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Aus Fehlern lernen. Doppik in Württemberg: Aufforderung, „sich vom „Konstrukt der Substanzerhaltungsrücklage in der derzeitigen Form“ zu verabschieden“

12/2015, Landessynode Württemberg

Michael Fritz (Ludwigsburg) sagte, dem Finanzausschuss sei es wichtig, auch „Dinge wegfallen zu lassen, die uns nichts bringen“. So hätten sich beispielsweise die im Haushaltsrecht vorgeschriebenen „Bausteine“ als „mühsam und papierreich,aber in Aufwand und Nutzen nicht realistisch  dargestellt“. Zudem rief er dazu auf, sich vom „Konstrukt der Substanzerhaltungsrücklage in der derzeitigen Form“ zu verabschieden: „Wir sollten auf die Buchung von Abschreibungen und eine entsprechende Darstellung des Vermö­ gensverzehrs übergehen.“ Kai Münzing (Dettingen/Erms) forderte parallel zur Einführung des neuen Rechnungswesens auch eine Verwaltungsstrukturreform, weil nebenberufliche Kirchenpfleger damit an ihre Grenzen kämen: „Wir müssen uns überlegen, ob wir es uns dauerhaft leisten wollen, Systeme zur Verfügung zu stellen, die nur kirchliche Strukturen abbilden und die Kosten verteuern.“ Dem widersprach Tobias Geiger (Filderstadt): „Mir wäre sehr recht, wenn wir weiterhin vor Ort qualifiziert ausgestattete Kirchenpflegerstellen besetzen könnten.“ Der Gesetzesentwurf wurde zur weiteren Beratung
einstimmig in den Rechtsausschuss verwiesen; …

Mehr dazu vgl. S. 8 (Haushaltsbausteine vor dem Aus)

EKD gibt in der jüngsten Statistik von 2015 die Anzahl der Gebäude der Kirche mit Zahlen von 1994 an!

EKD: Zahlen und Fakten zum kirchlichen Leben, 2015; hier: kirchliche Gebäude, vgl. S. 34

von Friedhelm Schneider

Bei der Zahl der kirchlichen Gebäude wird im aktuellen Bericht von 2015 der EKD differenziert nach Kirchengebäuden und sonstigen Gebäuden.  Für Kirchengebäude werden die Zahlen auf der Basis der Statistik von 2013 angegeben. Das kann man akzeptieren.

Die Anzahl der sonstigen kirchlichen Gebäude (also: Gemeindehäuser, Kindergärten, Pfarrhäuser etc.) hingegen wird angegeben auf der Basis von 1994 !

Die Angabe wird wiefolgt kommentiert: „Für ihre vielfältige Arbeit benötigt die evangelische Kirche eine Vielzahl unterschiedlicher Gebäude. 75 000 Kindergärten, Pfarrhäuser, Kirchen und Kapellen stehen dafür zur Verfügung…“

75000 – das war einmal. Und das war, bevor die Kirchenleitungen – extern „beraten“ – den massiven Abbau der Gebäude beschlossen. Die Maßgabe in einem „Gebäudestrukturplan“ der Kirchenverwaltung lautete etwa in der EKHN schon 1998: Abbau von 20% der Gebäude. Da die Gemeinden diesen Vorstoß schlicht ignorierten, konnte er zunächst nur geringe Wirkung erzielen. Da kommt es gelegen, dass die Kirchenleitungen mit der Doppik ein neues Druckmittel zur Beschleunigung des Gebäudeabbaus, ein neues Instrument und Argumentationsmuster in der Hand haben, das Argument des Ressourcenverbrauchs. Umgesetzt und zum Druckmittel gegen gebäudebesitzende Einrichtungen wird es dadurch, dass die technische Veraltung der Gebäude pauschal monetarisiert und – sagen wir mal flapsig – den Gemeinden bzw. Einrichtungen jährlich in Rechnung gestellt wird. Eine Pfarrerin der pfälzischen Landeskirche, die diese Praxis anhand der Ergebnisse ihres Haushaltes darstellte, erklärte: vor der Anrechnung der Abschreibung hatten wir im Haushalt unserer Gemeinde stets ein Plus von ca. 8000 bis 9000 € p.a., nach Berücksichtigung der Abschreibung aber ein Minus von ca. 22000 bis 23000 €. Ergebnis: die Gemeinden werden auf diese Weise gezielt und flächendeckend arm gerechnet. Und was frühere Pläne (wie der Gebäudestrukturplan) nicht schafften, schaffft die Doppik. (Dass eine tatsächliche Abnutzung stattfindet, die sich aber anhand der realen Daten und Prozesse in den Gemeinden ganz anders darstellen, sei erwähnt. Es gibt ein Thema, und das Thema muss gelöst werden. Aber es muss anders als durch bürokratischen Kahlschlag im Gebäudebestand, es muss intelligent gelöst werden.)

