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Thema des Monats

Orientierung der Steuerung an Finanzgrößen (Thema des Monats)

Bei den neoliberalen Reformen fällt die starke, fast ausschließliche Orientierung an Finanzgrößen auf. Sie sollen die Steuerung auf Kurs bringen. Dazu sind sie aber nicht geeignet. Insofern muss der Versuch misslingen. Denn die Finanzgrößen sind Teil der operativen, der kurzfristigen Steuerung. Strategische, langfristige Steuerung basiert hingegen auf anderen Größen, sog. Orientierungsgrößen.

Kirche

In der Kirche stammen solche strategischen Orientierungsgrößen klassischerweise aus der Theologie und/oder der Soziologie. Bis Anfang der 90er Jahre bestimmten diese konzeptuell die Steuerung in der Kirche. Das letzte Große Zeugnis dafür ist die EKHN- Reformschrift „Person und Institution“ aus dem Jahr 1992.

Wir hatten auf den Sachverhalt der Zugehörigkeit des Finanzwesens zur operativen Steuerung in einer früheren Ausgabe der Wort-Meldungen schon einmal hingewiesen. Wir verweisen hier noch einmal auf den Text und insbesondere die entsprechende Grafik der Managementtradition von Gälweiler (St. Galler Schule), vgl. S. 3 des Beitrags.

Entscheidend sind die Konsequenzen, die aus dieser Erkenntnis zu ziehen sind. Die Konsequenz lautet schlicht: die Theologie, sprich: die Theologen, die Bischöfe, die Kirchenpräsidenten, die Präses, dürfen sich nicht länger hinter den „alternativlosen“ Vorgaben der Finanzabteilungen oder mit externen Beratern besetzten Reformzirkeln verstecken. Sie, die Theologen und nicht irgendwelche Kirchenjuristen sind zuständig für die strategische Steuerung. In Managementsprache: sie sind zuständig für die Effektivität. Die Finanzdezernenten hingegen sind „nur“ für die operative Steuerung, für die Effizienz, zuständig. Dabei verstehe man das in Anführungszeichen gesetzte „nur“ nicht falsch. Namentlich im Bereich des Immobilienmanagements oder der Verwaltungstätigkeiten selbst, tut Effizienz immer noch Not. Auch die Frage nach dem angemessenen Rechnungswesen (NKF?) oder nach der Anlagenpolitik braucht ganz offensichtlich neues Nachdenken und neue Impulse und fordert also Aufmerksamkeit. Baustellen gäbe es also im originären Sektor der Finanzdezernate wahrlich genug.

Die Fragestellung der Effizienz ist hingegen bei der Arbeit mit Menschen selbst, also bspw. In der Seelsorge, aber auch der Pädagogik weitgehend unangemessen. Weswegen die an Effizienzgesichtspunkten orientierten „Totalen Qualitatsmessungen“
auch immer wieder ins leere laufen oder völlig unbrauchbare Ergebnisse liefern. Vgl. bspw. das aktuelle Beispiel der Pflegeheime.

Richtiges Management, etwa im Sinne Gälweilers, ordnet also die Bedeutung des Finanzwesens und die Orientierung an Finanzgrößen in der Kirche (wie auch in allen Unternehmen) anders ein als neoliberale Ansätze. Als operative Steuerungsgrößen haben sie keine Priorität gegenüber der Theologie. Das ist es, was die Kirche heute von richtiger Managementlehre (wieder) lernen kann. Das ist nicht mehr, aber auch nicht weniger als die Aufforderung an alle Theologinnen und Theologen, die Leitung der Kirche nunmehr wieder selbst zu übernehmen. Finanzdezernenten, die einer solchen Managementlehre der St. Galler Schule zuzuordnen sind, erkennt man umgekehrt daran, dass sie sich selbstredend der strategischen Steuerung (der Theologen) unterordnen. Wo dies nicht geschieht, sind Managementprobleme in der Kirche zwangsläufig.

 

Gesundheitswesen

Wenn ärztliche Kunst nur noch Handwerk ist

Bernd Hontschik

…Über die Ethik in der Medizin ist so viel gedacht, geschrieben und gesagt worden, dass es ein Einzelner kaum überblicken kann. Ich möchte es kurz machen und den Kollegen Dittrich zitieren, der in seinem Grußwort zum Deutschen Chirurgentag geschrieben hat: »Wir Chirurgen, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, sollten uns darauf besinnen, dass es einen Patienten gibt, der sich mit seinem Leiden in unsere Obhut begibt und wir berufen sind, auf der Basis der Mystik des Arzt-Patientenverhältnisses mit dem Ziel der Heilung, Linderung oder Bewahrung vor Sekundärschäden, den Kern des Leidens zu diagnostizieren, konservative und/oder operative Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des Patienten abzuwägen und eine adäquate chirurgische Therapie bis zur Genesung durchzuführen bzw. zu gewährleisten.«

Schöner kann man es in dieser Kürze nicht sagen. In einem einzigen Satz ist fast alles auf den Punkt gebracht, was die chirurgische Ethik – wenn es denn eine gibt – ausmacht. Wer sich aber nun selber prüft und einmal ehrlich in sich hineinhört und diese Schablone auf den eigenen Arbeitsalltag legt, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, wird vielleicht ebenso wie ich empfinden: Dieser Satz ist inzwischen meilenweit vom chirurgischen Alltag entfernt, und täglich wird der Abstand zwischen Wunsch und Wirklichkeit größer… Lesen Sie den Artikel im Dt. Pfarrerblatt.

