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Finanzplanung, Mittelverwendung

Die Rücklagen wachsen – die Probleme auch. Die evangelischen Landeskirchen und das Geld. Von Christoph Fleischmann.

Herder Korrespondenz 4/2015, S. 186- 190

Passagen aus dem Artikel mit freundlicher Genehmigung des Autors:


Bis heute ist der Text des Erweiterten Solidarpaktes nicht offiziell veröffentlicht, da, so das Kirchenamt der EKD, Beschlüsse der Kirchenkonferenz nicht veröffentlichungspflichtig seien. Der Text wurde aber Mitte 2014 auf der Homepage wort-meldungen.de geleakt. In der Vereinbarung werden alle Landeskirchen auf einen sehr sicherheitsorientierten Finanzkurs festlegt bei Personalkosten, Rücklagen und Verschuldung. Zu den Pfarrpensionen heißt es z.B. in der Vereinbarung: „Die Versorgung [der Pfarrerinnen und Pfarrer] soll so abgesichert sein, dass keine wesentlichen Belastungen auf die nachfolgenden Haushalte übertragen werden müssen.“ Genauerhin sollen aus dem Haushalt nur bis zu 10 Prozent der Pfarrdienstkosten für Pensionäre ausgegeben werden. Wenn man die Pensionäre nur zu einem geringen Teil aus dem laufenden Haushalt zahlen darf, muss man einen Kapitalstock aufbauen, aus dem die starken Pensionsjahrgänge später versorgt werden können.

Diese Standards würden „im Auftrag der Gemeinschaft der Gliedkirchen“ vom Kirchenamt der EKD „überwacht“, so Oberkirchenrat Thomas Begrich, im Kirchenamt der EKD für die Finanzen zuständig. „Dazu kriegen wir einmal im Jahr ein paar Kerndaten, die wir dann auswerten und dann wieder mit den jeweiligen Gliedkirchen sprechen: Wie ist der Stand, wo liegen die Probleme? Wo muss man mehr tun?“, so Begrich. Im Pakt selber werden einer Landeskirche, die die geforderten Mindeststandards nicht erreicht, ein blauer Brief vom Kirchenamt der EKD und ein Besuch angedroht. Wenn das nicht reicht, um eine Landeskirche zu den vereinbarten Standards zurückzuführen, werden weitere Maßnahmen in Aussicht gestellt: „a) Aufforderung zur Aufstellung eines Sanierungsplans in Abstimmung mit dem Kirchenamt; b) Begleitung der Umsetzungsmaßnahmen durch einen Beauftragten.“ Die Drohkulissse gipfelt darin, dass nur diejenige Landeskirche auf Hilfe der anderen Landeskirchen rechnen darf, die sich den oben beschriebenen Maßnahmen unterwirft.

Die Synoden der Landeskirchen haben den Pakt nicht ratifiziert, wie sie es mit Gesetzen der EKD-Synode tun müssten, damit die in ihrem Bereich wirksam werden. Das Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland erklärte dazu, dass der Synode der Wortlaut des Erweiterten Solidarpaktes nicht mitgeteilt werden musste, weil das Haushaltsrecht der Synode nicht eingeschränkt werde durch den Beschluss der Kirchenkonferenz. Die EKD habe keine Zugriffsrechte auf die Finanzplanung der Landeskirchen. In der Tat könne die Kirchenkonferenz der EKD den Landessynoden nichts vorschreiben, erklärt Christian Grethlein, emeritierter Theologieprofessor der Universität Münster, der gerade eine Einführung in das evangelische Kirchenrecht veröffentlicht hat. Formalrechtlich sei an dem Pakt nichts zu beanstanden, aber „vom Rechtsgehalt her“ sehe er Probleme: „Offensichtlich wurde hier eine Vereinbarung zwischen Landeskirchen getroffen, die erhebliche Auswirkungen auf die Haushalte hat“, so Grethlein. Die Rechenschaftspflicht der Landeskirchen gegenüber dem Finanzbeirat der EKD gebe der Vereinbarung schon einen „gewissen Rechtscharakter“ findet Christian Grethlein. „Von daher wundert es schon, dass dieser Erweiterte Solidarpakt offensichtlich in den Landeskirchen nicht oder nicht hinreichend diskutiert wurde.“

Anlagerisiken bei kapitalgedeckter Altersvorsorge steigen: Niedrigzins führt bei kapitalgedeckter Altersversorgung zu steigenden Risiken

Gefahr für Sparer und Altersvorsorge

28.2.2015,  von Michael Ferber, NZZ

…Dies führt dazu, dass die Einrichtungen praktisch dazu gezwungen sind, bei der Vermögensanlage höhere Risiken einzugehen. Viele Pensionskassen dürften nun stärker in Aktien investieren, wenn sie die entsprechende Risikofähigkeit denn besitzen. Auch die Investitionen in Immobilien dürften weiter zunehmen. …
Ausserdem wird durch die Entwicklung ein für den Vermögensaufbau sehr wichtiger Faktor, der Zinseszinseffekt, weitgehend ausgeschaltet. Dadurch entsteht gerade langfristig orientierten Anlegern grosser Schaden, denn der Effekt kommt besonders bei langen Sparphasen stark zum Tragen. Der Zinseszinseffekt sorgt dafür, dass Zuwächse aus Zinserträgen mit jeder neuen Zinsperiode immer grösser werden. Gerade Bürgern, die bereits in jungen Jahren mit dem Sparen beginnen, half er so in der Vergangenheit wesentlich bei der Vermögensbildung. Durch die extrem niedrigen oder neuerdings sogar negativen Zinsen profitieren Anleger und Sparer immer weniger von dieser Magie des Zinseszinseffekts….
Die Stürme der Schuldenkrise dürften auch in Zukunft an den Finanzmärkten für grosse Turbulenzen sorgen. Es ist davon auszugehen, dass dabei fast alle Anleger nass werden…

Zum Artikel.

Kapitaldeckung als Pensionssackgasse. Von Norbert Blüm. Und weitere Beiträge zum selben Thema.

Norbert Blüm, 19. Januar 2015

Resümee: Kapitaldeckung – eine Sackgasse

Kapitalgedeckte Privatversicherung hat keine ausreichende Antwort auf das Risiko der Arbeitslosigkeit, der Erwerbsunfähigkeit, Krankheit etc. und keinen Sinn für Familie. Ihr fehlt dafür der Mechanismus des Solidarausgleichs.

Deutschland macht miserable Erfahrung mit der Riester-Rente. Der Kater kommt noch, wenn die heutigen Rentner in die Rente kommen. Dann werden sie feststellen, dass die Riester-Rente das Loch nicht schließt, das sie mit der von ihr bewirkten Absenkung des Rentenniveaus in das gesetzliche Rentensystem gerissen hat.

Gewinner der Riester-Rente sind die Versicherungskonzerne und die Arbeitgeber, die zur Riester-Rente keinen Arbeitgeber-Beitrag zahlen. Zum Artikel.

Zum selben Thema 1:

Über 70 Prozent der Riester-Verträge in der Zinsfalle

20.01.2015 –
Noch in der Finanztest-Ausgabe 11/2013 wurden Riester-Banksparpläne als heimliche Favoriten vor allem für ältere Sparer genannt, die nur noch 10 bis 15 Jahre bis zur Rente vor sich haben. Gestern meldete Finanztest jedoch: Riester-Rente: Minizinsen belasten Sparer.

Schnell und einfach zur Steuer 2014 speziell für Rentner und Pensionäre
Der Grund liegt in der auf nur noch 0,35 % gesunkenen Umlaufrendite, also der durchschnittlichen Rendite aller umlaufenden Bundesanleihen. Die von Volks- und Raiffeisenbanken angebotenen Riester-Banksparpläne gehen meist von der Zins-Messlatte Umlaufrendite minus ein halber Prozentpunkt aus. Vor einem Jahr lagen diese Umlaufrendite noch bei 1,5 % und der Zins nach Abzug von einem halben Prozentpunkt immerhin noch bei 1 %.