Oftmals handelt es sich mit der Anwendung des Ressourcenverbrauchskonzepts auf die Gemeinden zusätzlich um eine – von der Synode nicht diskutierte – Änderung des Zuweisungssystems. Denn die Gebäudelasten von Gemeindegebäuden wurden in vielen Landeskirchen zuvor aus dem landeskirchlichen, nicht dem gemeindlichen Säckel, bedient. Oder es gab Mischkonstruktionen, wie etwa in der EKHN, wo die Landeskirche 2/3, die Gemeinde aber nur 1/3 der Kosten der Großen Bauunterhhaltung zu tragen hatte. Diese Kosten werden durch die den Gemeinden aufgedrückten Lasten der Abschreibungen auf Gebäude nun auf die Gemeinden abgewälzt. Folge: diese Mehrbelastung können die Gemeinden nicht mehr tragen. Um rechnerisch eine ausgeglichene Bilanz nachzuweisen, sehen sie sich gezwungen, Gebäude zu verkaufen. In der EKiR, der Musterreformkirche nach EKD-Muster, kann man die Ergebnisse anhand eines stark reduzierten Abbaus an Gebäuden von Gemeinden und Einrichtungen schon sehr deutlich ablesen. Dass es sich hier in wenigen Fällen um ein sinnvolles Abstreifen wirklicher „Lasten“, in vielen Fällen aber um eine Vergeudung von Potenzialen handelt, ist offensichtlich.

Die Aktualisierung der Anzahl der Gebäude in der Statistik der EKD ist also aus der Sache überaus wünschenswert. Die Aktualisierung ist aber zur Demonstration der Funktionsfähigkeit der EKD- Administration unerlässlich:

Unsere Frage an die EKD- Statistik: ist sie in der Lage, Zahlen zu den Gebäuden zu liefern, die nicht älter als 2 Jahre sind? Oder jedenfalls Zahlen, die nicht aus dem Jahr 1994 stammen, also älter als 20 Jahre sind und mit denen niemand etwas anfangen kann?

Doppik: Leichter „Silberstreif am Horizont“ bei strukturellem Defizit. Oder: der Blick durch die rosarote Superintendentenbrille in der EKiR.

07/2015

Einen leichten „Silberstreifen am Horizont“ gibt es in der Einführung des „Neuen kirchlichen Finanzwesens“ (NKF) im Evangelischen Kirchenkreis An der Agger mit seinen 26 Kirchengemeinden. Diese Einschätzung vertrat jetzt Superintendent Jürgen Knabe auf einer Synodalversammlung in Oberwiehl vor Vertretern der Kirchengemeinden und ihren kreiskirchlichen Einrichtungen….

Das strukturelle Defizit verzeichnet der Kirchenkreis trotz sorgfältigen Wirtschaftens. Um eine Prioritätendiskussion komme der Kirchenkreis aber wohl nicht herum, sagte Michael Kalisch, Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Wiedenest. Zum Artikel.

Wirtschaftsnobelpreisträger Joseph Siglitz zu „Fesseln der Buchführungssysteme“. Parallelen zu kaufmännischen Systemen. Oder: Gefahren der Doppik in der Kirche.