 

Organisationsveränderungen in neoliberalen Reformprozessen

Am Beispiel der Veränderungen in traditionellen Professionen zeigten sich die Einheitlichkeit des Reformprogramms wie auch der Folgen über die Professionsgrenzen hinweg. Diese Einheitlichkeit des Reformkonzeptes betrifft auch das Organisationsmodell und die Instrumente. Sie sollen ganz unterschiedlichen Institutionen – der Kommune, dem Staat, der Schule, der Universität, der Krankenkasse, der Kirche – übergestülpt werden. Unabhängig von den individuellen Problemen und Anforderungen. Am Beispiel der Struktur des neuen Steuerungsmodells hatten wir bereits früher dargestellt. Damit geht es bei den Reformen also nicht wie oft behauptet um individuelle Korrekturen von Schwachstellen zur Verbesserung des Steuerungssystems. Sonst wären die Lösungen individuell angepasst, wie das von ExpertInnen immer wieder gefordert wird.  Und zwar nicht allein auf der Ebene der jeweiligen Institution, sondern auch auf der Ebene von Einheiten innerhalb der Institution, wie z.B. der Kirchengemeinden. Die Generallösung hat also nicht den Zweck der Korrektur und Optimierung, Es geht um eine einheitliche Veränderung, es geht um die Transformation aller Institutionen. Sollte sich dieser Verdacht erhärten, dann  verbirgt sich hinter den sog. Reformen nichts anderes als eine Ideologie. Dann werden wir Fragen stellen müssen, wohin diese Ideologie die Gesellschaft führt. Und ob es für die Kirche zweckmäßig ist, in diesem Strom mitzuschwimmen.

Kapitaldeckung als Säule neoliberaler Organisationsreformen oder: die EKiR scheut keinen Konflikt

Die grundlegenden Institutionen im Staate Deutschland werden mit Beginn der sog. Reformprozesse einer grundlegenden Wandlung unterzogen.: das Bildungswesen in Schulen und Hochschulen, das Gesundheitswesen. Auch die Kirche macht mit. Dabei zeigen sich nicht nur vielfältige Parallelen, sondern ein einheitliches Muster wird sichtbar, das mit dem Stichwort „Neue Steuerungsmodelle“ bezeichnet werden kann.

In einem ersten Beitrag in den Wort-Meldungen stellten wird das Organisationsmodell in wesentlichen Aspekten dar.

Zu den neuen Steuerungsmodellen zählen auch die Doppik (bzw. NKF). Im Thema des Monats Mai haben wir Für und Wider ausführlich diskutiert. Fazit: viel Aufwand, wenig Nutzen. Vgl. dazu den Artikel des wohl bekanntesten Forschers in dieser Sache, Prof. Bogumil, Bochum im Dt. Pfarrerblatt. Wir erinnern daran, dass der Bund sich im Jahr 2009 – mit Unterstützung des IWF – gegen die Doppik/NKF und für die erweiterte Kameralistik entschieden hat. Dass selbst der Bund solche Unterstützung bedurfte mag anzeigen, wie stark der Druck auf die öffentlichen Institutionen ist, dies Reformprogramm vollumfänglich umzusetzen. Allein der Bund hat widerstanden.

Wie die Rezeptur für die institutionelle Transformation aussieht, kann bspw. im Gesundheitswesen am System der Krankenkassen abgelesen werden. Anzumerken ist, dass auch die Krankenkassen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden wie die Kirchen. Es sind genau die Themen, die aus der kirchlichen Reformdebatte hinlänglich bekannt sind.

Die entsprechenden Regelungen finden sich in SGB IV.

Rechnungswesen:

Dort wird in § 69 für das Rechnungswesen die Einführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie Kosten- und Leistungsrechnung sowie Benchmarking festgelegt. (Anmerkung: das ist durchaus in vielen Fällen hilfreich. Quantitative dürfen aber nicht über qualitative Fragestellungen dominieren. Nebenbei: solche Berechnungen des internen Rechnungswesens sind auch mit der Kameralistik darstellbar. Dazu braucht es also nicht die Doppik/NKF!).

Personalwesen:

Der Personaleinsatz ist nach diesen Anordnungen zu überprüfen und zu begründen. Dazu sind „anerkannte Methoden der Bedarfsermittlung“ anzuwenden. Ob solche „anerkannten Methoden“ auch bei der Bedarfsermittlung für Pfarrstellen – und die entsprechenden massiven, den Rückgang der Mitgliederzahl weit überschreitenden Stellenkürzungen angewandt werden? Da bei einem Anteil der Pfarrgehälter von max. ca. 20% am Haushaltsvolumen finanzielle Argumente nicht ziehen, liegt dies nahe. Dann sollten diese „anerkannten“ Methoden aber offen kommuniziert werden.