Riester-Banksparpläne: Minizins von 0,5 % oder gar Negativzinsen… Zum Artikel.

zum selben Thema 2:

Lebensversicherer stoppen Auszahlungen

01/2015 Durch ein neues Gesetz dürfen Lebensversicherer bestimmte Reserven nicht auszahlen. Nach Informationen unserer Redaktion sind davon entgegen erster Erwartungen auch große Versicherer betroffen.
Zahlreiche Lebensversicherer müssen ihre Auszahlungen teilweise stoppen. Durch ein neues Gesetz sind die Unternehmen gezwungen, bestimmte Reserven nicht an ausscheidende Kunden auszuzahlen, wenn dadurch Zinsgarantien für die übrigen Kunden gefährdet würden.
Im Vorfeld hatten Experten erwartet, dass nur einige finanzschwächere Versicherer unter diese Schutzregel fallen. Nach Informationen der WirtschaftsWoche greift die Regel nun aber branchenweit und betrifft auch große Versicherer. So dürfen die Lebensversicherer R+V, AachenMünchener, Generali, Debeka, Cosmos, Ergo, Axa und Bayern-Versicherung keine von der Neuregelung betroffenen Reserven mehr ausschütten. Nur im Voraus zugesagte Beteiligungen fließen in Einzelfällen weiter an die Kunden. Allein diese Anbieter stehen für knapp ein Drittel der in Deutschland versicherten Summe.
Quelle: Wirtschaftswoche
Anmerkung JB: Wieder einmal zeigt sich, dass kapitalgedeckte Altersvorsorgesysteme bereits bei kleineren systemischen Krisen am Finanzmarkt ihren großen Versprechungen nicht mehr nachkommen können. Zur Quelle.

zum selben Thema 3:

Trotz dieser negativen Erfahrungen setzten die Kirchen uneingeschränkt auf… Kapitaldeckung der Pensionen. So die EKHN. Im folgenden Interview erläutert Thomas Striegler, EKHN Finanzdezernent und Leiter der Kirchenverwaltung in Personalunion, die zukünftige Verteilung der Pensionsverpflichtungen am Beispiel der EKHN:

???

T.S.: Wir haben unsere Beamtinnen und ­Beamten sowie unsere Pfarrerinnen und Pfarrer dort (Evangelischen Ruhe­gehaltskasse) rückversichert und Teile der ­Altersversorgung über die Evangelische ­Ruhegehaltskasse geregelt. Genauer gesagt, haben wir etwa zwei Drittel der gesamten Altersversorgungsansprüche über die ERK rückgedeckt, ein Drittel lastet auf unseren jährlichen Haushalten.

??? Und wie sorgen Sie für die Ruheständler vor?
T.S.: Wir haben vor mehr als 20 Jahren die ­sogenannte Versorgungsstiftung der Evan­gelischen Kirche in Hessen und ­Nassau ­gegründet. Sie soll genau dieses Drittel­ der Altersversorgung, das nicht über die ­Ruhe­gehaltskasse abgeschirmt ist, aus Kapital­anlageerträgen decken und damit den kirchlichen Haushalt entlasten… Zur Quelle.

Anm. FS: Offensichtlich bestehen Zweifel, ob das Klappt. Denn schon Ende 2013 war die Stiftung zu 101% ausfinanziert. Nun strebt man das Ziel 120% Ausfinanzierungsgrad an. Warum wohl? Erklärung:  man traut der eigenen Strategie zur Finanzierung zukünftiger Versorgungsleistungen schon heute selbst nicht mehr. Aber man geht diesen Weg unbeirrt weiter. Noch einmal Norbert Blüm: „Der Kater kommt noch“.

EKiR-Synodenbeschlüsse zur Haushaltspolitik oder: Was läuft eigentlich schief in der Finanzpolitik der Kirche?

von Friedhelm Schneider

Auf den ersten Blick klingt alles recht plausibel: Haushaltskonsolidierung und Rücklagenbildung für die Pfarrpensionen angesichts bald einbrechender Kirchensteuereinnahmen. So die offizielle Lesart und Argumentation für einen wohl beispiellosen Leistungsabbau in der EkiR auf der landeskirchlichen Seite. Davon betroffen sind an vorderster Stelle die Bildung (Schulen) 4,5 Mio, Arbeitslosenfonds 1,15 Mio, KiHo Wuppertal/Bethel 1 Mio. . Es folgen weitere prominente Positionen wie Medienverband, Tagungshäuser, PTI, Studierendenarbeit, Akademie etc. Über die Kürzungen haben etliche Ausschüsse im Vorfeld beraten und beschlossen, und nun auch die Landessynode.

Gleichzeitig beschlossen: ein neues Investitionsprogramm in die Verwaltung, genauer, in die IT-Struktur und dies ohne Finanzierungslimit. Und das obwohl die Kostenexplosion in ähnlicher Sache, der Einführung der Doppik, hinlänglich bekannt ist: von veranschlagten 3 Mio. € sind diese auf – in der Synode unwidersprochene – 60 Mio. € gestiegen sind. Schon warnt Pfr. i.R. Manfred Alberti: „Der Alptraum geht weiter: NKF – Verwaltungsstrukturreform – jetzt: IT-System.“

Erster Eindruck: Geld ist da, wenigstens für die Administration. Aber nicht für Schulen, Arbeitslosenfonds, etc. Man kann, man muss die Vorlage also auch so deuten, dass es bei den o.g. Kürzungen doch wenigstens teilweise um eine Verschiebung von Mitteln für die Arbeit mit den Menschen zur Administration geht. Und nicht um eine Konsolidierung im Sinne von Festigung. Denn man setzt sich ja gerade mit der IT-Struktur einem neuen Risiko aus. Der Pfarrrverband der EkiR hatte auf diesem Hintergrund ein Moratorium für die weitere Umsetzung der Reformen gefordert. 
Auf derselben Synode, die die o.g. Kürzungen beschließt, prangen an einer von Synodalen gestalteten Tür „Neue Thesen zur Reformation“ . Darunter diese: „Weniger Verwaltung, mehr Begegnung“.  Auch die Synodalen scheinen also zu wissen, worauf es wirklich ankommt – auch wenn sie in den entscheidenden Abstimmungen Angst vor der eigenen Courage haben und, Linientreue demonstrierend, genau umgekehrt entscheiden: Mehr Verwaltung, weniger Begegnung.

Läuft hier etwa etwas fatal verkehrt? Wir stellen diese Frage im Folgenden hinsichtlich der Finanzpolitik der Kirche selbst.

Einen ersten Hinweis erhalten wir in der Württembergischen Landeskirche, in der die Fraktion der Offenen Gemeinde ihre alternative Position sinngemäß so formulierte: Strategie der Mitgliederbindung vor Rücklagenbildung (in einer Niedrigzinsphase). 
Zwischen beiden Fragen existiert ein Zusammenhang, der aber von offizieller Seite noch nicht reflektiert ist . Dass er aber auch dort diffus empfunden wird, zeigt eine beiläufige Bemerkung des EKiR-Finanzdzernenten Bernd Bauks: 1,63% Kirchenaustritte erwähnt er in seiner Einbringungsrede zur „Haushaltskonsolidierung“ recht unschuldig (vgl. oben, S. 4). 1,63% – etwa doppelt so viel wie im Durchschnitt üblich. Könnte dies schon heute sichtbare Ergebnis und also Folge eines fatal entgleisten Reformkurses mit einer gerne als „Sparpolitik“ betitelten Downsizing-Konzept in der EKiR sein?

