21.08.15, Interview von Joachim Frank
Der Islam biete gegenwärtig ein „verheerendes und fürchterliches Bild“, sagt Navid Kermani, Orientalist, Schriftsteller und Friedenspreisträger 2015, im FR-Interview. Ein Gespräch über westöstliche Entwicklungen, die abstoßende Wirkung von Morgenandachten im Radio und Kermanis neues Buch „Ungläubiges Staunen“.
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Sie kritisieren ja auch eher die Kirche.
Ja, weil es nicht gut ist, dass die Kirchen leer sind. Eine Gesellschaft braucht Orte, an denen sie zusammenkommt, an denen sie aus der alltäglichen Zeit aussteigt und sich ihrer grundlegenden Ideale versichert, an denen sie ihre fundierenden Mythen vergegenwärtigt und etwa im Gesang, in der Musik gemeinsam etwas erfährt. Das ist heute zu einem guten Teil ausgelagert an säkulare Orte, ans Theater, an die Philharmonien, die unglaublich vielen Orte, an denen Menschen sich Zeit nehmen, um geduldig und aufmerksam Literatur zu hören. Aber es fehlt dann doch etwas, das Verbindliche und Verbindende fehlt. Es ist für das Gefüge der Gesellschaft nicht gut, dass das Christentum so stark erodiert. Aber mit besserer PR wird man diese Prozess nicht aufhalten können.
Wo und wie wirkt Religion?
Ich glaube, es gibt zwei Dimensionen, wo sie etwas Elementares zum Leben beizutragen hat: die ethische Dimension und eben die ästhetische. Aus Nächstenliebe und Barmherzigkeit tun religiöse Menschen Dinge, die „man“ normalerweise nicht erwarten würde. Viele Mönche und Nonnen geben auch heute ein fantastisches Beispiel, in allen Teilen der Welt und erst recht in den Kriegs- und Krisengebieten, die ich bereist habe. Es gibt auch heute die „Mutter Teresas“ – leuchtende Vorbilder der Menschlichkeit für jeden, ob religiös oder nicht… “ Mehr dazu.