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Schlüsselposition PfarrerIn

Bezahlung nach Leistung? Ja. Aber in den höchsten Gehaltsstufen anfangen und auch McKinsey nicht aussparen.

05/2015 (06.01.2015, Dt. Pfarrerblatt)

Ein ironisch-erfrischender und erfrischend ironischer Kommentar von Pfr. i.R. Gerhard Kuppler zum Thema des Artikels ‚Bezahlung nach „Leistung“?‘ von Pastor Andreas Kahnt. Hier übernommen mit freundlicher Genehmigung des Autors.

„Man sollte eine solche Anregung („Bezahlung nach Leistung“, Anm. FS) schon ernster nehmen. Sie stammt vom Vorsitzenden des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer Peter Barrenstein. Dieser Arbeitskreis innerhalb der CDU hat sich im Jahr 2000 schon einmal mit dem Thema beschäftigt, wie Pfarrer zu mehr Leistung und Engagement gebracht werden könnten. Damals war von „faulen Pfarrern“ die Rede. Ein Lösungsvorschlag war, für 5-10 Pfarrer einen Dekan einzustellen, der diese dann wohl zu Höchstleistungen antreiben sollen könnte. Demgegenüber ist der jetzige Vorschlag, die erfolgreicheren Pfarrer besser zu besolden doch schon eine Verbesserung. Vielleicht kommt man dann in 15 Jahren auch auf die Idee, dass nicht nur bei Pfarrern, sondern in den meisten Berufen Gestaltungsfreiheit, Selbstbestimmung,Unabhängigkeit von Hierarchien eine wesentlich höhere Motivation sein können als mehr Geld. Beim Pfarrberuf ist das essentiell. Der „Erfolg“ von Verkündigung und Seelsorge ist per se der Leistungskontrolle bzw.dem Leistunsanreiz durch mehr Geld entnommen. Bei Menschen, die in der Kirchengeschichte wirklich etwas bewegt haben, ging es nie ums Geld: Paulus, Augustin, Franziskus, Luther, Spener, Bonhoeffer und und und – die meisten haben sogar bewusst am Rande des Existenzminimus gelebt.
Aber es gibt auch im Pfarramt Bereiche, die durchaus einer Leistungs- bzw Effizienzkontrolle unterzogen werden könnten.
Und so zwischendurch und ganz nebenbei: wir haben doch eine nicht unbeträchtliche Gehaltsabstufung innerhalb der Ämter der Kirche, die von Pfarrern bekleidet werden. „Normale“ Pfarrer, die die o.g. essentiellen Aufgaben der Kirche wahrnehmen, stehen in der Ämter- und damit auch Gehaltshierarchie ganz unten (Endstufe A13-A14), dann kommen die Dekane (A15-A16), dann die Prälaten und Oberkirchenräte (B3) und ganz oben steht leuchtend der Bischof (B9 – 2-3x soviel wie ein normaler Pfarrer). Und je weiter oben, desto weniger beschäftigen sich diese Amtsinhaber mit dem was Kirche zur Kirche macht und sich der Erfolgskontrolle entzieht, sondern mit Fragen der Organisation und Verwaltung, Management und Controlling. In diesen Bereichen kann Leistung zweifellos verifiziert werden, was leider nicht geschieht.
Ich schlage also vor, diese Ämter zum großen Teil auf Leistungsbasis zu besetzen. Ab Dekan aufwärts gibt es nur noch ein reduziertes Grundgehalt (A9 würde ich zugestehen). Der Rest wird auf Leistungsbasis bezahlt.
Bei der Pfarrstellenbesetzung erhalten Prälat und OKR dann eine Vermittlungsprovision, wenn Pfarrer und Gemeinde 5 – 7 Jahre ohne Konflikte, die die Arbeit merklich beeinträchtigen, zusammenwirken. Damit wäre der Ungedeihlichkeitsparagraf wesentlich entschärft. So würde auch deutlich, dass wie in jeder ordentlichen Hierarchie üblich bei Fehlbesetzungen nicht nur die Betroffenen, sondern auch die, die die falsche Personalauswahl getroffen haben, Konsequenzen tragen müssen.
Bei Anfragen/Anträgen an kirchenleitende Ämter wird ein Zeitraum festgelegt, innerhalb dessen eine Antwort erfolgen muss, sonst gibt es weniger Geld.
Bei Visitationen erhält der Visitator nur Geld, wenn es tatsächlich Veränderungen zum Positiven gibt; bei negativen Folgen ist der Visitator haftbar.
So müssten auch Mittel und Wege gefunden werden, die Personen, die für gescheiterte Kirchenrettungsprogramme verantwortlich sind, die Konsequenzen tragen zu lassen. Barrenstein, der als Direktor der Unternehmensberatung McKinsey das „Evangelische München-Programm“ initiert hat, müsste, da dieses Programm großenteils nicht den geplanten Erfolg hatte, die Kosten für all die unzähligen Beratungen, Sitzungen etc ersetzen. Zuallermindest sollte für dieses Programm einmal eine realtistische kaufmännische Kostenrechnung erstellt werden, die nicht nur die direkten Ausgaben enthält wie Kosten für die Beratungsgesellschaft etc, sondern vor allem den Zeitaufwand für die Sitzungen, Mieten und Pachten, Geschäfts- und Verwaltungsaufwand.
Man kann noch viele solche Felder finden, wo eine leistungsorientierte Besoldung unschwer zu organisieren wäre. Man muss nur ein ganz klein wenig raus aus den alten Mauern der kirchlichen Hierarchie und Neues wagen. Insofern ist Herrn Barrenstein für diese wichtige Anregung sehr zu danken.“