Kapitaldeckung:

Ein spannendes Thema behandelt § 80 SGB IV. Dort geht es um die Bildung von Rücklagen. Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen? Finanzieren sich die gesetzlichen Kassen nicht über die Beiträge? Ist nicht die Beitragsanpassung das notorische und adäquate Mittel dieses Systems, Schwankungen des Finanzbedarfs auszugleichen? In § 80 heißt es: „Die Mittel des Versicherungsträgers sind so anzulegen und zu verwalten… , dass ein angemessener Ertrag und eine ausreichende Liquidität erzielt werden.“ Die Praxis der Rücklagenbildung der Kassen bedeutet in der Praxis (wie in allen Formen von Kapitaldeckungen): die Beiträge müssen heute erhöht werden (sonst gäbe es ja keine Mittel, die in die Rücklagen fließen könnten), damit mit den entsprechenden Anlagen in Zukunft Erträge erwirtschaftet werden. Dies soll dann eine Rücklage leisten, die nach § 83 in Wertpapieren oder Aktien zu erfolgen hat. Angaben über das Volumen solcher Rücklagen sind nicht bekannt. Von Interesse ist, dass „Anschaffung, Verkauf, Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren für andere…ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Sinne von § 1 KWG“ ist (wikipedia). Selbstredend sind die nicht kostenlos, vgl. z.B. die Angaben einer Bank. Die Banken sichern sich also bei der Rücklagenbildung durch den Zwang der Anlageform Wertpapier in Verbindung mit dem Zwang zur Rücklagenbildung einen eigenen Anteil an Provisionen, die für die Aufgabenerfüllung der Institution nicht mehr zur Verfügung stehen. Von der Reform der Altersversorgung in der Agenda 2010 ist dies System bekannt. Die Privatisierung führt zum Zwang von Anlagen, für die Provisionen für die Banken anfallen. Mittlerweile ist u.a. durch Studien wie die von Stiftung Warentest bekannt, wie wenig effizient diese Art von „abgesahnten“ Finanzierungssystemen ist. Kurz: die Wirksamkeit der jeweiligen Institution wird geschwächt.

Spannend wird die Sache dadurch, da die Rücklagenbildung als Finanzierungsinstrument bei den Krankenkassen eigentlich nicht nötig ist – die Stellschraube sind ja die Beiträge und ggf. deren Anpassung an einen veränderten Bedarf (s.o.) – darf auf ein wichtiges systembildendes Element der Reformprozesse geschlossen werden: die Finanzierungssysteme sind so zu gestalten, dass die Banken einen Anteil des Mittelflusses der in den Institutionen vorhandenen Mittel umgeleitet wird zu den Banken. Das mögen im Einzelfall nur wenige Prozentpunkte sein, in der Summe aller betroffenen Institutionen, dürften aber ansehnliche Beträge entstehen.

Nach diesem etwas ausholenden Vorspann kommen wir nun zur aktuellen Fragestellung kirchlichen Finanzmanagements. Auch hier konstatieren wir eine verstärkte Anlagenpolitik. Rückstellungen für Pensionen waren schon immer üblich. Dabei waren große Teile umlagenfinanziert über die BfA. In der EKHN bspw. von 1975 bis 2003. Auch andere Landeskirchen haben an dieser Mischfinanzierung partizipiert. Der Ausstieg führte in der EKHN Synode nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen, sondern auch zum „Ausstieg“ des damaligen Fraktionsvorsitzenden des Landtages (SPD) Armin Klauss aus der EKHN-Synode. Seither werden die Pensionsverpflichtungen der EKHN vollständig durch entsprechende Kapitalanlagen gedeckt. Das Ziel liegt dabei um bis zu 15% über dem finanzmathematisch erforderlichen Soll (also: 115%).

Seit Kurzem werden in den Landeskirchen aber auch Rücklagen für andere Versorgungsleistungen wie Beihilfen gebildet. Begründet wird dies meist mit den Anforderungen der Doppik. Da die Kirche aber nicht nach HGB, nach dem Handelsgesetzbuch bilanzieren muss, kann sie die Regeln der Bilanzierung letztlich frei handhaben. Mehr noch: sie kann auf die Doppik selbst verzichten! Dennoch kann und sollte sie – in vernünftigem Umfang – Rücklagen bilden. Und hat dies bislang auch ohne Doppik getan! Insoweit sind solche Begründungen also nur vorgeschoben. Mehr Transparenz wäre angebracht!

Wo liegt aktuell das Problem? Das Problem liegt schlicht in dem zu leistenden Kraftakt, Mittel in erforderlicher Höhe für eine Kapitaldeckung der Beihilfeleistungen bereitzustellen. Wo Zahlen vorliegen, in der Württembergischen und Bayerischen Landeskirche etwa, bewegen sich die Summen bei ca. 60 % eines Jahreshaushaltsvolumens oder dort bei 300 bis 400 Mio. €. In Verbindung mit Regelungen, die das ambitionierte Ziel als höchstes Ziel priorisieren, kommt es zu grotesken Situtationen, wie Hans-Jürgen Volk für die EKiR beschreibt: „Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.“

Aus Sicht der betreffenden Institution Kirche ist die Verfolgung dieses Ziels in mehrfacher Hinsicht fraglich:

