Archiv für den Monat: April 2014

TTIP: Regierung kennt US-Dokumente nicht. Hinweise auf Aktionen.

Wirtschaft und Energie/Antwort – 23.04.2014

Berlin: (hib/HLE)    Die Verhandlungen über ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA (TTIP) können möglicherweise im Jahr 2015 abgeschlossen werden. Dies teilt die Bundesregierung in ihrer Antwort (18/1118) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen (18/828) mit. Darin wird eingeräumt, dass die Bundesregierung keinen Zugang zu den von den USA vorgelegten Verhandlungsdokumenten hat: „Die Bundesregierung hat mehrfach darauf hingewiesen, dass dies für eine verantwortungsvolle Begleitung des Verhandlungsprozesses, wie es nach den EU-Verträgen in der Handelspolitik vorgesehen ist, unzureichend ist.“ Zur Quelle.

Aktionen:

Am 25. Mai über TTIP abstimmen: Dazu motivieren Denk-Zettel, die vor der Europawahl an Millionen Türklinken hängen. Verteilen Sie die Türhänger in Ihrer Nachbarschaft – damit der Geheim-Deal der Konzerne keine Chance hat. Bestellen Sie Denkzettel.

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Rückkehr zu G 9 unabdingbar. Von Prof. Dr. Schwägerl

Leserbrief zum Thema Schulbildung in der SZ von Prof. Dr. Schwägerl, Ottobrunn
(SZ vom 5./6.4.2014, S.2 – M. Prenzel: „Das bringt die Qualität sicher nicht voran“)
8. April 2014

Bereits am 20. Mai 2010 hat Prenzel in der SZ geäußert: „… es gibt noch viele Möglichkeiten, Unterrichtsstoff zu konzentrieren, ohne an Qualität zu verlieren. Auch bei den Kernfächern.“
Die Erfahrungen zeigen aber die Unrichtigkeit dieser Meinung. Gerade in den MINT-Disziplinen ist Denken und Arbeiten in Zusammenhängen unerlässlich. Wenn er (als Pädagoge, Psychologe und Soziologe!) annimmt, man könne aus Gründen der Zeitersparnis Elemente herausbrechen und trotzdem das Gesamtgebäude noch stabil halten, widerspricht dies schlicht und einfach der Realität in den „harten Fächern“.
In der Mathematik zeigt sich der durch die Kürzungen entstandene Schaden auf katastrophale Weise; Schüler und Studienanfänger leiden ganz erheblich darunter.

Und dass keine Zeit bleibt, ausreichende Bildungsinhalte in der Biologie zu vermitteln, ist angesichts des Stellenwertes, der der Ökologie aus Überlebensgründen endlich eingeräumt werden muss, ein unerträglicher Skandal.
Hier muss ein anderer Weg eingeschlagen werden. In Wirklichkeit wäre es daher ein Riesenfehler, NICHT zum G9 zurückzukehren.

mit freundlicher Genehmigung des Autors:

Prof. Dr.rer.nat. Dietrich Schwägerl
Feldstr. 6a
D-85521 Ottobrunn

Wie Europa unsere Heimat werden kann. Von Heribert Prantl, SZ

Die meisten Menschen wollen Europa. Aber sie wollen es anders. Europa darf nicht nur Wirtschaftsgemeinschaft sein, nicht nur Nutzgemeinschaft für die Industrie, sondern muss Schutzgemeinschaft werden für die Bürger. Das geht nicht mit Geschwurbel, das geht nur mit handfester sozialer Politik.

An diese Kiste hatte ich schon lang nicht mehr gedacht. Sie stand einst im Zimmer meiner Großmutter – einer resoluten oberpfälzischen Bauersfrau, die 14 Kinder geboren hatte, also einige Kinder mehr, als die Europäische Union in den ersten dreißig Jahren ihrer Existenz Mitgliedsstaaten zählte.

Großmutters wichtigste Erinnerungen waren in dieser Holzkiste verwahrt, auf welcher in Sütterlin-Schrift „Der Krieg“ stand. Darin befanden sich Briefe, die ihre Söhne und Schwiegersöhne von allen Fronten des Zweiten Weltkriegs nach Hause geschrieben hatten…

Zum Artikel des Chefredakteurs der SZ.

