Schlagwort-Archive: Reformation

Unterrichtsmaterial zur Lutherdekade

Passend zum aktuellem Jahr der Lutherdekade hat die Platform DerLehrerclub.de Unterrichtsmaterial zum Thema „Reformation – Medien – Sprache“ entwickelt. Der Entwurf ist für die achte Klasse vorgesehen.

War die Reformation vor 500 Jahren schon crossmedial? Hat Luther wirklich als erster ein „Machtwort“ gesprochen? Luther, theologischer Urheber der Reformation, stieß eine Medienrevolution an, die eine neue Wort- und Bildsprache hervorbrachte.

Das Material schlägt einen Bogen von der Historie bis zur Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler. Thematisch passende Lese- und Linkempfehlungen runden das Angebot ab.

Braucht das Christentum ein Opfer? Ein Diskurs über das Fremde im eigenen Glauben. Mit Prof. Hans-Martin Gutmann und Prof. Wilhelm Gräb.

Ein Diskurs über das Fremde im eigenen Glauben
Im Rahmen der Evangelischen Akademiewoche 2014

Der Gedanke des Opfertodes Christi ist vielen Menschen ein Ärgernis.
Christus starb für unsere Sünden, heißt es in der Liturgie zum Abendmahl.
Anders formuliert: Unser Heil wurde durch eine Gewalttat erworben.
Widerspricht das nicht der Liebe Gottes? Wie ist Christi Opfer zu verstehen?
Als Sühnopfer für unsere Schuld, als Hingabe seines Lebens oder
als Akt der Versöhnung der Menschen mit Gott?

Daraus hier wenige Auschnitte:

Prof. Hans-Martin Gutmann: Überlegungen zum „Opfer“

… In den Erzählungen von Jesu Leben, seiner Kreuzigung und der von seinen Freund/innen erfahrenen Auferstehung wird der traditionelle Gewaltopfer-Mythos vom rettenden Tod des schuldigen Opfers anders erzählt, umerzählt und verwandelt. Nicht die Tötung steht im Zentrum dieser Erzählung, sondern das Dabei – Bleiben Gottes in der Situation des Schreckens und die Lebenshingabe Jesu an seine Freundinnen und Freunde: …

Dies schließt nicht nur liturgische, sondern auch politische Konsequenzen ein: Widerspruch gegen Strukturen des Opfern -Müssens, wo immer heute ihre zerstörerische Macht aufscheint – in lebensgeschichtlichen und kommunikativen Mustern, in ökonomischen Konstellationen, in politischen und zivilreligiösen Mythen.
In scharfer Auseinandersetzung mit der vom Klerus der Kirche geförderten do-ut-des Mentalität entwickeln die Reformatoren, insbesondere Luther, eine Theologie des radikalen Umsonst…

Wilhelm Gräb: Braucht das Christentum ein Opfer?
(Thesen zum Gespräch mit Hans-Martin Gutmann)

1. Das Christentum braucht keine Opfer, wenn es sich von dem Menschen Jesus her versteht, dem Menschen, der mit Gott vollkommen in Liebe verbundenen war.
2. Gott hat nicht den Tod Jesu am Kreuz verlangt, um der die gesamte Schöpfung und alle Menschen liebende Gott sein zu können.
3. Es ist überhaupt nicht Gottes Wille, dass Opfer gebracht werden müssen. Gott will weder, dass Menschen gewaltsam zu Opfern werden, noch dass sie sie meinen, sich um anderer willen selbst opfern zu müssen.

Die vollständigen Beiträge.

 Vgl. zum Thema Sühnetodvorstellungen auch die Ausführungen bei Pfr. Günter Unger/München in seinem Buch „Das Glaubensbekenntnis“. Die Rezension finden Sie hier.

 

 

 

Was der IS Terror mit der Reformation gemein hat

Der Terror des sogenannten islamischen Staat mutet für viele als die Barbarei einer anderen Zeit an. Ein Rückfall in dunkle Zeiten des Mittelalters.

Doch dieser Eindruck täuscht, viele Aspekte des Systems sind Teil der Modernde. Die Vorstellung einer Utopie, die sich im Akt etabliert ist etwas neues. Sie passt in die Kommunikationswege unserer Zeit. Die Teilhabe an dem Terror und der Zerstörung in sozialen Netzwerken ist eine instant sichtbare Machtdemonstration.

Vieles was im Machtbereich des Terrorkalifats geschieht hat parallelen zur fehlgeleiteten Splittergruppen der Reformation. Damit sind sie Teil der Neuzeit und unseren Impulsen und Logiken nicht so weit entfernt, wie wir es gerne hätten. Apokalyptische Naherwartung, Bilderstürme und die zwangsweise Errichtung eines vermeintlich gottgefälligen Lebens durch Terror sind auch Konzepte einiger Reformatoren gewesen.