07/2015

Joseph Stiglitz zu staatlichen Buchhaltungssystemen (in: Chancen der Globalisierung, 2006, S. 200)

„Die Buchführung ist wichtig, weil sie Entscheidungen beeinflusst… Orientieren sich Länder stärker am grünen NSP (grünes Nettosozialprodukt), würden sie mehr für Umweltschutz ausgeben… Auch die Berechnungsweise von Defiziten muss geändert werden… die insbesondere jene Fälle vermerken, in denen Verkäufe von Vermögenswerten … in irreführender Weise dazu benutzt werden, die Defizite  niedriger erscheinen zu lassen, als sie tatsächlich sind. Länder können ihre Defizite verringern, in dem sie Wälder abholzen, Staatsvermögen verkaufen oder ihre natürlichen Ressourcen zu einem Bruchteil ihres vollen Wertes zu verschleudern. … Um den Fesseln der Buchführungssysteme zu entgehen, privatisieren viele Länder zu ungünstigen Bedingungen, so dass sie sich, völlig unnötig, selbst arm machen und ihre Zukunft gefährden.“

Über die Gefahren der Doppik hinsichtlich ihres Informationsgehaltes hatten wir in den Wort-Meldungen schon des Öfteren berichtet. U.a. auch anhand der Ausführungen von Koryphäen der Managementlehre wie Fredmund Malik (St. Gallen) oder Harvard-Prof. George Sandel.

Wir führen diese grundsätzlichen Betrachtungen hier fort mit Aussagen des Nobelpreisträgers Joseph Stiglitz zu volkswirtschaftlichen Systemen. Die Erkenntnisse können aber ohne größere Abstriche auf die Kirche und das kirchliche Buchhaltungssystem übertragen werden.

Die Frage ist: wie wird ein Schuldner zur Herausgabe seines Vermögens getrieben? Nun waren Kirche (und Gemeinden) bislang keine Schuldner. Ein reales Defizit (etwa an Liquidität) bestand nicht und besteht nicht: noch sprudeln die Kirchensteuereinnahmen.

Damit das System funktioniert, muss das Defizit also zunächst noch geschaffen werden. Und da kommt das Buchhaltungssystem ins Spiel. Die Kameralistik gibt das nicht her. Zu diesem Zweck braucht es die Doppik. Jetzt braucht es Abschreibungen auf vorher mit großem Sielraum festgelegte Immobilienwerte. Und jetzt droht das rechnerische Defizit. Die solcherart arm gerechneten Einrichtungen oder Gemeinden müssen dann genau das tun, was auch Staaten (vom IWF) abverlangt wird: sie müssen ihre Defizite verringern, indem sie Kirchenvermögen verkaufen. Genau das ist landauf-landab in der Kirche geschehen, etwa flächendeckend in der EKiR schon heute sichtbar mit Gemeindeimmobilien, oder in mehr oder weniger allen Landeskirchen mit Tagungshäusern aller Art. Damit wurden nun aber weder die realen immobilienwirtschaftlichen Aufgaben in den Blick genommen, die ein echtes Controlling hätte erstellen können. Noch kamen die wahren „Defizite“, die eigentlichen Probleme der Kirche in den Blick. Ganz im Gegenteil.
Erstaunlich: dass selbst ökonomische Laien allein mithilfe des gesunden Menschenverstandes die Problematik erkennen konnten, wenngleich ihnen die Worte fehlten, das Problem zu verbalisieren. Daher hat die Kirche weit in die Basis hinein Vertrauen durch falsches Management, basierend auf einem falschen Buchführungssystem, verspielt.
In Landeskirchen, die die Doppik noch nicht eingeführt haben, die also noch im status problembehafter Piloten sind, wie etwa die EKHN, ist man sich dieser eigentlichen Problematik offensichtlich noch immer nicht bewusst. Hier sorgen bislang allein grobe handwerkliche Schnitzer bei der Implementierung für Frust.  Aber das dicke Ende wird erst noch kommen. Wenn die neue Buchhaltung Doppik Verkaufsentscheidungen von Vermögen (Gebäude, Grundstücke) erzwingt für Defizite, die allermeist nur in den Büchern stehen.

