Schlagwort-Archive: 5. KMU

Neue Erkenntnisse aus Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen. Prof. Gerhard Wegner, Sozialwissenschaftliches Institut der EKD

07/2017, Korrespondenzblatt (Bayern)

 

Die Reformation und die Kirchengemeinde
– 500 Jahre einer
höchst widerspruchsvollen
Entwicklung. Das gilt zumindest,
wenn man einen Blick auf die
Entwicklung der lutherischen Kirchen
wirft. Da stehen zu Beginn
bei Martin Luther revolutionäre
Thesen von einer Kirche, die ihre
Basis in den sich selbst organisierenden,
ja im Grunde genommen …
Dennoch denke ich aber, dass
ihm heute größere organisatorische
Umbauten der Kirche wohl
doch nicht einfallen würden. Ich
glaube das deswegen nicht, weil
seine ganze überdeutliche Polemik
dagegen zielte, die Energie
des Christlichen in die Kirche zu
stecken – ihm ging es vielmehr
zentral darum, das Christliche im
Alltag der Welt zu identifi zieren
und den christlichen Glauben im
Beruf und in der Arbeit zu leben…

Mehr dazu, vgl. S 107ff

Die fünfte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft – Reflexionen und Resonanz. EIne Ausgabe der Praktischen Theologie zum Thema.

10/2016, Editorial der Ausgabe 3/2016 der Praktischen Theologie

von: Kristian Fechtner / Claudia Schulz

Auszug:

„Empirische Befunde sind interpretationsbedürftig; Zahlen sprechen bekanntlich nicht
für sich. Dies gilt auch für Untersuchungen zur gelebten Kirchlichkeit und religiösen
Praxis hierzulande. Im vergangenen Jahr sind die Ergebnisse der fünften EKD-Erhebung
über Kirchenmitgliedschaft in einem Auswertungsband unter dem Titel „Vernetzte Vielfalt“
veröffentlicht worden. Bereits im Vorfeld hatten sie für publizistische Unruhe gesorgt,
vor allem angestachelt durch die prägnante Überschrift der Vorab-Veröffentlichung
„Engagement und Indifferenz“… Mehr dazu.

5. KMU – Vernetzte Vielfalt. Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Hrsg. Heinrich Bedford-Strohm, Volker Jung.

06/2016

Aus dem vollständig im Netz verfügbaren Auswertungsband hier nur ein kurzer Ausschnitt des Vorwortes:

„…In der Praxis kirchenleitenden Entscheidens und Handelns wird es in Zukunft mehr denn je
um eine profilierte Vernetzung von Profilierungs- und Diversifizierungsmaßnahmen gehen. Das
Grundziel der stärkeren Erkennbarkeit ist dabei zu beziehen auf die volkskirchliche Notwendigkeit, eine Vielzahl von unterschiedlichen Profilen aufrechtzuerhalten und miteinander zu vernetzen… Eine in ihren Angeboten, Sprachformen und Frömmigkeitsstilen vielgestaltige Kirche hat das Potenzial vielfältiger Bindungskräfte…“

vgl. Vorwort, S. 14

Ein entgegengesetztes, engführendes Konzept kirchenleitenden Handelns wurde hingegen im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ vertreten:

„a. Geistliche Profilierung statt undeutlicher Aktivität. Wo evangelisch draufsteht, muss Evangelium erfahrbar sein. In diesem Motiv scheint das biblische Bild vom Licht der Welt auf, von dem Licht, das nicht unter den Scheffel gestellt werden soll (vgl. Lukas 11, 33).
b. Schwerpunktsetzung statt Vollständigkeit. Kirchliches Wirken muss nicht überall vorhanden sein, wohl aber überall sichtbar. Hier ist an die vielfältige Bedeutung des zeichenhaften Handelns Jesu zu denken (vgl. insbesondere die Heilungs- und Wundergeschichten)…

 

Kirche angesichts von Individualisierung und Säkularisierung. Die fünfte EKD-Erhebung über Kirchenmitgliedschaft. Heinrich Bedford-Strohm (Hrsg. […]): Vernetzte Vielfalt

01/2016

2016 könnte das Jahr der Ortsgemeinden werden. Jedenfalls dann, wenn sich die Landeskirchen mit ihren Synoden und in ihren Entscheidungen an den Ergebnissen der fünften Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD orientierten. Dies würde jedoch in manchen Bereichen einen radikalen Gesinnungswandel und den Willen zu Korrekturen voraussetzen. Denn der vor einigen Wochen im Gütersloher Verlagshaus erschienene, fast 550 Seiten starke offizielle Auswertungsband lässt schon bei einer ersten Durchsicht keine Zweifel daran, wo die größte Bindungskraft und Stärken der evangelischen Kirche liegen: in den parochial organisierten Ortsgemeinden!… Mehr dazu.

