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Thema des Monats

Der „Gemeindemanager“ – Entlastung oder Entmachtung der Pfarrerinnen und Pfarrer?

Seit einiger Jahren kursiert in der EKHN ein neuer Begriff: „der Gemeindemanager“. GemeindepfarrerInnen fühlen sich infolge Stellenreduktionen, Reformen, gesellschaftlichen Wandlungsprozessen zusehends stärker gefordert. Da verspricht der „Gemeindemanager“ Entlastung. An Geld mangelt es der EKHN auch nicht. Finanziell wäre eine solche Lösung in gewissem Umfang also ebenfalls realisierbar. Fragt sich nur: wer ist das? was versprechen sich die PfarrerInnen davon? Und: sind die Weichen nicht längst für ganz andere „Lösungen“ gestellt?

1. Entlastung…

Was ist ein Gemeindemanager eigentlich? Es gibt ihn ja noch nicht. Betrachten wir mal den Gebrauch des Begriffs – etwa im Kollegenkreis. Dort wird der Begriff auch bezogen auf konkret agierende Personen von GemeindessekretärInnen dann verwendet, wenn es sich um eine Person handelt, der/die die der Stelle obliegende Sachbearbeitung selbstverantwortlich auszuführen in der Lage ist. Kurz: ein kompetenter Mitarbeiter, eine kompetente Mitarbeiterin. Jemand, dem/ der man nicht alles erklären muss; jemand, der/die wirklich den Vorgesetzten entlastet. Der Gemeindemanager als sehr kompetenter Sachbearbeiter. In Unternehmen würde man damit den Chefsekretär/die Chefsekretärin bezeichnen. So weit – so harmlos. Dies Problem ist leicht durch eine höhere Besoldungsstufe bei Ausschreibungen bzw. teilweise durch Fortbildungen beim vorhandenen Personal zu erreichen.

2. Wunsch und Wirklichkeit

Versucht man eine Annäherung von der Begrifflichkeit her, dann leitet sich das Berufsbild vom Manager, also formal und kurz von dem Leiter, dem Hauptverantwortlichen eines Betriebs, einer Einrichtung etc. ab. Was der Manager im einzelnen macht, muss man dabei an dieser Stelle außer Acht lassen. Dass die Tätigkeit in einem Unternehmen eine andere ist als in der Schule, der Kirchengemeinde oder im Fußballclub ist unzweifelhaft. Aber der Manager leitet und sorgt dafür, dass die vorhandenen Ressourcen zur Erreichung des Ziels – also des Geschäftszwecks, der Bildung, der Kommunikation des Evangeliums, dem Sieg im Fußballmatch eingesetzt werden. Wenn nun der Begriff Gemeindemanager kreiert wird, schreibt man diesem Berufsbild genau diese Funktion zu: die der Gesamtverantwortlichkeit. Traditionell war und bis dato ist das die Rolle des Pfarrers/der Pfarrerin. Er/sie ist der Dienststellenleiter. Die Alternative wäre: der Pfarrer/die Pfarrerin ist Angestellter eines Betriebs mit der Aufgabe, gewisse Leistungen (wie Seelsorge, Kasualien etc.) zu erbringen. Er/sie hat aber in der Geschäftsführung nichts mehr zu suchen. Die Leitung und Verantwortung (das Management) liegt bei einem Geschäftsführer o.ä. . Das wäre eine ganz andere Organisationsstruktur. Und man mache sich nichts vor: der Pfarrer/die Pfarrerin ist dann von Verwaltungsarbeit entlastet. Aber damit wächst nicht die Freizeit. Sondern dann muss er/sie in dieser neuen Organisationsstruktur entsprechende Mehrarbeit an Gemeindediensten leisten. In der EKBO stieg die Zahl der zu betreuenden Gemeinden nach der Reform der Organisationsstruktur im ländlichen Bereich von neun auf 19! So sieht jedenfalls die Praxis dort aus, wo ähnliche Modelle schon umgesetzt sind. Man mache sich also keine Illusionen hinsichtlich Entlastung! Das ist z.B. in der EKBO der Fall. Dass der „Gemeindemanager“ dort nicht auf Gemeindeebene sondern der Ebene des Dekanates/Kirchenkreises vom Verwaltungsamt aus die Gemeinden managt, ist dabei sekundär. Dass die „Entlastung“ von PfarrerInnen gerne auch in kirchenleitenden Papieren als Begründung für Reformmaßnahmen, sprich Downsizing-Konzepten, bemüht wird, gilt es konsequent zu hinterfragen und zu durchschauen. Es ist zu fragen: sind Pfarrerinnen und Pfarrer nach der Reform wirklich entlastet? Oder sind sie nur entmachtet?