Pure Utopie was Gerhard Kuppler da nicht ohne ironischen Unterton fordert? Mitnichten. Vgl. sie zwei Beiträge in zurückliegenden Ausgaben der Wort-Meldungen, hier (Mein wunderbarer Arbeitsplatz) und hier.

„Auf den Pfarrer kommt es an“, Strukturen sind unbedeutend. Signifikante Parallelen zur 5. KMU in der Hattie-Studie, einer Meta-Studie zu Bildungspolitik.

Die Hattie-Studie. Von Martin Spiewak, DIE ZEIT

14. Januar 2013

Kleine Klassen bringen nichts, offener Unterricht auch nicht. Entscheidend ist: Der Lehrer, die Lehrerin. Das sagt John Hattie. 

… Dabei begründet nicht allein die megalomanische Dimension seines Projektes Hatties Ruf oder die Kälte seines wissenschaftlichen Blicks (»Meinungen gibt es genug; was zählt, ist messbare Evidenz«). Die größte Sprengkraft liegt in seinen Erkenntnissen. Denn diese stehen geradezu quer zur bildungspolitischen Debatte in vielen Ländern. »Wir diskutieren leidenschaftlich über die äußeren Strukturen von Schule und Unterricht«, kritisiert Hattie. »Sie rangieren aber ganz unten in der Tabelle und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.«

Zum Artikel.

Anm F.S.: Die Paralleleln zur Reformdiskussion und zu früheren Fehlanalysen in der Kirche sind evident:

1. Die Person des Pfarrers ist ebenfalls von hoher, bislang in der Reformagenda völlig unterschätzten Bedeutung. Das bestätigt jüngst die 5. KMU, Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Konträr dazu das Reformkonzept nach „Kirche der Freiheit“: Die Reformer erklärten die PfarrerInnen zum (Finanz-) Problem und sehen einen extrem hohen Stellenabbau vor. Der Prozess ist in Gang.

2. Die Reformer der Kirche diskutieren über äußere Strukturen und versprechen sich und versprachen anderen große Erfolge durch Strukturreformen. Hattie: »Sie rangieren aber ganz unten … und sind, was das Lernen angeht, unwichtig.«
vgl. dazu auch aus der Kirche: Struktur-k(r)ampf in der evangelischen Kirche , Dt. Pfarrerblatt 8/2012, oder heute Bischof Cornelius-Bundschuh, Baden.

SOS Pfarrdienst! Von Hans-Jürgen Volk.

05/2015

Ein Umsteuern ist dringend erforderlich.

Man muss Alarm schlagen. Vor allem in den strukturschwachen Peripherieregionen der evangelischen Kirche im Rheinland ist die Grundversorgung pastoraler Dienste nicht mehr gesichert. Immer häufiger treten Situationen auf, in denen Menschen händeringend nach einem Pfarrer oder einer Pfarrerin suchen, weil eine Beerdigung, ein Hochzeitsjubiläum oder eine Trauung ansteht. In den ländlichen Kirchenkreisen treten zum Teil erhebliche Lücken bei der Notfallseelsorge auf. Die Demographie schlägt hier voll zu. Pfarrerinnen und Pfarrer werden immer weniger und immer älter. Verbindet sich dieser Tatbestand mit einem repressiven, wenig einfühlsamen Leitungsstil auf Kirchenkreisebene, steigt der Krankenstand. Kolleginnen und Kollegen gehen aus Gesundheitsgründen vorzeitig in Pension, die Belastung für die verbliebenen wächst. Diese Situation ist für unsere Kirche brandgefährlich. Wenn Menschen in Krisensituationen nicht mehr zeitnah einen Seelsorger oder eine Seelsorgerin finden, baut sich Frust auf, der den Mitgliederverlust beschleunigen dürfte.