Am Erstaunlichsten von allem: die Kirche hat sich diese Fesseln selbst angelegt. Und für die eigenen Fesseln auch noch Unsummen an Kirchensteuermitteln verschwendet. F.S.

 

Finanzminister Christian Görke, Brandenburg: Doppik „sehr aufwendig“ und „weniger transparent als kamerale Haushalte“

eingestellt 07/2015; aus: Behördenspiegel 07/2014

„Keine unmittelbaren Vorteile“ – Doppik „sehr aufwendig“ und „weniger transparent als kamerale Haushalte“.  Der vollständige Text des Interviews.

Doppik in EKHN: Mehrkosten, Intransparenz, Frust: Doppik-Einführung in der EKHN legt Fehlstart hin. Wachsames Dekanat legt Finger in Wunden.

05/2015, von Roland Wolewski

Der ambitionierte Zeitplan für die flächendeckende Einführung der Doppik in der EKHN ab 2016 scheint zu scheitern! Daran konnte auch die hochgelobte, jedoch teure Software mit dem verheißungsvollen Namen „MACH“, was ja irgendwie nach Schnelligkeit und Überschallgeschwindigkeit klingt, nichts ändern – im Gegenteil: MACH scheint mit ein Grund des Absturzes zu sein.
Eigentlich sollte auf der EKHN-Frühjahrssynode (23. – 25.04.2015) das Thema „Doppik“ nur versteckt im schriftlich vorgelegten „Bericht der Kirchenleitung“ unter vielen anderen Themen möglichst geräuschlos abgehandelt werden. Doch dank der Fragen zweier Synodaler in der sog. „Fragestunde“ musste die Kirchenleitung nun doch öffentlich einräumen, dass der avisierte Zeitpunkt einer flächendeckenden Einführung der Doppik ab 2016 wahrscheinlich nicht zu halten ist.
Sogar die von Haus aus kirchenleitungsfreundliche Evangelische Sonntagszeitung berichtet in ihrer Ausgabe am 3.5.2015 in einem eigenen Artikel „Doppik kommt wohl erst später“ über die Missstände:
„Die Software ist fehlerhaft und störanfällig, es werden weiterhin Papierbelege benötigt, weil das Scannen und digitale Verarbeiten nicht funktioniert – die zum 1. Januar 2016 geplante flächendeckende Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in der hessen-nassauischen Kirche muss wegen zahlreicher Pannen in der Testphase vermutlich um mindestens ein Jahr verschoben werden. Finanzdezernent Heinz Thomas Striegler erklärte in der Fragestunde der Synode, wegen der bisherigen Erfahrungen mit der Doppik in zwei Regionalverwaltungen sei ein Festhalten am Termin „nicht zu verantworten“.
Ein hinzugezogenes Beratungsunternehmen habe klargestellt, dass für ein derartiges Vorhaben in der Regel mehr Personal und Zeit erforderlich seien, als von der Kirche zunächst vorgesehen. Vermutlich werde die mit insgesamt neun Millionen € veranschlagte Einführung der doppelten Buchführung nun eine Million € teurer. Der Software-Lieferant habe Vertragsstrafen zahlen müssen, deren Höhe Striegler nicht bezifferte. Wenn alles funktioniere, werde der Aufwand für die Gemeinden aber im Vergleich zum bisherigen System auf ein Viertel reduziert, versicherte er.“
Da bleibt manches im Trüben – von Transparenz kann man nur bedingt sprechen. Auf die schriftlich eingereichte Frage eines Synodalen, was das Projekt Doppik bisher gekostet hat, wurden 3,68 Mio € beziffert.
Jedoch: Kann das stimmen bei den jetzt evident gewordenen Problemen und Verzögerungen? Wieviel hat eigentlich das extra hinzugezogene Beratungsunternehmen verlangt für seine in der Tat weise, aber nicht neuwertige, sondern durchaus zu erwartende Erkenntnis, dass hier personell, finanziell und zeitlich deutlich fehlgeplant wurde und die von der Synode beschlossenen neun Mio € nicht reichen werden? Wann wird Herr Striegler (oder aus optischen Gründen eine von ihm gebriefte, freundliche, hübsch anzusehende Dame seines Hauses wie bei der Grundsatzentscheidung zur Doppik) vor die Synode treten, um bedeutungsschwanger mit beeindruckendem medialen Einsatz bunt glitzernder Präsentations-Charts auf der Großbildleinwand weitere Millionensummen beschließen zu lassen? Vermutlich wird er dies wohlweislich erst vor der neugewählten Synode ab 2016 tun, dann erinnern sich nämlich nicht mehr allzu viele Synodale daran, mit welcher Euphorie und mit welchen Heilsversprechungen die Kirchenleitung das Projekt Doppik trotz ernstzunehmender Warnungen einst der Synode für „nur“ neun Millionen Euro „verkauft“ hat.