3. … oder Entmachtung?

Was ändert sich? Man muss von aktuell konkret handelnden Personen absehen, die man mit diesem Ehrenwort (ChefsekretärIn) bedenken kann. Denn der Gemeindemanager wie er in den Reformkonzepten auf der mittleren Ebene vorkommt, wird die Organisationsstruktur grundlegend verändern. Ein anderes Wort lautet dann schlicht: Geschäftsführer. Das neue/alte Organisationsmodell ist das der DDR- Poliklinik

oder etwa von Pflegediensten. Das Poliklinik-Modell ist dabei das Reformmodell für das Gesundheitswesen. Analog ist das Reformmodell für die Kirchen mit einem neuen Steuerungsmodell auf der mittleren Ebene in der Umsetzung. Für die betroffenen Professionen, hier also die Pfarrerinnen und Pfarrer, hat das eine gerne noch übersehene Folge: sie haben in diesem System nichts, aber auch gar nichts mehr zu gestalten oder zu sagen. Sie haben zu funktionieren.

Die Ursache für Burnout liegt in der Arbeitswelt

Professor Johannes Siegrist, Leiter des Instituts für Medizinische Soziologie an der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf, sieht die Ursache für Burnout nicht in individuellen Veranlagungen sondern in der heutigen Arbeitswelt. Folglich schlägt er als Lösung nicht wie andere eine Individual-„Therapie“ nach dem Motto „Lesen Sie mal ein Buch“ oder „Gehen Sie mal spazieren“ vor. Sein Lösungsvorschlag ist nicht an die Betroffenen adressiert, sondern nimmt die Leitungen und Vorstände von Betrieben, Organisationen und Insitutionen in die Pflicht und die Verantwortung. Lesen Sie das Interview.

Der weit verbreiteten Ansicht, dass Burnout eine Sorge der Chefetagen ist, widerspricht Siegrist. Die Wahrscheinlichkeit steigt, „je tiefer man in der betrieblichen Hierarchie geht“. Es gebe allerdings eine Ausnahme: Menschen, die als personenbezogene Dienstleister arbeiten, also Ärzte, Altenpfleger oder auch Lehrer. Hier mache das Burnout auch vor den höheren Gehaltsklassen nicht halt… Oder aber Arbeitsplätze, an denen es eine so genannte „Belohnungskrise“ gibt. „Ein Ungleichgewicht zwischen dem, was ich leiste und den Belohnungen, die ich dafür bekomme“, erklärt der gebürtige Schweizer. Hierbei gebe es drei Arten von Belohnungen: Geld, Aufstieg oder Arbeitsplatzsicherheit und Wertschätzung…
Siegrist appelliert an die Wirtschaft, endlich etwas gegen die krankmachenden Arbeitsbedingungen zu tun. Auf längere Sicht würde sich das für die Chefs durch geringere Fehlzeiten und eine höhere Produktivität der Mitarbeiter auszahlen.

Burnout bei Ärzten und Ärztinnen:

Zeitungen verkünden täglich, dass Ärzte im Krankenhaus unter der Überlastung und dem immensen Kostendruck im Gesundheitsbereich stöhnen. „Die Arbeitsbelastung und intensive Ausnutzung der Ärzte sind in den letzten Jahren gewachsen. Bei gestiegenen Patientenzahlen, kürzeren Verweildauern im Krankenhaus und Sparmaßnahmen hat sich der Arbeitsumsatz erhöht, es wird immer nur oben drauf gepackt“, kann der Jurist Resemann vom Marburger Bund nur bestätigen. Bei manchen Ärzten führt die Arbeitsüberlastung zum Burn-out, einem inneren „Ausgebrannt-sein“.