Grundlage für die Pfarrstellenplanung in der Ev. Kirche im Rheinland sind immer noch die von der Kirchenleitung im Mai 2008 beschlossenen Pfarrstellenverteilungsrichtlinien. Hierbei handelt es sich um ein Instrument, dass eine organisierte Reduktion des Pfarrdienstes zum Ziel hat. Der Beschluss zur Pfarrstellenplanung (Beschluss Nr. 18) der Landessynode der EKiR vom Januar 2015 nimmt demgegenüber die Herausforderung in den Blick, vor dem die evangelische Kirche im Rheinland bereits jetzt schon in strukturschwachen Regionen steht und die in wenigen Jahren prägend für die Situation des Pfarrdienstes sein wird: es droht ein bedrückender Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Ein weiteres wichtiges Dokument ist die Handreichung „Zeit für’s Wesentliche“, mit der der nicht mehr zu übersehenden Überforderung vieler Kolleginnen und Kollegen im Pfarrberuf u.a. durch das Instrument der Arbeitszeitvereinbarung entgegengewirkt werden soll.

Ein uneinheitliches Bild

Lange Zeit wurde der Pfarrdienst in erster Linie unter Kostengesichtspunkten wahrgenommen. Diese galt es deutlich zu reduzieren. So wurde ab dem Jahr 2006 eine ganze Theologengeneration in die Wüste geschickt. Fast noch bedrückender war der Umgang mit Kolleginnen und Kollegen im Sonderdienst, von denen viele seit Jahren im kirchlichen Dienst waren, sich im mittleren Alter befanden und in ihrer Mehrzahl Familie hatten. Der Sonderdienst wurde konsequent abgebaut, allzu viele fanden von da an keine Anstellung mehr in ihrer Kirche und bleiben auf der Strecke. Auch reguläre Pfarrstellen wurden massiv reduziert.
Erst seit kurzem wird auch auf Landessynoden die Problemanzeige gemacht, dass sich die Anzahl der Vakanzen vor allem in strukturschwachen Regionen häuft. Es wird immer schwerer, im Saarland, im Hunsrück, im nördlichen Ruhrgebiet oder im Westerwald frei werdende Pfarrstellen in einem angemessenen Zeitraum zu besetzen. Mit einem Beschluss zur Pfarrstellenplanung (Beschluss Nr. 18) der Landessynode der EKiR vom Januar 2015 liegt ein Versuch vor, dieser Situation gerecht zu werden. Kernpunkt ist die ehrgeizige Zielvorgabe von 1000 Pfarrstellen in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis, die im Jahr 2030 vorgehalten werden sollen. Dies bedeutet zwar immer noch eine deutliche Reduzierung der aktuell vorhandenen Pfarrstellen, ist aber angesichts der niedrigen Zahlen an Theologiestudenten nur unter großen Anstrengungen erreichbar.
Nun haben offenbar längst nicht alle Kirchenkreise der EKiR diesen deutlichen Perspektivwechsel der Landessynode nachvollzogen. Einige Superintendenten missverstehen anscheinend die von der Landessynode anvisierte Zielvorgabe als Aufforderung, den Pfarrstellenabbau im eigenen Kirchenkreis möglichst rasch voranzutreiben. Eine unheilvolle Eigendynamik haben die von der Kirchenleitung im Mai 2008 beschlossenen Pfarrstellenverteilungsrichtlinien entwickelt, nach denen im 5-Jahresrythmus ein Pfarrstellenrahmenkonzept neu justiert werden muss, wobei die Entwicklung der Gemeindegliederzahlen eine entscheidende Rolle spielt.
Die Kreissynoden müssten im Herbst 2015 Pfarrstellenrahmenkonzepte neu beschließen. Allerdings liegen noch keine Zahlen der Landeskirche vor, die die Grundlage hierfür bilden. Der Grund hierfür könnte die Spannung in der Zielsetzung sein zwischen den Pfarrstellenverteilungsrichtlinien und dem Beschluss zur Pfarrstellenplanung. Bei den Pfarrstellenverteilungsrichtlinien dominiert der Wahrnehmung des Pfarrdienstes als Kostenfaktor. Neben einer möglichst gleichmäßigen Verteilung der Pfarrstellen steht das Ziel im Vordergrund, Pfarrstellen nach Vorgaben der Personalplanungskonferenz (Superintendentenkonferenz + Kollegium des LKA) zu reduzieren.
Die Pfarrstellverteilungsrichtlinien von 2008 stellen heute einen bürokratischen Anachronismus dar, der zudem durch die einseitige Orientierung an Gemeindegliederzahlen als vorrangigem Kriterium für die Pfarrstellenverteilung die Peripherieregionen und die strukturschwachen Gebiete der rheinischen Kirchen benachteiligt. Die Herausforderung der Zukunft wird sein, angesichts der niedrigen Zahlen beim theologischen Nachwuchs Pfarrdienst zu organisieren und freiwerdende Stellen besetzen zu können. Bereits in wenigen Jahren – etwa ab 2018 – gehen die ersten geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Zudem häufen sich die Fälle, in denen Kolleginnen und Kollegen aus gesundheitlichen Gründen vorzeitig aus dem Dienst ausscheiden, was die auf uns zukommende Mangelsituation noch einmal verschärfen dürfte. Der Beschluss zur Pfarrstellenplanung der Landessynode 2015 will dem entgegenwirken, in dem durch verschiedene Maßnahmen der Pfarrberuf wieder attraktiver gemacht werden, die Anzahl der durch Neuzugänge zu besetzenden Stellen auf 50 pro Jahr angehoben und verstärkt für Theologiestudium und Pfarramt geworben werden soll.

