Archiv der Kategorie:
Hierarchisierung – Top-Down-Struktur

Jetzt auch noch dies: Qualitätsmanagement in der EKD. Von Ingo Baldermann.

07/2016

Unter der hoffnungsvoll klingenden Überschrift „Qualität und Profil“ findet sich in der Zeitschrift für Evangelische Bildungsarbeit (Praxis Gemeindepädagogik, verantwortet von der Evangelischen Verlagsanstalt Leipzig – mit dem Anspruch, das gesamte Feld gemeindlicher Arbeit unter pädagogischem Aspekt zu erfassen) im Heft 2/2015 ein vehementes Plädoyer für ein konsequentes Qualitätsmanagement kirchlicher Arbeit – durchweg von AutorInnen, die in kirchlichen Schlüsselpositionen arbeiten. …
6. Bisher war die Kirche in der modernen wie schon in der spätantiken Gesellschaft gerade dadurch attraktiv, dass hier exemplarisch ein anderes Zusammenleben praktiziert wurde als in den autoritären Strukturen der Massengesellschaft, die damals wie heute ohne Sklavenarbeit nicht funktioniert. Diese Attraktivität, die unsre Gemeinden noch immer trägt, wird von Grund auf zerstört, wenn die Kirche nun nach den Kriterien einer ideologisch radikalisierten Betriebswirtschaft umstrukturiert wird. In diesen Strukturen werden wir alle heimatlos…
Fazit: Auf der Suche nach dem Sinn derart sinnlos und zerstörerisch wirkender Ordnungen gewinnt man am ehesten Klarheit durch die Frage: Cui bono – wem nützt das? Hier ist die Antwort erschreckend einfach: Die von oben her (wie gegenwärtig auch in den Schulen) angeordnete Qualitätskontrolle erzeugt von selbst hierarchisch strenge autoritäre Strukturen. Die neue „Ordnung“ wird von oben nach unten durchgesetzt und kontrolliert, und so wird die Verwaltung, bisher von den Gemeinden dankbar als Hilfe akzeptiert, zu einer Kontrollinstanz, die künftig auf keine Kritik der Basis mehr hören, geschweige denn antworten muss…. Mehr dazu.

Es geht nicht um Linderung, sondern um Heilung! Bischof Erwin Kräutler zum Priestermangel und seine Skepsis gegenüber XXL-Gemeinden

06/2016

Erwin Kräutler war 35 Jahre lang Bischof in Brasilien. Er wünscht sich mehr Mut für durchgreifende Reformen, vor allem bei der Zulassung zum Priesteramt. Denn jeden Sonntag Eucharistie zu feiern, sei wichtiger als alles andere.

Wie erleben Sie die Kirche in Deutschland und Österreich im Hinblick auf die pastoralen Veränderungen durch Priestermangel? Eher als mutlos oder eher als mutig? Ich gebe da nicht gerne ein Urteil ab, denn alle meine Erfahrungen habe ich in Brasilien gemacht, wo ich seit mehr als 50 Jahren tätig bin, 35 davon als Bischof. Aber dennoch möchte ich mich „outen“ und sagen, dass ich die Zusammenlegung traditioneller Pfarrgemeinden in Pfarrverbände mit großer Skepsis betrachte… Mehr dazu.

Warum die Kirche keine Pfarrer mehr braucht. Von Pfr. Dr. Christoph Bergner.

06/2016, hier zur pdf-Version mit download des Artikels (mit den entsprechenden Literaturangaben).

Als Bischof Hermann Kunst 1977 aus seinem Amt ausschied, ließ es sich die Bundesregierung nicht nehmen, einen Empfang für den Bevollmächtigten des Rates der EKD am Sitz der Bundesregierung auszurichten, der seit 1947 die Arbeit in Parlament und Regierung begleitet hatte. In seiner Laudatio sagte Bundeskanzler Helmut Schmidt: „Ich sehe das Scheiden eines persönlichen Freundes aus dem Amt, eines Seelsorgers, eines innerlich reichen Menschen, wie man selten einen trifft, aus dem Bonner EKD-Amt, wenngleich nach einem erfüllten amtlichen Leben, so doch, wenn ich das für mich sagen darf, mit einer gewissen Wehmut. Allerdings kann ich mir nicht denken, dass Hermann Kunst der EKD und uns nicht weiter zur Seite stehen werde. Er ist zwar aus dem Amt geschieden, aber Pastor, so denke ich, Pastor, als den er sich immer verstanden hat, Pastor wird er bleiben.“ 1Der Bevollmächtigte, der sich selbst „in erster Linie immer als Pastor“2 verstand, war nicht nur mit Helmut Schmidt, sondern auch mit Gustav Heinemann, Ludwig Erhard, Liselotte Funcke, Eugen Gerstenmeier u.v.a.freundschaftlich verbunden. Als Herbert Wehner seinen 60. Geburtstag beging, forderte Willy Brandt Kunst auf, den offiziellen Glückwunschartikel im zentralen Zeitschriftenorgan der SPD zu verfassen. Kenner der politischen Szene behaupten, dass Kunst in seiner Amtszeit von 1949 bis 1977 eine der einflussreichsten Persönlichkeiten der Bonner Republik gewesen ist.
Fast 40 Jahre nach der Verabschiedung des Bevollmächtigten nahm die Bundesrepublik 2015 Abschied von Helmut Schmidt, der damals den Abschied für Kunst veranlasst hatte. Im Hamburger Michel versammelten sich die Würdenträger der Republik. Es gab viele persönliche Worte, die Olaf Scholz, Angela Merkel, Henry Kissinger fanden. Die Predigt des Hauptpastors lies solchen persönlichen Kontakt vermissen. Seelsorgerische Verbundenheit scheint nicht bestanden zu haben. Das dürfte kein Zufall sein. Denn das Bild des Pastors, das die evangelische Kirche in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, unterscheidet sich gravierend von dem, was Kunst lebte und wofür Schmidt dankte.