Burnout bei ProfessorInnen: „Jeden Tag schuldig ins Bett“

Das Hamsterrad für Professoren dreht sich immer schneller, teils mit ruinösen Folgen für die Menschen und die Forschung. Ein Gespräch mit Prof. Hartmut Rosa, Jena, über die Ursachen und mögliche Korrekturen.

Prof. Hartmut Rosa: Theoretisch sind Professoren weitgehend Herren ihrer Zeit. Dennoch ist auch unsere Arbeitsverdichtung in den vergangenen Jahren enorm gestiegen . Zudem haben sich die Anerkennungsmechanismen für Hochschullehrer grundsätzlich gewandelt: Nicht mehr ihre Position zählt, sondern ihre Leistung.

Bei LehrerInnen:

Der auslösende Faktor für das Burnout ist sehr oft die Diskrepanz zwischen den selbst gestellten Zielen und der Konfrontation mit der schulischen Realität. Wie oft stellt man als Lehrer fest, dass man sich so gut vorbereitet hat und nach der Unterrichtsstunde doch so wenig erreicht hat, weil die Schüler und Schülerinnen an diesem Tag völlig andere Interessen hatten oder überhaupt nicht für das Thema zu begeistern waren. Das frustriert ganz schön. Dazu kommen dann die schlechten Arbeitsbedingungen und die Konflikte mit den Kolleginnen und Kollegen oder der Schulleitung. Es steht nämlich außer Frage, dass eine schlechte Arbeitsatmosphäre durchaus Burnout-fördernden Charakter hat. Die Ursachen werden also gleichermaßen im persönlichen wie auch institutionellen Bereich liegen.
Der gesamte Prozess des Ausbrennens vollzieht sich in mehreren Phasen, die mit der Reduzierung des eigenen Engagements beginnen und bis zur völligen Hilflosigkeit reichen.

Für LehrerInnen liegt eine Burnoutstudie, die sog. Saarschmidtstudie, vor. Ergebnis: 25% aller LehrerInnen leiden unter Burnout.

Burnout bei PfarrerInnen

Immer mehr Menschen in Deutschland sind vom Burnout-Syndrom betroffen. Gerade auch evangelische Pfarrer bleiben von der totalen Erschöpfung nicht verschont. 20 Prozent von ihnen, so schätzen Fachleute, werden durch beruflichen Stress krank… Schätzungsweise fünf Prozent der Theologen entwickelten sogar ein Burnout-Syndrom mit Zuständen totaler Erschöpfung, erläutert der Pastoralpsychologe Andreas von Heyl…

 

Kommentar: bei welchen institutionellen Arbeitgebern ist das Thema Burnout schon angekommen? In den Kirchen haben in diesem Jahr der Pfarrverband und der Pfarrverein der EKKW das Thema Gesundheit als Problem entdeckt. Noch nicht aber die Kirchenleitungen und die Personalabteilungen. F.S.

 

 

Im Zeichen neoliberaler Freiheit zurück zum DDR-Sozialismus. Das Beispiel Gesundheitswesen

Das Gesundheitswesen macht ca. 10-12% des Bruttosozialproduktes Deutschlands aus. Das weckt Begehrlichkeiten der Investoren. Von den 293 Mrd. €, die p.a. In das Gesundheitswesen fließen, landen derzeit 44 Mrd. In den niedergelassenen Arztpraxen (vgl. Statist. Bundesamt). Das sind knapp 15% der Gesamtmittel, die in die Arztpraxen (Fach- und Allgemeinmedizin) fließen. Ob es Zufall ist, dass der Anteil der Pfarrgehälter an den Haushaltsvolumina der Landeskirchen ebenfalls bei (nur) 15% liegt? vgl. Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, (Beitrag Pfarrstellenbemessung 2025 der EKHN). Wenn nicht, dann ist es immerhin ein interessanter Zufall.