Realismus in Sicht

Ein Kollege aus der Ev. Kirche Hessen Nassau sagte mir vor einiger Zeit: „Ihr Pfarrer aus der EKiR geltet in den Augen anderer Landeskirchen ziemlich pauschal als geschädigt.“ Dieses Urteil ist gewiss ungerecht, dafür sind die Verhältnisse in der rheinischen Kirche zu vielgestaltig. Dennoch hat man an der EKiR den Pfarrdienst in der Vergangenheit mit einer Konsequenz unattraktiv gemacht, der gegenüber das bisher allzu zaghafte Gegensteuern noch keine wirksame Kompensation darstellt.
Ein realistisches Szenario wurde auf der Kreissynode des Kirchenkreises Krefeld-Viersen von Superintendent Burkhard Kamphausen vorgetragen: „In der Landeskirche gibt es zurzeit 1963 Pfarrstellen, von den rund 90 Prozent besetzt sind. Es werden künftig viele Pfarrer altersbedingt ausscheiden.“ Schlimmstenfalls könne es so aussehen, das es 2030 noch etwa 550 Stellen gebe. Dem soll entgegengesteuert werden. Kamphausen: „Wir wollen 1000 Stellen halten und besetzen. Dazu werden wir den Pfarrdienst sichern und stabilisieren.“ (Aus einem Artikel der WZ vom 26.04. 2015)
Wohltuender Realismus gepaart mit einigen interessanten und konstruktiven Akzenten wurde auch in einem Vortrag von Vizepräses Pistorius auf der selben Synode sichtbar – gut zusammengefasst in einem Pressebericht der EKiR. Pistorius grenzt sich hier ab gegenüber dem Programm des EKD-Impulspapieres „Kirche der Freiheit“. „Von einem in manchen kirchlichen Kreisen beliebten ‚Wachsen gegen den Trend‘ könne nur dann ernsthaft gesprochen werden, ‚wenn wir dabei allein auf die Kraft des heiligen Geistes hoffen und vertrauen‘.“ Weiter heißt es in dem Bericht: “ Unrealistische Zukunftsvisionen und Machbarkeitsvorstellungen dürften die Kirche und ihre Mitarbeitenden nicht in eine Erschöpfungsdepression führen. ‚Wäre es nicht ein angemessenes und geistlich begründetes Ziel, wenn die Evangelische Kirche unserer Gesellschaft Vorbild dafür wird, sich solide kleiner zu setzen, oder sich zumindest mit einem normalen jährlichen zyklischen Wachstum zufrieden zu geben?‘, fragte Pistorius selbstkritisch.“ Bezogen auf den Pfarrdienst und die Entwicklung der Gemeinden setzt er offenbar stärker auf Regionalität und dezentrale Entscheidungsfindungen: ‚Wenn wir nicht nur der Not gehorchen wollen, ist es unsere Aufgabe, über unsere Gemeinden und Pfarrbilder nachzudenken und sie auf einen guten Weg zu bringen‘, sagte Pistorius. Von den unterschiedlichen Formen von Kooperationen und anderer Formen der regionalen Zusammenarbeit über neuen Gemeindeformen bis hin zur Ausgestaltung des Pfarrdienstes gebe es zahlreiche Möglichkeiten, Kirche in der Zukunft zu formen. ‚Diese Arbeit wird im Wesentlichen in den Presbyterien und Kirchenkreisen mit den entsprechenden Ortskenntnissen zu leisten sein‘, so der Vizepräses weiter: ‚Das Landeskirchenamt und die Personalabteilung sehen ihre Aufgabe in der Beratung und Prüfung sowie der anschließenden rechtlichen Absicherung. Es geht darum, Spielräume zu eröffnen.’“
Was Pistorius hier formuliert, bedeutet eine bemerkenswerte Akzentverschiebung gegenüber dem oft autokratischen, die Basis bevormundenden Stil der alten Kirchenleitung unter Nikolaus Schneider. Dem bewährten Prinzip der Subsidiarität soll offenbar wieder stärkere Geltung verschafft werden. In der Tat brauchen wir starke Presbyterien, die auf Kirchenkreisebene und wenn nötig darüber hinaus angesichts der uns bevorstehenden Situation den örtlichen Gegebenheiten angepasste Kooperationsmodelle – nicht nur beim Pfarrdienst – entwickeln. Die Rechtsetzungen durch die KL und die Landessynode gingen in der Vergangenheit allerdings oft in eine andere Richtung. Die Pfarrstellenverteilungsrichtlinien verbauen Spielräume, ebenso dass nur teilweise außer Kraft gesetzte zentrale Auswahl- und Bewerbungsverfahren – von der in verschiedenen Regionen der Landeskirche kaum zu finanzierenden Verwaltungsstrukturreform, die Presbyterium zentrale Rechte entzieht, ganz zu schweigen. Noch fehlt eine umfassende rechtliche Absicherung im Blick auf die verbal durchaus vorgenommene Neubewertung der Situation des Pfarrdienstes in der EKiR.

