soviel aber wissen wir: Die Verpflichtung für die Unterhaltung der kirchlichen Gebäude erreichen jährlich die Summe von fast eine Milliarde Euro. Und die Rückstellungen für unsere Versorgungsverpflichtungen – von den Beihilfeverpflichtungen nicht zu reden – sind nach versicherungsmathematischen Grundsätzen aufs Ganze gesehen noch lange nicht ausreichend dotiert, obgleich hier schon sehr viel getan wird. Beispielsweise wenden etwa die Evangelische Kirche im Rheinland, die Evangelische Kirche von Westfalen und die Lippische Landeskirche, deren Absicherung der Versorgungslasten beklagenswert gering ist, für ihre Sicherstellung jährlich 22 % des Kirchensteueraufkommens auf…
Finanzpolitik ist Verantwortung für heute und für morgen. Dieser Verantwortung haben wir uns auf allen Ebenen zu stellen.

Verantwortung tragen die Gliedkirchen der EKD auch füreinander…
Der zwischen ihnen nun seit über zwei Jahrzehnten praktizierte Finanzausgleich zeigt dies in besonderer Weise. Er ist zugleich Ausdruck starker Solidarität. Mit 144 Millionen Euro – die nicht über diesen [EKD] Haushalt abgewickelt werden – aber wegen ihrer hohen Bedeutung keinesfalls unerwähnt bleiben dürfen, gelingt es, stabile Voraussetzungen für kirchliches Handeln in allen Regionen unseres Landes zu schaffen. Damit wird eindrucksvoll realisiert, was die Grundordnung der EKD (Artikel 6 Absatz 1) so beschreibt:

‚Die Evangelische Kirche in Deutschland bemüht sich um die Festigung und Vertiefung der Gemeinschaft unter den Gliedkirchen, hilft ihnen bei der Erfüllung ihres Dienstes und fördert den Austausch ihrer Kräfte und Mittel.‘
Dafür möchte ich namens des Rates an dieser Stelle ganz besonders danken!“

 (K. Winterhoff, Einbringung des Gesetztes über den Haushaltsplan und die Umlagen…, EKD,  Herbstsynode 2013, S. 3)

Und doch ist auch diese Rede ein Beleg dafür, wie sehr die Frage des Konzernseins oder -werdens der EKD die Darstellung prägt. Wie wirken diese Sätze, diese 60 Jahre auf einen Arbeitslosen, auf einen Rentner, der auf Grundsicherung angewiesen ist, weil nach 42 Arbeitsjahren nur etwas mehr als 600 € Rente für ihn herauskommt? Wie viele Personen profitieren von dieser „Versorgungsverpflichtung“ ?

In der EKB0 waren es 2009 gerade einmal 814 Personen (Pfarrer, Kirchenbeamte und Lehrer sowie ihre Hinterbliebenen), für die im selben Jahr 16.261.828,22 € Versicherungsbeiträge gezahlt wurden, das sind für jede pensionsberechtige Person ca. 20.000 € laut http://www.ekbo.de/Webdesk/documents/premiere_ekbo-internet/Zahlen+%26+Fakten/Statistischer+Bericht+2009.pdf.pdf.pdf, S. 66 (Zugriff am 22.11.2013), wenn ich die Zahlen richtig deute.

Dr. Katharina Dang

 

 

Reform und Realität – die Hochschulrektorenkonferenz übt Selbstkritik

Hochschulrektoren gestehen Fehler bei Umsetzung des Bologna-Prozesses ein.

20. 11. 2013 Von Johann Osel,

Bologna-Prozess Hochschulrektoren räumen Defizite bei Bachelor und Master ein

Die Studierenden üben schon lange Kritik am Bachelor-Master-System. Jetzt gestehen auch die Hochschulrektoren ein, dass es Versäumnisse bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses gibt. Vor allem in einem Bereich sehen sie Nachbesserungsbedarf.