Kirchen im Abseits? Säkularisierung in Kirche und Gesellschaft. Von Prof. Gert Pickel, Leipzig

09/2015

19. Juni 2015, Kirchen im Abseits? Säkularisierung in Kirche und Gesellschaft

Präsentation im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Kirche im Dialog“ in Backnang

Bildschirmfoto vom 2015-08-24 12_50_07

u.a. zu und mit den Ergebnissen der 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU), zu Säkularisierungstheorie versus Wettbewerbstheorie, u.v.a. mehr.

 

„Auf den Pfarrer kommt es an“, Strukturen sind unbedeutend. Signifikante Parallelen zur 5. KMU in der Hattie-Studie, einer Meta-Studie zu Bildungspolitik.

Die Hattie-Studie. Von Martin Spiewak, DIE ZEIT

14. Januar 2013

Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie. 

… Dabei begründet nicht allein die megalomanische Dimension seines Projektes Hatties Ruf oder die Kälte seines wissenschaftlichen Blicks (»Meinungen gibt es genug; was zählt, ist messbare Evidenz«). Die größte Sprengkraft liegt in seinen Erkenntnissen. Denn diese stehen geradezu quer zur bildungspolitischen Debatte in vielen Ländern. »Wir diskutieren leidenschaftlich über die äußeren Strukturen von Schule und Unterricht«, kritisiert Hattie. »Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.«

Zum Artikel.

Anm F.S.: Die Paralleleln zur Reformdiskussion und zu früheren Fehlanalysen in der Kirche sind evident:

1. Die Person des Pfarrers ist ebenfalls von hoher, bislang in der Reformagenda völlig unterschätzten Bedeutung. Das bestätigt jüngst die 5. KMU, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Konträr dazu das Reformkonzept nach „Kirche der Freiheit“: Die Reformer erklärten die PfarrerInnen zum (Finanz-) Problem und sehen einen extrem hohen Stellenabbau vor. Der Prozess ist in Gang.

2. Die Reformer der Kirche diskutieren über äußere Strukturen und versprechen sich und versprachen anderen große Erfolge durch Strukturreformen. Hattie: »Sie rangieren aber ganz unten … und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.«
vgl. dazu auch aus der Kirche: Struktur-k(r)ampf in der evangelischen Kirche , Dt. Pfarrerblatt 8/2012, oder heute Bischof Cornelius-Bundschuh, Baden.

Lehren aus der 5. KMU: kirchliche Strukturen für den Glauben unwichtig. Zum Bericht des Landesbischofs Jochen Cornelius-Bundschuh auf der Frühjahrstagung 2015 der badischen Landessynode.

Aus anderen klugen Berichten von Bischöfen zur Frühjahrssynode sticht der des badischen Landesbischofs Jochen Cornelius-Bundschuh heraus. Die Tradition rezipierend verortet  er die evangelische  Kirche zunächst jenseits von Fundamentalismus und Privatisierung der Religion. Anschließend zieht er Konsequenzen aus der 5. KMU (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung) für die zukünftige Ausrichtung der Kirche. Gemessen an der von neoliberaler Ideologie durchsetzten Reformagenda von „Kirche der Freiheit“ gelingt es  Cornelius-Bundschuh mit seinen Analysen und Erkenntnissen ein empirisch-wissenschaftliches Fundament kirchlicher Praxis neu zu begründen. Seine Erkenntnisse sind anschlussfähig sind an vielfältige Reformkritiken des zurückliegenden Jahrzehnts,  etwa auch die des Wormser Wortes. Insofern ist dem Bischofsbericht schnelle und breite Rezeption zu wünschen.