Der Präses entschuldigt sich

Diese Neubewertung wird in einem bemerkenswerten Schreiben vom 13. April 2015 von Präses Manfred Rekowski an die Pastorinnen und Pastoren nach Artikel 62 KO deutlich – auch im Blick auf Vorgänge der Vergangenheit. Es handelt sich hierbei um ein Begleitschreiben zu einer Handreichung „Ergänzende pastorale Dienste“. Der Text ging an die gar nicht so kleine Gruppe von Menschen, die sich in ungesicherten bis prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden oder als „Pastorinnen und Pastoren im Ehrenamt“ Dienste übernehmen. Theologen sind darunter, die völlig durch’s Raster gefallen sind und von Hartz IV leben.
Rekowski spricht von einer „misslichen Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“ und beklagt einen „teilweise wenig emphatischen administrativen Umgang“ mit seinen Adressaten. Er schreibt weiter: „In der Handreichung haben wir unser Bedauern über diese Entwicklungen ausgedrückt. In diesem Brief aber bitten wir Sie ausdrücklich um Entschuldigung.“
Man kann davon ausgehen, dass bei Rekowski sowohl das Bedauern wie die Bitte um Entschuldigung absolut ernst gemeint sind. Dennoch wird er es bei vielen der so Angesprochenen schwer haben, durchzudringen. Zu schwerwiegend und tief sind die Verletzungen der Vergangenheit. (Wie bedrückend sich Einzelschicksale darstellen können, habe ich in dem Beitrag “ … und die im Dunkel sieht man nicht“ angedeutet.)