„Bislang war in Bologna-Beschlüssen der HRK Selbstkritik kaum zu finden.“ Mehr in der SZ.

Stell Dir vor es ist PISA und keiner schaut hin

20.10.13 von Karl-Heinz Dammer

Ich habe einen Traum…: Eines Tages kreißt der PISA-Berg und die Medien ignorieren die Geburt der Maus. Der Traum mag noch in weiter Ferne liegen, dennoch sei ein kleiner Beitrag zu seiner Verwirklichung erlaubt. Vor Kurzem erschien der für Erwachsene im Alter von 16 bis 65 Jahren konzipierte Ableger von PISA, die PIAAC-Studie (Programme for the International Assessment of Adult Competencies), die wie ihr schulisches Pendant von der OECD initiiert wurde und dem langfristigen Bildungsmonitoring dienen, also in regelmäßigen Abständen wiederholt werden soll.

Ihre wesentlichen Ergebnisse sind: Die deutschen Erwachsenen liegen bei allen drei getesteten Bereichen – Lesekompetenz, mathematische Kompetenz und Computerkenntnisse – im Mittelfeld, genauer: bei der Alltagsmathematik und den Computerkenntnissen leicht über, bei den Lesekompetenzen leicht unter dem OECD-Durchschnitt, wobei die Bandbreite der Punktunterschiede geringer ist als bei der PISA-Studie. Weit überdurchschnittlich viele Erwachsene verfügen über keine ausreichende Lesekompetenz und die Kopplung von Lesekompetenz und sozialer Herkunft ist ebenfalls überdurchschnittlich hoch. Das ist und bleibt natürlich ein Missstand, wir kennen ihn aber bereits aus sämtlichen bisherigen PISA-Studien. Nicht wirklich überraschend ist auch die Erkenntnis, dass ältere Mitbürger nur über unterdurchschnittliche Computerkenntnisse verfügen, ja nicht einmal die Botschaft, dass die jüngeren Probanden den älteren überlegen sind, lässt wirklich aufhorchen, denn schließlich liegt ihre Schulzeit noch nicht so lange zurück und außerdem sind sie an diese Form von Befragungen dank PISA seit mehr als zehn Jahren gewöhnt; da kann man wohl höhere Testkompetenz erwarten.

Eben aus diesem Grund dürfte selbst einem Menschen mit mittlerem Kompetenzprofil die Frage in den Kopf kommen, was denn bei den Erwachsenen anderes als Mittelmaß herauskommen soll, wenn sie in Schulen unterrichtet wurden, denen PISA von Anfang an eben dieses Mittelmaß bescheinigte? Zum Artikel.

Zehn Thesen zur Demokratie innerhalb der Kirche – 2 Anmerkungen

Im deutschem Pfarrerblatt hat Eberhard Pausch zehn Thesen zur Demokratie innerhalb der Kirche aufgestellt. Sie geben interessante Anstöße um über die Verfasstheit unserer Kirche nachzudenken. Prägend ist der Begriff der Laokratie, die aus der Beziehung Gottes zu seinem Volk abgeleitet ist. Sie hat mehrere Gemeinsamkeiten mit den Grundprinzipen und Strukturen der Demokratie mit der sie sympatisiert. In einigen Aspekten, wie der Wehrhaftigkeit oder der Einheit von geistlicher und rechtlicher Leitung. Auch ist der Zweck der Kirche als Verkündung des Evangeliums außerhalb jeder Diskussion.

 

An zwei Stellen will ich jedoch noch Ergänzungen anbringen, die der Laokratie vielleicht noch einmal einen neuen Aspekt geben.

 

Die erste These beschreibt zu Recht, dass Demokratie kein Thema der Bibel ist. Die Grundlegenden Herrschaftsinstitutionen werden bestätigt obwohl man sie auch schon als problematisch verstehen konnte.