Der Siegeszug der funktionalen Kirche
Was hat sich geändert? Schon Kunst dürfte Mitte der siebziger Jahre für viele reformfreudige Kräfte der EKD ein Relikt vergangener Zeit gewesen sein. Denn damals begann der Siegeszug einer funktional bestimmten Kirche. Was soziologisch, ethisch, gesellschaftlich und politisch gefragt war, sollte in den Strukturen und Angeboten der Kirche aufgenommen werden. Die Differenzierung der Gesellschaft sollte von der Kirche aufgegriffen und die Kirche gerade dadurch für die Gesellschaft an Bedeutung gewinnen. Dem Bedeutungsverlust der Kirche, den sinkende Gottesdienstbesuche und steigende Austrittszahlen vermuten ließen, sollte gegengesteuert werden.
Funktionalisierung heißt zuerst Professionalisierung. Wer ein guter Seelsorger sein will, der sollte eine psychologische Zusatzausbildung erwerben. Als Pädagoge ist ein Pfarrer auch kaum einsetzbar, wenn man seine unzureichende pädagogische Ausbildung betrachtet. Seine Managementfähigkeiten bei der Leitung einer Gemeinde dürften eher gering entwickelt sein. Als Prediger fehlen ihm oft die Bezüge zum modernen Leben, so dass er die Menschen nicht mehr erreicht. Die biblischen Texte sind dem Alltag zu fern und oft zu schwierig, als dass sie sich allein durch theologische Argumentation erschließen ließen. So zeigen sich schon im Kernbereich pastoraler Tätigkeiten Defizite, die dringend behoben werden müssen. Der Pfarrer, der sich in klassischer kirchlicher Tradition als Seelsorger, Lehrer und Prediger versteht, ist eine von tiefen Defiziten geprägte Gestalt. Und wer sich diese Defizite nicht eingestehen mag, dem ist ein weiteres kaum noch zu behebendes Defizit zu attestieren.
Doch die funktionale Bestimmung kirchlichen Lebens und Arbeitens erschöpft sich nicht in den drei pastoralen Diensten Gottesdienst, Unterricht und Seelsorge, die schon Luther beschrieb. Funktionalisierung heißt auch Spezialisierung. Öffentlichkeitsarbeit, Umgang mit Medien, Umweltfragen, technologische Entwicklungen, Friedenspolitik u.v.a.m.gehören auch zu den Themenfeldern, für die sich die Kirche zu interessieren hat und zu denen sie Stellung nehmen muss. Die Vielfalt der Fragestellungen geht weit über den pastoralen Dienst hinaus. Sie ist schier unerschöpflich. Und je mehr Aufgaben in den Blick kommen, umso weniger werden sie im pastoralen Dienst gelöst werden können. Es ist also nur zu verständlich, wenn die Kirche ihr Personal an den gewandelten Kirchenbegriff oder besser an die gewandelten gesellschaftlichen Bedingungen anpasst. Unter diesen Gesichtspunkten ist es nur konsequent, dass Pfarrstellen in Stellen für Öffentlichkeitsarbeit umgewidmet und von Journalisten besetzt werden oder die Seelsorge von Psychologen übernommen wird.
Funktionalisierung heißt aber auch Hierarchisierung. Da die Gesellschaft sich ständig weiter entwickelt, muss immer wieder neu darüber entschieden werden, in welchem gesellschaftlichen Feld kirchliche Aktivitäten gebraucht werden. Vor einem Jahr etwa wusste die Kirche noch nichts von den neuen Aufgaben der Flüchtlingshilfe, mit denen sie sich für viele Jahre wird beschäftigen können. Die kirchenleitenden Gremien sind also verpflichtet, ständig die Funktionen zu überprüfen, die sie gerade wahrnimmt, und den finanziellen und personellen Möglichkeiten anzupassen. Das lässt sich nicht ohne einen Ausbau der Hierarchie umsetzen. Es muss der Kirchenleitung möglich sein, kurzfristig personelle Umsetzungen vorzunehmen, finanzielle Umschichtungen zu gestalten, ohne vorher mit allen Kirchengemeinden und Dekanaten zu verhandeln. Es liegt in der Logik dieses Verfahrens, dass z.B. Gemeindepfarrstellen nicht mehr den Gemeinden auf unbegrenzte Zeit zur Verfügung gestellt werden können. Auch sollte die Kirchengemeinde nicht mit den finanziellen Mitteln ausgestattet sein, die verhindern würden, dass die Kirchenleitung sehr schnell ihre Interessen gegenüber den Gemeinden durchsetzen kann. Also sollten möglichst viele Mittel im Entscheidungsbereich der Gesamtkirche verbleiben, um die ständigen Anpassungen an den gesellschaftlichen Wandel auch zeitnah umsetzen zu können. Deshalb ist es nur folgerichtig, dass die Kirche kaum noch Personal auf der Ebene der Gemeinden zulässt. Hauptamtliche Kirchenmusiker, Gemeindepädagogen, Küster werden fast ausschließlich auf der Ebene des Dekanats oder Gemeindeverbänden angestellt. Die Kirchenvorstände entscheiden noch über die stundenweise Beschäftigung von Küstern, Hausmeistern, Organisten, Sekretärinnen.
Funktionalisierung heißt Subjektivierung. Die scheinbar objektiven Kriterien sind im konkreten Fall höchst subjektiv. Ob die Kirche sich für Flüchtlinge, für Kinder oder für Religionspädagogik einsetzen soll und wenn ja, mit welchem finanziellen und personellen Aufwand, lässt sich eben nicht objektiv entscheiden. Die Individualisierung der Lebensformen, die Ausdifferenzierung der Gesellschaft lassen sich nur vordergründig objektiv wahrnehmen. Letztlich sind die Entscheidungen höchst subjektiv, weil sie versuchen menschlichen Befindlichkeiten und Wünschen zu entsprechen.
Funktionalisierung heißt auch Effizienz. Eine Funktion lässt sich genau beschreiben und bemessen. Und so geht mit der Funktionalisierung der kirchlichen Dienste ein sich ständig weiter ausdifferenzierendes Bemessungssystem einher. Eine Gemeindepfarrstelle muss eine bestimmte Anzahl an Gemeindemitgliedern und eine bestimmte Fläche aufweisen oder andere Kennziffern, die in den verschiedenen Kirchen sicher auch voneinander abweichen. Natürlich gilt das auch für Gemeindepädagogen, Kirchenmusiker, Dekane u.s.w. Entsprechend lässt sich auch die finanzielle Ausstattung von Gemeinden und Einrichtungen errechnen. Wichtig ist dabei z.B. die Zuordnung zu den politisch relevanten Größen wie Stadt, Landkreis, Bundesland. Alles soll also in berechenbare Schemata gebracht werden, die schnelle Entscheidungen ermöglichen.