In der Welt schreibt Richard Herzinger, „Was der IS Terror mit der Reformation gemein hat“.

Der Artikel ist lesenswert. Denn der Islam hat kein Monopol auf fehlgeleitete Eiferer.

Elisabeth von Rochlitz – eine Säule der Reformation

Die Reformation setzte viele Impulse zur Emanzipation. Christen und Christinnen sahen sich mit existentiellen Fragen ihres Glaubens konfrontiert und beantworteten sie nach eigener Überzeugung. Diese neu gewonnene Freiheit führte dazu, dass sich viele Menschen mutig für ihre Überzeugung auf beiden Seiten einsetzten.

Längst hat sich in der Forschung durchgesetzt die Reformation nicht mehr auf einige wenige Protagonisten zu begrenzen. „Reformatorische Zirkel“ war ein schönes Wort meiner Kirchengeschichtsvorlesungen, dass den Korrespondenzen, Disputen und gemeinsamen Anstrengungen gut Rechnung trägt. Als Student wurde für mich die Welt der Reformation facettenreicher und tiefgründiger. Nicht ein Gedanke oder eine Person, sondern ein Komplexes Werk vieler Impulse, dass ich verstehen, gewichten und bewerten konnte.

Eines hatten die reformatorischen Zirkel dennoch gemein. Sie bestanden aus gelehrten oder mächtigen Männern.

Zum 500 jährigen Jubiläum der Reformation feiert die EKD die Lutherdekade. Vor allem Regional wird dennoch an die Mitreformatoren erinnert.

Spannend ist eine Ausstellung in der Burg Rochlitz. Unter dem Titel „Eine STARKE FRAUENgeschichte – 500 Jahre Reformation“ lockt eine Sonderausstellung zu Elisabeth von Rochlitz. Sie setzte in ihrem Wittum gegen ihren Schwiegervater Georg den Bärtigen die Reformation durch. Als einzige Frau im Schmalkaldischem Bund lieferte sie wichtige Geheiminformationen und stand mit den Hauptmännern in Kontakt. Dabei versuchte sie auf eine Friedliche Lösung zu drängen.

Ein guter Schritt auch die vielen Starken Frauen der Reformation in das öffentliche Bewusstsein zu rufen. Meine Lieblingsband hat es in einem gutem Wortspiel unbewusst auf den Punkt gebracht: „His story will be history an my story is just a waste of time.“

Lesen Sie auch hier einen Zeitungsartikel zur Ausstellung.

Luther und die Juden – Beitrag der VELKD

Luthers Schriften über die Juden sind ein belastendes Erbe der Reformation. Noch heute geben die widerwärtigen Entgleisungen Luthers Anlass sich rechtfertigen zu wollen. Anlässlich der Lutherdekade ist es sinnvoll sich auch mit diesem unangenehmen Thema zu beschäftigen. Die VELKD hat daher Professor Weymann gebeten einen Beitrag zu verfassen. Entstanden ist die äußerst gelungene Schrift „Luthers Schriften über die Juden – Theologische und politische Herausforderungen“.

Die kurze Schrift gibt einen guten Überblick zu den verschiedenen Äußerungen, die Luther zu den Juden getroffen hat. Auch die Reaktionen seiner Mitreformatoren werden in den Blick genommen. Schon hier zeigt sich das Luthers krasse Verfehlungen zum Glück nicht ohne Widerspruch blieben.

Auf der dogmatischen Ebene zeigt Weymann klar die Widersprüche zwischen Luthers Forderungen zum Umgang mit den Juden und der zwei Regimente Lehre. Vor allem die schlimmsten Empfehlungen Luthers nach Enteignung, Lehrverbote, Zwangsarbeit und Ausweisung lassen sich nicht mit der Grundüberzeugung, das der Staat kein Zwang auf die Religion ausüben darf vereinen. Somit lässt sich „Luther gegen Luther anführen“.

Abschließend gelingt es Weymann trotz der schweren Belastung Perspektiven für einen christlich jüdischen Dialog zu gewinnen.

Zum Bild der Reformation – Historiographische und theologische Überlegungen angesichts des Jubiläums 2017

von von Prof. Thomas Kaufmann, 22. Juni 2013, Pfarrvereinstag Hannover

Der Vortrag besteht aus drei Hauptteilen. Aus den Themen zitieren wir an dieser Stelle je eine Passage.