Ganz anders die Offene Gemeinde der Synode in Württemberg. Deren Ansatz gemäß müssten Mittel logischerweise prioritär für die Arbeit mit Menschen eingesetzt werden. Das finanzpolitische Credo: die Mittel kommen von der Basis und sie müssen in möglichst hohem Umfang und Anteil dorthin zurück. Um dort kirchliche Arbeit zu machen, um das Evangelium zu kommunizieren. (vgl. dazu Prof. Christian Grethlein)

Wir reden hier nicht darüber, in welcher konkreten Form der Kontextualisierung das heute zu geschehen hat, ob in Gemeinde oder Funktionen/Diensten oder auf andere Weise. Wir reden auch nicht darüber, dass es durchaus individuell sinnvoll sein kann, einmal errichtete Einrichtungen, Projekte, auch Gemeinden wieder zu verändern oder zu schließen oder innovativ neue zu errichten. Das alles sind Fragen und Lösungen, die hier noch nicht zur Debatte stehen. Das wäre der zweite Schritt, der würde dann schließlich durch die Output-Sicht erweitert. Wir beginnen ganz am Anfang und da geht es um die Input-Seite. Und hier stellt sich die zentrale Frage, wie viel (Finanz-) Mittel die Kirche für sich selbst, ihre Eigenorganisation, die Institution und Organisation, benötigt. Und welche Anteile der Mittel für die „Reinvestition“ in die Menschen, die Mitgliederbindung, oder auch die Gesellschaft (Kindergärten, Diakonie) zur Verfügung stehen. Diese prinzipielle Frage ist die Basisfrage jenseits folgender theologischer Richtungsentscheidungen!

Diese Basisfrage wird heute auch in der verwaltungswissenschaftlichen Diskussion gerne umgangen. Zu schnell und zu ausschließlich wird etwa in den neuen Steuerungsmodellen auf die Output-Seite rekurriert und verwiesen. Und in diesem „ausschließlich“ wird geschickt vom Thema Nr. 1 abgekenkt: dem Input. Und en passant wird auf diese Weise die Blickrichtung fokussiert und damit auch die Hauptverantwortung für die Resultate der Gesamtorganisation an die Mitarbeitenden delegiert. So steigt dort der Druck. Genau diese Erfahrung machen die Mitarbeitenden seit rund 15 Jahren in fast allen Bereichen der Daseinsvorsorge (Kommunalverwaltung, Bildung, Gesundheit etc,) und eben auch in der Kirche. Und sie zeigen entsprechende Reaktionen. Gleichzeitig wird durch diese einseitige Blickrichtung auf die Mitarbeitenden die Leitung/ die Politik immunisiert. Das ist ein gelungenes Ablenkungsmanöver. innerorganisatorisch hat es funktioniert. Dieser Trick funktioniert aber nicht bei den Adressaten, den Mitgliedern, Patienten, Kunden, Bürgern. Spätestens seit Stuttgart 21 ist auch schlichten Gemütern nicht mehr verborgen, was fehlende oder falsche Inputkonzepte bedeuten. Mit dem Input, mit dem, was eine Organisation/Institution an Mitteln für unterschiedliche Zweige/Abteilungen bereitstellt, zeigt sie, welche Ziele sie selbst wirklich verfolgt. Und ob diese mit den von ihr verbal formulierten Zielen übereinstimmen – oder davon abweichen. Mit dem Input zeigt die Organisation ihr wahres Gesicht. Hier zeigt sich für das Mitglied, ob es seiner Organisation vertrauen kann oder eben nicht. Der heute feststellbare Vertrauensschwund in viele ehemals geschätzten Institutionen bei den Bürgern hängt nun ganz offensichtlich auch mit der Vernachlässigung der Input-Thematik auf Seiten der Finanzdezernenten zusammen. Auch in der Kirche. Hier führt das zu zusätzlichen Kirchenaustritten. Deren Ursache und Folgen bei den bisherigen soziologischen Studien (Kirchenmitgliedschaftsuntersuchungen) m.W. bisher leider nicht berücksichtigt wurden. Hier fehlt ganz offensichtlich die verwaltungswissenschaftliche Expertise. 

Denn die Gretchenfrage von Mitgliedern lautet doch sachgemäß immer wieder etwa so: „Wenn ich nur wüsste, ob die von mir gezahlte Kirchensteuer nicht irgendwo in der anonymen black box (in der Kirchenverwaltung) versickert?“ Vertrauen zur Organisation bildet sich also auf der Inputseite: In welchem Grad dienen die Mittel (nur) dem Apparat, und in welchem Anteil fließen sie zu den Menschen zurück? Den richtigen Input zu gewährleisten, darin liegt u.a. die hohe Kunst der Finanzpolitik der Kirche. Und auch die große Baustelle der Zukunft?

Ein Indiz für die aktuelle Entwicklungstendenz zeigt sich aktuell in Kirchenkreisen der EKiR an einfachen Vorfall,  wenn nämlich die „immer schon“ vorhandene Stelle des Stelle des Jugenddiakons oder Gemeindepädagogen der neuen Stelle für den infolge der Doppik zusätzlich erforderlichen Finanzsachbearbeiter weichen muss. Ein erster Hinweis, gewiss. Ein Indiz aus einer aktuellen Momentaufnahme. Um die Frage in seinem vollen Umfang in den Blick zu bekommen, ist es erforderlich, große Zeiträume in den Blick zu nehmen. Dies soll hier mit einem Blick auf die EKHN geschehen, unterstellend, dass sich eben diese Tendenz aufgrund paralleler Entwicklungen auch auf andere Landeskirchen übertragen lässt. Diese kleine Untersuchung erfolgt ganz holzschnittartig. Wir vergleichen nur, welcher Prozentanteil der Finanzmittel an die Basis zurückfließt. Wobei die Gebäudefrage dabei aufgrund fehlender Angaben noch unberücksichtigt bleibt. Zum Vergleich greifen wir die Jahre 1974 und 2013 heraus.

Wen interessiert, wie das Ergebnis zustande kommt, lese hier weiter. Wer nur das Gesamtergebnis interessiert, der springe zum nächsten Abschnitt in Normalgröße.

Was damals an die Basis floss, zeigt ein Flyer der EKHN_1974_(Mittelverwendung) mit einer groben Übersicht über die damalige Finanzsituation. Demnach flossen an die Basis, hier die Gemeinden, 50,35% der Kirchensteuermittel (=45,84% des Haushaltsvolumens) zu, zusätzlich die auf Seiten der Landeskirche geführten PfarrerInnengehälter. Sie zählten zu den „übergemeindlichen Aufgaben und Pfarrgehältern“. Lagen diese 1974 insgesamt bei 44,79% Kirchensteuer (=49,74 am Haushaltsvolumen) so betrug der Anteil der Pfarrgehälter am Gesamthaushaltsvolumen Anfang der 80iger Jahre ca. 33% (vgl. Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft, S.11 ). Unterstellt man der Einfachheit halber, im Jahrzehnt nach 74 sei dieser Anteil unverändert, dann kommt man 1974 auf einen Input Richtung Basis in Höhe von ca. 78% des Haushaltsvolumens als vorläufiger Wert.
Im Jahr 2013 betrug der Anteil für die „Basisarbeit“ nach dem Jahresbericht der EKHN 54,5%. Hierin sind aber – anders als 1974 – die Pfarrgehälter enthalten. Mehr noch: auch die Mittel für die Dekanate sind Teil dieses Haushaltsteils (36 Mio. € für Dekante im Vergleich zu 67 Mio. € Pfarrgehälter). Von diesen Mitteln für Dekanate sind aber ein gewisser Teil (ca. 50%) für „Basisarbeit“ anzurechnen.

Zu substrahieren wären in diesem Budgetbereich jeweils die Ausgaben für Verwaltung auf Regionaler Ebene (Regionalverwaltung) und die Dekantsverwaltungen.