Interessant und hilfreich für ein transparentes Vorgehen wäre es auch, zu erfahren, wie hoch die angesprochene Vertragsstrafe für die Softwarefirma MACH ausgefallen ist. Tatsache ist nämlich, dass die ganze jetzt evident werdende Problematik bei der Doppik-Einführung nichts Neues ist. Die EKiR hat diese Erfahrungen mit MACH bereits schmerzhaft hinter sich, verbunden mit extrem steigenden Ausgaben. Unwidersprochen stehen dort mittlerweile 60 Mio. € Einführungskosten im Raum. Aber anstatt seitens der EKHN daraus die Konsequenz zu ziehen und abzuwarten, wie sich das Projekt mit Hindernissen in der Nachbarkirche entwickelt, tappen die EKHN-Verantwortlichen blindlings in dieselbe Misere und verbrennen ohne Not Kirchensteuermittel in Millionenhöhe. Man kann verstehen, dass diese Tatsache nicht unbedingt in die Öffentlichkeit gelangen sollte, denn nach der Tebartz-Affäre sind auch die ev. Christen wacher und sensibler geworden, was mit ihren Geldern geschieht, die sie ihrer Kirche anvertrauen. Ein Doppik-GAU scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein, auch wenn Herr Striegler tollkühne Behauptungen aufstellt, dass sich der Aufwand für die Gemeinden schlussendlich auf ein Viertel im Vergleich zum bisherigen System reduzieren wird. Das Ganze erinnert an einstige Beteuerungen, dass sich der GAU in einem Atomkraftwerk statistisch wohl kaum einzustellen wird. Wohin sich jedoch die vermeintlich sichere Atomkraft entwickelt hat, wissen wir alle seit Fukushima – wohin sich die Doppik zu entwickeln droht, das zeigen die Erfahrungen in der Rheinischen Kirche oder auch im kommunalen Bereich. Der Bericht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz von 2008 (!) „Orientierungsprüfung Kommunale Doppik“  spricht Bände. Vielleicht wäre es für Herrn Striegler und seine Mitarbeitenden angesagt, sich diesen Bericht zu Gemüte zu führen, um sich die Augen öffnen zu lassen. In seinem Kommunalbericht bilanziert der Rechnungshof übrigens ein Jahr später (S. 51): „Sowohl die Orientierungsprüfung „Kommunale Doppik“ als auch die Querschnittsprüfung „Kommunale Eröffnungsbilanzen“ zeigten, dass die Einführung und auch die Umsetzung des neuen Rechnungswesens erhebliche personelle und sachliche Ressourcen binden und zu teilweise beträchtlichen zusätzlichen Aufwendungen für Personal, Schulungen sowie Hard- und Software führten. Die mit der Doppik erwartete Verbesserung in der Steuerung und Transparenz der kommunalen Haushalte hat sich hingegen bei den meisten Kommunen bisher noch nicht oder allenfalls ansatzweise eingestellt.“
Jedenfalls fragt man sich angesichts dieser Erkenntnisse, wann der Tag kommen wird, den Herr Striegler schon so eisern und heilsversprechend im Blick hat: „Wenn alles funktioniere…“ Da werden noch manche schmerzhafte Naherwartungsverzögerungen zu verkraften sein – nicht zuletzt auch pekuniär. Bis dahin gilt es deshalb, den neutestamentlichen Ratschlag nicht aus dem Blick zu verlieren: „Seid wachsam!“
In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass nicht nur die beiden Synodalen das Thema für die Fragestunde der Synode aufgegriffen haben, sondern sich auch die Dekanatssynode des Dekanates Bergstraße entsprechend positioniert hat.
In einem Antrag an die Kirchensynode heißt es: „Die Kirchenleitung soll einen Bericht über die Einführung der Doppik vorlegen.“
Zudem lauten weitere Anträge:

