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Die EKiR – ein Tochterunternehmen der EKD?

Von Hans-Jürgen Volk

Haben Sie schon mal was von einem „erweiterten Solidarpakt“ gehört? Nein? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. Landessynodalen, Superintendenten, Vorsitzenden von Pfarrvereinen oder MAV-Vertretern oder sogar langjährigen Mitgliedern von Kirchenleitungen soll es ähnlich gehen. Der „erweiterte Solidarpakt“ wurde im März 2006 von der Kirchenkonferenz der EKD beschlossenen. Durch ihn übt die EKD massiven Einfluss auf die Finanz- und Personalplanung ihrer Gliedkirchen aus. Er dürfte die eigentliche Begründung für den verschärften Sparkurs der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) sein. Die zweitgrößte Landeskirche in Deutschland folgt in blindem Gehorsam EKD-Vorgaben, die den meisten Mitgliedern ihre Landessynode unbekannt sind.

Ein fiskalisches Korsett mit dem Ziel der Kapitalbildung

Zeitgleich mit der Arbeit am EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ wurden verbindliche Regelungen entwickelt, mit denen die Landeskirchen im Machtbereich der EKD fiskalisch auf Linie gebracht werden sollten. Es spricht viele dafür, dass das enge fiskalische Korsett des „erweiterten Solidarpakts“ ein entscheidender Faktor bei den Um- und Rückbauprozessen ist, wie sie in „Kirche der Freiheit“ nahegelegt werden.

Der ursprüngliche „Solidarpakt“ bezeichnet dass nach der Vereinigung Anfang der 90-er Jahre entstandene Finanzausgleichsystem der EKD-Landeskirchen, dass bis auf wenige Ausnahmen den östlichen Landeskirchen zu Gute kam. Der „erweiterte Solidarpakt“ knüpft lediglich begrifflich hieran an. Im Beschluss der Kirchenkonferenz heißt es unter Punkt 5 der Präambel: „Grundlegendes Ziel eines ‚erweiterten Solidarpakts‘ ist es, vorbeugend sicherzustellen, dass keine Gliedkirche in eine solche finanzielle Krise gerät, die die Gemeinschaft aller Gliedkirchen belastet.“ Von der Sache her will der sog. Solidarpakt also den Solidarfall verhindern, indem er die Landeskirchen einem strengen fiskalischen Regiment unterordnet. Diese werden genötigt, im Blick auf eine angeblich sinkende Finanzkraft Zukunftssicherung in Form von Kapitalbildung zu betreiben. Der EKD-Finanzchef Thomas Begrich räumt in einer Sendung von RBB Kulturradio vom 03.08. 2014 mit dem Titel: „Für Pfarrers Rente spekulieren – Kirche an der Börse“ ein, dass das Vermögen, das die einzelnen Landeskirchen alleine für zukünftige Versorgungsansprüche angesammelt haben, bereits jetzt einen Umfang von 10 – 15 Milliarden Euro hat. Bedenkt man, dass die Regelungen des „erweiterten Solidarpakt“ die Landeskirchen darüber hinaus zu weiteren umfänglichen Rücklagenbildungen zwingen, bedenkt man darüber hinaus, dass sich im Besitz der kirchlichen Körperschaften im EKD-Bereich zahlreiche werthaltige Immobilien und Liegenschaften befinden, kann man in etwa erahnen, wie groß das kirchliche Gesamtvermögen ist.

Der „erweiterte Solidarpakt“ erinnert an den „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ der EU. Auch dort geht es um das Sparen um fast jeden Preis, in jedem Fall zu Lasten der Menschen. Allerdings gibt es zwei Unterschiede: 1. Wo der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ Pakt der EU die Verschuldung der Staaten eindämmen will, geht es beim EKD-Solidarpakt um Kapitalbildung. 2. Die Regelungen des „Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ sind den nationalen Parlamenten bekannt und werden dort kontrovers diskutiert. Der EKD-Solidarpakt ist dagegen eine Verabredung weniger Bischöfe und Oberkirchenräte im Rahmen des Konklave der Kirchenkonferenz, von der Presbyterien, Kreis- oder Landessynoden, die in der evangelischen Kirche eigentlich entscheiden sollten, bisher so gut wie keine Kenntnis besitzen.

Die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ im Einzelnen

Nimmt man die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ ernst, kommt man zu dem Ergebnis, dass im Moment jedenfalls noch die Kirchengemeinden der EKiR eine größere Gestaltungsfreiheit im Blick auf ihre Finanzen haben, als die Landeskirchen der EKD.

Würden Sie jemanden ernst nehmen, der Ihnen vermitteln will, welche Höhe die Inflationsrate im Jahr 2023 hat? Oder der glaubt, belastbare Aussagen über den Umfang der Einnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer im Jahr 2031 machen zu können?

Basis der Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ ist die Nötigung der Landeskirchen zu einer mittelfristigen und einer langfristigen Finanzplanung. Die mittelfristige Finanzplanung wird für einen Zeitraum von 5 Jahren erstellt, die langfristige Finanzplanung soll einen Zeitraum von 15 – 25 Jahren umfassen. Die Finanzplanung soll auf folgenden prognostischen Annahmen beruhen:

  • Entwicklung der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln

  • Prognose des allgemeinen Preisindexes

  • Gemeindegliederzahlen

  • Ausgabenentwicklung

Grundlage der Finanzplanung der Landeskirchen sind Mindeststandards, die von der Kirchenkonferenz auf Vorschlag des Finanzbeirates der EKD festgelegt werden. Diese Mindeststandards umfassen folgende Punkte:

  • Aufrechterhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit

  • Kostenstruktur, insbesondere der Personalkosten

  • Liquidität und Rücklagen

  • Verschuldung

  • Sicherung der Versorgung

Jedes Jahr legen die Landeskirchen bis zum 31. März dem Kirchenamt der EKD einen Bericht zu ihrer finanziellen Situation vor, der nach einem vom Finanzbereit entwickelten und durch die Kirchenkonferenz bestätigten Raster erstellt wird. Die Berichte werden vom Kirchenamt der EKD ausgewertet. Die Ergebnisse berät der Finanzbeirat.

Kommt es bei einer Landeskirche zu erheblichen Abweichungen bei den festgelegten Mindeststandards, ergeht ein Schreiben an die betroffene Landeskirche, dem ein anschließendes Gespräch über Lösungsmöglichkeiten folgen soll.

Greifen diese Maßnahmen nicht und wird durch Kirchenamt und Finanzbeirat eine „Finanzkrise“ einer Landeskirche festgestellt, greifen deutlich härtere Maßnahmen, die von der Kirchenkonferenz „im Benehmen“ mit dem Rat der EKD beschlossen werden. Genannt werden die „Aufforderung zur Erstellung eines Sanierungsplans in Abstimmung mit dem Kirchenamt“ sowie die „Begleitung der Umsetzungsmaßnahmen durch einen Beauftragten“ der EKD. „Bei erfolgversprechender Mitarbeit der betroffenen Gliedkirchen an der Überwindung ihrer Finanzkrise können Unterstützung durch die Gemeinschaft der Gliedkirchen und weitere begleitende Maßnahmen in Aussicht gestellt werden.“ Ist dies nicht der Fall, greifen Sanktionen, die bis zum Ausschluss weiterer Unterstützung für die betroffene Gliedkirche reichen“ können. Im Klartext: Bei nicht-kooperativem Verhalten gegenüber den EKD-Spielregeln droht der Entzug der Solidarität, also offenbar auch der Entzug der Finanzausgleichsmittel.