Dieser These möchte ich gerne noch expliziter das prophetische Potential der Bibel beifügen. Dieses geht über die Egalität der ersten Gemeinden hinaus. Im hebräischen Kanon müssen sich jüdische Herrscher immer wieder an der Gerechtigkeit als Auftrag Gottes messen lassen. Gegen Ungerechtigkeit und Machtmissbrauch gehen ProphetInnengruppen mit der Macht des Wortes vor. Auch Jesus kritisiert zum Beispiel im Gleichnis der Pächter im Weinberg (Math21,33-46) eine Spirale der Gewalt, die beide Parteien für sich vereinnahmt.

Der Anspruch der Herrschaft Gottes führt dazu, das konkrete Missstände der bestehenden Herrschaft, sofern sie mit Gottes Anspruch unvereinbar sind, benannt werden. Gleichzeitig ist das Vorgehen gegen diese Missstände keine Revolution sondern ein Appell den Willen Gottes zu folgen.

Zusammengefasst würde ich den biblischen Befund daher ergänzen: Die Kenntnis von der Gerechtigkeit Gottes führt dazu, dass Menschen Machtmissbrauch, der die Lebensgrundlagen entzieht angeprangert wird.

 

Als zehnten Punkt gibt Pausch einige Anregungen, wie die Partizipation innerhalb der Kirche verändert werden kann. Die Ideen sind als Einladung zur Diskussion gedacht. An der will ich mich auch beteiligen. Viele der Diskussionspunkte benutzen Analogien zu unserer parlamentarischen Demokratie. Da sich die Laokratie auch von der Demokratie unterscheidet, will ich mich für ein altes Werkzeug der Beteiligung stark machen: die Akklamation.

Sicherlich wurde in der Antike mit diesem Prinzip real mehr Schindluder getrieben, als das es Partizipation sicherte. Dennoch stellt sich die Frage der Akklamation auch in der Gegenwart. Auf den Kirchentagen wird das Prinzip des spontanen Konsens immer wieder praktiziert.

Institutionell lassen sich auch noch andere Möglichkeiten nutzen. Warum sollten nicht auch Seminare, Gemeinden und Fachtage die Möglichkeit haben über eine Akklamation zu partizipieren?

Sicherlich müssten feste Verfahrensregeln etabliert werden, die Akklamationen überprüfen.

Zum ersten Mal: Eine Folge kritischer Fragen und Stimmen zum Reformprozess im EKBO-Wochenblatt „die Kirche“

In der evangelischen Wochenzeitung „die Kirche“ erschien in der Nr. 26 vom 30. Juni 2013, S. 3 das erste Interview einer mehrteiligen Folge zum Reformprozess der EKD. „Auf den Geist Gottes Vertrauen“ ist der ganzseitige Artikel überschrieben. In der Überschrift wird Isolde Karle’s Meinung hervorgehoben: „Der aktuelle Umbau in den evangelischen Kirchen orientiere sich zu sehr an Profit-Unternehmen.“ Zum Weiterlesen wird ihr Buch empfohlen: Kirche im Reformstress, Gütersloh 2010. Isolde Karle ist Professorin für Praktische Theologie an der Ruhr-Universität in Bochum und lebt mit ihrer Familie in Stuttgart.

Eine Woche später, in der 27. Ausgabe vom 7. Juli 2013, S. 9 kam Heinzpeter Hempelmann zu Wort, Professor für Systematische Theologie und Religionsphilosophie an der Evangelischen Hochschule Tabor in Marburg und „Referent für die EKD-Denkfabrik ‚Mission in der Region‘ in Stuttgart“. Er wurde von Martin Rothe nach den Ergebnissen des Heidelberger Sinus-Instituts befragt und plädiert für „Pfarrer als Teamplayer auf regionaler Ebene. Gemeinsam sollen sie zuständig sein, möglichst viele Milieus in ihrer Region zu erreichen. Dies befördere nicht die Segregation, denn die gebe es jetzt schon. Das Bild vom Leib Christi überträgt er auf die verschiedenen Milieukirchen, die sich von Zeit zu Zeit zum Feiern und Bekennen des gemeinsamen Gottes treffen sollten.