Bildschirmfoto vom 2015-05-09 21:04:38
Sind wir also gespannt, wie die Synode nun reagiert. Noch ist es nicht zu spät – besser jetzt ein Stopp, als weitere Millionen zu verpulvern. Der „Point of no return“ ist nicht mehr allzu weit entfernt. Und dann wird es richtig teuer! Da wird anstatt Reduzierung Erhöhung angesagt sein. Und ein Viertel von neun Millionen (2,25 Mio.) wird auch Herrn Striegler als Nachschlag bei weitem nicht reichen. Und das bei, seiner Aussage nach, sich nur seitwärts entwickelnden Kirchensteuereinnahmen…

Doppik in der ELK Bayern: Die Frage, ob der Erkenntnisgewinn den damit verbundenen Aufwand rechtfertigt, bleibt aus Sicht der Pfarrer-Kommission offen. Pilotprojekt für Kirchengemeinden.

05/2015

…Die Neufassung der Kirchlichen Haushaltsordnung (KHO) – trotz ihres Namens ein Gesetz – wurde von Dr. Kranjcic vorgestellt, der sich sehr bemühte, die Vorteile der Doppik in der Fassung des Handelsgesetzbuches auch für Nicht-Buchhalter verständlich zu erläutern. Die erneute Umstellung verzichtet endgültig auf kamerale Elemente und verlangt damit von allen »eine neue Denke«. Die bisherigen Rücklagen werden z.B. vollständig abgeschafft. Auch die Buchungszeitpunkte verändern sich. Die Frage, ob der Erkenntnisgewinn den damit verbundenen Aufwand rechtfertigt, bleib aus Sicht der Kommission offen.

Neue Erkenntnisse über die Umsetzung der Doppik im Bereich der Kirchengemeinden und der mittleren Ebene erwartet man sich vom »ergebnisoffenen Feldversuch« in Augsburg. Hier soll gestuft und über zwei Jahre gestreckt ausprobiert werden, was sich wie am besten umsetzen lässt. Die nötigen Verordnungen und Handlungsanweisungen können dann passgenau (neu) geschrieben werden. Das gibt dem System die nötige Flexibilität und allen die Möglichkeit, Regelungen nochmals zu überdenken. Allerdings stellt auch Herr Dr. Kranjcic die Frage, ob auf allen Ebenen Mitarbeitende sind, die die nötige Ausbildung bzw. die Kompetenzen mitbringen um das neue System umzusetzen.  Lesen auf S. 15f

Liegt der Wert des Kirchengebäudes bei 1 € oder bei 1 Mio. €? Die Doppik antwortet völlig unzureichend auf Fragen, die nie ein Gemeindeglied je gestellt hat. Zur Promotion des Wirtschaftsprüfers Daniel Wolf .

05/2015, epd

Auch nach ihrer Finanzreform wird niemand genau wissen, wie viel das Vermögen der Evangelischen Kirche wert ist.

Doch auch nach Einführung der „Doppik“ werden die Kirchenfinanzen zu einem guten Teil undurchsichtig bleiben, meint Wirtschaftsprüfer Wolf. Und: „Das Vermögen einzelner Landeskirchen wird definitiv nicht miteinander vergleichbar sein.“

Wolf hat jüngst eine Doktorarbeit veröffentlicht, in der er die Einführung der Doppik in der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) analysiert. …Sein Fazit: die Reform macht die Kirchenfinanzen zwar transparenter. Einen realistischen Einblick in die kirchliche Vermögenslage bietet sie aber nur bedingt.