Die Basis zur Rückkehr zu einem aus dem Wesen der Kirche kommenden Management sind damit gelegt. Entscheidend wird sein, wie schnell aus diesen Erkenntnissen ein Programm und eine Strategie abgeleitet und dann auch umgesetzt werden. Und wie schnell also – und das ist der Lakmustest für solche Reden – die Finanzpolitik und die Haushalte entsprechend diesen Erkenntnissen neu ausgerichtet werden. F.S.

05/2015, aus dem Bericht:

„…
2. Wie nützt die sichtbare Kirche dem Glauben?

Denn das scheint mir doch die entscheidende Aufgabe für uns als Landeskirche und als kirchenleitende Organe: Dass wir mit unseren Möglichkeiten, mit unseren „Ressourcen“ den Glauben der Einzelnen und das Miteinander stärken und Mut machen, Verantwortung in der Welt zu übernehmen…

In der neuesten, fünften Mitgliedschaftsuntersuchung der EKD werden aber auch die Grenzen dieses Kirchenmodells deutlich. Ihre Ergebnisse zeigen, dass der persönliche Glaube nur dann in individueller Freiheit gelebt werden kann, wenn er mit der sichtbaren Kirche verbunden bleibt, sich ihr zuordnen und von ihr abgrenzen kann. Ohne Beziehung zu einer öffentlichen kirchlichen oder religiösen Praxis verliert er an Bedeutung, Gehalt und Gestalt…

Allerdings geht es den Menschen nicht um Fragen der Organisation. Da sind die Ergebnisse der Umfragen klar: Die kirchlichen Strukturen sind für die Bindung an die Kirche und für den Glauben nicht wichtig! Entscheidend sind: das gottesdienstliche Leben, die Kirchenräume, die geprägte Zeiten und die Personen, die dem Glauben öffentlich ein Gesicht geben. All diese „öffentlichen Möglichkeiten zur Identifikation“ stärken den Glauben und helfen, ihn aktuell und relevant zu halten…

3. Die Menschen, die uns den Glauben wertvoll machen
Es sind Menschen, die uns den Glauben lieb machen, sagt die Mitgliedschaftsuntersuchung: in der Familie: nicht nur die Eltern, auch Opas und Omas, Tanten und Onkel, Freundinnen und Freunde. Besonders wichtig sind auch die Personen, die – beruflich oder ehrenamtlich – öffentlich für Kirche einstehen. Für manche ist das die sonntägliche Gottesdienstgemeinde. Für andere die Jugendgruppe: ich habe neulich eine besucht, die es schon über fünfzehn Jahre gibt, zu der immer wieder neue Konfirmandinnen und Konfirmanden dazukommen und viele der „Alten“ bleiben lange dabei. Wir haben darüber gesprochen: Was sollen wir gegen den Krieg des IS tun? Und: Warum musste Jesus eigentlich sterben? Junge Leute, für die der Glaube wichtig ist – und ihr Pfarrer!.“ Zum Bericht des Bischofs.

 

EKBO Synode: Zwischenbericht der Kirchenleitung über die Arbeit der Strukturkommission.

04/2015, von Friedhelm Schneider

Über die Arbeits- und Herangehensweise der Strukturkommission erfährt man in den Synodenunterlagen:

Unter Zuarbeit der jeweiligen Fachabteilungen des Konsistoriums wurden

Übersichten zur Finanzstruktur, zur Mittelbindung und  zum Verwaltungsaufbau der EKBO beraten. Ergänzt wurde dies durch eine Übersicht über den rechtlichen Rahmen anhand der Grundordnung (Auftrag und Aufgaben der Kirche nach der Grundordnung). Dem gegenübergestellt wurde die Ergebnisse der V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) der EKD, in der auch äußere
Erwartungshaltungen an „die evangelische Kirche“ dargestellt werden.

Ein Riesenfortschritt: die EKBO will die Ergebnisse der 5. KMU und die Erwartungshaltungen an die evangelische Kirche berücksichtigen. Der Vorwurd an die Reformen, namentlich an das Papier „Kirche der Freiheit“ war gerade, dass die eigenen soziologischen Studien gerade nicht bzw. nicht ausreichend berücksichtigt würden. Das Papier konnte »einer differenzierten Situationsanalyse … ein eigenes Recht« nicht zugestehen. Und »nur am Rande wird im Namen der ›Kirche der Freiheit‹ auch jene – von der EKD selbst finanzierte – Forschung rezipiert.« So etwa Jan Hermelink (Die Kirche als Dachorganisation und Symbolisierung des Unverfügbaren, in: Isolde Karle (Hrsg.), Kirchenreform, 143.)