Was dringend zu tun wäre

Der Realismus von Pistorius sowie die Geste von Rekowski sind zu begrüßen. Dennoch muss man die Frage stellen, ob die Kirchenleitung in vollem Umfang die jetzt schon prekäre Situation des Pfarrdienstes insbesondere in den strukturschwachen Regionen wahrnimmt. Hier geht es darum, dass die Basisversorgung an pastoralen Diensten – Seelsorge, Verkündigung und Katechese – nur noch unter größten Anstrengungen aufrecht erhalten werden kann. Zudem nehme ich einen bedrückenden Zusammenhang wahr: In Regionen, in denen überdurchschnittlich viele Pfarrstellen abgebaut wurden, scheinen sich Krankheitsfälle und ein sich daraus ergebendes vorzeitiges Ausscheiden aus dem Dienst aus Gesundheitsgründen zu häufen. Folgendes wäre zu tun:
Die Pfarrstellenverteilungsrichtlinien von 2008 bedürfen dringend einer Korrektur. Sie sollten so ausgestaltet werden, dass nicht mehr die Reduktion des Pfarrdienstes im Vordergrund steht – die ergibt sich von selbst – , sondern die Herstellung einer möglichst optimalen Versorgung an pastoralen Diensten mit den vorhandenen Menschen.
Das „zentrale Auswahl- und Bewerbungsverfahren“ gehört auch für die Pastorinnen und Pastoren nach Artikel 62 KO abgeschafft. Auch deswegen wird es Rekowski schwer haben, mit seiner Bitte um Entschuldigung durchzudringen, weil es für diese Personengruppe noch in Kraft ist. Theologen sollten sich bei entsprechender Qualifikation ohne diese Hürde auf freie Pfarrstellen bewerben können. Anstelle des „zentralen Auswahl- und Bewerbungsverfahrens“ könnte eine intensivere Beratung der Anstellungsträger durch das Landeskirchenamt bzw. bei Gemeindepfarrstellen durch den KSV treten. Dies wäre ein wichtiger und entscheidender Schritt, um der kommenden und in Teilen schon vorhandenen Personalnot im Pfarrdienst zu begegnen.

„Missliche Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“. Präses Rekowski entschuldigt sich.

05/2015, Hans- Jürgen Volk

„Der Präses entschuldigt sich

Diese Neubewertung wird in einem bemerkenswerten Schreiben vom 13. April 2015 von Präses Manfred Rekowski an die Pastorinnen und Pastoren nach Artikel 62 KO deutlich – auch im Blick auf Vorgänge der Vergangenheit. Es handelt sich hierbei um ein Begleitschreiben zu einer Handreichung „Ergänzende pastorale Dienste“. Der Text ging an die gar nicht so kleine Gruppe von Menschen, die sich in ungesicherten bis prekären Beschäftigungsverhältnissen befinden oder als „Pastorinnen und Pastoren im Ehrenamt“ Dienste übernehmen. Theologen sind darunter, die völlig durchs Raster gefallen sind und von Hartz IV leben.

Rekowski spricht von einer „misslichen Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“ und beklagt einen „teilweise wenig empathischen administrativen Umgang“ mit seinen Adressaten. Er schreibt weiter: „In der Handreichung haben wir unser Bedauern über diese Entwicklungen ausgedrückt. In diesem Brief aber bitten wir Sie ausdrücklich um Entschuldigung.“

Man kann davon ausgehen, dass bei Rekowski sowohl das Bedauern wie die Bitte um Entschuldigung absolut ernst gemeint sind. Dennoch wird er es bei vielen der so Angesprochenen schwer haben, durchzudringen. Zu schwerwiegend und tief sind die Verletzungen der Vergangenheit.“ Zum Artikel. (scrollen Sie bis zur Zwischenüberschrift „Der Präses entschuldigt sich“.

Anm. F.S.: Das ist m.W. das erste mal, dass sich ein leitender Geistlicher bei einer Gruppe der Pfarrerschaft entschuldigt. Das ist ein wichtiger Schritt. Aber es ist nur ein erster Schritt. „Zu schwerwiegend und tief sind die Verletzungen der Vergangenheit“ urteilt Pfr. Hans-Jürgen Volk. So muss man erwarten, dass weitere Schritte, weitere Abbitten folgen.  

In der EKiR. Aber nicht nur dort.  Nur ein anderes Beipeil: Schon vor Jahren meinte ein Pfarrer der EKHN, dass sich der Kirchenpräsident für die rigide Einstellungspraxis der 90er Jahre (Einstellung nur mit halber Stelle etc.) bei den damals Betroffenen entschuldigen müsse. Sie werden den Schritt von Rekowski aufmerksam wahrnehmen. Und gespannt sein, wann der Kirchenpräsident der EKHN dem Präses der EKiR folgen wird. Übrigens: die „missliche Geschichte der Personalpolitik für den Pfarrdienst“ betrifft die Landeskirchen kollektiv. Schön, wenn es bei der „misslichen Geschichte“ tatsächlich um Geschichte und nicht auch um Gegenwart handelte.