Die Leidtragenden sind zunächst die Patienten. Schon heute. Aber viel stärker in absehbarer Zukunft. Denn bis 2020 werden ca. 50% der Hausärzte in Ruhestand gehen und verlassene Praxen hinterlassen…

Die Leidtragenden sind aber auch die unter enormen ökonomischen Druck geratenen Ärtzinnen. Offiziell gelten sie als Freiberufler. Kenner bezeichnen sie als Scheinselbständige. Wohl in keinem Sektor der Professionen findet ein derart dramatischer Umbruch statt wie bei den ÄrtzInnen. Ethische Fragestellungen und Herausforderungen, ein gewandeltes Berufsbild, ökonomischer Druck und last not least ein mediales Ärztebashing bei eigentlich guten medizinischen Leistungen tun ihre Wirkung.

Die Nöte werden in zwei aktuellen Artikeln zum Ausdruck gebracht. Zum einen von Dr. Bernd Hontschik in seinem Artikel in der aktuellen Ausgabe des Dt. Pfarrerblattes. Er rückt zuvor kursierende „Märchen“ zurecht:

Zwei Märchen

Es ist inzwischen allgemeiner Konsens, dass unser Gesundheitswesen auf eine Art Zusammenbruch zusteuert. Konsens ist, dass wir mit einer Kostenexplosion konfrontiert sind, und Konsens ist, dass die immer älter werdende Bevölkerung immer höhere Kosten der gesundheitlichen Versorgung verursachen wird. Man kann das aber auch ganz anders sehen. Ich behaupte, dass es keine Kostenexplosion im Gesundheitswesen gibt, und dass es auch noch nie eine gegeben hat. Die Ausgaben für das Gesundheitssystem sind in unserem Land seit Jahrzehnten konstant. Sie betragen 10-12% des Bruttoinlandsprodukts mit minimalen Ausschlägen nach oben oder unten. Die Kostenexplosion wird seit über 30 Jahren als Propagandabegriff benutzt, um Veränderungen im Gesundheitswesen durchzusetzen…“

Dr. Bernhard Marquardt, berichtet in Cicero über die ökonomischen Prozesse und Investorenteressen, denen ein funktionierendes Gesundheitssystem, Patienten und Ärzte geopfert werden:

Monopoly-Spiele mit der Gesundheit der Bevölkerung

Die Zahl der Hausärzte wird ausgedünnt. Als Hilfstruppen werden Arzthelferinnen, jetzt „medizinische Fachangestellte“ genannt“, zu Hausbesuchen eingesetzt nach dem „Schwester-Agnes“-Modell damals gut ausgebildeter Krankenschwestern in der DDR…

Ohne Berücksichtigung eines tatsächlichen Bedarfs wird mit einem immensen Aufwand an Steuermitteln die ambulante Öffnung hoch subventionierter Kliniken betrieben und mit deren Medizinischen Vorsorgungszentren (=Facharztkolchosen) ein unlauterer Verdrängungswettbewerb gegen die Arztpraxen inszeniert. Ziel ist die planvolle Eliminierung der Facharztpraxen auf dem Wege einer kalten, entschädigungslosen Enteignung…

Die Bürger werden bis zur erfolgreichen Durchsetzung des großen Plans über die wahren Ziele dieser Gesundheitspolitik nicht informiert.“

Studie: Märkte untergraben die Moral

Märkte untergraben die Moral – das beweisen Wissenschaftler mit einem Mäuseexperiment.  Erstaunliche Erkenntnis: Menschen lassen sich ihre Werte abkaufen. Für große Summen sind viele bereit, ethische Bedenken beiseite zu schieben. „Märkte untergraben die Moral“, erklärt Armin Falk. Das will der Bonner Ökonom mit seiner Kollegin Nora Szech von der Uni Bamberg in einem Experiment belegt haben. Sie stellten sich die Frage: Warum sind die meisten Menschen gegen Kinderarbeit, Ausbeutung und Tierquälerei, kaufen aber gleichzeitig die billigsten Waren und ignorieren darüber ihre moralischen Werte? Ihre Antwort: Weil der Markt ihnen dabei hilft, die Kosten ihres Verhaltens auszublenden.