Leider liest sich bis heute in den meisten Papieren immer noch ganz anders, leider wird die soziologische Situationsanalyse noch immer sträflich vernachlässigt. Das geschieht dort,  wo in der schlichten Form von Demografie- und Finanzprognosen mit entsprechenden Kürzungs- bzw. Einsparvorschlägen gearbeitet wird wie dies zeitgleich etwa noch immer in der EKM geschieht.

Dennoch würde  man mit folgender Vorgehensweise wohl noch bessere Ergebnisse erzielen können: 

1. die Ergebnisse der V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD, in der auch äußere Erwartungshaltungen an „die evangelische Kirche“ dargestellt werden, bilden in Rückkoppelung an die Hl. Schrift und die christliche Tradition die Basis  von Konzepten für die Kommunikation des Evangeliums in aktueller Gestaltung

2. Erforderliche Änderungen rechtlicher Natur (Grundordnung, Gemeindeordnung, Pfarrdienstordung, etc.) werden entsprechend angepasst. Erforderliche Veränderungen in Kurz-, Mittel-, und Langfristperspektive werden unter Berücksichtigung von 4. in Gang gesetzt. Pilotprojekte und empirische Evaluationen sind obligatorisch.

3. Der Verwaltungsaufbau der EKBO wird beraten und überprüft, inwieweit sie Dienstleistungsorgan der an der Basis (in Gemeinde/ Funktion/ PR etc.) Tätigen ist. Alle Tätigkeiten der Verwaltung werden auf Sinnhaftigkeit, Rationalisierungsfähigkeit und Qualität überprüft.

4. Die erforderliche Finanzierung und zukünftige Finanzstruktur wird eruiert. Die wirkungsvollsten Maßnahmen werden prioritär umgesetzt.

Substanzerhaltungsaufwand für Gebäude einer durchschnittlichen Kirchengemeinde bei rund 200.000 €/ Jahr (so Bistum Freiburg) ?

03/2015, von Friedhelm Schneider

In der Zeitschrift für Kirche und Recht (KuR, S. 515ff) erschien 2014 der Aufsatz „Bewertung und Bilanzierung kirchlicher Gebäude“ von Dipl. Finanzwirt Linus Becherer.

Der Autor bewertet den finanziellen Aufwand einer Kirchengemeinde für den herkömmlichen Gebäudebestand aus Kirche, Pfarrhaus, Gemeindehaus und Kindergarten und stellt die bilanziellen Folgen (und erwartete Wirkungen bei den Betroffenen) dar. Damit werden also auch die Absichten der an „kirchlichen Notwendigkeiten orientierte(n) vollständige(n) Bewertung und Bilanzierung der kirchlichen Immobilien bzw. des kirchlichen Vermögens und der Schulden“ deutlich. Das Ergebnis gilt selbstredend nicht allein für das Bistum Freiburg, sondern für alle katholischen Bistümer und evangelischen Landeskirchen, darüber hinaus aber auch für Kommunen und Staat in gleicher Weise.

Die Ermittlung des Aufwandes zur Erhaltung der Gebäude erfolgte nach der Immobilienwertvordnung, ein Verfahren, das mit pauschalen Ansätzen operiert. Angeblich würde sich das rechnerische Ergebnis mit dem empirischen Befund aus der Praxis im Bistum Freiburg decken. Danach wird für die Erhaltung p.a. benötigt 
für eine Kirche (2235 qm BGF) 61.149 €
für ein Pfarrhaus (640 qm BGF) 20.121 €
für ein Kindergarten (1071 qm BGF) 48.709 €
für ein Gemeindehhaus (2031 qm BGF) 67.266 €

Fazit: „Somit müßte die Kirchengemeinde jährlich rund 200.000 € zurückstellen, um die langfristigen baulichen Verpflichtungen der Immobilien gerecht zu werden. Allerdings sind die Kirchengemeinden auf Grund ihrer finanziellen Gesamtsituation in der Regel gar nicht in der Lage diese Rückstellungen zu bilden und einzustellen. Deshalb obliegt es den örtlichen Gremien selbst einen Betrag festzulegen, der in der Bilanz berücksichtigt wird.“