Auch Additionen zu den Basismitteln sind zu nennen, hatten wir doch die Trennlinie nicht zw. Gemeinde und Gesamthaushalt, sondern zw. den Mitteln für Gemeinde und Funktion/Diensten und Gesamthaushalt gezogen. Damit sind für das Jahr 1974 noch eine unbekannte, aber zahlenmäßig wenig relevante Größe für übergemeindliche an der Basis wirkende Pfarrstellen (+1%) zu addieren. Heute ist dieser Anteil signifikant höher. Wir taxieren deren Umfang heute bei ca. 15% des Haushaltsvolumens.

Ergebnisse nach Subtraktionen und Additionen:

im Jahr 1974 flossen in der EKHN ca. 79% (78% + 1%) der Finanzmittel (Haushaltsvolumen) an die Basis (Gemeinde und div. Funktionen) zurück. Demgegenüber waren es im Jahr 2013 nur noch ca. 67%. (54% – 4% Verwaltungsanteil Regionalverwaltung und Dekante + 15 % div. übergemeindliche Leistungen +2% Kirchensteuerausgleich mit Ostdeutschen Kirchen).

Das macht eine Differenz von 12% des jeweiligen Haushaltsvolumens (bei Berücksichtigung der Gebäudefrage würde sich diese Zahl noch erhöhen). Ein signifikanter Unterschied, der noch nicht die zusätzlichen Verschiebungen, die sich durch die Einführung der Doppik ergeben, die der EKHN noch bevorsteht. 

So weit das Ergebnis der langfristigen Verschiebungen beim Input. Das Indiz der Momentaufnahme hat sich also langfristig bestätigt! Das Problem der Finanzpolitik, das die Dezernenten selbst gestalten könnten, ist also diese zunehmende Tendenz der Verschiebung im Input. Kirchenmitglieder nehmen das sehr wohl wahr. Wie begründete kürzlich eine Frau Ihren Austritt gegenüber dem Pfarrer: „Es ist nicht wegen Dir, aber von der Kirchensteuer werden ja nur noch 7% für die Gemeinde und 3% für die Diakonie verwendet. Deshalb bin ich ausgetreten. Ich will wohl zukünftig noch spenden, ich will aber, dass das Geld hier in der Gemeinde bleibt.“ (Fall aus der EkiR).

Was heißt das für die Finanzpolitik der Kirchen?

Die Haushaltskonsolidierung ist ein Herumdoktern an Symptomen. Die eigentliche Ursache des Problems wird damit nicht behoben. Aufgabe der Finanzpolitik muss wieder darin bestehen, ein verantwortliches und mitgliederorientiertes Input-Konzept zu entwickeln. Mitgliederorientierung der Kirche beginnt mit der Reorganisation des Inputs Richtung Mitglieder/Basis/Gemeinden. Die erlittenen Verluste durch die anhaltenden Verschiebungen über Jahrzehnte (s.o.) sind sukzessive abzubauen und die Tendenz der Umverteilung in Richtung Administration bzw. mitgliederfremde Leistungen rückgängig zu machen. Dieser Beitrag ist eben nicht perifer, sondern wesentlich für die Rückgewinnung verlorenen Vertrauens in die Organisation selbst. Die Qualität der Finanzdezernenten ist daran zu messen, inwieweit ihnen dies gelingt. Zu diesem Thema sind präzise Angaben zu ermitteln und den Synoden darzulegen. Das ist viel wichtiger als das für viele Gremienmitglieder am Ende doch mysteröse und aufgrund der Bewertungsspannen leicht manipulierbare Zahlenwerk der Doppik!

Was heißt dies Ergebnis für die Diskussion in der EKiR?

Die zentrale Frage muss auch angesichts der extrem hohen Austrittsquote von 1,63% wieder lauten: wie können Menschen erreicht werden? Wie kann dies gerade auch angesichts der hohen Veränderungsdynamik des Umfeldes (Digitalisierung, Wandlung des gesellschaftlichen Umfeldes, Wandlung des „religiösen“ Umfeldes) geschehen? Gerade damit nämlich wird Bindung erzeugt – die dazu führt, dass Menschen auch in Zukunft bereit sein werden Kirchensteuern zu bezahlen.
Wie kann die Administration (incl. IT!) dabei eine klare Dienstleistungsfunktion gegenüber den Mitarbeitenden an der Basis/ Gemeinde einnehmen?

Die Frage ist zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich erforderlich sind. Die EKiR trifft zeitlgeich zu den massiven Einschnitten Investitionsentscheidungen. Die EKvW, finanziell in etwa gleicher Lage, betrachtet ihre Rücklagen als ausreichend und entscheidet völlig konträr zur EKiR. In der EKHN lag der Ausfinanzierungsgrad der Verorgungsstiftung schon Ende 2013 bei 101%. Was aber dort nicht hindert, den Stock jährlich immer wieder neu mit Summen in 2-stelliger Millionenhöhe zu erhöhen. Das zeigt: der Ausfinanzierungsgrad dient als scheinbar unwiederlegliches Argument, so lange das Soll nicht erreicht ist. Ist es erreicht, geht dass Spiel trotzdem weiter. Angesichts dessen, verliert man das Vertrauen in derartige „Argumente“. Und angesichts dessen gilt es die Frage zu klären, in welcher Höhe Rücklagen tatsächlich angemessen und erforderlich sind.

Gegenüber solchen Überlegungen hat man sich in der EKiR, das zeigen die jüngsten Beschlüsse, für einen anderen Kurs entschieden. Das Motto: Augen zu und durch!

EKiR Synode 2015: – Eine verschärfte Ökonomisierung als Programm. Auf dem Weg zur marktkonformen Kirche?

Von Hans-Jürgen Volk

„Umkehr“ fordert das „Wormser Wort“, dass von Menschen verfasst worden ist, denen an ihrer evangelischen Kirche liegt. Die dahinter stehende Analyse konstatiert Schäden durch fortwährende Rückbau- und Umbauprozesse, die die Leitungsgremien wie auch die Beschäftigten der Kirche überfordern und die Kirche selbst von den Menschen entfernt. Es ist nicht weiter erstaunlich, dass die Leitung der Ev. Kirche im Rheinland von der Einsicht in eine derartige Umkehr weit entfernt ist. Im Gegenteil: nicht zuletzt die Vorlage der Kirchenleitung zur Haushaltskonsolidierung deutet einen Kurs verschärfter Ökonomisierung an. Dies wird vor allem nach Lektüre der unter I. „Positionsbestimmung“ (S. 2,3) ausgeführten Sätze deutlich. Eisern wird an dem von der Kirchenleitung im Sommer 2013 beschlossenen Sparziel von 12. Mio. € festgehalten, um die der landeskirchliche Haushalt zusätzlich zu den bereits beschlossenen 8 Mio. € entlastet werden soll. Das „konsequente Einfordern eines kostendeckenden Betriebs“ kirchlicher Tagungshäuser bedeutet nichts anderes, als dass man diese ungeschützt Marktmechanismen aussetzen will. Ins Bild passt die Forderung nach „Einwerbung von Drittmitteln“ zur Finanzierung kirchlicher Einrichtungen – Bologna lässt grüßen. Die darüber hinaus verlangte „Bündelung von Aufgaben und Ressourcen“ riecht nach weiteren Konzentrationsprozessen.

Fakten zur finanziellen Situation der EKiR

Zum vollständigen Artikel.

12.01.15, Zum selben Thema auch ein aktueller Synodenreport in wdr5:

Landessynode – Sparen auf Evangelisch: Pensionskasse statt Schulklasse?