 

Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags


Wie endete der Artikel von Prof. Matthias Burchardt? „Noch zehrt das neue Regime parasitär von Fülle und Wärme der verachteteten alten Zeit“ (s.o.).

Lesen Sie den Beitrag „Ein Sonntag im Juni oder die Ökonomisierung des Alltags – Was tut ihr den Menschen an?“ von Pfr. Hans- Jürgen Volk über die Alltagspraxis eines Pfarrers/einer Pfarrerin als wesentlich von Beziehung geprägter Arbeit.

 

Wachsender Druck auf die Professionen

Auf die Professionen wächst der Druck. Den geringsten Anteil am wachsenden Druck haben externe Faktoren. Das Thema wurde in den wort-meldungen schon in einzelnen Aspekten  (vgl. 1.) gesichtet. Hier finden Sie eine Zusammenfassung und Vervollständigung.

Von Pfr. Friedhelm Schneider

  1. Gesellschaftliche-technische Entwicklung: Steigerung der Anforderungen beruflich-fachlicher Natur (übliche Entwicklungsprozesse; heute höhere Entwicklungsdynamik, die zu berufsspezifische Zusatzaufgaben wie etwa der Erziehungsfunktion bei Lehrern führen;)
  2. Personalmanagement: 2.1. Arbeitsverdichtung infolge Personalmangels, Stellenabbau, Unterbesetzung der Stellen, 2.2. Erhöhung des Leistungsdrucks (Richter: Steigerung der Fallzahlen, Ärzte: einheitliche Budgets für Krankheitsfälle, Professoren),
  3. Arbeits- und Dienstrecht: Erbringung zusätzlicher, teilweise fachfremder Leistungen und Arbeiten (Dokumentationen, Kontrollsysteme, Drittmittelbeschaffung, Verwaltung, komplizierte Abrechnungssysteme bei ÄrztInnen)
  4. Kostendruck der Institution durchgereicht an Mitarbeiter/Profession
  5. Organisationsstruktur: Verstärkte Einbindung von Ehrenamtlichkeit in Leitungsfunktion (vgl. Abschnitt „Konstruktionsfehler“) führt zu erhöhtem Aufwand für die Professionellen, Kräfteverzehr, Konflikten
  6. Arbeits- und Dienstrecht (Versetzbarkeit, Wartestand; Befristungen wie Wissenschaftszeitvertragsgesetz vgl. S.20 an Unis;, ‚Saisonverträgen‘ bei LehrerInnen)
  7. persönlicher ökonomischer Druck (Institutionsabhängige: seit etwa 2000 kein nennenswerter Inflationsausgleich beim Gehalt; Kürzungen von Gehaltszulagen wie Weihnachtsgeld, Kürzung der Mittel für Fortbildungsmaßnahmen, verzögerte Durchstufungen, etc.; bei Ärzten: div. Reglementierungen wie SGB V)
  8. Steigerung des Arbeitsaufwandes infolge von dauerhaften Reformprozessen (Umgestaltung des Arbeitsfeldes, neue Instrumente, neue Steuerungsstrukturen  etc.)

 

Professionen am Pranger

RichterInnen:

Das Internetforum des DRB zur Justizreform macht deutlich, dass durch die Äußerungen verschiedener Politiker sowie hochrangiger Beamter aus den Justizministerien und die dadurch veranlasste negative Berichterstattung in den Medien, die Berufszufriedenheit und Motivation der Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte viel stärker bedroht werden als durch die Zunahme der Arbeit und die Einschnitte in die Besoldung.