Die einzelnen Landeskirchen sind also im Blick auf ihre Finanzen seit März 2006 nicht mehr Herrin im eigenen Haus. Sie müssen sich den vom Finanzbeirat vorgegeben Mindeststandards unterordnen und stehen unter Aufsicht der EKD. Dies bestätigt der Finanzchef der EKD Thomas Begrich im bereits erwähnten RBB-Feature: „Im Erweiterten Solidarpakt […] sagen wir: Es sollen aus den aktuellen Haushalten nicht mehr als 10 Prozent aufgewandt werden müssen, um die Pensionen der jetzt im Ruhedienst befindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Um das erreichen zu können, muss man ungefähr siebzig Prozent Kapitaldeckung haben.“ „Und solche finanziellen Mindeststandards werden dann auch von uns im Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft der Gliedkirchen überwacht. „

Die EKiR und der „erweiterte Solidarpakt“

Im Vorwort von „Schöne neue Welt“ schreibt Aldous Huxley 1946: „Die größten Triumphe der Propaganda wurden nicht durch Handeln, sondern durch Unterlassung erreicht. Groß ist die Wahrheit, größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen von Wahrheit.“

Beklemmend aktuell ist dieses Zitat im Blick auf die Krisen und kriegerischen Konflikte unserer Zeit. Noch beklemmender muss es allerdings für einen evangelischen Christen sein, dass Teile der kirchlichen Leitungsebene sich die hinter dieser Aussage stehende Geisteshaltung zu eigen gemacht haben.

Tatsache ist, dass in keinem öffentlich zugänglichen Dokument, dass der rheinischen Landessynode vorgelegt wurde, der Begriff „erweiterter Solidarpakt“ auftaucht und dass die Unwissenheit über sein Regelwerk nicht nur die Masse der Landessynodalen, sondern sogar langjährige Mitglieder der Kirchenleitung betrifft. Jetzt stellt sich heraus, dass ohne die Wucht dieses Reglements der ab Juli 2013 initiierte brutal verschärfte Sparkurs der damals neuen Kirchenleitung um Manfred Rekowski so kaum denkbar wäre.

Zunächst fragt man sich, welche Personen den Beschluss der Kirchenkonferenz vom März 2006 zu verantworten haben. Der potentielle Teilnehmerkreis aus dem Rheinland ist überschaubar. Der damalige Präses Nikolaus Schneider sowie Vizepräsident Christian Drägert sind an erster Stelle zu nennen. Hinzukommt der Finanzdezernent Georg Immel und evtl. noch Vizepräses Petra Bosse Huber. Ihnen war die Schieflage bei der Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungsansprüche gegenüber der EKiR bestens bekannt. Ihnen muss bewusst gewesen sein, in welchen fiskalischen Schwitzkasten die rheinische Kirche durch das Regelwerk des „erweiterten Solidarpakts“ gerät und sie auf lange Zeit zu immer neuen „Sparrunden“ nötigt mit dem Ziel verstärkter Kapitalbildung. Nicht ohne Brisanz ist der Tatbestand, dass dieser Personenkreis die politische Verantwortung für den bbz-Finanzskandal trägt, der einige Jahre später den Rücklagenbestand der rheinischen Kirche um einen Betrag von deutlich über 20 Mio. € reduziert hat.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Georg Immel erstmals im Finanzbericht von 2006 auf ein „landeskirchliche Frühwarnsystem“ verweist. Hierbei ging es Immel darum, Kirchengemeinden und Kirchenkreise zu motivieren, den Bestand ihrer Rücklagen und Schulden nach Düsseldorf zu melden, von wo aus die Daten an die EKD zur Auswertung weitergeleitet werden sollten. Er begründet dies mit einem Beschluss von Kirchenkonferenz und Rat der EKD, „ein sogenanntes ‚Frühwarnsystem‘ auf EKD-Ebene einzuführen, um frühzeitig Fehlentwicklungen oder Fehlsteuerungen in Gliedkirchen erkennen und darauf reagieren zu können“ (Seite 9, 10). Immel trug seinen Bericht im Januar 2006 vor, erst im März 2006 fasste die Kirchenkonferenz der EKD den endgültigen Beschluss zum „erweiterten Solidarpakt“. Dennoch wird man davon ausgehen können, dass die Vorüberlegungen Immel bekannt waren und seine Ausführungen bestenfalls Teilinformationen, also die halbe Wahrheit enthielten. In seinen Erläuterungen zur Versorgungssicherung ab S. 12 des Berichts erwähnt Immel weder „Frühwarnsystem“ noch den „Solidarpakt“, obwohl das eigentliche Ziel des „Solidarpakts“ – verstärkte Kapitalbildung – vor allem auf die Sicherung zukünftiger Versorgungsansprüche abzielt. Im Finanzbericht von 2007, als das Regelwerk des „erweiterten Solidarpakts“ verbindlich und den Eingeweihten bekannt war, geht Immel erneut auf das „Frühwarnsystem“ ein (S. 7-9), ohne wirkliche Informationen zu liefern.

Das Jahr 2006 war nicht nur für die rheinische Kirche eine Zäsur. Mit dem „erweiterten Solidarpakt“ war ein höchst effizienter Hebel geschaffen, mit dem Grundelemente aus „Kirche der Freiheit“ umgesetzt werden konnten. Trotz erheblich steigender Kirchensteuereinnahmen wurden Gemeinden, Kirchenkreisen und Gemeinden Mittel entzogen und in Verbindung mit einer unseriösen Langfristprognostik, nach der dauerhaft die kirchliche Finanzkraft nur sinken kann, das Gefühl subjektiver Armut vor Ort verstetigt. Faktisch handelt es sich um eine Umverteilung von unten nach oben, denn Mittel, die die Arbeit vor Ort hätten stärken können, werden dem Zugriff von Presbyterien und Kreissynoden entzogen.

Seit 2006 kann man in der rheinischen Kirche eine wachsende Dynamik bei Rückbauprozessen und dem Abbau von Arbeitsplätzen beobachten. 2011 verdoppelte die EKiR die Versorgungssicherungsumlage und führt mittlerweile ein knappes Viertel ihres Kirchensteueraufkommens der Versorgungsicherung zu.

All‘ diese Anstrengungen waren nach dem Urteil der EKD-Aufseher offenbar unzureichend. Im März 2013 gab die EKiR die aktuellen Daten, die nach dem „erweiterten Solidarpakt“ gefordert werden, an das EKD-Kirchenamt weiter. Offenbar kam im Mai 2013 so etwas wie einen „blauen Brief“ aus Hannover. Am 10. Juli 2013 kündigt Präses Manfred Rekowski in einer Videobotschaft eine drastische Verschärfung des „Sparkurses“ an. Über den Zeitraum von mehreren Wochen gibt es in seinem Blog eine durchaus spannende Diskussion. Allerdings werden weder die tatsächlichen Hintergründe des fiskalischen Parforceritts benannt, noch fachliche Fragen befriedigend beantwortet. Die Sondersynode in Hilden Ende November 2013 folgt diesem Muster. Rekowski plaudert zwar von der „Troika“ und dem EKD-„Sparkommissar“, der ins Haus stehen könnte. Die Heiterkeit der Synode ob dieser Äußerungen belegt jedoch, dass der dramatisch ernste Hintergrund dieser „humoristischen“ Einlagen, nämlich die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ den Synodalen weitgehend unbekannt sind. Synoden werden so in Teilen zu einer reinen Akklamationsfassade. Die Ziele stehen fest, sie kommen aus dem intransparenten Dunst der EKD. Gestaltet werden darf die Umsetzung, hier ist „Partizipation“ gefragt.