Wie also geht die Kirchengemeinde mit dem Problem der Darstellung in der Bilanz um? In diesem Fallbeispiel stellt sie den größeren Teil des rechnerischen Betrages, der faktisch mit Haushaltsmitteln etc. nicht erbracht werden kann, auf der Passivseite als Fremdkapital ein (Verbindlichkeiten aus Bausbstanzerhaltung, im Beispiel: 110.000 €), auf der Aktivseite als „fehlendes Vermögen für Bausubstanzerhaltung“. Unterstellt wird also, die Kirchengemeinde könne 90.000 € tatsächlich als Finanzanlagen (aktiv) zurückstellen. Der größere Betrag wird als „fiktive  Verschuldung“ in die Bilanz eingestellt. Bei einem Wertansatz kirchlicher Gebäude mit 1 € pro Objekt ist die Kirchengemeinde damit schon bei der Eröffnungsbilanz in den Miesen.

Als wesentliches Ergebnis der Operation wird festgehalten

„Die wirtschaftliche Situation in der Bilanz der Kirchengemeinde wird transparent dargestellt, so dass sichtbar wird, ob und ggf. in welchem Umfang sie sich den heutigen Gebäudebestand noch leisten (fett und kursiv im Original!) kann.“

Solche Zahlen sagen also: die Kirchengemeinde kann sich den Gebäudebestand nicht leisten. Sie muss sich in der Folge von den „Lasten der Gebäude“ (das alte Thema der Kirche in neuem Gewand) befreien. Hätte man diese Bilanz vor 30 aufgestellt, was wäre dann passiert? Die Gemeinde hätte schon vor 30 Jahren angefangen, Ihre Immobilien zu verkaufen… In vielen Fällen hätte sie dann ihre Tafelsilber schon frühzeitig verscherbelt. Das gilt insbesondere für das Bistum Freiburg – einer Region mit den heute höchsten (und in den letzten Jahren mit am stärksten gestiegenen) Immobilienpreisen in Deutschland. Gut also, dass man auf die Idee der Bilanzierung erst heute kommt und nicht schon vor 30 Jahren kam. So wurden zumindest in der zurückliegenden Zeit Schäden durch unnötige Desinvestitionen verhindert. Denn die Wertsteigerungen der zurückliegenden Jahre hätten bei einem früheren Verkauf ja nicht realisiert werden können.

Hier geht es aber mehr noch um die Bewertung der Gebäude und ihres Instandhaltungsaufwandes. Dazu kann man aus drei Perspektiven Stellung nehmen.

1. Immobilienwirtschaftliche Perspektive.  Die Immobilienwirtschaftliche Perspektive unterscheidet sich von der finanzwirtschaftlichen dadurch, dass sie nicht pauschalen Ansätzen operiert, sondern auf der Basis von realen Daten vorauschauend kalkuliert. Zusätzliches Instrument ist dann die Definition von angestrebten Instandhaltungsniveaus für die Gebäude. Die Immobilien müssen nicht – wie die finanzwirtschaftliche Perspektive unterstellt – immer auf höchstem Niveau instand gehalten werden. Eine entsprechende Untersuchung in einem Kirchenkreis der EKiR (Kkrs Ottweiler) im Jahr 2005 von K.IM. Kirchliches Immobilienmanagement hat bestätigt, dass der Bestand auf der Basis der immobilienwirtschaftlichen Perspektive mit deutlich weniger finanziellem Aufwand auf ausreichendem Niveau gehalten werden kann als die doppische Pauschalbewertung/NKF rechnerisch fordert.  

2. Man vergleiche dazu die Erkenntnis der kirchlichen Bauämter der ehemaligen DDR. In Ostdeutschland lag die letzte Bau- und Sanierungsepoche kirchlicher Gebäude vor der Wende 80 Jahre zurück – es war die Kaiserzeit. Die empirisch belegte Erkenntnis:  gerade kirchliche Immobilien (historische Gebäude) müssen hinsichtlich der Substanzerhaltung nicht nur mit hohem Aufwand (s. die Berechnung einer reichen Diözese) auf höchstem Niveau erhalten werden, sondern können über Jahrzehnte auf niedrigem (bzw. in der DDR_Zeit niedrigstem) Stand mit geringstem Aufwand erhalten werden. (Darunter gäbe es dann als Strategie noch die sog. „Überwinterung“, die Erhaltung ohne Budget.) Nimmt man diese Erfahrung aus Ostdeutschland, dann entpuppen sich auf finanzwirtchaftliche Weise errechnete fiktive bilanzielle Millionenprobleme („fehlendes Vermögen für Bauinstandhaltung“) als reine Panikmache.