Ärztinnen und Ärzte:

Die Krankenkassen treten den Ärzten nicht mehr als gleichberechtigter Partner gegenüber, sondern sie blocken in den jährlichen Verhandlungen um das Ärztehonorar. Die Atmosphäre ist vergiftet. Mit einer regelrechten Medienkampagne wird gegen die Ärzte gehetzt. Ein Beispiel: Als am 22. Mai 2012 in Nürnberg der Deutsche Ärztetag eröffnet wurde, informierten die Kassen zeitgleich die Medien darüber, dass die Überweisung von Patienten in deutsche Kliniken nicht mit rechten Dingen zugehen würde. In dem Moment, als die Führung der gesamten Ärzteschaft der Eröffnungsrede von Gesundheitsminister Daniel Bahr lauschte, empörte sich die Medienöffentlichkeit wegen angeblicher Fangprämien für Klinikeinweisungen. Überall machte das Wort von der „Ärztekorruption“ die Runde.

Diffamierungskampagnen dieser Art sind nicht neu. Neu ist aber, dass die Krankenkassen immer mehr versuchen, die Qualitätszirkel der Ärzte zu beeinflussen. Die Kassen wollen den Ärzten vorgeben, was sie zu verschreiben haben und welche Therapie angemessen ist. „Hauptsache billig“ ist die Devise. Was für den Patienten am besten ist, scheint nicht wichtig zu sein.

LehrerInnen:

Der Berufsstand der Lehrer wird seit Jahren öffentlich immer häufiger diskreditiert. Daran beteiligen sich führende Politiker, Wirtschaftsvertreter und Journalisten. Das öffentliche Image des Lehrerberufes hat darunter erheblich gelitten. Junge Leute lassen sich vom sinkenden Sozialprestige eines Berufes – wie in jedem anderen Berufsbereich auch –  beeinflussen.

PfarrerInnen:

Spätestens ab Mitte der 90iger Jahre kursiert namentlich in den Kirchenämtern/Kirchenverwaltungen der pejorativ verwendete Begriff einer „Pfarrerkirche“. Die EKD- Reformschrift „Kirche der Freiheit“ (2006) als maßgebliche Position bleibt in diesem Fahrwasser, wenngleich jegliche plumpe Begrifflichkeit vermieden wird. Prof. Isolde Karle: „Das Grundproblem des Impulspapiers im Umgang mit der Pfarrerschaft ist, dass es diese Grundsätze (gemeint: „Führung, die den Selbstrespekt, die Würde des Menschen in ihr Sinnzentrum stellt“, Anm. F.S.) verletzt und in abwertender Weise von den Pastorinnen und Pastoren spricht, von ihrer Selbstgenügsamkeit, von ihrem pastoralen Separatismus,… ihrer Selbstbezüglichkeit, den altertümlichen Pfarrherrlichkeiten, die wieder auferstünden“. Zitiert aus: Isolde Karle, Kirche im Reformstress, S. 213

Wie der Zukunftsausschuss der EKKW am Berufsbild von Pfarrerin und Pfarrer rüttelt

Ich lese derzeit ein wirklich spannendes Buch über das Pfarrhaus… in dem die Autorin eindrücklich beschreibt, wie singulär das evangelische Pfarrhaus in der europäischen Kulturgeschichte steht als Träger der protestantischen Kultur, als geistliches Kraftfeld, als künstlerisches Ferment; wie häufig war in der Geschichte das Pfarrhaus Ort der Künste und der Wissenschaft und in der jüngeren Geschichte in der DDR Schutzraum der Opposition.

In ihrem Ausblick… formuliert Frau Eichel: Es „…wird sich zeigen, ob das Pfarrhaus ein Fluchtpunkt sein kann, ein Gegenentwurf, ein Haus der Hoffnung. Und dann wird auch die Funktion des Pfarrers neu definiert werden, im Spannungsfeld von sozialem Engagement, spirituellem Charisma und seelsorgerlicher Strahlkraft. Dass sich das evangelische Pfarrhaus immer wieder neu verortet, dass es durchlässig ist für das gebotene und offen für das Notwendige, ist nicht seine Schwäche, es ist seine Stärke.“ Lesen Sie den Artikel von Dekan i.R. Lothar Grigat im Hess. Pfarrerblatt, S. 49.

 

Werden die Professionen durch die Reformen entmachtet?