Oekumenische Versammlung 2014 von 30. April bis 4. Mai 2014 in Mainz

Eine Oekumenische Versammlung wird für 30. April bis 4. Mai 2014 nach Mainz am Rhein einberufen.

Sie soll den gemeinsamen Weg von Christen, Initiativen und Kirchen für Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung fortsetzen („Konziliarer Prozess“).

Die Unterzeichnenden für die Einladung wollen das Zeugnis von Christen und ihrer Weltverantwortung befördern.

Die Zusammenkunft wird die Ergebnisse der Zehnten Vollversammlung des Oekumenischen Rates der Kirchen aufgreifen.

Die Teilnehmenden können Anstöße für einen siebenjährigen Pilgerweg für Gerechten Frieden und Klimagerechtigkeit geben und Verabredungen bis 2020 treffen.

Die römisch-katholischen Engagierten dabei wollen die Ergebnisse des Reformkonzils Vaticanum II unter Papst Johannes XXIII weiter umsetzen.

Die Initiative kooperiert mit dem Oekumenischen Prozess „Umkehr zum Leben – Den Wandel gestalten“ (http://www.umkehr-zum-leben.de).

Wer die die Einberufung der Oekumenischen Versammlung 2014 unterstützen will, kann auf dieser Website mit unterzeichnen.

Oekumenische Versammlungen haben auf verschiedenen nationalen, europäischen und internationalen Ebenen in den vergangenen 30 Jahren unter anderem stattgefunden in Mainz (1982), Dresden (1988), Stuttgart (1989), Basel (1989), Seoul (1990), Erfurt (1996), Graz (1997) und Sibiu (2007).

Sie wollen Zeichen sein für die gemeinsamen Anliegen nicht nur der Christen, sondern der Menschheitsfamilie auf dem ganzen bewohnten Erdkreis („oikoumene“). Dazu bieten sie Möglichkeiten für gegenseitige Verständigung und Ermutigung. Sie beziehen die Sichtweisen der Anderen, insbesondere der armen Kirchen und Länder des Südens ein. Sie analysieren, orientieren sich an den Leitlinien der biblischen Überlieferung und erarbeiten Handlungsoptionen mit Selbstverpflichtungen sowie Anforderungen an Kirche und Politik.

Der Anstoß zur OeV 2014 stammt von ökumenischen Zusammenschlüssen, v.a. dem Oekumenischen Netz in Deutschland. Projektträger ist die Stiftung Oekumene. Mehr dazu.

Anfang vom Ende von KdF (Kirche der Freiheit)? Thies Gundlach will „nicht der letzte Mohikaner sein, der zu dieser Schrift steht“. Sein Vortragstitel „Als Fusionen noch geholfen haben“

Abschied von „Kirche der Freiheit“ (KdF), dem Impulspapier der EKD?
Trauer um die vergeudete Kraft und Zeit seit 2006?

Der Vizepräsident der EKD Thies Gundlach auf der Tagung der Evangelischen Akademie Berlin zur Bilanz von 10 Jahren EKBO am 1. März 2014:
Er wolle nicht der letzte der Mohikaner sein, der zu dieser Schrift stehe. Seinem Vortrag gab er die Überschrift: „Als Fusionen noch geholfen haben“.

Lesen Sie die Zusammenfassung und Kommentierung des Vortrags von Pfrin. Dr. Katharina Dang auf S. 4 der „Mündigen Gemeinde“.

Empfangend leben. Auf dem Weg zu einem wohltuenden Dienst im Pfarramt. Von Prälat i. R. Dr. Helmut Barié.