EKKW: Studie zu „Gesundheitsressourcen und Belastungspotenzialen im Pfarrberuf“: Verpflichtung des Dienstgebers für bessere Rahmenbedingungen

Work-Life-Balance im Pfarrberuf

Andreas Rohnke, Hess. Pfarrerblatt 02/2015


Im Rahmen der kurhessischen Studie zu „Gesundheitsressourcen und Belastungspotenzialen im Pfarrberuf“ wurden neben anderen Faktoren auch die Zusammenhänge von Work-Life-Balance und der arbeitsbezogenen Gesundheit untersucht. 5 Einige der Ergebnisse sollen hier vorgestellt werden…

Fazit:

Sehr viel wirksamer als die persönlichen Einstellungen zum eigenen Dienst sind also objektive Arbeitsbedingungen, die durch die Berufsgruppe nur bedingt zu beeinflussen sind. Daraus leitet sich eine Verpflichtung für den Dienstgeber ab, im Rahmen seiner Fürsorgepflichten, stärker als bisher die Arbeitsbedingungen in den Blick zu nehmen und durch geeignete Maßnahmen zu beeinflussen. Dadurch lassen sich Krankheitskosten minimieren, die Zufriedenheit mit dem Pfarrberuf steigern und im Blick auf die Rekrutierungsproblematik die Attraktivität des Berufs erhöhen.

Zum Artikel scrollen Sie nach unten auf S. 38.

„Der Pflichtzölibat muss weg.“ Kathol. Kirche legt erstmals bundesweite Burnout-Studie vor.

Studie an 8600 Priester, Diakone, Gemeinde- und Pastoralreferenten aus 22 Bistümern:

Heiliger Burn-out

16. April 2015, von Mathias Drobinski, SZ

Wie belastend ist Seelsorge für die Seelsorger? Wissenschaftler haben das untersucht und rausgefunden: Viele Priester empfinden den Zölibat als schwere Belastung…

Eckhard Frick, der Leiter der Studie, möchte mit der Untersuchung „die Diskussion anstoßen“, wie er sagt, „über das, was Seelsorger stark macht und was ihnen Probleme bereitet“. Für Wunibald Müller dagegen ist klar: Der Pflichtzölibat muss weg. Das hat er jetzt auch Papst Franziskus geschrieben: „Hier bedarf es eines Befreiungsschlages. Die Zeit dafür ist reif.“

Zum Artikel in der SZ.

EKKW Pfarverein: Befragung „Gesundheitsressourcen und Belastungspotenziale im Pfarrberuf“

04/2015, vgl. wort-meldungen

daraus:
2. Die Arbeitsbelastung von Pfarrerinnen und Pfarrern

Ausgehend von dem hier zugrundeliegenden theoretischen Ansatz des Salutogenese­‐Modells von Aaron Antonovsky lässt sich die folgende Arbeitshypothese formulieren: Berufliche Belastungen, Beanspruchungen und beruflicher Stress wirken nicht per se gesundheitsschädigend.

Als Stressfaktoren wirken:

Bildschirmfoto vom 2015-04-12 21:04:59

Zur Befragung und Seite des Pfarrvereins der EKKW.

Badischer Pfarrverein will Beihilfekürzungen die Zähne zeigen

04/2015, Pfarrverein Baden, s.S. 63

Zum 1. Januar 2013 wurde in Baden-Württemberg die Beihilfeverordnung (BVO) geändert. Im Rahmen dieser Änderung wurde beschlossen, dass die Beihilfe für Auslagen, Material- und Laborkosten von zahnärztlichen Behandlungen wie
• konservierende Leistungen (z. B. Zahnfüllungen und Provisorien)
• prothetische Leistungen (z. B. Brücken und Prothesen) und
• Eingliederungen von Aufbissbehelfen und Schienen (so genannte Knirscherschienen) von 100 % auf 70 % gekürzt wird. Auf den Betroffenen kommen also unter Umständen erhebliche Mehrkosten zu.

vgl. S. 63

48- Stunden-Woche und Dienstordnung für Pfarrer in Bayern

Mit jeder Pfarrerin und jedem Pfarrer in der ELKB soll in den nächsten Jahren eine Dienstordnung vereinbart werden. Vor dem Entwurf einer Dienstordnung wird der Arbeitsumfang auf der Grundlage eines Arbeitszeitmodells berechnet und gegebenenfalls verändert. Die fertige Dienstordnung beschreibt die verschiedenen – eventuell reduzierten – Aufgaben einer Pfarrerin, ohne jedoch Arbeitszeiten zu nennen.