In der 28. Ausgabe vom 14. Juli 2013 wird auf S. 6 in einem längeren Leserbrief von Gudrun Thiem aus der Matthias-Claudius- Gemeinde Berlin-Heiligensee große Dankbarkeit über die Meinungen von Isolde Karl geäußert und der fehlende Realitätsbezug des Reformpapiers „Kirche der Freiheit“ betont. Frau Thiem schreibt: „Oft habe ich den Eindruck, dass die Basis schon viel weiter ist, als alle mit viel Aufwand hergestellten Papiere, deren Durcharbeitung den mit drängenden Problemen beschäftigten GKRs zusätzlich zugemutet wird. Ärgerliches Beispiel: das Arbeiten mit Zielen. Als ob solches nicht schon von jeher die Voraussetzung dafür wäre, dass lebendige Gemeinden entstehen, und zwar durch das Engagement vieler, in verschiedenen Bereichen kompetenter haupt- und ehrenamtlicher Mitarbeiter.“

Auf S.9 folgt das dritte Interview von Martin Rothe zum Reformprozess, dieses Mal mit Jan Roß, dem Zeit-Redakteur und Autor des Buches „Zur Verteidigung des Menschen. Warum der Mensch Gott braucht“, Rowohlt-Berlin Verlag 2012. „Europa braucht ein Christentum, das nicht labert, sondern Güte und Liebe ausstrahlt.“ ist seine These. Er fragt: „Wie soll eine evangelische Kirche überleben, die nicht zu sagen weiß, was sie glaubt, und die kaum noch Gläubige hat.“ Die evangelikalen Kirchen würden die der Zukunft sein, während der „Mainstream-Protestantismus“ von heute verschwinden werde. Die Gesellschaften seien schon jetzt religiös fast völlig erkaltet.

Doch die Redaktion überschrieb den Artikel mit großen Buchstaben: „Heilig und auf der Höhe der Zeit.“ Lassen wir uns überraschen von den nächsten Folgen der Serie!

Dr. Katharina Dang

Organisation und Moral – Rezension des Buchs von Prof. Günter Ortmann

Organisation beschert ungeahnte Effizienz und enorm gesteigerte Vermögen – Fähigkeiten, Ressourcen, Kompetenzen. Das hat in eine Konstellation geführt, die der Autor mit Günther Anders (1980) prometheisch nennt: „Wir können mehr – weit mehr! -, als wir verantworten können.“ (23) Während Anders das noch vor allem auf die technischen Möglichkeiten der Menschen gemünzt hat (Die Menschen stehen in „prometheischer“ Scham vor der glitzernden Perfektion, dem glänzenden Funktionieren ihrer Maschinen …) bezieht Ortmann es nun auch auf Organisationen. Er bezeichnet diese als Orte normaler moralischer Katastrophen, als Moralverdrängungsmaschinen und Legitimationsfabriken.“ Lesen Sie die Rezension.

Führen und leiten lernen für die EKBO

Im Amtsblatt der EKBO 3/2013, S. 68 wird für einen  Lehrgang geworben, bei dem man folgendes lernen kann:
„1. Organisationsanalyse
– Definitionen und Grundbegriffe in der Organisationslehre,
– Organisation als Managementaufgabe
2. Qualitätsmanagement
– Verfahren und Instrumente zur Beschreibung von Qualität
sozialer, pädagogischer und kirchlicher Arbeit
3. Organisationskultur
– Organisation und Institution Kirche,
– Rituale/Corporate Identity
4. Projektmanagement
– Planung, Organisation, Steuerung, Dokumentation,
– Präsentation von Projekten
5. Veränderungsmanagement
– gesellschaftliche Veränderungsprozesse;
– Veränderungswiderstand in Organisationen, Gruppen und bei Personen:“

Die Fortbildung für Pfarrer und Pfarrerinen  „dient der Reflektion und
Weiterentwicklung der Leitungskompetenz und wird von der Diakonischen Akademie für Fort- und Weiterbildung e.V. in Kooperation mit der EKBO und dem DWBO durchgeführt.“ (ebd.).