Die Auswirkungen einer funktionalisierten Kirche
Für die Arbeit von Pfarrern und Kirchengemeinden haben die eben beschriebenen Implikationen unmittelbare Wirkung.
Zunächst muss festgehalten werden, dass eine Kirchengemeinde und natürlich auch ihr Pfarrer nicht mehr in der Lage sind, die vielfältigen Ansprüche einer modernen Gesellschaft zu erfüllen. „Auf der Synode der Ev. Kirche von Westfalen zum Beispiel wird kirchenoffiziell davon geredet, dass die Streichung von Pfarrstellen den Gemeinden und Kirchenkreisen zugute komme.“3 Wenn eine Gemeinde aber nicht in den Genuss einer Streichung einer Pfarrstelle kommt, sollte sie sich vom Dekanat und der Landeskirche unterstützen lassen. Unter der Überschrift „Unterstützung der Kirchengemeinden“ wird in §9 der Dekanatssynodalordnung der EKHN festgestellt: „Die Dekanatssynode kann unter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips im Benehmen mit der betroffenen Kirchengemeinde die Übernahme von Aufgaben beschließen, die von der Kirchengemeinde nicht oder nicht mehr sachgerecht wahrgenommen werden können.“ Andere unterstützenden Leistungen des Dekanats sind in § 9 nicht vorgesehen. Ob eine Aufgabe sachgerecht wahrgenommen wird, ist im Ernstfall wohl nicht von der Kirchengemeinde zu entscheiden, da ihr die fachliche Qualifikation im Rahmen des funktionalen Kirchenverständnisses ohnehin fehlt. Das Dekanat und die Landeskirche stellt den Kirchengemeinden und Pfarrern also vielfältiges Material und personelle Unterstützung bereit und übernimmt bei Bedarf auch gleich selbst die Aufgaben der Kirchengemeinde. So rät man derzeit den Kirchengemeinden, Kindergärten und Diakoniestationen in gesamtkirchliche Trägerschaft abzugeben. Dafür stellt die Kirchenleitung auch finanzielle und personelle Mittel zur Verfügung. Aus Gründen der Gerechtigkeit gegenüber den Gemeinden, die keine Kindergärten haben, hatte man schon 1997 zunächst finanzielle „Anreize“ gestrichen und dann die Anteile, die einer Pfarrstelle zugute kamen. Eine wichtige Aufgabe des Ortspfarrers ist es nun, die Angebote von Dekanat, übergemeindlichen Einrichtungen und Gesamtkirche weiterzugeben, Plakate zu verteilen, Termine zu veröffentlichen, Räumlichkeiten zur Verfügung zu stellen und Menschen zu mobilisieren, die Angebote in Anspruch zu nehmen. In manchen Fällen überlässt auch die Gesamtkirche den „Profis“ die Arbeit. Etwa wenn die EKHN Impulspost an ihre Mitglieder verschickt. Was theologisch dran ist und wie es aufzubereiten ist, entscheiden inzwischen Marketingexperten einer Agentur.