Fakt ist, dass die EKiR mehr denn je an der kurzen Leine der EKD nach einer Road-Map geführt wird, die nur wenigen Eingeweihten bekannt ist. Was bedeutet es – auch verfassungsrechtlich – für diese Landeskirche mit einer immer noch ausgeprägt basisorientierten presbyterial-synodalen Ordnung, wenn die in Finanz- und Strukturfragen entscheidenden Weichenstellungen durch Verabredungen des Finanzbeirates und der Kirchenkonferenz der EKD getroffen werden, deren Inhalte der Landessynode bestenfalls verschwommen bekannt sind, wenn überhaupt? Nicht mehr die Landessynode bestimmt die Richtung – von Presbyterien und Kreissynoden gar nicht zu reden – sondern ein kleiner Kreis von Bischöfen und Oberkirchenräten in Gremien der EKD.

Der „erweiterte Solidarpakt“ – die kritischsten Punkte

Was bewegt die Mitglieder der Kirchenkonferenz der EKD zu der mutmaßlichen Verabredung, den Beschluss zum „erweiterten Solidarpakt“ nicht zu veröffentlichen? Es war tatsächlich bis vor kurzem ein „Pakt, den keiner kennt“, wie es der Journalist Christoph Fleischmann mehrfach formuliert hat. Dieser Tatbestand offenbart eine nahezu unglaubliche Missachtung von Synoden durch führende Verantwortungsträger der Evangelischen Kirche. Er zerstört Vertrauen.

Darüber hinaus ist Folgendes anzumerken:

  1. Der „erweiterte Solidarpakt“ ist ein Steuerungsinstrument – durchaus vergleichbar mit dem EU-„Stabilitäts- und Wachstumspakt“ – das die evangelischen Landeskirchen in eine höchst einseitige Finanzorientierung drängt. Die Frage einer nachhaltigen Finanzierung insbesondere im Blick auf Versorgungs- und Beihilfeansprüche erscheint als die herausragende Zukunftsfrage kirchenleitenden Handelns, dem sich alle anderen Aspekte wie die Situation der Beschäftigten oder die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Wirkungsbereich der Kirche unterzuordnen haben.

  2. Verschärft wird diese für die Kirche insgesamt schädlich Einseitigkeit durch eine von der EKD vorgeschriebene Prognostik, die auf falschen Grundannahmen beruht. Hierzu gehört die bis heute empirisch nicht zu belegende Behauptung, die Mitgliederentwicklung hätte einen messbaren Einfluss auf die Finanzkraft der Kirche. Ein Blick auf längere Zeiträume am Beispiel der EKiR widerlegt dies vielmehr:

EKiR

1970

1990

2005

2013

Gemeindeglieder in Mio.

3,856

3,269

2,952

2,707

Nettokirchensteuer-

Aufkommen in Euro

200 Mio.

580 Mio.

492 Mio.

620 Mio.

  1. Ähnlich fragwürdig ist eine Prognose bezüglich des allgemeinen Preisindexes, die als ein Element der Finanzplanung gefordert wird. Aussagen über die Inflationsrate in 10 oder gar 25 Jahren machen zu wollen entbehrt jeder Grundlage und ist reine Kaffeesatzleserei. Der Preisindex orientiert sich im übrigen nicht an der tatsächlichen Kostenstruktur der Kirche, sondern an den Ausgaben einer Durchschnittsfamilie. Der Euro hat im Blick auf die Anschaffung elektronischer Geräte, die für die kirchliche Arbeit kein unwichtiger Kostenfaktor sind, erheblich an Wert gewonnen, da Computer, Handys und Notebooks günstiger geworden sind. Bei den Löhnen und Gehältern müsste er zumindest konstant geblieben sein, und dies ist der weitaus größte Kostenpostenkirchlicher Arbeit.

  2. Auf Grund der bei Lichte besehen höchst subjektiven Annahme, die Finanzkraft der Kirche würde sich in Zukunft erheblich reduzieren, drängt die EKD ihre Landeskirchen dazu, Geld durch „Sparrunden“ aus dem System kirchlicher Arbeit herauszuziehen und Zukunftssicherung durch Kapitalbildung zu betreiben. Soll diese Strategie im Sinne ihrer Urheber erfolgreich sein, setzt dies folgendes Szenario zwingend voraus: 1. Die Finanzmarktentwicklung muss in den kommenden Jahrzehnten so stabil sein, dass auch für kirchliche Finanzanlagen verlässliche Renditen erwirtschaftet werden können. 2. Eine Voraussetzung dafür ist ein stetiges Wirtschaftswachstum. – Wer’s glaubt, wird selig, oder auch nicht!

Der KirchenBunt – eine Initiative der Basis in der EKiR.

6. Juni 2014, von Andreas Reinhold

Nun ist es auch in der EKiR soweit: An den Start geht eine „Initiative zur Stärkung der Ortsgemeinden, zur Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung, gegen Zentralisierung, Hierarchisierung und Monetarisierung in der Evangelischen Kirche im Rheinland“. Hinter dem etwas gestelzten Namen verbirgt sich das Anliegen, „der zurzeit vorherrschenden TopDown-Strategie ein basisorientiertes Denken und Handeln entgegensetzen und damit die Vielfalt und Eigenständigkeit der Gemeinden (zu) stärken.“ Insbesondere wenden sich die Initiatoren „gegen eine weitere Kompetenzverlagerung von den Presbyterien zu den übergemeindlichen Ebenen und gegen eine finanzorientierte Bewertung kirchlicher Arbeitsfelder“. Zum Mitmachen eingeladen sind alle, „die durch den Reformprozess in der Evangelischen Kirche im Rheinland und seine Auswirkungen auf ihre presbyterial-synodale Ordnung mit Sorge erfüllt sind.“ Weitere Informationen entweder auf der Website oder bei FaceBook:

» KirchenBunt – Website

KirchenBunt im Rheinland – Erklärung

„Die Gemeinde steht im Mittelpunkt. Sie ist der Ort, wo Menschen Glaube erleben. Bei allen Diskussionen, welche Strukturen wir in Zukunft benötigen, müssen wir fragen, wie diese der Gemeinde dienen ….“ (Manfred Rekowski – Präses der Ev. Kirche im Rheinland)

Worum es geht
Seit 2005 ist die Ev. Kirche im Rheinland einem Umbauprozess ausgesetzt, der den Wesenskern unserer Kirchenverfassung berührt. Entscheidungsprozesse werden von Kirchenleitung und Landessynode vorangetrieben und gegenüber Kirchenkreisen und Gemeinden durchgesetzt. Es fand und findet eine Verkehrung dessen statt, was eine presbyterial-synodale Kirchenverfassung ausmacht.
Begründet werden die Umbaumaßnahmen mit der Perspektive dauerhaft sinkender Einnahmen. Tatsächlich binden Organisation und Verwaltung jedoch immer mehr finanzielle Ressourcen, wohingegen die Mittel für die Arbeit mit Menschen drastisch reduziert werden. Verschärft wird diese ungesunde Entwicklung durch den 2013 von der Kirchenleitung initiierten Sparkurs.
Wir setzen uns ein für eine „Kirche auf Gemeindebasis“. Wir stehen damit auf dem Boden unserer Kirchenverfassung und beziehen uns besonders auf die Grundartikel der Kirchenordnung sowie die Barmer Theologische Erklärung.