  1. beim Volumen der Beihilfeleistungen handelt es sich um Beträge, die von der Größenordnung immer auch vom laufenden Haushalt (also dem System „umlagenbasiert“) bestritten werden können. Wenn dies einmal nicht mehr möglich sein sollte, ist die Kirche ohnehin am Ende.
  2. Die Etablierung des kapitalgedeckten Systems führt heute zu Einschnitten (und damit zu Konflikten etc.), führt also heute zu Wirkungsverlusten der Kirche, die aus unterschiedlichen Gründen morgen ganz heftig auf die Kirche zurückschlagen werden. Wir werden dies Thema in einer späteren Ausgabe der Wort-Meldungen ausführlich behandeln!
  3. Die Kapitaldeckung birgt hohe Risiken, die die zunehmenden Börsencrashs belegen. Verlierer beim Crash 2007 waren überwiegend die meisten deutschen Landesbanken oder Banken, die im Staats- und Infrastrukturbereich tätig waren wie die HRE oder die IKB-Bank. Die meisten Landesbanken wurden danach aufgelöst oder von anderen übernommen. Die (Schulden der) HRE wurden verstaatlicht. Das könnte ein warnendes Beispiel sein und zur Frage führen, wer wohl das nächste Opfer der „Greater Fools Theory“ wird? Opfer sind ja offensichtlich überwiegend staatliche oder quasi-staatliche Einrichtungen. Man darf fragen: wer werden beim nächsten Crash die Opfer unter den öffentlichen oder quasi- öffentlichen Institutionen sein?
  4. Kapitaldeckung funktioniert logischerweise nur dann, wenn (real) Zinsen erwirtschaftet werden. Momentan liegen die Zinssätze bei derlei Anlagen aber auf einem historischen Tiefpunkt. Die Erträge erzielen kaum den Inflationsausgleich. Lebensversicherungen senken die Auszahlungsgarantien. Stiftungen kommen in Nöte wegen unzureichender Stiftungserträge.

Immerhin könnten auch ein Argument für Anlagen sprechen. Denn die Frage lautet ja: wie geht es volkswirtschaftlich weiter? Kommt ein neuer Bullenmarkt? Oder stehen die Zeichen auf Bärenmarkt? Letzteres scheint ernst zu nehmenden Experten wie etwa Prof. Fredmund Malik nicht ausgeschlossen. Er führt aus: „In einem solchen Szenario würde nicht mit Wachstum und latenter Inflationsgefahr kalkuliert, sondern mit Schrumpfung und Deflation. Man würde mit steigenden Zinsen rechnen, weil man die Möglichkeiten der Notenbanken geringer gewichten würde als die Folgen reihenweise fallierender Obligationsschuldner“ (Malik, Management, S. 142f. Das entsprechende Kapitel 8, aus dem dies Zitat stammt, werden wir in einer der kommenden Ausgaben der Wort-Meldungen mit freundlichen Genehmigung des Autors einstellen). Selbst wenn der Fall eintrifft, wiegt dies Argument dennoch nicht so schwer wie all die anderen genannten.

Resumee: die neoliberalen Reformprozesse haben institutionenübergreifende, einheitliche Kennzeichen. Dazu gehört ein spezielles Organisationsmodell, dazu gehören neue Finanzsteuerungsinstrumente, dazu gehört eine reduktionistische Personalpolitik (Personalabbau), und dazu gehören kapitalgedeckte Finanzierungsformen. Von letzteren profitieren mit Sicherheit die Banken, weniger die Kunden. Jedenfalls in den bekannten Beispielen.

Kirche schwimmt im Strom dieser neoliberalen Reformprozesse. Dass dieser Weg falsch ist, erkennt man daran, dass es überall in der Kirche knirscht. Richtiges, professionelles Management erkennt man aber daran, das man es genauso wenig spürt „wie einen perfekt passenden Schuh.“ (Malik, Management, S.65).

Nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer, auch die Mitglieder der Kirche haben an die Kirche andere Erwartungen als die billige Kopie von Downsizing-Konzepten aus der Wirtschaft oder – mittlerweile – anderer Institutionen. Man lese dazu den folgenden Beitrag des Finanzkirchmeisters Schröder der EKiR.

Was wäre die Alternative für die Kirche? Die Alternative besteht darin, ein individuelles, auf die spezifische Lage der (protestantischen) Kirche zugeschnittenes Reformkonzept. Keine Einheitslösung für alle Institutionen, die nachträglich an individuelle Bedürfnisse angepasst wird. Das wäre so als, ob man beim Schuhkauf den Fuß an den Schuh anpasst. Das wäre ein schmerzhafter Prozess. Zeugen solcher schmerzhafter Prozesse sind wir gerade auch in der Kirche. Bei einer Fortsetzung droht der Fuß der Kirche verstümmelt zu werden, bis er in den Schuh „Neoliberales Reformkonzept“ endlich hineinpasst.  Nach 15 Jahren „Reformen“ wird es daher Zeit, innezuhalten. Es braucht ein Moratorium. Und es braucht eine ehrliche, schonungslose Bilanz. Danach muss man sich der Mühe unterziehen, ein eigenständiges kirchliches Reformkonzept zu entwickeln. Dazu nur wenige Leitgedanken: Reformen dürfen nicht wie bisher hauptsächlich an Finanzgrößen orientiert sein, sondern an den Menschen. In der Kirche geht nicht nur oder primär um Kapital. Es geht in der Kirche um die ‚3 K‘: es geht um Köpfe, Konzepte, Kapital – und zwar in dieser Reihenfolge. Dieses Managementkonzept der 3 K schafft Platz, es verlangt geradezu nach der Basis der Theologie. Denn der Mensch steht an erster Stelle. Management und Theologie passen dann, aber auch nur dann, wieder gut zusammen.

 

Friedhelm Schneider

Ärztemangel auch in der Schweiz

Auch grosse Spitäler kämpfen zunehmend mit Problemen

Die Rede vom Ärztemangel ist nicht neu. Immer stärker erfasst das Thema nun aber auch die grossen Spitäler in der Stadt Zürich. Die zuständigen ärztlichen Direktoren sehen gerade auf leitender Ebene Probleme beim Besetzen offener Stellen.