Der klassische Gemeindepfarrer wird immer überflüssiger
Bei der Einführung übergemeindlicher Stellen, den sogenannten Profilstellen im Dekanat und den Dekanestellen, hat die Kirchenleitung bald festgestellt, dass diese Stellen unabhängig vom Gemeindepfarrdienst arbeiten sollten, weil sie durch die unterschiedlichen Arbeitszeiten eines Gemeindepfarrers wie Schule, Kasualien etc. nicht angemessen im neuen Arbeitsfeld präsent sein können. Anders verhält es sich bei den gemeindlichen und seelsorgerischen Stellen. Nach den Berechnungsgrundlagen, die die Kirchenleitung erstellt, sind diese Stellen teilbar, unterschiedlich zuzuordnen und unabhängig von gemeindlichen Besonderheiten zu verteilen. Die Verbindung von Pfarrer und Gemeinde ist Stück für Stück gelöst worden. Befristete Besetzungen, regelmäßige Neubewertungen nach neu entwickelten Kennziffern, Verlust der Wählbarkeit durch den Kirchenvorstand in die Dekanatssynode. Denn nicht mehr die Gemeinden entsenden die Pfarrer in die Synode, sondern die Pfarrer führen unter einander eine Wahl durch. Eine Präsenzpflicht in den Gemeinden ist unter diesen Umständen vielfach nicht mehr durchsetzbar. Neben der Zuständigkeit für unterschiedliche Stellenanteile bedeutet das auch lange Wege und Abwesenheit in der Gemeinde.
Angesichts der Neubewertung des Pfarrberufs ist es verständlich, dass die Kirche bei ihren Planungen davon ausging, dass man gut mit weniger Pfarrern auskommen könne. In der Hierarchie der neuen funktionalen Bedeutsamkeit stehen die Parochie und seelsorgerische Dienste nach allem, was dazu vorgetragen worden ist, ohnehin weit unten. Es gilt daher auch nicht als zumutbar, dass eine kirchenleitende Persönlichkeit, die ihr Amt bei einer Wiederwahl verliert, ins Gemeindepfarramt wechselt. Wirkliche Professionalität wird man in diesem Feld des pastoralen Dilettantismus kaum finden. Auch dies ist ein Grund, warum die Landeskirchen lange nichts unternahmen, um Pfarrnachwuchs zu gewinnen, obwohl die Probleme auch bei nur geringen Kenntnissen der Demographie offenkundig waren. In der EHKN hat man mit viel Gespür für synodale Befindlichkeiten die Probleme von Jahr zu Jahr herausgeschoben. Wenn z.B. die Synode beschließt, dass Werbematerial an die Schulen verteilt werden soll, kann die Landeskirche das Werbematerial zu einem Zeitpunkt fertigstellen, an dem der betreffende Abitursjahrgang schon die Schule verlassen hat. Da die meisten Synodalen keine schulpflichtigen Kinder haben, bemerken sie das nicht. Es kann also erst ein Jahr später zum Einsatz kommen. Wenn dann die Auflage so begrenzt ist, dass in jede Gemeinde bestenfalls zwei Exemplare kommen können, ist die Werbewirksamkeit ziemlich reduziert. Wenn man dann die Exemplare den Dekanaten nur zur Ansicht schickt, damit Gemeinden Exemplare bestellen können, ist schnell das zweite Jahr vergangen. Im dritten Jahr stellt man fest, dass die Broschüre nicht gelungen ist, und nicht weiter verteilt werden sollte. Besonders pikant ist in diesem Zusammenhang das Amtsblatt der EKHN vom Oktober 2011. Dort wird unter dem 24. August 2011 zum Thema Pfarrernachwuchs bekannt gegeben: „Die Schulen werden von uns direkt angeschrieben und mit Informationsmaterial versehen“. Das ist bis heute (Mai 2016) nicht geschehen. Es ist erstaunlich, wenn Klaus Neumeier im Dt. Pfarrerblatt  festhält, dass das Nachwuchsproblem von der Kirchenleitung erkannt sei, allerdings nicht von den Gemeinden und im Kollegenkreis. Er war Mitglied der Synode, als im April 2007 die Stellvertretende Kirchenpräsidentin das Problem erstmals öffentlich benannte.5 Bis zur Vorlage des von Neumeier erwähnten Papiers vergingen also fünf(!) Jahre. Nachdem jahrelang in der Synode auf die Problematik des Pfarrnachwuchses aufmerksam gemacht wurde, nun der Kirchenleitung zu bescheinigen, sie würde hier etwas sehen und vorantreiben, was anderen entgangen sei, ist schon einigermaßen grotesk.
Immerhin wird nun ganz offiziell für den Pfarrberuf geworben. Die kurhesssische Kirche bietet Studenten ein monatliches Stipendium von 500,00€, die badische lockt mit 50.000,00€ für Quereinsteiger. Die hessen-nassauische wirbt mit höheren Gehältern und weist bei ihren Ausschreibungen im Amtsblatt darauf hin, „dass Pfarrinnen und Pfarrer aus anderen Gliedkirchen der EKD, die sich für eine Stelle interessieren, zuerst (fett gedruckt) das Bewerbungsrecht erhalten müssen.“6 Dort ist man bereit, die Gleichberechtigung bei Bewerbungsverfahren aufzugeben. Doch die Bedingungen für die Arbeit sind unattraktiv geworden. Für eigenständige, verantwortlich handelnde, theologisch gebildete Persönlichkeiten, die sich auf Dauer in den Dienst einer Gemeinde stellen wollen, besteht kaum Bedarf.