I. In einem ersten Teil seines Vortrags referierte Prof. Kaufmann über die Entwicklung der Reformationsgeschichtsforschung in den letzten 30 Jahren

daraus: 7.    Die Plausibilität der Reformation entschied sich nicht an einzelnen doktrinalen ‚Wahrheiten‘, sondern daran, dass Menschen in ihrer jeweiligen Lebenswelt mit diesen ‚Wahrheiten‘ etwas anfangen konnten, sie sich anzueignen vermochten. Der weitere Prozess der Reformation war entscheidend dadurch bestimmt, die Partizipationsmöglichkeiten bzw. Apperzeptionsbedingungen der Christen aller Stände durch Medien wie Katechismen, volkssprachliche Liturgien, die Bibel in der Volkssprache, Postillen usw. nach und nach entscheidend und nachhaltig zu verbessern.

II. Kritik an den Planungen des Reformationsjubiläums

daraus: 1. Ergebnisse der Wissenschaft werden nicht ernst genommen.
An der Vorbereitung des Mega – Events sind, so scheint es, recht viele Personen, Gremien und Institutionen beteiligt; wie allenthalben, so herrscht auch hier die ‚neue Unübersichtlichlichkeit’. Definitive Auskünfte über all das zu geben, bin ich ungeeignet; die Organisationsstruktur ist, soweit ich weiß, in mancher Hinsicht als vorerst letzte Realisierungsgestalt der vielbeschworenen und –geschmähten Symbiose von Thron und Altar zu deuten: Politiker insbesondere der Sitzländer der Reformationsgedenkstätten sitzen mit Wirtschaftsexperten und Kirchenführern vor allem der EKD-Ebene in gemeinsamen Gremien und beraten Maßnahmen für das Reformationsjubiläum; Kuratorien verteilen Gelder für kulturelle Projekte im Zusammenhang mit dem Jubiläum, insbesondere Bauvorhaben; Koordinationsstellen und Referentenposten werden geschaffen; Personen, die mit der wissenschaftlichen Bearbeitung der Reformationsgeschichte befasst sind, spielen bei diesen Vorgängen kaum eine Rolle. Der Wissenschaftliche Beirat, den der Rat der EKD für das Jubiläum eingesetzt hat, scheint nur dann in Anspruch genommen zu werden, wenn es opportun ist. Ansonsten werden, soweit ich höre, nach technokratischer Gutsherrenart Akteure ausgetauscht oder fügsame, hyperadaptive Personen mit zweifelhafter Qualifikationen um Aufgaben gebeten, für die sich der Wissenschaftliche Beirat zuständig weiß. Demnächst steht ein Krisengespräch bevor, in das der Ratsvorsitzende involviert wurde. Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates haben unabhängig voneinander mir gegenüber über die Intriganz von Funktionären geklagt; durch unlängst erschienene Publikationen ist öffentlich bekannt geworden, dass Beiratsmitglieder daran zweifeln, dass die EKD an wissenschaftlich vertretbaren Motiven und Begründungen im Zusammenhang des Reformationsjubiläums ernsthaft interessiert ist. Das Ziel scheint eher in Richtung auf eine Instrumentalisierung zu gehen.

III. Das allgemeine Priestertum und die Organisationsgestalt des reformatorischen Christentums in europäischem Horizont.

daraus: `Die Kirche im Dorf lassen´ und sich für die Welt öffnen
Die evangelische Christenheit hat keinen Anlaß, sich angesichts der Europathematik anders als selbstbewusst zu gerieren. Die Konturen eines evangelischen Europas liegen freilich vor der Epoche der Nationalismen. Die Beschäftigung mit der Reformation hilft, sie freizulegen und als heutige Möglichkeit wiederzuentdecken. Die organisationsgeschichtlichen Folgen der reformatorischen Christentumsgeschichte sind, zumal wenn man sie in einen europäischen Horizont rückt, ausgesprochen komplex. Sie haben das Ihre dazu beigetragen, die spezifisch europäischen Umformungsprozesse, die wir Moderne nennen, zu forcieren. Sie haben dazu beigetragen, in spezifisch europäischer Manier ‚die Kirche im Dorf’ zu lassen und sie zugleich für die Welt zu öffnen. An diese Zusammenhänge zu erinnern heißt, darauf zu insistieren, dass es von einem reformatorischen Kirchenverständnis her keine Alternative dazu gibt, alles uns Mögliche dafür zu tun, die Kirche am Lebensort der Menschen zu erhalten. Die Beschäftigung mit der Reformation kann also dazu helfen, angesichts unübersichtlicher Optionen Kriterien für Prioritäten zu finden.
Zum Vortrag.