Die Lage ist schwierig. Das meint Andreas Zollinger. Er ist ärztlicher Direktor am Stadtzürcher Triemlispital…

An der ganzen Situation frustrieren Zollinger insbesondere zwei Dinge. Erstens glaubt er, dass die Politik den Ernst der Lage noch nicht erkannt hat. Das werde gravierende Folgen haben: «In fünf Jahren werden wir darüber sprechen müssen, welche Leistungen wir mit dem vorhandenen Personal überhaupt noch erbringen können.»

Pfarrerzufriedenheitsstudien

Die erste Pfarrerzufriedenheitsstudie wurde beauftragt durch den Pfarrerausschuss der EKHN im Jahr 2000. Das Ergebnis im Jahr 2001 präsentiert.

Im folgenden die Ergebnisse der Zufriedenheit der PfarrerInnen der EKHN mit den diversen grundlegenden Gegenüber:

 

Bildschirmfoto vom 2013-07-20 17:07:56Das Ergebnis: 75% weniger oder nicht zufrieden mit der Kirchenleitung, 70% mit der Kirchensynode, 64% mit der Kirchenverwaltung! Namentlich für die Kirchenleitung war dies Ergebnis verheerend (s.o. Die Gesamtübersicht der Studie). Vorausgegangen waren einschneidende „Reformen“ der EKHN, die ein umfangreiches Downsizing-Konzept (Pfarrstellen, Gemeindepädagogenstellen, Finanzzuweisungen an die Gemeinden) beinhalteten. Entsprechend verheerend fiel das Ergebnis aus.

Eine spätere Studie der EKKW verlagerte den Schwerpunkt auf die

„Professionsbrüche im Pfarrberuf

Die von den Befragten empfundene Minderung gesellschaftlicher Wirksamkeit, geringeres gesellschaftliches Ansehen des Berufs und die Krise der Institution Kirche“ beeinträchtigen in nicht unerheblichem Maß die Zufriedenheit mit dem eigenen Beruf. Hinzu kommen die Kritik an den Arbeitsbedingungen sowie biografische Einflussfaktoren. Die Bedingungen in ihrer Gesamtheit erzeugen Rollenstress, erschweren somit die Ausbildung einer beruflichen Identität und führen zu Professionsbrüchen, die sich in der unterschiedlichen Akzeptanz von Berufsbildern und Zielvorstellungen aufzeigen lassen.“ Lesen Sie die Zusammenfassung.

 

Professionen – neue Diskussion über die jeweilige Berufsethik

In den Wort-Meldungen beschäftigen wir uns in dem Monatsthema mit den Umrüchen in den Professionen. Wir hatten wir berichtet, wie die Professionen angesichts der Ökonomisierung der Berufsfelder

– einem bashing von Arbeitgeberseite, Politik und Medien ausgesetzt sehen

– in Ihrem eigenen Fachgebiet entmachtet werden

– auf verschiedene Weise unter Druck gesetzt werden

In dieser Ausgabe soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern die Professionen durch die Veränderungen der Arbeitsfelder infolge der Ökonomisierung mit ihrem Gewissen in Konflikt geraten. Eine neue Diskussion über die jeweilige Berufsethik ist entfacht.

Pastorale Berufsethik

von Christian Buchholz (Evangelischer Pfarrverein in Württemberg

Vertrauensleuteversammlung; Bericht des Vorsitzenden )

 

Vor Kurzem habe ich einmal als Teil einer pastoralen Berufsethik formuliert:

Ich bin in und mit meinem Dienst für die Gesellschaft wie für den einzelnen Menschen wichtig. Synodale Gremien und Verantwortliche äußern sich mitunter abfällig über den Pfarrdienst. Die gesellschaftliche und mediale Öffentlichkeit sieht das anders: Ungebrochen ist die Akzeptanz meines Dienstes – mit seinen sozial-diakonischen, therapeutischen, kulturellen, pädagogischen, kommunikativen, ethischen …Dimensionen für die Mitmenschen und die Umwelt. Die hohe Verantwortung für die mir anvertrauten Menschen (bzw. für die, die sich mir anvertrauen) nehme ich als unschätzbares und sensibles Gut wahr, das auch mit der mich bindenden Gültigkeit des Beichtgeheimnisses zusammenhängt.“Lesen Sie den Vortrag.

Richterliche Ethik

Jetzt kommen die auch mit Ethik, mag manch einer denken. Eine verständliche Reaktion, hat der Begriff gerade in letzter Zeit große Konjunktur. Wir wollen nicht einer Modeerscheinung nachlaufen, aber die Diskussion mit den Kolleginnen und Kollegen in den letzten Jahren hat gezeigt, dass ein Bedürfnis besteht, sich auf den Kern des übertragenen Amtes zu besinnen, und dass wir allen Anlass haben, dem hohen Anspruch, mit dem viele ihre verantwortungsvolle Tätigkeit aufgenommen haben, wieder mehr Geltung zu verschaffen. Stellungnahme des Deutschen Richterbundes.