„Ruht ein wenig!“ (Mk 6,31) ist das unbekannteste Gebot Jesu. Wer darauf hinweist, blickt in verblüffte Gesichter. Das soll Jesus gesagt haben? Bei uns stehen andere Gebote im Vordergrund. Etwa: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37) Jesu Anweisung an die Apostel: „Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig“ passt nicht zu einer Kirche, die meint, „Aktivitäten“ vorweisen zu müssen. Sie liegt auch quer zur 2006 formulierten Zielvorstellung im Impulspapier des Rates der EKD: „Im Jahre 2030 haben sich bei den kirchlich Mitarbeitenden Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft … signifikant erhöht.“ (Kirche der Freiheit. Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert, S. 63)
„Ruhet ein wenig“ sagt Jesus, weil die Lage seiner Mitarbeiter durch den Satz gekennzeichnet ist: „Sie hatten nicht Zeit genug zum Essen.“ (Mk 6,31) Wie tröstlich, dass Jesus seinen Mitarbeitenden verwehrt, sich selber auszubeuten bis zum „geht nicht mehr“. Er sorgt für ihr leibliches Wohl. Nach hartem Einsatz im Kampf gegen Elend brauchen sie Ruhe. Nach der Anspannung im Gespräch mit Schwermütigen und Verzweifelten brauchen sie Entspannung. (Mk 6,12f) So wird „Kirche der Freiheit“ erlebt! In einer Kirche der Freiheit wird mir durch wohltuende Sätze die Freiheit von Zwängen zugesprochen. Wo wir indessen in der Kirche einander ein schlechtes Gewissen machen, entgleitet uns das Evangelium als befreiende Botschaft.

Wechselseitige Unterhaltung und Tröstung
Das Evangelium kann sich keiner selbst sagen. In den Schmalkaldischen Artikeln (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 4. Aufl. Göttingen 1959, S. 449) wird im Artikel „Vom Evangelio“ zu den vier gängigen Gestalten des Evangeliums (mündliche Predigt der Vergebung der Sünde, Taufe, Abendmahl, Beichte mit Absolution) noch die „wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder“ (unter Verweis auf Mt 18,20) hinzugefügt. Durch den Zuspruch des Evangeliums „auch per mutuum colloquium et consolationem fratrum“ ist unseren Unterhaltungen zwischen Brüdern und Schwestern ein heilsamer Maßstab gesetzt. Weil Gott, wie die Schmalkaldischen Artikel sagen, „reich in seiner Gnade“ ist, kann auch das Gespräch zu einem Mittel des Evangeliums werden.
Habe ich das in meinem Beruf als Pfarrer an mir selber erlebt? Durchaus! Etwa als ich betrübt darüber war, vieles nicht zu können, und mir ein älterer Kollege auf den Kopf zu sagte: „Sie sind begabt genug.“
Etwa als in einer kleinen Runde bei einer Pfarrkonferenz ein Teilnehmer, der schon nahe an der Grenze zum Ruhestand angelangt war, offen von seinem Herzklopfen vor Krankenbesuchen berichtete. Durch seine „Beichte“ hat er die Stimmung in der Runde, die vorher durch Schilderungen der überaus tüchtigen „Ruhmredigen“ geprägt war, auf einen Schlag heilsam verändert.
Ich denke auch an eine Konferenz, bei der jeder, der aus seiner Tätigkeit ein Beispiel für „best practice“ vorstellen wollte, zuerst von etwas berichten musste, was ihm gehörig misslungen war. Es gab bei dieser Vorstellung des Missratenen viele entspannte Gesichter, oft wurde geschmunzelt oder befreiend gelacht.
Evangelische Freiheit erlebe ich, wo mir in einer Unterhaltung mit Brüdern und Schwestern der Druck von der Seele genommen wird. Wo ich nicht mehr möglichst gut, am liebsten sogar perfekt sein muss. Zur erlebten Freiheit im Gespräch gehört, dass mich andere nicht mit der beeindruckenden Streitmacht ihrer „Aktivitäten“ und durch Aufzählung ihrer Arbeitsfülle einschüchtern.