1. Kirche aus dem Wort
Die beiden ersten Thesen der Barmer Theologischen Erklärung machen deutlich: es gibt keinen Lebensbereich und auch kein kirchliches Handlungsfeld, dass von einer Orientierung an Jesus Christus als dem einen Wort Gottes suspendiert ist. „Wie Jesus Christus Gottes Zuspruch der Vergebung aller unserer Sünden ist, so und mit gleichem Ernst ist er auch Gottes kräftiger Anspruch auf unser ganzes Leben; durch ihn widerfährt uns frohe Befreiung aus den gottlosen Bindungen dieser Welt zu freiem, dankbarem Dienst an seinen Geschöpfen“ (aus Barmen II).
Wir beklagen, dass zentrale Umbauprojekte ohne erkennbare theologische Reflektion durchgeführt werden. Das Neue kirchliche Finanzwesen(NKF) oder die Verwaltungsstrukturreform folgen vielmehr Modellen aus dem säkularen Umfeld der Kirche. Wie die Kirche mit ihrem Geld umgeht und welche Prioritäten beim Mitteleinsatz gesetzt werden, sind zu allererst theologische Fragen, denen man sich bisher weitgehend entzogen hat.
Wir setzen uns eine für eine Kirche, in der Theologie wieder eine handlungsleitende Funktion einnimmt – und zwar auch in Fragen des Umgangs mit ihren finanziellen Ressourcen sowie ihrer Organisation und Verwaltung.

2. Kirche auf Gemeindebasis
Bereits die ersten Sätze der Kirchenordnung der Ev. Kirche im Rheinland machen deutlich: Basis der Kirche ist die Gemeinde, die eigenverantwortlich ihre Aufgaben im Dienst des Evangeliums für die Menschen wahrnimmt und organisiert. Die dritte These der Barmer Theologischen Erklärung definiert Kirche als „Gemeinde“, „in der Jesus Christus in Wort und Sakrament gegenwärtig handelt“.
Wir beklagen die im Widerspruch zur Barmer Theologischen Erklärung und zur rheinischen Kirchenverfassung stehende Hierarchisierung unserer Kirche, durch die die Eigenverantwortlichkeit von Gemeinden sowie von Kirchenkreisen und Einrichtungen immer mehr zurückgedrängt wird.
Das Handeln Jesu in Wort und Sakrament ist kommunikatives Geschehen, das Menschen in eine verbindliche Beziehung zueinander führt. Wir setzen uns ein für eine Kirche, in der die Gemeinde als „Grundstruktur gelebten Christseins“ wahrgenommen und gestärkt wird.

3. Kirche für Menschen
Die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus verlangt nach einer Kirche, die sich mit ihrer Botschaft und ihrer strukturellen Ausrichtung entschieden den Menschen zuwendet. Mit ihrer Verkündigung, ihrer Seelsorge, ihrer Bildungsarbeit, ihrem diakonischen Wirken und dem prophetischen Wort dient sie den Menschen in ihrem Wirkungsbereich.
Unsere Kirche denkt und handelt zunehmend unter der Herrschaft des Geldes. Wir beklagen einen Prozess der Ökonomisierung, durch den strategische Entscheidungen immer mehr mit Finanzgrößen und Finanzprognostik begründet werden, wohingegen die Bedürfnisse, Nöte und Erwartungen der Menschen im Wirkungsbereich der Kirche in den Hintergrund treten. Diese Fiskalisierung im Denken und Handeln, die Glaube, Hoffnung und Liebe marginalisiert, widerspricht der biblischen Botschaft.
Wir setzen uns ein für eine Kirche für die Menschen. Kirchenleitendes Handeln darf nicht vorrangig am Geld, sondern muss an den Menschen im Wirkungsbereich der Kirche orientiert sein.

4. Kirche in Freiheit
Die vierte These der Barmer Theologischen Erklärung ist eine entschiedene Absage an hierarchische Strukturen und Top-Down-Strategien: „Die verschiedenen Ämter in der Kirche begründen keine Herrschaft der einen über die anderen, sondern die Ausübung des der ganzen Gemeinde anvertrauten und befohlenen Dienstes.“ Die Gemeinde als Ganzes ist Subjekt kirchlicher Willensbildung und kirchlichen Handelns.
Wir beklagen, dass Kirche vor Ort immer mehr zum Objekt der Entscheidungen übergeordneter Leitungsgremien geworden ist, die einhergehen mit der Absicht der zentralen Steuerung wichtiger Prozesse. Dieser Umbau der Kirche führt bis heute zu Nötigungen, die die theologische Identität von Gemeindegliedern schwer verletzen und sich schädigend auf Gemeinden und Einrichtungen auswirken.
Wir setzen uns ein für eine Kirche der strukturellen Vielfalt, die den Weg ebnet für Eigenverantwortung und Kreativität. Wir sind der festen Überzeugung, dass eine strukturell flexible und vielfältige Kirche den Anforderungen unserer Zeit wie der Grundausrichtung unserer Kirchenverfassung entspricht.

5. Kirche in Solidarität
„Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat als die guten Haushalter der mancherlei Gnade Gottes.“ (1. Petrus 4,10)
Jesus Christus spricht: „Was ihr getan habt einem von diesen meinen geringsten Brüdern, das habt ihr mir getan.“ (Matthäus 25,40)
Die Kirche Jesu Christi ist Kirche für die Menschen und steht in Solidarität mit allen Bedrängten, Marginalisierten und Notleidenden.
Wir beklagen, dass unsere Kirche durch bis heute anhaltende Umbau- und Sparprozesse zahlreiche Menschen in materielle und psychische Not gebracht hat. Darüber hinaus wird die sozial-diakonische Arbeit von Kirchenkreisen und Gemeinden geschwächt.
Wir setzen uns ein für eine Kirche, die sozialverantwortlich mit ihren Beschäftigten umgeht, ihre bleibende und verbindliche Verantwortung für diese wahrnimmt und damit ihre sozialethische Botschaft in Parteinahme für die Armen nach außen verstärkt.

Was ist zu tun?

Jedes Leitungsgremium und jeder einzelne Christ und jede Christin habe das Recht und die Pflicht, Beschlüsse von Synoden und Rechtsetzungen der Kirche anhand des Bibelwortes, der Bekenntnisse sowie der Verfassung unserer Kirche zu überprüfen und ihrem Gewissen folgend zu entscheiden, ob sie dem folgen können oder nicht.
Wir fordern ein Innehalten bei der Umsetzung des Neuen Kirchlichen Finanzwesens und der Verwaltungsstrukturreform. Beide Projekte werfen theologische Fragen auf, die bisher nicht in Ansätzen geklärt sind. Beide Projekte stehen in Spannung, wenn nicht im Widerspruch zu zentralen Elementen der rheinischen Kirchenverfassung.
Wir fordern einen ergebnisoffenen Diskurs über die Zukunft der rheinischen Kirche, der sich ebenenübergreifend um Einmütigkeit bemüht.