A.D.

Ein Kommentar erübrigt sich.

A.D.

Kirchenleitende Zukunftsvorstellungen

Thies Gundlach: Liebhaber ohne festen Wohnsitz – Kirche in der Fläche 2050

Vortrag auf dem Internationalen Symposium „Mittendrin! Kirche in peripheren, ländlichen Regionen“ vom 23.-25. Mai 2013 im Alfred Krupp Wissenschaftskolleg in Greifswald

Auf ein Abenteuer habe er sich eingelassen, ohne die hochkompetent besetzte wissenschaftlich Tagung aus Zeitgründen mitverfolgen zu können, den Schlussvortrag zuzusagen.

Dr. Thies Gundlach als einer der drei Vizepräsidenten des Kirchenamtes der EKD  war gebeten worden, aus kirchenleitender Sicht die Kirche auf dem Lande im Jahr 2050 und somit ein zu erreichendes Ziel zu beschreiben. Er rundete die 37 Jahre auf 40 auf und wies auf die Wüstenwanderung Israels hin: 40 Jahre Wüstenwanderung und dann das gelobte Land.

Wüstenwanderung hieß für den Referenten Durststrecke. Immer wieder betonte er seinen Respekt vor denjenigen, die „dieses Elend der Wüstenwanderung“ durchstehen müssen. Aber die Wüste erwies sich als eine selbstgeschaffene. Sie sei der Umbau unserer Kirche, das alternativlos zu vollziehende Verkleinern unserer Kirche. Als Gründe dafür wurden die „drei großen D’s genannt, die uns zusetzen: Demographie, Deinstitutionalisierung und Dezentralisierung. Das sind die Herausforderungen, vor denen wir stehen.“ Diese drei D’s scheinen genug zu sagen. So musste der kategorische Imperativ nicht begründet werden: „ Wir sind eine Kirche, die muss kleiner werden.“ „Die erste Grundaufgabe der Hauptamtlichen und der Ehrenamtlichen ist Loslassen.“ „Diese Aufgabe ist unserer Generation gestellt.“ – Von wem? 

Thies Gundlach war klar, dass Kleinerwerden Relevanzverlust bedeuten wird.Er sah die Zuschauer: „Viele, die davon ausgehen ( Säkularisierungsthese); Das hört jetzt bald auf mit diesen Frömmigkeiten und den Christen.“

Dass die Wüstenwanderung keine Freude ist, setzte er als Erfahrung seiner Zuhörer voraus: „Die Schmerzen der Anpassung, die vor uns sind, das ist überhaupt keine Prophetie. Sie haben das ja in diesen Tagen alle vor Augen.“ Trotzdem beschreibt er sich in seiner Selbstvorstellung auf der Webseite der EKD als jemanden, der mit „Lust und Leidenschaft“ den Reformprozess befördere.

Vorteil der „kleineren Einheiten“ werde sein, dass es weniger Neid und Konkurrenz gäbe und mehr familiäres Heimatgefühl.

Flüssig sollen die Strukturen werden, unterwegs, auf der Wanderschaft, wie im Mittelalter die wandernden Mönche. Überhaupt ist das Mittelalter Vorbild mit seinen Klöstern als geistlichen Orten, in denen stellvertretend für die Menschen geglaubt wird, die nur als flüchtige Besucher Kontakt mit dem Glauben haben. Aber auch die großen Kathedralen sollen weiterhin nötig sein, die die Glaubensflaneure anlässlich großer Feste aufsuchen werden.