Von Christoph Fleischmann

Bei der Landessynode der Evangelischen Kirche im Rheinland geht es in diesen Tagen nicht zuletzt um die Konsolidierung des Haushalts. Kritiker fürchten: Bei Schulen wird mehr als nötig gespart, um ohnehin üppige Rückstellungen für Pensionen weiter zu erhöhen….

Zum Report.

„Es begab sich aber zu der Zeit, dass EKHN-Gemeinden begannen, ihre PfarrerInnen zu kaufen…“ (FAZ-Artikel vom 24.12.2014)

FAZ-Artikel vom 24.12.2014: Es begab sich aber zu der Zeit, dass EKHN-Gemeinden begannen, ihre PfarrerInnen zu kaufen… (vgl. auch Wort-Meldungen vom 05.01.14)

Von Ilona Bechtoldt-Werle

Die Aussage des FAZ-Artikels ist erschütternd:
„Wo die Gläubigen mit besonders üppigen Gehältern gesegnet sind, kaufen sie sich einfach ihren Pfarrer selbst.“
Wenn ich Pfarrerin wäre, würde ich das nicht mit mir machen lassen, abhängig zu sein von Sponsoren oder Mäzenen, die mein Gehalt finanzieren. Von welcher Dauer ist denn dieser Deal? Was geschieht, wenn ich etwas predige, was den Damen oder Herren Spendern nicht gefällt? Muss ich dann mit Gehaltskürzungen oder gar Entlassung rechnen? Nicht umsonst hat sich nach der Reformation bei den Pfarrpersonen ein beamtenähnlicher Status entwickelt, damit sie den Verkündigungsdienst des Evangeliums in Freiheit und Unabhängigkeit in einem volkskirchlichen Umfeld ausüben können. Gerade die EKHN hat doch bisher immer auf diese Unabhängigkeit und Freiheit so großen Wert gelegt! Das scheint nun vorbei zu sein. Hier zeigt sich nicht nur ein „geschmeidiger“ Prozess des Personalabschmelzens, sondern ebenso „geschmeidig“ die Aushöhlung des volkskirchlichen Prinzips. Wir sind damit auf dem Weg in amerikanische Verhältnisse und fördern damit in der Tat die Ökonomisierung der Kirche. Den Kauf von EKHN-PfarrerInnen müsste die Kirchenleitung eigentlich unterbinden, denn wenn dieses Modell weiter um sich greift, wird es viele Verlierer-Gemeinden geben, die sich den Kauf einer Pfarrperson nicht werden leisten können. Damit führt man auf geschmeidige Art eine im vorletzten Jahrhundert überwundene ekklesiologische Struktur wieder ein: Reiche, meist städtische Gemeinden mit üppiger Personalausstattung; dagegen arme, meist ländliche Gemeinden, die noch nicht mal mehr etwas für ihre darbenden Kirchenmäuse übrig haben werden, geschweige denn noch eine Pfarrperson im Pfarrhaus wohnen haben werden.
Ja, lieber Herr von Ditfurth, Sie haben das richtig erkannt:
„Mit dem Verständnis von Kirche ist das nicht zu vereinbaren.“
Nun begründen die Herren Oberkirchenräte Striegler und Böhm das geschmeidige Abschmelzen des Pfarrpersonals mit der Aussage: „Die Pensionslast werde jedes Jahr erdrückender.“ Die Wahrheit sieht jedoch anders aus:
Zwar steigen die Ruhestandsverpflichtungen an, jedoch ein Großteil der Pensionsansprüche ist momentan abgedeckt durch Leistungen aus der BfA (Einzahlungen bis 2003 – von daher sinkend) und der Evangelischen Ruhegehaltskasse Darmstadt (ERK). Zitat Striegler vom 03.12.2014 : „Wir haben etwa zwei Drittel der gesamten Altersversorgungsansprüche über die ERK rückgedeckt.“ Diese mit Eintritt der Pension entstehenden Lasten sind insoweit für die EKHN kostenneutral. Die Anzahl der Empfänger spielt dabei keine Rolle, da den Ausgaben personenbezogene Einzahlungen und Ansprüche gegenüberstehen. Hinzu kommt, dass für die aus dem aktiven Dienst Ausscheidenden keine weiteren Einzahlungen mehr erfolgen müssen. Unter dem Strich sinkt also die Belastung des EKHN-Haushalts für diesen Teil der Versorgung. Der verbleibende Teil der Altersversorgungsansprüche in Höhe von einem Drittel lastet laut Stiegler auf den jährlichen Haushalten. Doch auch hier hat die EKHN klugerweise Vorsorge betrieben. Zitat Striegler (s.o.): „Wir haben vor mehr als 20 Jahren die sogenannte Versorgungsstiftung der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau gegründet. Sie soll genau dieses Drittel der Altersversorgung, das nicht über die Ruhegehaltskasse abgeschirmt ist, aus Kapitalanlageerträgen decken und damit den kirchlichen Haushalt entlasten.“ Die Versorgungsstiftung hat (Zitat:) „zurzeit einen Abdeckungsgrad der Verpflichtungen von über 100 Prozent“. Ziel des Deckungsgrades ist laut Haushaltsplan 2015 111,1% der Verpflichtungen.
Momentan liegt der Anteil der Versorgungsleistungen für Pfarrpersonen und Kirchenbeamte sowie deren Hinterbliebenen aus dem laufenden EKHN-Haushalt bei ca.13 Mio. €
Fazit: Für die EKHN ist die Pensionierungswelle im Hinblick auf die Pensionslasten im Grunde ein Nullsummenspiel.
Und noch etwas: Geht man realistischerweise davon aus, dass in den nächsten Jahren (ab 2017) ca. 20 – 30 Pfarrpersonen mehr in den Ruhestand eintreten, als Nachwuchs generiert werden kann, bedeutet dies zusätzlich durch Rückgang an Gehaltszahlungen eine jährliche Einsparung in Höhe von 1,2 – 1,8 Mio €, jeweils jährlich um den selben Betrag wachsend, bis die Pensionierungswelle ab ca. 2027 abgeebbt ist.
Wer angesichts dieser Zahlen Fehler der Kirchenleitung in der Außendarstellung wittert, liegt goldrichtig.
In der Tat: „Da darf man auch etwas vorausschauende Planung erwarten. Das hat auch die EKHN erkannt: Erstmals setze sie im Haushalt 2015 auf eine „kaufmännische Buchführung“, kündigte sie im November an. Das sorgt für Transparenz und eine bessere Übersicht über die Kosten.“
Nun, dazu ist zu bemerken, dass die geplanten Kosten für die Einführung der neuen kaufmännischen Buchführung in Höhe von über 9 Mio € der EKHN anscheinend keine Last sind. Ob die beschworene Transparenz und die bessere Übersicht der Kosten dafür dann tatsächlich eintreten, ist sehr stark zu bezweifeln. Empirisch zeigt sich, dass überall da, wo die kaufmännische Buchführung eingeführt wurde, nicht nur die Einführungskosten explodieren (in der EKiR mittlerweile bei geschätzten 60 Mio. €), sondern auch die laufenden Kosten durch den Mehrbedarf an Verwaltungsfachkräften nicht nur „geschmeidig“ steigen. Denn die erwartete Transparenz und bessere Übersicht der Kosten, das zeigt die Erfahrung, ist einem Laiengremium Kirchenvorstand, das in der Regel nicht nur aus Bankern, Ökonomen oder Finanzwirten besteht, ohne teure Expertenhilfe kaum noch zu vermitteln.

Die EKiR – ein Tochterunternehmen der EKD?