Medizin

Über die Ethik in der Medizin ist so viel gedacht, geschrieben und gesagt worden, dass es ein Einzelner kaum überblicken kann. Ich möchte es kurz machen und den Kollegen Dittrich zitieren, der in seinem Grußwort zum Deutschen Chirurgentag geschrieben hat: »Wir Chirurgen, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, sollten uns darauf besinnen, dass es einen Patienten gibt, der sich mit seinem Leiden in unsere Obhut begibt und wir berufen sind, auf der Basis der Mystik des Arzt-Patientenverhältnisses mit dem Ziel der Heilung, Linderung oder Bewahrung vor Sekundärschäden, den Kern des Leidens zu diagnostizieren, konservative und/oder operative Behandlungsmöglichkeiten im Sinne des Patienten abzuwägen und eine adäquate chirurgische Therapie bis zur Genesung durchzuführen bzw. zu gewährleisten.«

Schöner kann man es in dieser Kürze nicht sagen. In einem einzigen Satz ist fast alles auf den Punkt gebracht, was die chirurgische Ethik – wenn es denn eine gibt – ausmacht. Wer sich aber nun selber prüft und einmal ehrlich in sich hineinhört und diese Schablone auf den eigenen Arbeitsalltag legt, egal ob in Klinik, Universität oder Ambulanz, wird vielleicht ebenso wie ich empfinden: Dieser Satz ist inzwischen meilenweit vom chirurgischen Alltag entfernt, und täglich wird der Abstand zwischen Wunsch und Wirklichkeit größer. Lesen Sie den Vortrag von Dr. Hontschik auf dem
 Chirurgentag 2013.

 

Lehrer: Profil der Empathie

Wo es um menschliche Bildungsprozesse und Identitätsentwicklung geht, dürfen nicht die Regeln der Markt‐ und Kapitallogik gelten. Der Bildungs‐ und Ausbildungsbereich muss ein Reservat einer alternativen Logik bilden, in dem es um Gebrauchswerte und Bedürfnisse geht. Wer junge Menschen etwas lehren und ihre Menschwerdung fördern will, benötigt Empathie, Sensibilität, Rücksichtnahme und die Fähigkeit des ́Sich‐selbst‐Gebens` (André Gorz). Schulen, die an die Leine der Verwertbarkeit gehen und sich als Zulieferbetriebe für die industrielle Verwertung menschlicher Arbeitskraft begreifen, erweisen der Gesamtgesellschaft langfristig einen Bärendienst. Es ist ein Irrtum zu glauben, dass schnell erwerbbare und einsetzbare Fertigkeiten zukunftsfähig sind.

H.v.Hentig

 

Wider die Ökonomisierung der Bildung – von Ekkehardt von Kuenheim (BMW)

von Ekkehardt von Kuenheim (von 1970 bis 1999 Mitglied und Vorsitzender des Aufsichtsrats von BMW)

„Gehen wir mal auf den Bildungsbegriff von Wilhelm von Humboldt zurück, der derzeit in der ganzen Welt eine nie gekannte Beachtung findet – außer in Deutschland –  so versteht man darunter im weitesten Sinne die Entwicklung einer ganzheitlichen Persönlichkeit basierend auf einer möglichst breiten Allgemeinbildung, in der Selbstbestimmung, Mündigkeit und Vernunftgebrauch die zentralen Elemente darstellen. Eberhard von Kuenheim, Vorsitzender der gleichnamigen Stiftung und jahrelanger Vorstandsvorsitzender von BMW, hat in einem leider viel zu wenig beachteten Artikel in der FAZ mit dem Titel „Wider die Ökonomisierung der Bildung“ eindringlich vor einem reinen Nützlichkeitsdenken gewarnt, da ein strenger Utilitarismus genau die Schäden verursache, die man beklage. Insbesondere auch die geisteswissenschaftlichen Disziplinen – die heute sowohl an Schulen als auch an Universitäten im Rahmen eines bisher nie gekannten Drittmittel- und Employabilitywahns in ihrer Daseinsberechtigung angezweifelt werden – sollten dazu beitragen, die Kindern zu mündigen und kritischen Bürgern zu erziehen, die sowohl in ihrem persönlichen als auch im gesellschaftlichen Leben auf der Basis von Wissen kompetent Entscheidungen, Bewertungen und Kommunikationen durchführen können, was übrigens auch der Anspruch eines sinnvollen Kompetenzbegriffs durchaus anfangs war.“ Lesen Sie den vollständigen Artikel.

 

Reformen: Verheißungen und Ent-Täuschungen, Refom und Repartur

Schule:

„In den Selbstbeschreibungen zur aktuellen „Bildungsreform“ bzw. Unterrichtsentwicklung mangelt es nicht an wohlklingenden Worten, die scheinbar keinen Widerspruch dulden, da sie doch offenbar höchst wünschenswerte Güter bezeichnen: Qualität, Standards, Kompetenzen, Selbständigkeit. Viele engagierte und ihre Profession ernst nehmende Lehrerinnen und Lehrer sowie Eltern, die sich für eine gute Bildung ihrer Kinder einsetzen, haben sich deshalb in der Anfangsphase dieser „Neuorientierung“ von Bildung und mit den besten Absichten für deren Umsetzung stark gemacht.

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den aus internationalen Absprachen und überwiegend wirtschaftlichen Interessen erwachsenen Konzepten hat es in Deutschland jedoch bisher nicht gegeben. Die für die Umsetzung von Bildungsreformen zuständige  Lehrerschaft wurde an deren Entwicklung nicht angemessen beteiligt. Sie wurde in der Durchsetzung von Reformmaßnahmen – die durchaus sinnvolle Anteile haben könnten – zum bloßen Empfänger von Anordnungen degradiert.