EKiR: Landeskirchenrätin Antje Hieronimus droht in Sachen Verwaltungsstrukturreform mit Zwangsmaßnahmen auf der Veranstaltung im Kirchenkreis Moers

Von Hans-Jürgen Volk

Bei einer Veranstaltung im Kirchenkreis Moers zur Verwaltungsstrukturreform vom 20. Mai 2014, die in Vorbereitung einer am darauffolgenden Wochenende stattfindenden Kreissynode durchgeführt wurde, standen plötzlich Drohungen im Raum, die jeden offenen Diskurs abwürgen. Landeskirchenrätin Antje Hieronimus bedrohte Leitungsgremien, die nicht der der Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform mitarbeiten würden, mit dem Disziplinarrecht und deren Auflösung.

Wer handelt eigentlich fortgesetzt rechtswidrig?

Gewiss, die Kirchenordnung sieht schon immer für Leitungsgremien, die fortgesetzt rechtswidrig handeln, Sanktionen vor. Insofern sind die Ausführungen von Hieronimus nicht weiter aufregend. Dennoch kann man getrost davon ausgehen, dass ein Mitglied des Kollegiums mit ähnlichen Äußerungen in den 90-er Jahren kaum auf Verständnis gestoßen wäre…

Die entscheidende Frage ist doch, wer handelt hier eigentlich fortgesetzt rechtswidrig? Hier haben die Kirchengemeinden Alpen und Rheinberg ein Rechtsgutachten zur Verwaltungsstrukturreform in Auftrag gegeben. Dieses Gutachten kommt zu dem Ergebnis, dass begründete Zweifel an der Konformität dieses Projekts mit wesentlichen Grundlagen unserer Kirchenordnung bestehen. Die Kirchenordnung wurde zwar in einigen Punkten durch Beschlüsse der Landessynode verändert, um sie den Anforderungen der im Wesentlichen durch das Beratungsinstitut Kienbaum entwickelte Verwaltungsstrukturreform anzupassen. Das Gutachten bestreitet allerdings ein Recht der Landessynode, den Gemeinden wesentliche Kompetenzen zu entziehen. Somit müssten sich die Äußerungen von Hieronimus eigentlich gegen die Leitungsorgane der Landeskirche richten…

Zum Artikel.

Ein Hauch von Barmen

3. Juni 2014 von Andreas Reinhold

…Unsere Kirche ist keine Kirche Jesu Christi mehr, wenn sie nach Regeln funktioniert, die der Botschaft unseres Herrn widersprechen. Folgen wir dem eingeschlagenen Weg einer Monetarisierung in weiten Bereichen kirchlicher Arbeitsfelder, wird dies zwangsläufig der Fall werden. Darum: Ein Hauch von Barmen täte uns gut in diesen Zeiten. Denn in einem hat unser Präses vollkommen recht: Der christliche Glaube segnet nicht alles ab – auch nicht innerhalb der Kirche. Zum Artikel

EKiR: Gegen den Abriss der ev. Kirche in Alkenrath

Von Rolf Müller

Das Alkenrather Protestanten- und Bürgerengagement zeigt deutlich, dass die Kirchen in ihrer Geschichte mehr als nur eine „Kirche“ sind. Kirchtürme und Kirchengebäude, wie im Falle Alkenrath, schaffen Identität. Sie sind ein Teil unserer Heimatgeschichte, ein öffentliches Erbe, für die es eine öffentliche Verantwortung geben muss.

Der neuste Fall der ev. Kirche in Wuppertal-Wichlinghausen macht deutlich, wie es auch anders geht. Wäre der Präses der EKiR Manfred Rekowski Superintendent unserer Kirchengemeinden gewesen und seine „Heimatkirche“ die ev. Kirche in Alkenrath, so blieben  die Alkenrather Kirchbauten erhalten. Beweis hierfür ist, dass die „Heimat-Kirche“ von Präses Rekowski in ein „Familien- und Begegnungshaus“ umfunktioniert wurde (vgl. den Beitrag im „Präsesblog“). Nun ist Superintendent Loerken nicht Präses Rekowski – aber wäre es für den Superintendenten nicht löblich, seinem Chef  nachzueifern und seine ihm unterstellte Alkenrather Kirche zu retten?
Das Online-Umfrageergebnis des Kölner Stadt-Anzeigers in seinem Artikel „Initiative will Kirchbauten retten“ vom 13.04.2014 ist eindeutig. Das Ergebnis ist eine Beschreibung des Zustandes, wie die Kirche gegenwärtig empfunden wird. 61 Prozent der abgegebenen Stimmen sind dafür, dass das Alkenrather Gemeindezentrum wieder mit Leben gefüllt werden müsse…

Zum Artikel von Rolf Müller

EKiR: Pläne für Gemeindezentrum – Initiative will Kirchbauten retten

13.04.2014 Von Jan Sting, Alkenrath.

Rolf Müller (l.) und Werner Schramm sind Mitglieder der Initiative, die sich für die Alkenrather Kirchenbauten einsetzt.
Die Kirchbauten in Alkenrath sollen abgerissen werden. Ein Investor hat Interesse an dem Gelände bekundet. Für Rolf Müller das falsche Zeichen in einem Stadtteil mit sozialer Schieflage. Er will den Abriss verhindern.

„Alkenrath geht den Bach runter“, sagt Rolf Müller, der nun die Interessengemeinschaft zum Erhalt der Kirchbauten in Alkenrath gegründet hat. Denn der Stadtteil leide. Soziale Wohnbauten wurden an Fonds veräußert. Der Vandalismus schreite voran und viele der alten Alkenrather, die bereits seit den Gründerzeiten in den 50er-Jahren im damals städtebaulich hoch gelobten Viertel leben, würden gerne fortziehen. Aber es fehle das Geld. Und auch die evangelische Kirche ziehe sich aus dem Stadtteil zurück. Das Gemeindezentrum ist geschlossen, die Stelle einer engagierten Jugendleiterin wurde gestrichen.
Ein „himmelschreiendes Unding“ ist das nach Ansicht Müllers, denn in keinem Stadtteil Leverkusens gebe es solche soziale Schieflagen wie in Alkenrath. Gangs streiften durch das Viertel, säßen stundenlang an Bushaltestellen, während im Gemeindezentrum gar nichts mehr passiere. „Just dort wird einem Investor für dickes Geld ein Filetstück angeboten, und die Kirchbauten sollen alle entfernt werden?“, fragt Müller. Im Gegenzug werde die Friedenskirche in der gut betuchten Waldsiedlung saniert. „Und die Alkenrather erhielten Spendenaufrufe zur Finanzierung der Friedenskirche. Die verstanden die Welt nicht mehr.“… Zum vollständigen Aufruf „Pläne für Gemeindezentrum Initiative will Kirchbauten retten“

Leider kein Aprilscherz! – Das Ende der presbyterial-synodalen Ordnung der EKiR

01. April 2014 von Manfred Alberti

Ein kirchengeschichtlich bedeutsames Datum für die Rheinische Kirche ist der heutige 01. April 2014. Mit dem Inkrafttreten des Verwaltungsstrukturgesetzes endet die 400 jährige starke Stellung der Gemeinden als Fundament der presbyterial – synodalen Ordnung im Rheinland.

Nach dem Verwaltungsstrukturgesetz verbleiben keine relevanten Verwaltungsbereiche mehr in der Selbstverwaltung der Gemeinde, da die wesentlichen Aufgaben (insbesondere Personalwesen, Finanzfragen und die Bau- und Liegenschaftsangele-genheiten) der gemeinsamen Verwaltung im Kirchenkreis übertragen werden.