Von Hans-Jürgen Volk

Haben Sie schon mal was von einem „erweiterten Solidarpakt“ gehört? Nein? Dann sind Sie in guter Gesellschaft. Landessynodalen, Superintendenten, Vorsitzenden von Pfarrvereinen oder MAV-Vertretern oder sogar langjährigen Mitgliedern von Kirchenleitungen soll es ähnlich gehen. Der „erweiterte Solidarpakt“ wurde im März 2006 von der Kirchenkonferenz der EKD beschlossenen. Durch ihn übt die EKD massiven Einfluss auf die Finanz- und Personalplanung ihrer Gliedkirchen aus. Er dürfte die eigentliche Begründung für den verschärften Sparkurs der Evangelischen Kirche im Rheinland (EKiR) sein. Die zweitgrößte Landeskirche in Deutschland folgt in blindem Gehorsam EKD-Vorgaben, die den meisten Mitgliedern ihre Landessynode unbekannt sind.

Ein fiskalisches Korsett mit dem Ziel der Kapitalbildung

Zeitgleich mit der Arbeit am EKD-Impulspapier „Kirche der Freiheit“ wurden verbindliche Regelungen entwickelt, mit denen die Landeskirchen im Machtbereich der EKD fiskalisch auf Linie gebracht werden sollten. Es spricht viele dafür, dass das enge fiskalische Korsett des „erweiterten Solidarpakts“ ein entscheidender Faktor bei den Um- und Rückbauprozessen ist, wie sie in „Kirche der Freiheit“ nahegelegt werden.

Der ursprüngliche „Solidarpakt“ bezeichnet dass nach der Vereinigung Anfang der 90-er Jahre entstandene Finanzausgleichsystem der EKD-Landeskirchen, dass bis auf wenige Ausnahmen den östlichen Landeskirchen zu Gute kam. Der „erweiterte Solidarpakt“ knüpft lediglich begrifflich hieran an. Im Beschluss der Kirchenkonferenz heißt es unter Punkt 5 der Präambel: „Grundlegendes Ziel eines ‚erweiterten Solidarpakts‘ ist es, vorbeugend sicherzustellen, dass keine Gliedkirche in eine solche finanzielle Krise gerät, die die Gemeinschaft aller Gliedkirchen belastet.“ Von der Sache her will der sog. Solidarpakt also den Solidarfall verhindern, indem er die Landeskirchen einem strengen fiskalischen Regiment unterordnet. Diese werden genötigt, im Blick auf eine angeblich sinkende Finanzkraft Zukunftssicherung in Form von Kapitalbildung zu betreiben. Der EKD-Finanzchef Thomas Begrich räumt in einer Sendung von RBB Kulturradio vom 03.08. 2014 mit dem Titel: „Für Pfarrers Rente spekulieren – Kirche an der Börse“ ein, dass das Vermögen, das die einzelnen Landeskirchen alleine für zukünftige Versorgungsansprüche angesammelt haben, bereits jetzt einen Umfang von 10 – 15 Milliarden Euro hat. Bedenkt man, dass die Regelungen des „erweiterten Solidarpakt“ die Landeskirchen darüber hinaus zu weiteren umfänglichen Rücklagenbildungen zwingen, bedenkt man darüber hinaus, dass sich im Besitz der kirchlichen Körperschaften im EKD-Bereich zahlreiche werthaltige Immobilien und Liegenschaften befinden, kann man in etwa erahnen, wie groß das kirchliche Gesamtvermögen ist.

Der „erweiterte Solidarpakt“ erinnert an den „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ der EU. Auch dort geht es um das Sparen um fast jeden Preis, in jedem Fall zu Lasten der Menschen. Allerdings gibt es zwei Unterschiede: 1. Wo der „Stabilitäts- und Wachstumspakt“ Pakt der EU die Verschuldung der Staaten eindämmen will, geht es beim EKD-Solidarpakt um Kapitalbildung. 2. Die Regelungen des „Stabilitäts- und Wachstumspaktes“ sind den nationalen Parlamenten bekannt und werden dort kontrovers diskutiert. Der EKD-Solidarpakt ist dagegen eine Verabredung weniger Bischöfe und Oberkirchenräte im Rahmen des Konklave der Kirchenkonferenz, von der Presbyterien, Kreis- oder Landessynoden, die in der evangelischen Kirche eigentlich entscheiden sollten, bisher so gut wie keine Kenntnis besitzen.

Die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ im Einzelnen

Nimmt man die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ ernst, kommt man zu dem Ergebnis, dass im Moment jedenfalls noch die Kirchengemeinden der EKiR eine größere Gestaltungsfreiheit im Blick auf ihre Finanzen haben, als die Landeskirchen der EKD.

Würden Sie jemanden ernst nehmen, der Ihnen vermitteln will, welche Höhe die Inflationsrate im Jahr 2023 hat? Oder der glaubt, belastbare Aussagen über den Umfang der Einnahmen aus der Lohn- und Einkommenssteuer im Jahr 2031 machen zu können?

Basis der Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ ist die Nötigung der Landeskirchen zu einer mittelfristigen und einer langfristigen Finanzplanung. Die mittelfristige Finanzplanung wird für einen Zeitraum von 5 Jahren erstellt, die langfristige Finanzplanung soll einen Zeitraum von 15 – 25 Jahren umfassen. Die Finanzplanung soll auf folgenden prognostischen Annahmen beruhen:

  • Entwicklung der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln

  • Prognose des allgemeinen Preisindexes

  • Gemeindegliederzahlen

  • Ausgabenentwicklung

Grundlage der Finanzplanung der Landeskirchen sind Mindeststandards, die von der Kirchenkonferenz auf Vorschlag des Finanzbeirates der EKD festgelegt werden. Diese Mindeststandards umfassen folgende Punkte:

  • Aufrechterhaltung der finanziellen Leistungsfähigkeit

  • Kostenstruktur, insbesondere der Personalkosten

  • Liquidität und Rücklagen

  • Verschuldung

  • Sicherung der Versorgung

Jedes Jahr legen die Landeskirchen bis zum 31. März dem Kirchenamt der EKD einen Bericht zu ihrer finanziellen Situation vor, der nach einem vom Finanzbereit entwickelten und durch die Kirchenkonferenz bestätigten Raster erstellt wird. Die Berichte werden vom Kirchenamt der EKD ausgewertet. Die Ergebnisse berät der Finanzbeirat.

Kommt es bei einer Landeskirche zu erheblichen Abweichungen bei den festgelegten Mindeststandards, ergeht ein Schreiben an die betroffene Landeskirche, dem ein anschließendes Gespräch über Lösungsmöglichkeiten folgen soll.

Greifen diese Maßnahmen nicht und wird durch Kirchenamt und Finanzbeirat eine „Finanzkrise“ einer Landeskirche festgestellt, greifen deutlich härtere Maßnahmen, die von der Kirchenkonferenz „im Benehmen“ mit dem Rat der EKD beschlossen werden. Genannt werden die „Aufforderung zur Erstellung eines Sanierungsplans in Abstimmung mit dem Kirchenamt“ sowie die „Begleitung der Umsetzungsmaßnahmen durch einen Beauftragten“ der EKD. „Bei erfolgversprechender Mitarbeit der betroffenen Gliedkirchen an der Überwindung ihrer Finanzkrise können Unterstützung durch die Gemeinschaft der Gliedkirchen und weitere begleitende Maßnahmen in Aussicht gestellt werden.“ Ist dies nicht der Fall, greifen Sanktionen, die bis zum Ausschluss weiterer Unterstützung für die betroffene Gliedkirche reichen“ können. Im Klartext: Bei nicht-kooperativem Verhalten gegenüber den EKD-Spielregeln droht der Entzug der Solidarität, also offenbar auch der Entzug der Finanzausgleichsmittel.