Hauptgrund dafür: Zwar hat die EKD 2006 eine Richtlinie über die Einführung der Doppik erlassen. Diese lässt den Landeskirchen aber große Spielräume, wie sie ihr Vermögen bewerten. Das gilt vor allem für den wichtigsten Posten: die Immobilien. Rund 75.000 Gebäude besitzt die Evangelische Kirche deutschlandweit, gut 20.000 davon sind sakrale Bauten, also Kirchen und Kapellen. Um ihren Wert festzustellen, können die Landeskirchen verschiedene Methoden wählen…

In seiner Doktorarbeit führt der Ökonom ein Beispiel an, wonach dieselbe Kirche in den Bilanzen verschiedener Landeskirchen mal mit einem Euro auftauchen würde, mal mit einer Million – je nach Bewertung. „Vergleichbarkeit“, sagt Wolf, „sieht anders aus.“ Dabei räumt der Betriebswirt ein, dass sich Kirchen nicht ohne weiteres verkaufen lassen. Das aber spiele bei der Bilanz eine untergeordnete Rolle: „Sie soll zeigen, wie viel Vermögen investiert wurde und wo das Kapital gebunden ist.“…  Zur Quelle.

Anm. F.S. : Die Frage ist weniger, dass die Ergebnisse der Landeskirchen nicht vergleichbar sind. Insofern greift die Promotion deutlich zu kurz. Die Frage lauten vielmehr:

1. macht es Sinn wie im Falle kirchlicher Immobilien mit hohem Aufwand Vermögenswerte zu ermitteln, die letztlich frei definierbar, also beliebig, sind. Bischof Bedford-Strohm in dem aktuellen Bericht zur Synode der ELK Bayern“Das Vermögen der Kirche” im Sinne eines einheitlichen verfügbaren Vermögensbestandes gibt es nicht. Nehmen wir allein die Immobilien: Der Wert dieser Gebäude ist nur schwer bezifferbar. Kirchengebäude haben in der Regel keinen realen Handelswert.“ Es ist mittlerweile also jedem klar, dass „auch nach ihrer Finanzreform … niemand genau wissen (wird), wie viel das Vermögen der Evangelischen Kirche wert ist.“

2. macht es Sinn mit hohem Aufwand für die interne Steuerung der Kirche unbrauchbare Werte zu ermitteln, die kein Gemeindeglied je interessiert hat. Mehr noch: die Gemeindeglieder nachhaltig irritieren. Nimmt man also die Menschen wieder in den Blick, wie etwa der badische Bischof Cornelius-Bundschuh im jüngsten Synodenbericht von Landesbischof ist entsprechend die Kirche nicht in Bezug auf ihren Geldwert wie bei der Doppik/NKF bedeutsam, sondern in Bezug  auf den Symbolwert des Gebäudes und Kirchenraums. Eine Erkenntnis, die wahrlich nicht neu ist, vgl. z.B. „Kirchliches Immobilienmanagement“, Darmstadt 2004.

Kurz: in der Kirche angewandt ist die Doppik/NKF also geeignet, falsche Fragen in den Raum zu stellen – und diese dann auch noch  unzulänglich, nämlich mit riesigen Bewertungsspielräumen zu beantworten. Die Resultate: Fehlallokation von Mitteln führen zu Irritationen bei Gemeindegliedern (Ökonomisierung), Frust und  Überforderung bei den Mitarbeitenden (Selbstbeschäftigung) und Verfehlung der eigentlichen Aufgabenstellung „Kommunikation des Evangeliums“.

Prof. Traugott Jähnichen (Bochum) und OKR Dr. Arne Kupke (Bielefeld) diskutierten über den Einfluss der Doppik (NKF) auf das kirchliche Leben und die Praxis im Pfarramt.