Die unternehmerische Universität entmachtet die wissenschaftliche und die akademische Gemeinschaft und die Fachgesellschaften als Treuhänder des Erkenntnisfortschritts im inneren Kern der Wissenschaft und der Wissensvermittlung in ihrem Außenverhältnis zur Gesellschaft. Die kollektive Suche nach Erkenntnis als Kollektivgut und der kollektive Prozess der Bildung und des Wissenstransfers in die Gesellschaft in der Hand der wissenschaftlichen und der akademischen Gemeinschaft sowie der einzelnen Fachgesellschaften wird von der privatisierten Nutzung des Erkenntnisfortschritts, der Bildung und des Wissenstransfers durch unternehmerische Universitäten im Wettbewerb um Marktanteile abgelöst“ – so der

Bamberger Soziologe Richard Münch.

Traditionell war das anders:

Die traditionelle Ausgestaltung der deutschen Universität räumte im Inneren insbesondere den Professorinnen und Professoren eine erhebliche personale Autonomie und weitgehende institutionelle Mitwirkungsrechte ein, den anderen Gruppen darüber hinaus abgestufte Beteiligungsrechte. Die Universität war staatlich privilegiert, geschützt und finanziert; sie bot den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ein hohes Maß an akademischer Freiheit sowie ein sehr weitgehendes Selbstergänzungsrecht.

Das Organisationsmodell der „unternehmerischen“ Hochschule eliminierte die partizipatorischen Rechte. Dies löste Widerstand aus:

„Wie in Hamburg bestimmt auch in vielen anderen Bundesländern inzwischen ein Hochschulrat den Rektor oder die Präsidentin. Die Proteste sind somit insbesondere von Seiten der Professorinnen und Professoren vielfach auch gespeist von dem Willen, die körperschaftliche, also auf Mitgliedschaft beruhende, Tradition der deutschen Universitäten und Fachhochschulen aufrecht zu erhalten, die sich exemplarisch in der akademischen Selbstverwaltung widerspiegelt.“ Lesen Sie mehr.

Kirche: Die Basis einer entgegengesetzten Entwicklung legt das unternehmerische Organisationsmodell, wie es in den wort-meldungen bereits früher dargestellt wurde. Wichtiger Bestandteil ist der weitgehende Ausschluss der Professionen aus den formalen Entscheidungsprozessen und -gremien. So z.B. auch in der Kirche auf der mittleren Ebene:

Die Zusammensetzung und Arbeitsweise des Kirchenkreisrates

 … Für die Zusammensetzung des Kirchenkreisrates gilt, dass die Anzahl der hauptamtlichen Mitglieder die Hälfte der Gesamtzahl der Mitglieder des Kirchenkreisrates nicht erreichen darf.

So in den entsprechenden Gesetzen bspw. der EKM.

Diskutiert (und beschlossen) werden aber auch weit ungünstigere Zusammensetzungen:

Auch die Zahl der gewählten ordinierten Mitglieder bei der kleinen Lösung bewegte die Gemüter einiger Parlamentarier. Sie bangten um den Sachverstand im Gremium. Hintergrund: Bei künftig rund 50 Mitgliedern würde meist nur noch ein Delegierter aus dem regionalen Kreis der Pastorinnen und Pastoren stammen.

Diese Fragen sind nicht allein Machtfragen. Sondern es ist auch die Frage der Wirksamkeit der Institutionen selbst. Das trifft nicht allein auf die Wissenschaftgemeinschaften, als auch anderer Dienst- und Professionsgemeinschaften zu.

Schule:

Eine differenzierte Auseinandersetzung mit den aus internationalen Absprachen und überwiegend wirtschaftlichen Interessen erwachsenen Konzepten hat es in Deutschland jedoch bisher nicht gegeben. Die für die Umsetzung von Bildungsreformen zuständige  Lehrerschaft wurde an deren Entwicklung nicht angemessen beteiligt. Sie wurde in der Durchsetzung von Reformmaßnahmen – die durchaus sinnvolle Anteile haben könnten – zum bloßen Empfänger von Anordnungen degradiert.Lesen Sie mehr.