Die einzelnen Landeskirchen sind also im Blick auf ihre Finanzen seit März 2006 nicht mehr Herrin im eigenen Haus. Sie müssen sich den vom Finanzbeirat vorgegeben Mindeststandards unterordnen und stehen unter Aufsicht der EKD. Dies bestätigt der Finanzchef der EKD Thomas Begrich im bereits erwähnten RBB-Feature: „Im Erweiterten Solidarpakt […] sagen wir: Es sollen aus den aktuellen Haushalten nicht mehr als 10 Prozent aufgewandt werden müssen, um die Pensionen der jetzt im Ruhedienst befindliche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu bezahlen. Um das erreichen zu können, muss man ungefähr siebzig Prozent Kapitaldeckung haben.“ „Und solche finanziellen Mindeststandards werden dann auch von uns im Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft der Gliedkirchen überwacht. „

Die EKiR und der „erweiterte Solidarpakt“

Im Vorwort von „Schöne neue Welt“ schreibt Aldous Huxley 1946: „Die größten Triumphe der Propaganda wurden nicht durch Handeln, sondern durch Unterlassung erreicht. Groß ist die Wahrheit, größer aber, vom praktischen Gesichtspunkt, ist das Verschweigen von Wahrheit.“

Beklemmend aktuell ist dieses Zitat im Blick auf die Krisen und kriegerischen Konflikte unserer Zeit. Noch beklemmender muss es allerdings für einen evangelischen Christen sein, dass Teile der kirchlichen Leitungsebene sich die hinter dieser Aussage stehende Geisteshaltung zu eigen gemacht haben.

Tatsache ist, dass in keinem öffentlich zugänglichen Dokument, dass der rheinischen Landessynode vorgelegt wurde, der Begriff „erweiterter Solidarpakt“ auftaucht und dass die Unwissenheit über sein Regelwerk nicht nur die Masse der Landessynodalen, sondern sogar langjährige Mitglieder der Kirchenleitung betrifft. Jetzt stellt sich heraus, dass ohne die Wucht dieses Reglements der ab Juli 2013 initiierte brutal verschärfte Sparkurs der damals neuen Kirchenleitung um Manfred Rekowski so kaum denkbar wäre.

Zunächst fragt man sich, welche Personen den Beschluss der Kirchenkonferenz vom März 2006 zu verantworten haben. Der potentielle Teilnehmerkreis aus dem Rheinland ist überschaubar. Der damalige Präses Nikolaus Schneider sowie Vizepräsident Christian Drägert sind an erster Stelle zu nennen. Hinzukommt der Finanzdezernent Georg Immel und evtl. noch Vizepräses Petra Bosse Huber. Ihnen war die Schieflage bei der Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungsansprüche gegenüber der EKiR bestens bekannt. Ihnen muss bewusst gewesen sein, in welchen fiskalischen Schwitzkasten die rheinische Kirche durch das Regelwerk des „erweiterten Solidarpakts“ gerät und sie auf lange Zeit zu immer neuen „Sparrunden“ nötigt mit dem Ziel verstärkter Kapitalbildung. Nicht ohne Brisanz ist der Tatbestand, dass dieser Personenkreis die politische Verantwortung für den bbz-Finanzskandal trägt, der einige Jahre später den Rücklagenbestand der rheinischen Kirche um einen Betrag von deutlich über 20 Mio. € reduziert hat.

Der Vollständigkeit halber sei darauf hingewiesen, dass Georg Immel erstmals im Finanzbericht von 2006 auf ein „landeskirchliche Frühwarnsystem“ verweist. Hierbei ging es Immel darum, Kirchengemeinden und Kirchenkreise zu motivieren, den Bestand ihrer Rücklagen und Schulden nach Düsseldorf zu melden, von wo aus die Daten an die EKD zur Auswertung weitergeleitet werden sollten. Er begründet dies mit einem Beschluss von Kirchenkonferenz und Rat der EKD, „ein sogenanntes ‚Frühwarnsystem‘ auf EKD-Ebene einzuführen, um frühzeitig Fehlentwicklungen oder Fehlsteuerungen in Gliedkirchen erkennen und darauf reagieren zu können“ (Seite 9, 10). Immel trug seinen Bericht im Januar 2006 vor, erst im März 2006 fasste die Kirchenkonferenz der EKD den endgültigen Beschluss zum „erweiterten Solidarpakt“. Dennoch wird man davon ausgehen können, dass die Vorüberlegungen Immel bekannt waren und seine Ausführungen bestenfalls Teilinformationen, also die halbe Wahrheit enthielten. In seinen Erläuterungen zur Versorgungssicherung ab S. 12 des Berichts erwähnt Immel weder „Frühwarnsystem“ noch den „Solidarpakt“, obwohl das eigentliche Ziel des „Solidarpakts“ – verstärkte Kapitalbildung – vor allem auf die Sicherung zukünftiger Versorgungsansprüche abzielt. Im Finanzbericht von 2007, als das Regelwerk des „erweiterten Solidarpakts“ verbindlich und den Eingeweihten bekannt war, geht Immel erneut auf das „Frühwarnsystem“ ein (S. 7-9), ohne wirkliche Informationen zu liefern.

Das Jahr 2006 war nicht nur für die rheinische Kirche eine Zäsur. Mit dem „erweiterten Solidarpakt“ war ein höchst effizienter Hebel geschaffen, mit dem Grundelemente aus „Kirche der Freiheit“ umgesetzt werden konnten. Trotz erheblich steigender Kirchensteuereinnahmen wurden Gemeinden, Kirchenkreisen und Gemeinden Mittel entzogen und in Verbindung mit einer unseriösen Langfristprognostik, nach der dauerhaft die kirchliche Finanzkraft nur sinken kann, das Gefühl subjektiver Armut vor Ort verstetigt. Faktisch handelt es sich um eine Umverteilung von unten nach oben, denn Mittel, die die Arbeit vor Ort hätten stärken können, werden dem Zugriff von Presbyterien und Kreissynoden entzogen.

Seit 2006 kann man in der rheinischen Kirche eine wachsende Dynamik bei Rückbauprozessen und dem Abbau von Arbeitsplätzen beobachten. 2011 verdoppelte die EKiR die Versorgungssicherungsumlage und führt mittlerweile ein knappes Viertel ihres Kirchensteueraufkommens der Versorgungsicherung zu.

All‘ diese Anstrengungen waren nach dem Urteil der EKD-Aufseher offenbar unzureichend. Im März 2013 gab die EKiR die aktuellen Daten, die nach dem „erweiterten Solidarpakt“ gefordert werden, an das EKD-Kirchenamt weiter. Offenbar kam im Mai 2013 so etwas wie einen „blauen Brief“ aus Hannover. Am 10. Juli 2013 kündigt Präses Manfred Rekowski in einer Videobotschaft eine drastische Verschärfung des „Sparkurses“ an. Über den Zeitraum von mehreren Wochen gibt es in seinem Blog eine durchaus spannende Diskussion. Allerdings werden weder die tatsächlichen Hintergründe des fiskalischen Parforceritts benannt, noch fachliche Fragen befriedigend beantwortet. Die Sondersynode in Hilden Ende November 2013 folgt diesem Muster. Rekowski plaudert zwar von der „Troika“ und dem EKD-„Sparkommissar“, der ins Haus stehen könnte. Die Heiterkeit der Synode ob dieser Äußerungen belegt jedoch, dass der dramatisch ernste Hintergrund dieser „humoristischen“ Einlagen, nämlich die Regelungen des „erweiterten Solidarpakts“ den Synodalen weitgehend unbekannt sind. Synoden werden so in Teilen zu einer reinen Akklamationsfassade. Die Ziele stehen fest, sie kommen aus dem intransparenten Dunst der EKD. Gestaltet werden darf die Umsetzung, hier ist „Partizipation“ gefragt.