Die Reduzierung der Kirchengemeinden
Doch unter den gegebenen Voraussetzungen sollte das niemand wundern. Die EKD hat schon 2006 in ihrem Impulspapier „Kirche der Freiheit“ die Reduzierung von 50% der Kirchengemeinden bis 2030 gefordert. Selbstverständlich müssen auch die Pfarrstellen reduziert werden. Das soll durch ein Netzwerk von Prädikanten aufgefangen werden. Da nur ein geringer Bedarf an qualifizierter Theologie nötig zu sein scheint, können Gemeinden auch von Ehrenamtlichen versorgt werden. Martin Luther sah das noch anders. So sagte er in einer Tischrede: „In Kürze wird es an Pfarrern und Predigern so sehr mangeln, dass man die jetzigen aus der Erde wieder herauskratzen würde, wenn man sie haben könnte. Denn Ärzte und Juristen bleiben genug, die Welt zu regieren; man muss aber zweihundert Pfarrer haben, wo man an einem Juristen genug hat. Wenn zu Erfurt einer ist, ists genug. Aber mit den Predigern geht’s nicht so zu; es muss ein jeglich Dorf und Flecken einen eigenen Pfarrer haben. Mein gnädiger Herr (der Kurfürst zu Sachsen) hat an zwanzig Juristen genug, dagegen muss er wohl an die 1800 Pfarrer haben. Wir müssen noch mit der Zeit aus Juristen und Ärzten Pfarrer machen, das werdet ihr sehen.“7 Zum Reformationsjubiläum steht Luther mit seiner Vorstellung eines qualifizieren Pfarramts in der EKD ziemlich allein da. Wer „Dörfer und Flecken“ mit Pfarrern versorgen will, wird bei den Personalplanern der Kirche nur noch ein müdes Lächeln erwarten dürfen.

Was Kunst als Pfarrer für Regierung und Parlament tat, ist heute in der Kirche nicht mehr gefragt. Er suchte den stetigen Kontakt zu Menschen, für die er da sein wollte. Über Jahrzehnte war er mit politischen Entscheidungsträgern verbunden. So konnte Vertrauen entstehen. Er war dazu ein hoch gebildeter, qualifizierter Gesprächspartner. Deswegen war er gefragt. Gerade weil er Pfarrer, nur Pfarrer, sein wollte, wurde er gehört und geachtet.

Aus einer Gemeindekirche wurde eine Kirche von oben nach unten
Offenkundig bedeutet die Kirchenreform eine gravierende Änderung. War bislang die Ev. Kirche auf die Gemeinde gegründet und verstand sich in der lutherischen und reformierten Tradition als Gemeindekirche, so wird nun die Kirche von oben nach unten gedacht und organisiert. Lassen wir die theologischen Probleme ausnahmsweise außen vor, so stellen sich praktische Probleme ein:
Die neue Kirche braucht viel Verwaltung und diese Verwaltung hat es immer noch mit den gleichen Menschen, Kirchenvorständen, Gemeinden etc. zu tun, wie vorher. Das führt zu hohen Reibungsverlusten. Aus der Fülle der Erfahrungen seien zwei geschildert:
1. Wir planen eine ökumenische Gemeindefahrt und wollen gern mit Vertretern der Kirchen sprechen. Mein katholischer Kollege kann innerhalb von einigen Tagen einen Bischof für ein Gespräch gewinnen. Ich rufe bei einer ev. Kirchenverwaltung an. Auf der Suche nach meinem Gesprächspartner werde ich mit fünf unterschiedlichen – immer ausnehmend freundlichen Menschen – verbunden, bis ich den persönlichen Referenten der gewünschten Person erreiche. Er hört mich freundlich an und macht den Eindruck, als ob ich ein seelsorgerisches Problem habe. Am Ende erfahre ich, dass auch er für Termine nicht zuständig sei. Ich solle eine Mail schreiben, dann würde ich bald Auskunft erhalten. Mitte Juni schreibe ich die Mail. Ende Juli werde ich telefonisch informiert, dass ich nach den Sommerferien Auskunft erhalte. Pünktlich nach den Sommerferien trifft die angekündigte Mail ein. Eine einfache Terminabsprache hat knappe drei Monate gedauert.
2 Eine Gemeinde bekommt einen Kirchenmusiker, der auf Dekanatsebene angestellt wird. Nach 18 Monaten erhält sie vom Dekanat eine Dienstanweisung zur Unterschrift, die nicht den Verabredungen entspricht und auch nicht die nötige Zahl an Vertragsexemplaren hat. Eine Korrektur ist nötig. Ein Satz muss eingefügt werden. Das dauert 4 Monate.
Von solchen Erfahrungen lassen sich Dutzende erzählen. Die Kirche verstrickt sich in ihren vielen Projekten, Absprachen, Planungen, Evaluationen. Einfachste Abläufe werden zum Problem. Es gibt keine angemessene Kontrolle mehr. Wenn Gemeinden nicht mehr Pfarrer in die Synode wählen dürfen, ist die Verbindung von Pfarrer und Gemeinde gekappt. Da viele Gemeinden nur noch einen einzigen Vertreter entsenden dürfen, können gute Beziehungen und Vertrauen in den wenigen Stunden, die man zweimal im Jahr zusammen verbringt, kaum entstehen. Die Verwaltung hat alles in der Hand. Da die Verwaltungswege und die Entscheidungen immer komplexer werden, überschauen die Synodalen oft nicht mehr die Folgen ihrer Entscheidungen. Ein ernsthafter Diskurs ist kaum noch möglich. Immer weniger Menschen sind daher bereit, in eine Synode zu gehen. Die Fluktuation ist so hoch, dass eine kontinuierliche Beratung und Kontrolle der Kirchenleitung kaum möglich ist.
Wie konnte es dazu kommen?