Ein von mehreren niederrheinischen Gemeinden in Auftrag gegebenes Rechtsgutachten kommt zu dem Schluss, dass die Landessynode mit dem Verwaltungsstrukturgesetz die Selbstverwaltung der Gemeinden abgeschafft hat und deshalb rechtswidrig gegen die höherrangige Kirchenordnung verstösst. Die presbyterial – synodale Ordnung ist aber der nicht veränderbare Kern der evangelischen Kirche im Rheinland.

Zusammen mit dem Neuen Kirchlichen Finanzwesen (NKF), das die Finanzen vieler Gemeinden deutlich schlechter rechnet, zerstören die Ausgaben für eine ausufernde Verwaltung, die für die Gemeindearbeit nur geringen Nutzen bringt, die Strukturen der Gemeinden. Das Geld für Gemeindearbeit wird immer knapper.

Die Landessynode der Rheinischen Kirche erfüllt damit Vorgaben der Evangelischen Kirche in Deutschland, die u. a. durch das Leitbild „Kirche der Freiheit“ von 2006 eine Organisation der Evangelischen Kirche von oben nach unten propagiert hat. Inzwischen rücken aber selbst höchste Vertreter der EKD von diesem Leitbild „Kirche der Freiheit“ ab: Nicht – wie gedacht und erhofft – die Strahlkraft überregionaler „Leuchtfeuer“ macht die evangelische Kirche attraktiv, sondern die Lebendigkeit vieler unterschiedlicher Gemeinden, die durch eine großen Bandbreite ehrenamtlicher Arbeit und Glaubensverkündigung Menschen für den Glauben begeistern können.

Schade, dass die Evangelische Kirche im Rheinland jetzt noch diesen falschen Weg zu einer Zentralisierung der Verwaltung und Leitung umsetzt und damit viele Gemeinden in grosse Schwierigkeiten und finanzielle Nöte stösst.

Der 01. April 2014 bedeutet mit dem Ende der Selbstverwaltung der Gemeinden die Zerstörung eines Kerns des rheinischen evangelischen Gemeindeverständnisses.

 

Sie säen nicht. Sie ernten nicht… Zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.

von Friedhelm Schneider.
Die sprunghaft angestiegene Distanz der Jugendlichen zur Kirche müsste am meisten aufrütteln: 52% der Jugendlichen sind distanziert und 20% denken ernsthaft über Austritt nach. Das ist hart. Aber das ist aus Sicht der Jugendlichen auch fair. Warum?

Betrachten wir einfach Jugendarbeit der Kirchen in den zurückliegenden 2 Dekaden und nehmen wir die EKHN. 1997 pilotiert die EKHN mit dem Projekt „Prioritätenplanung und Ressourcenkonzentration“ eine neue Art der Reform, die sich von dem vorausgehenden Reformansatz, wie er 1992 in „Person und Institution“ angelegt war, distanzierte. Im Nachhinein ist klar: es war eine vorbereitende Phase des Organisationsumbaus der Kirche, der dann mit „Kirche der Freiheit“ obsiegte. Einer der ersten, stante pede umgesetzten Beschlüsse von 1997: Reduktion der Gemeindepädagogenstellen um 20%. Gemeindepädagogen – also das Personal, das in der EKHN wesentlich für die Jugendarbeit zuständig ist. Das war der massive Einstieg in das Downsizing der Jugendarbeit. Und in das Downsizing generell: des Abbau auch von Pfarrpersonal, auch von Zuweisungen für die Arbeit an der Basis, auch von Gebäuden, auch von… McKinsey ließ schon damals grüßen. Nur ein konkretes Beispiel: gab es damals in meinem Stadtteil Darmstadts mit 25000 Einwohnern noch 2 kirchensteuerfinanzierte Stellen für die Jugendarbeit, so ist es heute noch ca. eine halbe Stelle, ergänzt durch einen gemeindefinanzierten (!) Stellenanteil. Der Personalabbau mag an anderer Stelle etwas moderater erfolgt sein und punktuell mag es Unterschiede geben. Aber es kommt hinzu, dass die Pfarrerschaft heute aufgrund der Überalterung für die Jugendarbeit ebenfalls nicht mehr in dem selben Umfang wie früher zur Verfügung steht. Und dass man den Religionslehrern die Fortbildungsstätte im noblen Kronberg genommen hat, ist ein symbolischer Akt gegen eine ganze Berufsgruppe, deren Unterstützung die EKHN offensichtlich auch nicht nötig zu haben scheint.  Punktuelle neue Angebote wie einen alle 2 Jahre stattfindenen Jugendkirchentag können solche Verluste bei weitem nicht kompensieren…  Generell bleibt die Innovationsleistung als Folge der Streichorgie und Marginalisierung des Arbeitsfeldes hinter den Erfordernissen zurück.  52 Prozent distanzierte! Da machen ein paar Sonnenstrahlen noch keinen Sommer. Die Jugendarbeit ist das fünfte Rad am Wagen der Kirche. Da können sich die Mitarbeiter an der Basis noch so mühen und abrackern, sie können durch ihre Person die harte Politik der Kirche gegenüber den Jugendlichen vielleicht etwas abfedern. Sie können sie aber nicht ungeschehen machen. Wen wundern also die Ergebnisse der neuen Mitgliedschaftstudie? In anderen Landeskirchen mag die Entwicklung in der konkreten Ausgestaltung differieren. Die Politik ist aber im Prinzip dieselbe. Sie säen nicht. Sie ernten nicht…

In den letzten sieben Jahren fährt die EKHN fünf mal Haushaltsüberschüsse in Höhe von 40 bis 70 Mio.€ ein! Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch?

Als die EKHN vor einigen Jahren – wieder einmal – einen Haushaltsüberschuss von 40 Mio. € verbuchen konnte, regte ich in kleiner Runde an, diese Mehreinnahmen diesmal nicht in die Rücklagen zu schieben, sondern komplett in die Jugendarbeit (mit einem professionellen 10-Jahreskonzept etc.) zu investieren. Ich erntete seitens einer anwesenden kirchenleitenden Person nur verständnislose Blicke und den Hinweis, dass sich einem solchen Vorschlag in der Kirchenleitung wohl niemand anschließen würde. Wie auch? Haben nicht alle leitenden Personen internalisert: die Kirchen müssten Rücklagen bilden? Da tut es nichts zur Sache, dass die EKHN ihr Soll der Rücklagenbildung schon zu 100% übererfüllt hat, weil 70% als ausreichend gelten. Gewinne für Rücklagen, aber keine Investitionen in die Mitglieder, hier in die Jugendlichen. Das ist die von den Finanzdezernenten ausgegebene Finanzpolitik. Und die bildet das „Management“-Konzept der Kirche. Ein Konzept, das einigen grundlegenden irrtümern aufsitzt. Halten wir uns an Prof. Fredmund Malik, den Doyen des europäischen Managements aus St. Gallen: „Die Meinung, dass der Zweck von Unternehmen der Gewinn sei, ist so alt wie irreführend.. .Alle paar Jahre taucht sie in einem neuen Kleid auf… diesmal in der Sharholder-Value-Theorie…Wer sich am Shareholder-Value… orientiert, hat die Gewissheit, dass er systematisch falsche, das heißt das Unternehmen schädigende Entscheidungen trifft.“

Das ist in der Kirche passiert. Es wurden systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Die Jugendlichen waren außerhalb des Horizonts der Kirchenleitungen und der „Hohen Häuser“ der Synoden. Die Jugendlichen werden mit den Angeboten und mit der Botschaft in der Breite nicht mehr erreicht. Es fehlt an Mitarbeitern. Und es fehlt dadurch bedingt auch an Innovationen. Es fehlt an schlüssigen Antworten auf die Herausforderungen des Wechsels von der analogen in die digitale Welt. Angesichts erhöhter Anforderungen konnte die Strategie nicht darin bestehen die Mittel zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: man hätte investieren müssen. In die Jugend, und nicht in Maßnahmen, die die  Bürokratie aufbauschen ohne nennenswert bessere Leistungen im Sinne einer Unterstützung für die an der Basis arbeitenden PfarrerInnen u.a. hervorzubringen! Und wie geht es weiter: Dass Pfarrerinnenmangel droht, hat sich herumgesprochen. Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs bei den Gemeindepädagogen aus?