03/2015, Kirchenbunt

Wie wird sich die geplante landeskirchenweite Einführung der kaufmännischen Buchführung (Doppik) auf das kirchliche Leben und die Praxis im Pfarramt auswirken? Um diese Frage stritten Dr. Arne Kupke, juristischer Oberkirchenrat (EKvW Landeskirchenamt, Bielefeld), und Prof. Traugott Jähnichen, Lehrstuhl für christliche Gesellschaftslehre (Uni Bochum), auf der Pfarrkonferenz im März 2015.

Zahlreiche Mitglieder der Pfarrkonferenz bezweifelten die Vorteile des NKF. Es sei nicht absehbar, wie teuer die Umstellung und der Betrieb wären, wie sich die Bilanzierung verbessere, wo der „Erkenntnisgewinn“ liege.

Jähnichen meldete Zweifel an, ob die ökonomischen Begrifflichkeiten von Effizienz und Effektivität auf Kirche übertragbar seien. Die formalen Ziele träfen im Verständnis der missio dei („Gottes Mission“) auf eine Sperre. Es sei durchaus sinnvoll sich über kirchliche Selbst- und Fremdwahrnehmung Gedanken zu machen, wenn man frage, „wie stelle ich mich als Kirche öffentlich dar?“. Problematisch seien die ökonomischen Momente von Top-Down-Steuerung, die der Netzwerkstruktur von Kirche entgegenständen. Nach reformatorischem Verständnis sei die evangelische Kirche antihierarchisch konzipiert. Daher sei die Frage zu stellen: „Wo stärken wir ohne Not die Hierarchie?“. Stattdessen rief er auf, das „Pfarramt und die Gemeinden“ zu stärken. „Jeder Pfarrer steht dann auch dafür ein, dass Koinonia (Gemeinschaft) in seiner Gemeinde lebendig ist“. Mehr dazu.

Doppik/NKF: Was mit so edlen Idealen gestartet war, hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem nicht mehr zu durchschauenden, völlig überbürokratisierten, die Gemeinden in ihrer Existenz gefährdenden und die Mitarbeiter der Verwaltung an den Rand des Wahnsinns treibenden Moloch entwickelt.“

23.03.2015, Kirchenbunt, Eine Kirchengemeinde redet Tacheles

Die Ev. Kgm. Rheinberg (Kirchenkreis Moers) ist in eine finanziell schwierige Lage geraten. Unter der Überschrift “Nichts wird so bleiben wie es ist” werden in der aktuellen Ausgabe des Gemeindebriefes dafür drei Gründe (“Knebel”) konkret benannt: 1. das Kinderbildungsgesetz des Landes NRW (KiBiz), 2. die Verwaltungsstrukturreform und 3. das Neue Kirchliche Finanzmanagement. Bitteres Fazit der Gemeinde: “Das Land NRW, die Landeskirche, der Kirchenkreis rauben den Gemeinden die finanzielle Luft zum Atmen”.

Daraus zum Thema Doppik/ NKF:

Was mit so edlen Idealen gestartet war, hat sich im Laufe der letzten Jahre zu einem nicht mehr zu durchschauenden, völlig überbürokratisierten, die Gemeinden in ihrer Existenz gefährdenden und die Mitarbeiter der Verwaltung an den Rand des Wahnsinns treibenden Moloch entwickelt. Das sogenannte „Neue kirchliche Finanzwesen“ hat praktisch über Nacht dazu geführt, dass unsere Kirchengemeinde aufgrund von Gebäudeabschreibungen und Zwangsrücklagen und Zwangspauschalen ein unglaubliches Defizit aufhäuft, obwohl sich an der sparsamen Ausgabepolitik und an der konkreten Arbeit vor Ort nichts geändert hat.

Das „NKF“ fördert tote Steine, und leblose Dinge und verhindert damit, dass wir den Aufgaben unserer Kirchengemeinde wie Verkündigung, Seelsorge, Unterricht und die Begleitung von Alten und Kindern nicht mehr sachgemäß nachgehen können. Rechnet man alle Abschreibungen und Rücklagen zusammen, so finden wir unter dem Strich eine Summe von gerade einmal 49.000 € an freien Mitteln vor, um alle unsere Aufgaben zu erfüllen – zu wenig zum Leben und zu viel zum Sterben.