Macht die Reform als Selbstzweck die Kirche kaputt?
Die Kirche hat sich unter einen enormen Reformdruck gesetzt. Der wichtigste Grund waren jeweils schlechte Prognosen und ein scharfer Blick auf Probleme und Defizite. Aber die funktionale Bestimmung der Kirche offenbart nicht nur vielfältige Defizite, sie ist selbst hoch defizitär. Sie setzt ein Karussell in Gang, das kaum noch zu bremsen ist. Wer z.B. Pfarrstellen an bestimmten Kennziffern festmacht, muss ständig Stellen überprüfen und verändern. Der Zwang zur Reform macht die Reform zum Selbstzweck.
Die funktionale Bestimmung definiert die Kirche aber vor allem von außen, von organisatorischen, gesellschaftlichen und politischen Fragestellungen her. Wolfgang Schäuble hat jüngst kritisiert, dass der Kirche „der spirituelle Kern“ abhandengekommen sei. „Es entsteht der Eindruck, als gehe es der evangelischen Kirche primär um Politik, als seien politische Überzeugungen ein festeres Band als der eigene Glaube.“ 8
Es stellt sich grundsätzlich die Frage, ob Prognosen der Maßstab sind, an dem sich Kirche orientieren soll. Immanuel Kant hat in seiner Schrift „Der Streit der Fakultäten“ behauptet, eine „wahrsagende Geschichtsschreibung“ sei nur dann möglich, „wenn der Wahrsager die Begebenheiten selber macht und veranstaltet, die er zum Voraus verkündigt…Geistliche weissagen gelegentlich den gänzlichen Verfall der Religion und die nahe Erscheinung des Antichrist, während dessen sie gerade das tun, was erforderlich ist, ihn einzuführen.“9 Auch wenn niemand in offiziellen Papieren der EKD den Antichrist erwartet, so ist es in den hochkomplexen Strukturen der Moderne um die Prognosemöglichkeiten noch schlechter bestellt als zu Kants Zeiten.

Am Pfingstmontag in diesem Jahr wurde der Mainzer Kardinal Lehmann verabschiedet. Fast 40 Jahre waren seit der Verabschiedung von Bischof Kunst vergangen. Der Abschied wurde vom Fernsehen mehrere Stunden lang übertragen. Was dort geschah, kann eigentlich gar nicht sein: Lehmann war Bischof eines Bistums mit ca. 790.000 Katholiken. Nach evangelischen Vorstellungen ist ein solches Kirchengebiet nicht lebensfähig. Es liegt in zwei Bundesländern und steht so in der Gefahr, von den betreffenden Regierungen nicht angemessen wahrgenommen zu werden. Es leidet seit Jahren unter eklatantem Priestermangel. Eine gesellschaftlich relevante Größe sieht in der ev. Kirche zur Zeit anders aus. Doch wer Rang und Namen hatte, ließ sich den Festakt nicht entgehen. Zwei Ministerpräsidenten, der Bundestagspräsident, ein komplettes Kabinett, hochrangige Vertreter von Unternehmen, der Präsident des europäischen Parlaments u.v.a.m.
In ihrer sympathischen, zugewandten Art dankte die pfälzische Ministerpräsidentin dem Kardinal für viele gute Gespräche und Beratungen im Kabinett. Oft sei er dort zu Gast gewesen und heute seien alle ihre Minister gekommen, um Dank zu sagen. Was machte den Kardinal so wichtig? Seine persönliche Glaubwürdigkeit. Er belehrte nicht, er beriet. Er wollte nicht der bessere Politiker sein, sondern geistlicher Ratgeber, er wollte kein Manager, sondern Theologe und Priester sein, nicht Psychologe, sondern Seelsorger. Er war auf seine nachdenkliche, beharrliche Weise ein unverwechselbarer Diener seiner Kirche. Was einst Helmut Schmidt überzeugte, hat auch Malu Dreyer und Martin Schulz überzeugt.
Vielleicht entdeckt auch die evangelische Kirche wieder die Bedeutung des Pastors und Pfarrers. Dann würde ihr auch wieder wichtig, was ihren Dienst eigentlich ausmacht und wofür sie in dieser Gesellschaft gebraucht wird. Nicht der funktionale Dienst, sondern die personale Präsenz ist die Voraussetzung für ihre unverzichtbare pastorale Aufgabe.

Prof. Gerd Theißen contra Prof. Peter Scherle in Sachen ‚Aufgaben und Kompetenzen von Synoden‘.

06/2016

Prof. Peter Scherle, Herborn, hat auf der jüngsten Synode der EKHN mit einer denkwürdigen Kompetenzbestimmung für Synoden aufgewartet. Dazu wurde hier in den Wort-Meldungen schon ein kritischer Kommentar verfasst. Die dort schon genannten Beispiele für ablehnungsbedürftige Synodenvorlagen der Kirchenleitung ließe sich durch weitere Beispiele aus der Amtsperiode der zurückliegenden Synode ergänzen. Aufschlussreich wäre in diesem Zusammenhang die Frage, in wie vielen Fällen nicht ohne Grund  der Gang zum Kirchlichen Verfassungsgericht begangen wurde oder aber in Erwägung gezogen wurde.