Schon sehr bald wurde überdies großen Teilen der Lehrer- und Elternschaft deutlich, dass die „von oben“ gewünschte Unterrichtsreform in der Praxis nicht einem pädagogisch motivierten Bildungsbegriff entspricht und in vielen Fällen auch nicht dem Wohl der Kinder und Jugendlichen dient.

Für eine differenzierte Auseinandersetzung mit den neuen  Konzepten und den hinter ihrer Verwendung liegenden Intentionen ist eine kritische Würdigung der Rolle und Zielsetzungen der OECD (Organisation for Economic Co-operation and Development), des PISA-Konsortiums sowie anderer den Wandel treibenden Kräfte erforderlich.“ Lesen Sie mehr.

Frust an Universitäten

Aus vielen Veranstaltungen an Hochschulen, an denen ich teilgenommen habe und aus vielen Gesprächen mit Hochschullehrerinnen und Hochschullehrern weiß ich, dass sich an den Hochschulen nach anfänglicher Euphorie über die neue Freiheit und die Versprechungen von Autonomie inzwischen viel Unmut und Frust angesammelt hat. Viele sehen den professionskulturellen Charakter ihre Arbeit gestört oder schon als verletzt an.

Beim Bologna-Prozess wurde – angefangen von Bundesbildungsministerin Schavan, über den Wissenschaftsrat, ja sogar bis zur HRK – „Korrekturbedarf“ inzwischen anerkannt.
Ganze Fakultätentage lehnen eine Teilnahme an den CHE-Rankings ab, es gibt Resolutionen von Fachbereichen gegen das unternehmerische Hochschulmanagement.

Lesen Sie den Artikel.

Bernhard Kempen, Chef des Hochschulverbands, über die Bachelor-Reform:

Wir sind im Dauer-Reparaturbetrieb der Bologna-Reform. Als vor drei Jahren die Studenten auf die Straße gegangen sind, haben die Kultusminister eingesehen, dass es so nicht weitergeht. Lesen Sie das Interview in der SZ.

 

Kirche: Was bleibt nach 25 Jahren Reformen?

1. Der Selbstbeschäftigungsgrad der Kirche ist erheblich gestiegen. Funktionäre und Technokraten bestimmen die Tagesordnung. Wichtige Themen der Kirche wie z.B. die Bedeutung des Gottesdienstes, die Aufgabe der Seelsorge und des Religionsunterrichts standen seit 25 Jahren nicht mehr auf der Tagesordnung einer Synode.

2. Die Strukturveränderung an sich ist zum Prinzip kirchenleitenden Handelns geworden. Die Anlage dieses Prozesses löst ständig neue Reformen aus. Die Reform ist zur Dauerbeschäftigung geworden.

3. Insgesamt hat es keine Einsparungen gegeben, sondern Umschichtungen von unten nach oben. Verlierer sind die Gemeinden und der Pfarrdienst.

4. Die Sprache der Reform klingt ökonomisch. Doch die ökonomischen Ergebnisse sind dürftig. Die tatsächlichen Kosten sind hoch.

5. Der Verwaltungsaufwand ist gestiegen. Für seine Verwaltung gibt ein Dekanat etwa das Fünffache aus wie 20 Jahre zuvor. Vermutlich hat die Kirche noch nie so viel Geld für ihre Verwaltung ausgegeben wie heute. Vermutlich war ihre Organisation noch nie so schlecht und die leitenden Mitarbeiter noch nie so gut bezahlt.

6. Die Gemeinden werden zu Filialen der Kirche. Nachdem Kirchenmusiker, Gemeindepädagogen und Fach- und Profilstellen auf der Ebene des Dekanates angesiedelt worden sind, sollen nun die Gemeindepfarrstellen folgen. Sie werden zu Pfarrstellen der Region. Nach den Diakoniestationen sollen auch die Kindergärten aus den Gemeinden abgezogen werden.

7. Das Gegenüber von kirchlichen Mitarbeitern ist nicht mehr die Gemeinde und ihr Kirchenvorstand, sondern ein Gremium, das von der täglichen Arbeit weit entfernt ist und deshalb durch Dokumentationen und Präsentationen unterrichtet werden muss und sich vor allem als Kontrollorgan versteht.

8. Die Kirchenvorstände sind weitgehend entmündigt. Sie werden durch Ehrenamtsakademien darauf vorbereitet, die Arbeit zu übernehmen, die früher durch den Pfarrer gemacht wurde.

9. Die Fluktuation von Ehrenamtlichen ist gestiegen. Gerade kompetente Mitglieder ­haben die Synoden in den letzten Jahren verlassen. Der Niveauverlust und die hohe Fluktuation erleichtern die Durchsetzung von Reform­schritten.

10. Die EKHN hat in den letzten 5 Jahren nichts unternommen, um nachhaltig für pastoralen Nachwuchs zu werben. Das hat verschiedene Gründe. Einer darf dabei nicht übersehen werden: Die Zusammenlegung von Gemeinden, die Fusion von Dekanaten lässt sich besser durchsetzen, wenn kein Personal mehr da ist.

11. Die Dauerdebatte über die Zukunft der Kirche und die stetige Dramatisierung von Problemen machen die Kirche offenbar als Arbeitsgeber unattraktiv.

12. Die klassischen Organisationsvorteile der Kirche – flache Hierarchien, hohe Präsenz vor Ort, Selbstorganisation und intrinsisch motivierte Mitarbeiter – sind reduziert worden.