Nikolaus Schneider kündigt an, man wolle aus der Studie lernen. Was aber passiert gerade in seinen Stammlanden, der EKiR? Der Finanzbedarf für die Bürokratie steigt aufgrund der von ihm zu verantwortenden Umbauprozesse. Aufgrund der Einführung der Doppik in den Regionalverwaltungen wird mehr mehr Personal für die (in diesem Falle: nutzlose!) Bürokratie benötigt. Um solche Stellen finanzieren zu können muss man in manchem Kirchenkreis an anderer Stelle einsparen. An welcher? Man muss nicht dreimal fragen – selbstverständlich spart man da, wo sich keiner wehrt – an der Jugendarbeit. So höre ich. Damit die Bürokratie lebe, stirbt die Jugendarbeit! Und so wird es vielen Kirchenkreisen der EKiR gehen –  und vielen Landeskirchen. Nikolaus Schneider…

Was heißt das für die Zukunft der Kirche? Die Jugendlichen werden zunehmend weniger von der Kirche erreicht. Die schon heute ihren Austrittswillen bekunden, werden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen. Denn dieser Wille wird nur schwer und mit hohem Aufwand zu korrigieren sein. Die Austrittsquote steigt und damit werden die Kirchensteuereinnahmen, Spenden oder Beiträge weiter sinken. Man muss also die Kausalketten richtig erkennen! Weil man nicht in die Jugend investiert hat, werden Kirchensteuereinnahmen sinken! Man weiß freilich schon heute, wie die Finanzdezernenten dereinst bei rückläufigen Einnahmen in Verdrehung der Ursachenketten behaupten werden: „Gut, dass wir damals Rücklagen gebildet haben…“ Dabei werden zukünftige Rückgänge der Einnahmen auch auf ihre verfehlte Finanzpolitik heute, namentlich auf die verfehlte Kirchenpolitik gegenüber der Jugend, zurückzuführen sein! Das Problem des Managements der Kirche besteht darin, dass es nicht ganzheitlich denkt und agiert. Es folgt de facto einem beschränkten, monetären Gewinnbegriff. Noch einmal Malik: „Mit einem zu kurz gegriffenen Gewinnbegriff ist noch immer der Untergang eines Unternehmens eingeleitet worden.“ Insofern darf man die aktuellen Haushaltsüberschüsse zwar als vergänglichen Segen betrachten. Mehr noch sind sie aber Menetekel: Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch… – Noch!

Parallelen mit Finanzproblemen bei Kommunen und Kirchengemeinden. Zu einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Kommunales Eigentum: 42 Milliarden Euro Substanzverlust seit 2003 – Investitionsrückstand allein 2013 um 4,5 Milliarden gewachsen
Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben auch 2013 wieder massiv von ihrer Substanz gezehrt. Die Abschreibungen auf kommunale Bauten, Infrastruktureinrichtungen, Maschinen und den sonstigen Kapitalstock lagen im vergangenen Jahr um knapp 4,5 Milliarden Euro höher als die Investitionen der Kommunen. Damit setzte sich der Wertverlust beim kommunalen Eigentum im 11. Jahr in Folge fort. Seit 2003 haben die Abschreibungen die Investitionen um insgesamt 42 Milliarden Euro übertroffen. Das zeigen neue Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
“Viele Kommunen müssen offensichtlich weiter auf Verschleiß fahren, da gibt es keine Trendwende”, erklärt IMK-Forscherin Dr. Katja Rietzler. Die Expertin für öffentliche Finanzen hat die kommunale Abschreibungs- und Investitionsbilanz auf Basis der aktuellsten Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) kalkuliert. Ihr längerfristiger Vergleich zeigt: Der Wertverlust im vergangenen Jahr war der dritthöchste seit 2003. Die positive Entwicklung der Gemeindefinanzen – im vergangenen Jahr wiesen die deutschen Städte und Gemeinden in der VGR einen Einnahmeüberschuss von 3,5 Milliarden Euro aus – gebe offensichtlich nur einen Teil der Realität wieder, warnt die Forscherin: “Die Kommunen insgesamt haben nicht genug Spielraum, um auch nur die Abschreibungen auszugleichen. Gleichzeitig wissen wir, dass sich finanzstarke und finanzschwache Städte und Gemeinden immer weiter auseinanderentwickeln. In den ärmeren Kommunen dürfte der Investitionsrückstand also besonders drastisch wachsen.” Zur Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Kommentar Friedhelm Schneider: das Problem ist ein doppeltes. Es ist
a. ein reales Problem, denn die Kommunen sind unterfinanziert: „Die massiven Steuersenkungen der vergangenen 15 Jahre hinterlassen ihre Spuren“, erklärt die Wissenschaftlerin. Nach Berechnungen des IMK haben Bund, Länder und Gemeinden durch die Steuerrechtsänderungen seit Ende der 1990er-Jahre bis 2013 per Saldo 484 Milliarden Euro weniger eingenommen.“ In Hessen klagten deshalb Kommunen vor dem Staatsgerichtshof und bekamen Recht: „Die Kürzung von mehr als 340 Millionen Euro im Jahr 2011 bei den hessischen Kommunen ist verfassungswidrig. Der Staatsgerichtshof in Wiesbaden gab am Dienstag einer kommunalen Grundrechtsklage der Stadt Alsfeld im Vogelsberg statt.“ Insoweit ist das Thema ein politisches Problem bzw. ein Versagen der Politik.  Vgl. Artikel der FR.
b. Das Problem ist b. ein Rechnerisches und rührt her insbesondere von den pauschalen Abschreibungen für den Immobilienbestand. Unter dem Vorzeichen eines technokratisch verstandenen Ressourcenverbrauchskonzepts werden Eigentümer/rechtsträger oftmals arm gerechnet. Auch reiche hessische Kommunen können betroffen sein. Das Problem ist bekannt und bei den Wort-Meldungen schon des Öfteren diskutiert worden: „Doppik/NKF. Sie entzieht den Rechtsträgern in der Gegenwart die Mittel. Dieses Ressourcenverbrauchskonzept ist zum Teil richtig, wird aber dann zum Zwangsregime, wenn Mittel in Größenordnungen entzogen werden, die in der Zukunft real gar nicht benötigt werden. Als Beispiel diene die EKiR. Sie bildet Rücklagen für Gebäude gleich doppelt (!) – einmal als Abschreibung und ein weiteres mal als sog. Substanzerhaltungspauschale. Ein Superintendent hat das auf der Synode in Hilden zu Recht beanstandet. Hier wird ökonomischer Druck erzeugt durch rechnerische (!) Verarmungen.“ Die Erfahrung zeigt, dass die pauschalen Abschreibungen etwa für den Ressourcenverbrauch bei Immobilien unpräzise und in der Regel deutlich zu hoch ausfallen. Das dürfte bei Kommunen ähnlich sein. vgl. Artikel im Dt. Pfarrerblatt von Friedhelm Schneider.
Fazit: das Instrument der Doppik verschärft die Finanzlage der Kommunen auf rechnerische Weise dramatisch.In der Verbindung, besser: der Addition von a. = Unterfinanzierung und b. = rechnerische Verarmung werden die Eigentümer, hier die Kommunen, endgültig in die Knie gezwungen. Sie sind im bilanziellen Minus, in den roten Zahlen und erhalten schließlich eine Zwangsverwaltung von Regierungspräsidium. Die demokratische Legitimation wird auf der Basis der Finanzpolitik ausgehebelt. Die monarchische Zwangsverwaltung des Regierungspräsidiums ist – scheinbar innerhalb der demokratischen Ordnung – etabliert.