Eine aufmerksame Leserin der Wort-Meldungen weist darüber hinaus auf ein den Inhalt unseres Kommentars unterstützende, nicht empirisch, sondern ekklesiologisch-organisatorisch argumentierende Position von Prof. Gert Theißen hin. Theißen schreibt den Synoden dabei sogar nicht nur Kontrollfunktion zu. Er geht darüber hinaus: die Zweck von Synoden ist es, Herrschaft generell zu begrenzen:

„SYNODEN dienen dazu, Herrschaft zu begrenzen.
Es darf niemand in der Kirche Herrschaft ausüben,
der nicht Rechenschaft ablegen muss.
Niemand hat einen unantastbaren Status.
Alle sind gewählt,
auch der Papst.
Keiner ist unfehlbar.
Kirchen ohne Demokratie verwandeln sich in Diktaturen.“

Aus: „Glaubenssätze. Ein kritischer Katechismus“, 3/2013, S. 304 (F.S.)

„Volkskirche qualitativ weiter entwickeln.“ Historie und zukünftige Ziele des Reformprozesses der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck.

Hess. Pfarrerblatt 2 April 2016, von  Wolfgang Kallies Geschäftsführer des Reformprozesses,
Dr. Volker Mantey Vorsitzender des Zukunftsausschusses und des Begleitausschusses 2012 2015

Am 21. November 2011 beschloss die Landessynode einen Verfahrensvorschlag zur Posterioritätendiskussion. Sie beauftragte den Rat der Landeskirche, einen Ausschuss einzurichten, der einen Vorschlag zur Festlegung von sog. Posterioritäten erarbeiten sollte… Die inhaltliche Vorgabe für den Zukunftsausschuss lautete zunächst, 25% der Kosten zu identifizieren, die auf der Basis des landeskirchlichen Haushalts von 2010 als Referenzgröße bis 2026 zu reduzieren seien…

Das Leitmotiv des Prozesses und am Ende auch des Gesamtergebnisses wurde dem Gutachten der Theologischen Kammer zum Reformprozess entnommen: „Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“. … Sechs Ausschüsse und Arbeitsgruppen, die alle Bereiche des kirchlichen Lebens im Haushalt unserer Landeskirche abbilden, entfalteten in der Folge die auf der Grundlage der Vorschläge des Zukunftsausschusses gefassten Beschlüsse inhaltlich und finanziell:… Insgesamt fanden inklusive mehrtägiger Klausuren 125 Sitzungen mit insgesamt 90 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeitern statt. Zuarbeitende aus dem Landeskirchenamt, den Kirchenkreisen und anderen Gremien waren ca. 250 Personen…

Volkskirche qualitativ weiter entwickeln“ – was aus den Ergebnissen folgt. Mit den Beschlüssen der Synode im Herbst 2015 und dem Verlauf des Prozesses ergeben sich unseres Erachtens insbesondere für den Gemeindepfarrdienst folgende Konsequenzen:
a) … , die Anpassung von Gemeindepfarrstellen bleibt an der Entwicklung der Mitgliederzahlen orientiert, während für die Funktionspfarrstellen eine feste Reduktion beschlossen wurde. Damit zieht das Ergebnis Konsequenzen aus der aktuellen Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hinsichtlich der vor allem lokalen und regionalen Wahrnehmung von Kirche. …

d) Der Duktus der Beschlüsse richtet sich auf eine Stärkung der Verantwortung in den Regionen (Kirchenkreise / Kooperationsräume). B…
e) Die Entscheidungen der Landessynode, sowohl Stellenpools in den Kirchenkreisen einzurichten, als auch das berufliche Profil der Diakoninnen und Diakone als explizit soziales Amt der Kirche weiterzuentwickeln, bedeutet mittelfristig einen Einstieg in „interprofessionelle Teams“ in regionalen Kooperationsräumen …
So wie sich die finanzielle Entwicklung und die des theologischen Nachwuchses absehen lässt, wird man in der Landeskirche mutmaßlich immer wieder einmal in die Lage kommen, in der zwar finanzielle Ressourcen für die Besetzung einer Pfarrstelle vorhanden sind, aber kein Personal. …
vgl. S. 43-47 (print)

 

Die Beschlüsse in der Kurz- und Langfassung finden Sie unter folgendem Link im Internet.

Hierarchisierung in der Praxis der ELK Hannover.

03/2016, kirchenbunt

Im November 2015 hatte die Synodaltagung der Hannoverschen Landeskirche – trotz Einwände des Finanzausschusses – eine Zulage für Superintendenten beschlossen, die einer Gehaltsherhöhung auf A16 entspricht. Im Vorfeld wurde diese Anpassung vor dem Hintergrund diskuiert, dass Superintendenten nicht weniger verdienen dürften als die Amtsleiter, deren Stelle inzwischen mit A15 dotiert sind (wir berichteten)….  Zum Beitrag.

Von Dorf zu Dorf. Gert Sommerfeld muss sich als evangelischer Pfarrer gleich um fünf Gemeinden kümmern. Impressionen aus der ELK Bayern von von Harald Hordych, SZ

27./28.02., von Harald Hordych, SZ
“ Aus fünf Gemeinden kommen gleich vier Posaunenchöre. Vier? Könnte man da nicht vielleicht den ein oder anderen zusammenlegen? Ausgeschlossen! Synergieeffekte wie bei Unternehmen sind nicht vorgesehen. Das Eigenständige und die Unterschiede auf kleinstem Raum machen die Gegend aus. 1987 kam Sommerfeld hierher. Zunächst war er für zwei Gemeinden zuständig… Zum Artikel.