  1. Die Reformen werden nicht von den Menschen und den Notwendigkeiten vor Ort her gedacht, sondern von Organisations- und Machtfragen her entwickelt. Sie wirken deshalb nur beschränkt nach außen. Die Evaluation der Dekanatsstrukturreform zeigte, dass das Dekanat kaum wahrgenommen wird. So erklärten etwa 82% der Kirchenvorstände und 71% der Gemeindeglieder, dass sie nicht die Region, sondern die Kirchengemeinde gestärkt sehen möchten. Vom Dekanat wussten nur 21% der Mitglieder bei starker Bindung, 10% bei mittlerer Bindung und 5% bei schwacher Kirchenbindung. Das ursprüngliche Ziel, gerade die Kirchenfernen durch die Dekanatsstrukturreform zu erreichen, wurde bislang verfehlt.

Zum Artikel von Pfr. Dr. Christoph Bergner

 

Deutscher Richterbund gegen Fusionen bei Gerichtsbarkeiten

Der Deutsche Richterbund stemmt sich gegen Fusionen, die ohne den Nachweis von Verbesserungen aufoktroiert werden sollen:

„Der DRB lehnt die Schaffung einer einheitlichen öffentlich-rechtlichen Gerichtsbarkeit und die Eingliederung der Arbeitsgerichtsbarkeit in die ordentliche Gerichtsbarkeit ab. Vorteile einer solchen Reduzierung der Gerichtsbarkeiten werden lediglich behauptet, Belege in Form von nachprüfbaren Zahlen und überzeugende Konzepte zur Zusammenlegung fehlen. Die selbstständigen Fachgerichte haben sich seit Jahrzehnten bewährt, sie genießen bei allen Beteiligten großes Vertrauen. Ohne den Nachweis von Verbesserungen dürfen bewährte Gerichtsstrukturen nicht allein aus fiskalischen Gründen und um Richter leichter versetzen zu können zerstört werden“. Deutscher Richterbund

Der Bruch – Arbeitsplätze der Professionen werden groß transformiert (Thema des Monats)

Ganze Bereiche des gesellschaftlichen Lebens gibt es jedoch, die – unter den immer gleichen Schlagworten wie ‚Wettbewerb’, ‚Transparenz’ und ‚Qualitätsmanagement’ – in den vergangenen Jahren nach dem Modell des entfesselten Unternehmertums bis in ihre Fundamente hinein umgestaltet wurden, bei denen eine kritische Revision der Geschäftsgrundlagen bis jetzt nicht einmal als Möglichkeit erwogen wird – auch wenn ihre Vorbilder, eben die Wirtschaftsunternehmen, längst damit begonnen haben… Grundsätzlich gehören hierzu alle Einrichtungen des gesellschaftlichen Lebens, die sich, oft nach Vorgaben von Unternehmensberatern, als öffentliche Institutionen eine unternehmerische Struktur geben mussten. Und es gilt vor allem für die größte dieser Einrichtungen: die Universität.“Zum Artikel.

Universität:

Die neue Hochschule verändert nicht nur die Studienbedingungen, sondern auch die Arbeitsprozesse, Tätigkeitszuschnitte und Beschäftigungsbedingungen mehr oder minder aller Hochschulbeschäftigten. Die Hochschule ist für Professorinnen und Professoren, für andere wissenschaftlich Beschäftigte und auch für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in Technik und Verwaltung ein anderer „Arbeitsplatz“ geworden.

Kirche:

Es wurde eine Doppelstuktur geschaffen in Form eines „Gesamtgemeindekirchenrates“, der das Sagen über Finanzen und alles Rechtliche hat und „Ortgemeindekirchenräte“, die ein Taschengeld bekommen und den Rasen mähen dürfen. Die Anzahl der Gemeindepfarrer wurde um ca. 40% pro Region reduziert und beispielsweise der Konfirmandenunterricht wurde an sogenannte „Pfarrer im Spezialdienst“ außerhalb der Gemeinde abgegeben. Pfarrstellen, Kantoren, Katecheten und Büropersonalstellen wurden nur noch über den Kirchenkreis besetzt.

 

Jörg Flecker/Christoph Hermann

Die »große Transformation« öffentlicher Dienstleistungen: Materielle und symbolische Folgen für Arbeit und Beschäftigung
In den letzten zwei Jahrzehnten wurden die öffentlichen Dienstleistungen in Europa durch die Einrichtung und Liberalisierung von Märkten für das Dienstleistungsangebot und durch die Privatisierung der Organisationen einer tief greifenden Umstrukturierung unterzogen. In diesem Beitrag geht es nach einem kurzen Einblick in den Prozess der Liberalisierung und Privatisierung der öffentlichen Dienstleistungen um den damit verbundenen Umbruch dieses herausgehobenen Bereichs der Arbeitswelt. Wir fokussieren auf die Formen und Bedingungen der Beschäftigung, die Arbeitsbeziehungen und die Organisation der Arbeit, die sich durch die Prozesse der Kommodifizierung und Ökonomisierung grundlegend verändern. Die früheren „Staatsdiener/innen“ sind aber nicht nur in materieller Hinsicht, sondern durch den gleichzeitigen Umbruch der symbolischen Ordnungen auch in ihrer „ständischen Lage“ betroffen. Entsprechend nehmen wir die Perspektive der in den öffentlichen Dienstleistungen Beschäftigten ein und diskutieren, wie die symbolische Dimension des Wandels theoretisch angemessen zu erfassen ist.