Sünder auch in unseren glänzendsten beruflichen Unternehmungen
Wir Pfarrer und Pfarrerinnen müssten gewiss gemacht werden, dass wir gratis gerechtfertigt werden als Sünder, für die Christus eintritt. Und zwar nicht obwohl, sondern weil wir Sünder sind, – auch und gerade in unseren glänzendsten beruflichen Unternehmungen und besten persönlichen Werken. Wo Vergebung der beruflichen Sünden durch die wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder und Schwestern empfangen und geglaubt wird, da herrscht fröhliches Leben statt trockener Pflichterfüllung. Da ist auch Seligkeit. Wir leben in der heiteren Gewissheit, dass uns nichts mehr im Kern unserer Person schaden kann, weil Gott für uns ist.
Von Gerd Theißen habe ich es in einer Predigt zum Reformationsfest 2013 in Pfinztal-Kleinsteinbach aufgrund von Röm 8,31-39 so gehört: Die „Stimme der Gesellschaft“ sagt: „Du musst besser werden. Jeden Tag wollen Optimierungsprogramme uns noch effektiver und produktiver machen. Sie verbreiten vor allem die Botschaft: Du bist nicht gut genug! Keiner kommt durchs Leben, ohne dass ihm irgendwann aufgeht: Hier bin ich überfordert.“ … Die christliche Taufe „vermittelt die Verheißung: Gott bejaht dein Leben, auch wenn in ihm noch so viel schief läuft. Auch wenn du noch so sehr scheiterst, versagst, schuldig wirst und Fragment bleibst. Wir sind alle auf die Gnade Gottes angewiesen.“

In der Heiligen Schrift auch Quietive entdecken, nicht nur Motive
Durch die wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder und Schwestern, die sich am Evangelium als einem heilsamen Maßstab orientieren, wird mir auch der Mut zum „Lassen“ zugesprochen, („Segne unser Tun und Lassen“, EG 163). Ich bekomme „Mut zur Lücke“. Ich entdecke in der Heiligen Schrift nicht nur Motive, die mich zum Handeln treiben, sondern auch Quietive, die mich zur Ruhe kommen lassen. In meinem Denken werden die Quietive zum Gegengewicht für die Motive. Guten Gewissens, genauer gesagt: getrösteten Gewissens, gebe ich etwas aus der Hand und gebe mich an das reine Empfangen hin. Durch Sabbat halten kommt Freude am unproduktiven Genießen der Werke Gottes in mein Dasein. Charles H. Spurgeon meint: „Ein Tag in der frischen Gebirgsluft, ein paar Stunden im Waldesschatten würde vielen unserer geplagten Pfarrer … die Spinnweben aus dem Gehirn fegen.“ (Helmut Thielicke, Vom geistlichen Reden. Begegnung mit Spurgeon, Stuttgart 2. Aufl. 1962, S. 192)

Zur Freude entschlossen, vergnügt genießen
„Spiritualität ist das, was wir für uns selber tun.“ So hat es eine Pfarrfrau auf den Punkt gebracht, als ich, weit ausholend, zu erklären versuchte, was unter „Spiritualität“ zu verstehen sei. Wir tun dann etwas für uns selber, wenn wir empfangend leben, statt ständig gebend zu leben. Eugen Roth (Ein Mensch. Heitere Verse von Eugen Roth, München 1932, S. 36) hat mir durch sein Gedicht „Die Torte“ die Freiheit zum „vergnügten Genießen“ zugesprochen.
„Ein Mensch kriegt eine schöne Torte.
Drauf stehn in Zuckerguss die Worte:
,Zum heutigen Geburtstag Glück!‘
Der Mensch isst selber nicht ein Stück,
Doch muss er in gewaltigen Keilen
Das Wunderwerk ringsum verteilen.
Das ,Glück‘, das ,heu‘, der ,Tag‘ verschwindet,
Und als er nachts die Torte findet,
Da ist der Text nur mehr ganz kurz.
Er lautet nämlich nur noch: .. ,burts‘ ..
Der Mensch, zur Freude jäh entschlossen,
Hat diesen Rest vergnügt genossen.“