3. Näher und greifbarer als die beiden ersten Betrachtungen liegt dem Badener Bürger und Christ wahrscheinlich der Vergleich mit dem eigenen Häusle, für das er unter Berücksichtigung unterschiedlicher Größe gegenüber dem Pfarrhaus einen deutlich niedrigeren Ansatz im eigenen Budget einplant. Was er kopfrechnend selbst überschlagen und erkennen kann.

Fazit: Der Blick in die Bilanz reicht ganz offensichtlich nicht, um die Realität der Immobilienlage realitätsnah zu erkennen, darzustellen und daraus eine plausible Immobilienstrategie für die Kirche abzuleiten. Kein professioneller Immobilienbesitzer würde allein mit bilanziellen oder finanzwirtschaftlichen Zahlen seinen Bestand steuern. Auch die Kirche will dies nicht. Mit der Bilanz wird offensichtlich eine ganz andere, leicht durchschaubare  Absicht verfolgt. Aber: man erkennt die Absicht und man ist verstimmt. Leute mit gesundem Menschenverstand, von denen es vor Ort sehr viele Menschen gibt, werden sich durch solche bilanzielle Dramatisierungen und Panikmache also nicht blenden lassen. Was aber bei und mit solchen Operationen passieren wird: die betroffenen Menschen werden verstimmt, sie werden den Glauben verlieren. Nicht den Glauben an Gott, aber den Glauben an die (real existierende) Kirche. Man vergleiche dazu das Anwachsen der Kirchenmitglieder, die sich der Kirche nur noch wenig Verbundenen  in der 5. KMU (evangelischerseits) und die Kirchenaustrittszahlen. Diese Ergebnisse resultieren natürlich nicht hauptsächlich aus der aus der bilanziellen Darstellung abgeleiteten falschen Immobilienstrategie, aber sie werden dadurch gefördert.

Nein zu den Abbau- und Umbauprozessen in der Evangelischen Kirche. Die öffentliche Petition.

Angesichts zweifelhafter Resultate, sichtbar werdend u.a. an der 5. Mitgliedschaftsuntersuchung der EKD, wächst die Kritik an den sog. Kirchenreformen. Das geschieht mittlerweile auch von Seiten der geistlichen Leitungen selbst wie etwa dem Bischof der Kirche Sachsens, Bohl. Vor kurzem forderte der Pfarrverein der Ev. Kirche im Rheinland gar ein Moratorium hinsichtlich der Kirchenreformen. Wir weisen auf die Online-Petition im Internet gegen sog. Reformprojekte hin,  die unsere evangelische Kirche schädigen, und bitten:

Als Mitglieder der Evangelischen Kirche lehnen wir die derzeitigen Abbau- und Umbauprozesse in der Evangelischen Kirche in Deutschland ab. Mit diesem Prozess entfernt sich die Kirche von den Menschen in Gemeinden und an der Basis. Dies wird mittlerweile auch von Personen in Leitungsfunktionen erkannt. Diese unterstützen wir, indem wir fordern:

– Gemeinden und Dienste/ Funktionen an der Basis müssen gefördert und gestärkt, statt reduziert und geschwächt werden.

– Die Mitgestaltung in der von unten aufbauenende synodalen Verfassung der Kirche Jesu Christi darf nicht durch die hierarchische Struktur und Unternehmensform eines Religionskonzerns ausgehöhlt und beseitigt werden.

– Die Verwaltung und Leitung hat den Gemeinden und Funktionen zu dienen und darf nicht länger zum Wasserkopf wuchern und das Kommando über die verantwortlichen Mitarbeitenden führen.

Unterstützen auch Sie die reformkritischen geistlichen Leitungskräfte und entsprechende Vereine und Personen aus der Pfarrerschaft. Unterstützen auch Sie die Petition durch Ihre Unterschrift und dadurch, dass Sie in Ihrem Umfeld, Freundes- und Bekanntenkreis dafür werben.