Auch in Hessen: Schwere Geburten, Leiden und Lasten von landeskirchlichen Kooperationsverträgen. Viel Aufwand für – …?

02/2016, aus dem Rückblick und Ausblick am Ende der 12. Landessynode
von Präses Rudolf Schulze , Samstag, 20. Februar 2016

„… Als wir vor sechs Jahren an den Start gingen, hatte uns die 11. Landessynode unfreiwillig
einen großen Brocken unerledigt hinterlassen müssen. Das war der mit der EKHN ausgehandelte
Kooperationsvertrag, der wegen hessen-nassauischer Verfahrensfragen in unsere Synodalperiode
hinüberragte. In unserer dritten Tagung haben wir dann im November 2011
den Beschluss zur Kooperation unserer beiden Landeskirchen in den Bereich Mission und
Ökumene sowie Religionspädagogik verabschiedet. Wenn dieser Beschluss damals als „historisch“
bewertet wurde, so klingt darin die Erleichterung nach über den erfolgreichen Abschluss
sechsjähriger Verhandlungen, an deren Ende wir Einverständnis erzielt haben über
die Hälfte des ursprünglich geplanten Kooperationsumfanges. …“

vgl. S. 1

Vgl. dazu die Entwicklung in einem der Kooperationsbereiche von EKHN und EKKW, der Religionspädagogik: Hat die Religionspädagogik in der EKHN und EKKW noch eine Zukunft?

EKBO: Auflösung des Gemeindekirchenrates (Kirchenvorstand/Presbyterium) der Gemeinde Alt-Schöneberg/ Berlin durch die EKBO von Kirchengericht für nicht statthaft befunden

02/2016, von RA Georg Hoffmann, Berlin

Der Gemeindekirchenrat von Alt-Schöneberg wurde auf Wunsch des Kirchenkreises von der Kirchenleitung aufgelöst, um offenbar die bisherigen Gemeindetraditionen ohne Einhaltung demokratischer Verfahren beseitigen zu können. Der Kirchenkreis setzte einen Bevollmächtigtenausschuss ein, der die Gemeindetraditionen nach Beteiligung der Gemeinde durchaus richtig wie folgt beschrieb: „Inhaltlich war die Gemeinde über lange Zeit bestimmt durch die liturgische Tradition der Michaelsbruderschaft, ökumenische Zusammenarbeit (Alt-Katholiken, internationale Gemeinden) und eine Kirchenmusik mit berlinweiter Ausstrahlungskraft.“ In einem vom Bevollmächtigtenausschuss betriebenen Pfarrstellenbesetzungsverfahren entschied sich das Konsistorium aber trotz des zuvor zitierten, den Traditionen entsprechenden Ausschreibungstextes für eine Pfarrerin, die nicht für diese Traditionen steht und sich bereits dicht vor dem Ruhestand befindet, obwohl es einen jüngeren Bewerber gab, der für die Traditionen gestanden hätte. Die besonderen Gottesdiensttraditionen sind inzwischen auch ohne weitere Diskussion beseitigt worden.

Vor der Auflösung des Gemeindekirchenrates hatte sich der Kirchenkreis darum bemüht, die Ältesten zum Rücktritt zu bewegen, um einen Neuanfang nach den Wünschen des Kirchenkreises zu ermöglichen. Da dieses Vorhaben misslang, erfolgte die Auflösung des Gemeindekirchenrates. Gegen diese klagten die verbliebenen Ältesten vor dem Verwaltungsgericht der EKBO. Das Konsistorium ging davon aus, dass eine solche Klage nicht statthaft sein würde.

Im Gerichtstermin am 25. Januar 2016 wies das Kirchengericht aber darauf hin, dass es die Klage für statthaft halte und dass an der Rechtmäßigkeit der Auflösung des Gemeindekirchenrates erhebliche Bedenken bestünden, da nicht erkennbar sei, dass die Kirchenleitung sich des ihr zustehenden Ermessens überhaupt bewusst gewesen war. Wegen des damit einhergehenden Ermessensausfalls wäre der Bescheid aufzuheben. Das Kirchengericht sehe dringenden Bedarf für strukturierte und moderierte Gespräche zwischen den Mitgliedern des Bevollmächtigtenausschusses, dem Kirchenkreis und den Ältesten. Auf Anraten des Gerichts erklärte das Konsistorium, dass es darauf hinwirken werde, dass die Kirchenleitung auf ihrer nächsten Sitzung am 26. Februar 2016 den Auflösungsbescheid aufhebt. Außerdem befürwortete es die vom Kirchengericht für notwendig erachteten Gespräche, womit die Ältesten ebenfalls einverstanden sind.

Dieser Versuch von Landeskirche und Kirchenkreis, nicht stromlinienförmige Besonderheiten einer Kirchengemeinde abzuschaffen, ohne miteinander reden zu müssen und demokratische Verfahren einzuhalten, ist damit zunächst wohl gescheitert.

 

„Schockiert hat mich der Finanzbericht der Kirchenleitung“. Aus dem Präsesblog der EKiR.

22. Januar 2016, von Gerhard Niemeyer

Schockiert hat mich der Finanzbericht der Kirchenleitung, vorgelegt von Herrn OKR Bernd Baucks.
Er sagt nicht mehr und nicht weniger, als dass den Gemeinden in der EKiR weitere Kompetenzen genommen werden sollen und die presbyterial-synodale Ordnung schon in der Vergangenheit schon nicht mehr gegolten hat….

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