Fakt ist, dass die EKiR mehr denn je an der kurzen Leine der EKD nach einer Road-Map geführt wird, die nur wenigen Eingeweihten bekannt ist. Was bedeutet es – auch verfassungsrechtlich – für diese Landeskirche mit einer immer noch ausgeprägt basisorientierten presbyterial-synodalen Ordnung, wenn die in Finanz- und Strukturfragen entscheidenden Weichenstellungen durch Verabredungen des Finanzbeirates und der Kirchenkonferenz der EKD getroffen werden, deren Inhalte der Landessynode bestenfalls verschwommen bekannt sind, wenn überhaupt? Nicht mehr die Landessynode bestimmt die Richtung – von Presbyterien und Kreissynoden gar nicht zu reden – sondern ein kleiner Kreis von Bischöfen und Oberkirchenräten in Gremien der EKD.

Der „erweiterte Solidarpakt“ – die kritischsten Punkte

Was bewegt die Mitglieder der Kirchenkonferenz der EKD zu der mutmaßlichen Verabredung, den Beschluss zum „erweiterten Solidarpakt“ nicht zu veröffentlichen? Es war tatsächlich bis vor kurzem ein „Pakt, den keiner kennt“, wie es der Journalist Christoph Fleischmann mehrfach formuliert hat. Dieser Tatbestand offenbart eine nahezu unglaubliche Missachtung von Synoden durch führende Verantwortungsträger der Evangelischen Kirche. Er zerstört Vertrauen.

Darüber hinaus ist Folgendes anzumerken:

  1. Der „erweiterte Solidarpakt“ ist ein Steuerungsinstrument – durchaus vergleichbar mit dem EU-„Stabilitäts- und Wachstumspakt“ – das die evangelischen Landeskirchen in eine höchst einseitige Finanzorientierung drängt. Die Frage einer nachhaltigen Finanzierung insbesondere im Blick auf Versorgungs- und Beihilfeansprüche erscheint als die herausragende Zukunftsfrage kirchenleitenden Handelns, dem sich alle anderen Aspekte wie die Situation der Beschäftigten oder die Erwartungen und Bedürfnisse der Menschen im Wirkungsbereich der Kirche unterzuordnen haben.

  2. Verschärft wird diese für die Kirche insgesamt schädlich Einseitigkeit durch eine von der EKD vorgeschriebene Prognostik, die auf falschen Grundannahmen beruht. Hierzu gehört die bis heute empirisch nicht zu belegende Behauptung, die Mitgliederentwicklung hätte einen messbaren Einfluss auf die Finanzkraft der Kirche. Ein Blick auf längere Zeiträume am Beispiel der EKiR widerlegt dies vielmehr:

EKiR

1970

1990

2005

2013

Gemeindeglieder in Mio.

3,856

3,269

2,952

2,707

Nettokirchensteuer-

Aufkommen in Euro

200 Mio.

580 Mio.

492 Mio.

620 Mio.

  1. Ähnlich fragwürdig ist eine Prognose bezüglich des allgemeinen Preisindexes, die als ein Element der Finanzplanung gefordert wird. Aussagen über die Inflationsrate in 10 oder gar 25 Jahren machen zu wollen entbehrt jeder Grundlage und ist reine Kaffeesatzleserei. Der Preisindex orientiert sich im übrigen nicht an der tatsächlichen Kostenstruktur der Kirche, sondern an den Ausgaben einer Durchschnittsfamilie. Der Euro hat im Blick auf die Anschaffung elektronischer Geräte, die für die kirchliche Arbeit kein unwichtiger Kostenfaktor sind, erheblich an Wert gewonnen, da Computer, Handys und Notebooks günstiger geworden sind. Bei den Löhnen und Gehältern müsste er zumindest konstant geblieben sein, und dies ist der weitaus größte Kostenpostenkirchlicher Arbeit.

  2. Auf Grund der bei Lichte besehen höchst subjektiven Annahme, die Finanzkraft der Kirche würde sich in Zukunft erheblich reduzieren, drängt die EKD ihre Landeskirchen dazu, Geld durch „Sparrunden“ aus dem System kirchlicher Arbeit herauszuziehen und Zukunftssicherung durch Kapitalbildung zu betreiben. Soll diese Strategie im Sinne ihrer Urheber erfolgreich sein, setzt dies folgendes Szenario zwingend voraus: 1. Die Finanzmarktentwicklung muss in den kommenden Jahrzehnten so stabil sein, dass auch für kirchliche Finanzanlagen verlässliche Renditen erwirtschaftet werden können. 2. Eine Voraussetzung dafür ist ein stetiges Wirtschaftswachstum. – Wer’s glaubt, wird selig, oder auch nicht!

Erweiterter Solidarpakt. Eine weitreichende Vereinbarung im sog. Reformprozess der ev. Kirchen. Die Vereinbarung im Orginaltext.

Die wort-meldungen veröffentlichen an dieser Stelle erstmals den ganzen Wortlaut) der Kirchenkonferenz vom März 2006. Vgl. Sie den Rundfunkbeitrag von Christoph Fleischmann „Ein Pakt, den keiner kennt“.

Für Pfarrers Renten spekulieren Kirche an der Börse

Gerne reklamiert die Kirche ein moralisches Wächteramt. Sie will die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen. Zur Finanzkrise schrieb der Rat der EKD die Denkschrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer. Darin wurde das Profitstreben der Finanzindustrie kritisiert.

Doch gleichzeitig beteiligen sich die Kirchen mit ihren Pensionsfonds als Großinvestoren am Finanzmarkt.

Christoph Fleischmann betrachtet in seinem Radiofeature den ethischen Anspruch und die Realität der Pensionsfonds.

Lesen Sie hier das Script: Für Pfarrers Rente spekulieren die Kirchen an der Börse.

Ein Pakt, den keiner kennt. EKD regiert in Finanzplanung der Landeskirchen. Eine Sendung im wdr von Christoph Fleischmann

Wenn’s ums Geld geht, hört die Liebe unter Glaubensgeschwistern auf: Die evangelischen Landeskirchen haben einen Erweiterten Solidarpakt beschlossen. Was nach Solidarität klingt, ist eigentlich eine Maßnahme um den Solidaritätsfall zu verhindern.

In der Tat hat die Kirchenkonferenz der EKD im Jahr 2006 einen Erweiterten Solidarpakt beschlossen. Die Kirchenkonferenz ist ein kleines Gremium, in dem in der Regel der leitende Geistliche und der Chefjurist jeder Landeskirche vertreten sind. In dem Solidarpakt geht es um die Vereinbarung finanzieller „Mindeststandards“ etwa bei Personalkosten, Rücklagen und Verschuldung. Diese Standards würden im Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft der Landeskirchen „überwacht“, erklärt Oberkirchenrat Thomas Begrich, der beim Kirchenamt der EKD für die Finanzen zuständig ist. „Dazu kriegen wir einmal im Jahr ein paar Kerndaten, die wir dann auswerten und dann wieder mit den jeweiligen Gliedkirchen sprechen: Wie ist der Stand, wo liegen die Probleme? Wo muss man mehr tun?“…
Die Vereinbarung droht den Landeskirchen an, ihnen einen Sparkommissar ins Haus zu schicken. Christian Grethlein (Prof. C.G., Münster, Anm. F.S.) meint, dass die Vereinbarung schon einen „gewissen Rechtscharakter“ habe, weil eine Rechenschaftspflicht der Landeskirchen gegenüber dem Finanzbeirat der EKD vereinbart worden sei. „Und von daher wundert es, dass offensichtlich in den Landeskirchen dieser Erweiterte Solidarpakt nicht oder nicht hinreichend diskutiert wurde“, so Grethlein… Zum Beitrag im WDR.

Zur Sendung zum Thema im wdr, ausgestrahlt am Sonntag, 27. Juli 2014, 09.20 – 10.00 Uhr

Mehr zum Thema Kirche und Kapitalrücklagen vom selben Autor, dem Journalisten und Theologen Christoph Fleischmann, am Sonntag, 03.08., im Kulturradio vom RBB in Berlin.