Die Lösung des Problems hieße: outputorientiert steuern. Das erfordert einen höheren Einsatz an… Konzeptions- und Planungsintelligenz. Das Instrument der Doppik ist dafür ungeeignet. Denn die Ansätze sind pauschal und basieren nicht auf realen Daten. Nur so – auf der Basis realer Daten – wäre dem Problem beizukommen. Das ist bei der Kirche identisch. Dafür gibt es in der Kirche auch seit langem Lösungsansätze, wie bei K.IM. Kirchliches Immobilienmanagement seit ca. 10 Jahren praktiziert. vgl. K.IM.org

 

 

EKiR: Verwaltungsstrukturreform steht im Widerspruch zur rheinischen Kirchenverfassung – Rechtsgutachten weist erhebliche Mängel nach

Von Hans-Jürgen Volk

Die Kirchengemeinden Alpen und Rheinberg haben ein Rechtsgutachten zur Verwaltungsstrukturreform in Auftrag gegeben, dass seit Anfang des Jahres vorliegt. In einem von den Presbyterien der beiden Kirchengemeinden verantworteten Begleitschreiben wird darauf hingewiesen, dass der 2005/2006 in der Ev. Kirche im Rheinland eingeleitete Umbauprozess den „Wesenskern unserer rheinischen Kirchenverfassung“ berührt. „Das sich hier abzeichnende Anliegen einer zentralen Steuerung widerspricht grundlegend unserem bewährten Ansatz der dezentralen Subsidiarität“. In dem von der Kanzlei Peberes Moers erstellten Gutachten wird der Nachweis erbracht, „dass die presbyterial-synodale Ordnung und die Kirchenverfassung durch das Verwaltungsstrukturgesetz verletzt werden“.

Die Verwaltungsstrukturreform gehört mit zu einem der problematischsten Umbauvorhaben des seit spätestens seit 2006 intensivierten Umgestaltungsprozesses in der EKiR. Im Verbund mit anderen Projekten wie NKF trägt sie dazu bei, den Charakter der rheinischen Kirche wesentlich zu verändern. Die Impulse zu diesen Projekten kamen und kommen samt und sonders von der landeskirchlichen Ebene und von der EKD. Die rheinische Kirche ist heute keine basisorientierte „Kirche von unten“ mehr. Im Gegenteil: die Spielräume der Akteure vor Ort, sei es in Gemeinden, Kirchenkreisen oder Einrichtungen wurden immer mehr eingeengt und die Kreativität für eigene Problemlösungen und Ansätze blockiert. Die Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform wird diesen Trend verstärken. Und es brennt. Am 1. April 2014 soll das Verwaltungsstrukturgesetz in Kraft treten. Kirchenkreise und Gemeinden sind verpflichtet, bis zum 30. Juni 2015 die nötigen Beschlüsse zur Umsetzung zu fassen. Bis zum 1. Januar 2017 soll das Gesetz umgesetzt sein. Den Kirchengemeinden Rheinberg und Alpen gebührt Dank für ihren Vorstoß, der rechtzeitig kommt vor den Beschlussfassungen der Presbyterien und Kreissynoden zur Umsetzung der Verwaltungsstrukturreform. Diese sollten sich fragen, ob man Projekte tatsächlich umsetzen kann, wenn sie erkennbar im Widerspruch zu zentralen Elementen der Kirchenordnung stehen.

Das Rechtsgutachten – wichtige Inhalte

Seit 2006 ist eine Vielzahl von Bemühungen gescheitert, durch Anträge von Kreissynoden Umbaumaßnahmen zu korrigieren. Dies fand seinen Höhepunkt 2011/2012, als fast ein Drittel der Kirchenkreise bei den umstrittenen Themen Verwaltungsstrukturreform und Personalplanung ein Proponendum forderten, also Stellungnahmen der Presbyterien und Kreissynoden zu den umstritten Projekten ermöglichen wollten. Dies wurde ebenso abgeschmettert wie das Bemühen zuvor, statt dem NKF die erweiterte Kameralistik einzuführen. Im Gutachten heißt es auf S. 21: „Der Begriff ‚presbyterial-synodale Ordnung‘ ist ein Verfassungsprinzip, nach dem die einzelne Gemeinde in ekklesiologischer und kirchenrechtlicher Hinsicht für die Evangelische Kirche im Rheinland konstitutiv ist. Die Gemeinde ist das Subjekt, nicht das Objekt kirchlichen Handelns. … Aus den Presbyterien der einzelnen Gemeinden erwächst der synodale Aufbau der Rheinischen Kirche, die eine Gemeindekirche ist.“ Hieraus folgt, dass eine Willensbildung, die wesentliche Belange der einzelnen Gemeinden berührt, aus den Presbyterien heraus erfolgen und in die Synoden hereingetragen werden muss. Der umgekehrte Weg, dass Kirchenleitung und/oder Landessynode kirchliche Körperschaften nötigen, Maßnahmen entgegen der eigenen Überzeugung und oft genug zum Schaden der Situation vor Ort umzusetzen, widerspricht der presbyterial-synodalen Ordnung.

Bis heute wird argumentiert, dass natürlich die presbyterial-synodale Ordnung gewahrt und „lediglich“ das synodale Element dieser Ordnung gestärkt werden müsse. Faktisch bedeutet dies aber eine Umkehrung der Wertigkeit der verschiedenen Leitungsebenen: Vor allem in Finanz- und Strukturfragen ergibt sich eine Dominanz von KL und Landessynode, der sich Kreissynoden und Presbyterien unterzuordnen haben. Nach Ansicht der Gutachter wird hiermit der Boden der presbyterial-synodalen Ordnung verlassen. Sie verweisen auf Artikel 130 der Kirchenordnung, der die Kompetenz der Landessynode zu Rechtssetzungen regelt. Hieraus ergibt sich keine Verwaltungszuständigkeit. In Artikel 126, 3 der Kirchenordnung wird auf die Pflicht der Landessynode hingewiesen, die presbyterial-synodale Ordnung zu wahren und hiermit als Begrenzung der eigenen Rechtsetzungskompetenz anzuerkennen. „ … der Terminus ‚Wahrung der presbyterial-synodalen Ordnung‘ beinhaltet eine Verpflichtung der Landeskirche, dafür Sorge zu tragen, dass diese Ordnung nicht verletzt wird.“ Aus dieser Einschätzung der Gutachter ergibt sich faktisch eine Pflichtverletzung der landeskirchlichen Ebene gegenüber der eigenen Kirchenverfassung – und dies sicher nicht nur bei der Verwaltungsstrukturreform.

Gutachten Fassung-F