Was wird bleiben von dem, was wir jetzt haben? Antwort: „Die Schätze der Tradition, der Väter und Mütter bleiben erhalten, die drei B´s : Bach – Backstein – Beten. 2050 werden wir das auch alles haben, zwar in kleineren Zahlen, aber wir werden das alles auch haben.“

Aber die kleinere Zahl sei nicht schlimm, denn: „Die Menge der Zeugen ist nicht ausschlaggebend für die Wahrheit des Zeugnisses.“

Diese selbst eingeschlagene Wüstenwanderung ohne Hoffnung auf Wunder, mit denen man erst mal nicht rechnen könne, und als ein Ausziehen der Linien, die wir jetzt haben, sie ist aber kein Selbstmord. Am Ende, nach 40 Jahren werden wir staunen „über Gott. Uns gibt es immer noch. Wider Erwarten gibt es uns immer noch.“ Denn Gott sei „ein Liebhaber ohne festen Wohnsitz“.

Dies belegte er in einem ersten Punkt „ Von der Freiheit Gottes“. Es folgte ein Abschnitt über die Sehnsucht der Menschen, jener Glaubensflaneure, Gelegenheitsbesucher. Zu seinem Höhepunkt wird der schöne Satz „Was haben wir für eine schöne Aufgabe, den Himmel offen zu halten.“

Der dritte Abschnitt handelte von der Stärke einer Kirche der Freiheit. Der Referent bat um Verzeihung, dass er diesen Begriff wieder aufnehme. Man soll sich treu bleiben, auch in seinen Fehlern.

Ohne Diakonie sei das Zeugnis nicht glaubwürdig, aber Kirche als Wertelieferant und diakonischer Träger, auch wenn es dafür Schulterklopfen und Anerkennung gäbe, sei nicht alles. „Wir brauchen die schönen Gottesdienste, die schönen Andachten.“ Einen Kummer habe er im Blick auf die Zukunft: Es gelte unseren Kernauftrag wieder zu entdecken, das Geistliche, von Gott zu reden und das mit einer kleinen, geistlich tiefen Minderheit. Das werde dann wie in den Städten auch in den peripheren Räumen auf dem Lande gelingen, wenn wir nur die Kunst erlernten, das loszulassen, was losgelassen werden müsse. Auf die Nachfrage, was er damit meine, werde er nicht antworten. Er sei nicht lebensmüde.

Pfrin. Dr. Katharina Dang

Kirche der Freiheit blutet die Gemeinden aus

Prof. Eberhard Mechels kritisiert das Reformpapier Kirche der Freiheit. In seinem Erfurter Vortrag.

Der von Oben vorgeschriebene Reformkurs widerspricht dem Wesen von Kirche und führt daher in die falsche Richtung. Mechels sieht die Arbeit der Gemeinden durch die Kirche der Freiheit gefährdet. Niemals wurde die Arbeit von PfarrerInnen so abgewertet, wie in der gegenwärtigen Situation.

Kirche der Freiheit versucht die EKD als die eigentlich Form von Kirche zu etablieren. Man erhofft sich durch weniger konkrete Bindung wachsen zu können. Doch das angestrebte Ziel geht auf Kosten der Gemeinden vor Ort. Ganz im Paradigma des Marktes sollen die Zentren gestärkt werden und auf Kosten der Peripherie.

 

Kirche der Freiheit ist keine neue Entwicklung. Die Idee hat einen langen Werdegang. Die Kirche hat sich als Dienstleisterin dem Staat angebiedert. Damit hoffte man der Gesellschaft die eigene Nützlichkeit zu erweisen. Folgerichtig wurden für diese Dienstleistungen dann Bürokratien als Ebenbild der Gesellschaft erschaffen. Gerade diese Funktionalisierung und Differenzierung macht Mechels für die wachsende Entfremdung vieler Personen mit der Kirche verantwortlich.

 

Zukunftsweisend ist Kirche für Mechels nicht als Dienstleisterin oder als Verwaltungsebene, sondern als Gemeinde. Ekklesia ist die körperliche Versammlung mit Wort und Sakrament. Nach Mechels muss sich die Kirche wieder auf diesen Kern besinnen.

 

Lesen Sie hier den interessanten Vortrag in voller Länge.