Aus der Tabelle Zeitbedarf
Tabelle 2: Zeitbedarf für gemeindliche Aufgaben

Aufgabe                            Zeitbedarf

Gottesdienst                     8,5 Std.

Kasualie                             5 Std.

etc.

Die Texte zum Thema.

Pfarrverein Pfalz: Pfarrbesoldung: Verschlechterung der Einkommenssituation der Pfarrfamilien von grob geschätzt 20 % im Vergleich zu den Jahren vor 2001 bzw. über 30 % seit 1992 bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung aufgrund des Pfarrstellenabbaus im Gemeindepfarramt von rund 12 %.

aus:  Aktuelle Informationen der Vertretung der Pfarrerinnen und Pfarrer im Bereich der Evangelischen Kirche der Pfalz (Protestantische Landes­kirche) Nr. 20/2014

„3. Pfarrbesoldung

In den letzten Monaten haben wir uns wiederum eingesetzt für die Gehälter der Pfarrerinnen und Pfarrer: Gescheitert ist die Vertretung in der vergangenen Wahlperiode an der Frage nach der Zurücknahme der Kürzungen im Bereich der Pfarrbesoldung. Die Anrechnung von Studium und Vikariat wurde bei der Übernahme der neuen Landesbesoldung erreicht. Die Jahrgänge zwischen 1956 und 1970 konnten von der Verschiebung der Durchstufung geschützt werden, aber diese Jahrgänge waren bei der Einstellung vielfach von Teildienstregelung betroffen. Daher hat die Vertretung folgende Regelung vorgeschlagen: Der sogenannte Zwangsteildienst in der z.A. Zeit sollte bei der Berechnung der Dienstzeiten zumindest teilweise berücksichtigt werden. Dies wurde vom Landeskirchenrat abgelehnt und stattdessen, im Vorgriff auf die Bestimmungen des neuen Landesbeamtengesetzes, eine gesonderte Regelung bei der Verlängerung der Dienstzeit über die Altersgrenze hinaus, angeboten. Dieser Vorschlag ist keine Lösung im Sinne der Anfrage. Die Vertretung wird bei der Beschlussfassung des neuen Landesbeamtengesetzes wieder einen Vorstoß machen und weiterhin die Berücksichtigung der Zeiten fordern.

Völlig außerhalb der Zuständigkeit der Vertretung und des Landeskirchenrates ist die Deckelung der linearen Anpassung der Besoldung 5 Jahre 1 %. Leider gibt es in diesem Bereich nur das Versprechen, dass unter bestimmten Bedingungen die Deckelung von 1 % pro Jahr in dieser Wahlperiode angehoben wird. In anderen Bundesländern gab es dazu bereits Verfahren, aber strittig ist und bleibt der Begriff der sogenannten amtsangemessene Alimentation. Die Einschätzung lässt sich nicht verhandeln. Die Preissteigerung wird im Rahmen der Tarifanpassung im öffentlichen Dienst immer wieder angepasst, aber eben seit der letzten Landtagswahl nur zu 1%. Damit wird die Besoldung tatsächlich gekürzt. Pfarrerinnen und Pfarrer werden somit doppelt gestraft, sowohl die Konsolidierung des Landeshaushaltes als auch die Konsolidierung des landeskirchlichen Haushaltes wird über die Besoldung angestrebt und dies bei einer zunehmenden Arbeitsverdichtung. Dabei wird zwar eine Einsparung erreicht, allerdings mit einer Verschlechterung der Einkommenssituation der Pfarrfamilien von grob geschätzt 20 % im Vergleich zu den Jahren vor 2001 bzw. über 30 % seit 1992. Dies ist ein Jammern auf einem relativ hohem Niveau, aber es und bleibt eine Tatsache, dass im Vergleich die Beamtenbesoldung immer weiter von der allgemeinen Einkommenssteigerung abgekoppelt wird. Dies entspricht zwar der allgemeinen Beamtenschelte, aber hat keine Begründung in der Leistungsfähigkeit der Beamtinnen und Beamten.
Hier geht es um Gerechtigkeit, aber auch um eine faktische Belastung der Pfarrfamilien aufgrund tatsächlicher Verluste von fast 20 % – 30 % weniger Einkommen, wohlgemerkt im Vergleich zu der früheren Einkommenssituation. Diese Minderung des Einkommens geschieht bei gleichzeitiger Arbeitsverdichtung aufgrund des Pfarrstellenabbaus im Gemeindepfarramt von rund 12 %.“