Pfarrer und Pfarrerinnen, welche die Vorstellung im Griff hat, sie müssten stets „ringsum verteilen“, brauchen einen Kollegenkreis, der sie von dieser zwanghaften Idee frei spricht. Dietrich Bonhoeffers viel zitierte Formel „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“ (Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Eberhard Bethge, München 11. Aufl. 1962, S. 261) hat viel Gutes gestiftet. Menschen wurden darin bestärkt, sich für andere einzusetzen und nicht zuerst an sich selbst zu denken. Bonhoeffers Formel hat leider auch seelisches Unheil angerichtet, wenn jemand meinte, er habe nur ein Existenzrecht, wenn er für andere da ist. Dann musste er sich ängstlich den Puls fühlen, ob er sich denn auch wirklich genug für andere eingesetzt habe und einsetze. Wer redlich ist, wird merken, dass es nie so ist, wie es sein sollte. Und wer – um Eugen Roths Gedicht aufzugreifen – seine ganze Geburtstagstorte Stück für Stück an andere verteilt, bleibt am Ende doch enttäuscht zurück. Es sei denn, er entschlösse sich zu Freude und genösse vergnügt sein Teil am Kuchen.
Nach meiner Erfahrung in der Seelsorge an Pfarrerinnen und Pfarrern ist beharrliche Überzeugungsarbeit in der wechselseitigen Unterhaltung nötig, auch tröstlicher Zuspruch von Bibelworten, um auf dem Weg zu einem empfangenden Leben voranzukommen. Wo wir mit materiellen und geistigen Gaben, auch mit Gaben des Glaubens beschenkt werden, dürfen wir zunächst einmal dankbar annehmen.
Der eindrucksvollste Satz, den ich in den letzten drei Jahrzehnten in einer theologischen Zeitschrift gelesen habe, stammt von Hans-Martin Barth: „Nicht im Weggeben, sondern im dankbaren Annehmen liegt das erste Gebot, das sich uns mit Gottes guten Gaben verbindet. Im Neuen Testament steht: ‚Nichts ist verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird.‘ (1. Tim 4,4) Im Danken wird dem Menschen bewusst, was er hat und wer er ist.“ (Verschwenden. Eine theologische Kategorie? Pastoraltheologie 79, 1990, S. 513) Freilich gilt das nicht nur für mein Danken. Auch wenn andere mir danken, wird mir bewusst, was ich habe und wer ich bin.

Thank you Pastor
Bei einer USA-Reise habe ich am Schriftenstand einer Kirche eine Grußkarte entdeckt, mit der Gemeindeglieder ihrem Pfarrer Dank sagen konnten. Auf der Karte war u. a. zu lesen: „Thank you Pastor. Thank you for taking things of Jesus and imparting them in such a loving way. It is truly a joy to have a pastor whose life reflects the blessing of the Lord.“ Dazu wurde auf 1. Thess 3,9 verwiesen.
Etwas Vergleichbares habe ich in Deutschland nie gefunden.
Sagen wenigstens die Kirchenältesten noch Dank? Eine badische Dekanin und ein badischer Dekan haben auf der Dekanekonferenz am 28.01. 2013 vorgetragen: „Die Grundbefindlichkeit vieler Ehrenamtlicher ihren PfarrerInnen gegenüber ist nicht mehr (wie früher) dankbar, sondern kritisch. Es herrscht eine Hermeneutik des Misstrauens und Verdachts vor.“ (Marlene Schwöbel-Hug und Markus Engelhardt, Blitzlichter zur Situation des (Gemeinde-) Pfarrberufs, Badische Pfarrvereinsblätter 9, September 2013, S. 337)
Mancher mag das für überspitzt halten. Es sei ihm gegönnt, wenn er für seinen Teil eine bessere Erfahrung macht. Aber es lohnt sich, über die Beobachtung der Dekanin und des Dekans nachzudenken. Könnte es nicht sein, dass das kirchliche Reden von einer „Kultur der Wertschätzung“ gerade verdeckt, dass es hinten und vorne an Wertschätzung fehlt?
Wo Pfarrer und Pfarrerinnen für die Talente, die sich in ihrem Wirken zeigen, für die Qualität ihrer Arbeit und für die gewinnenden Seiten ihres Wesens wenig Dank von Gemeindegliedern und Vorgesetzten empfangen, wird es umso mehr darauf ankommen, dass das Danken in der wechselseitigen Unterhaltung der Kollegen und Kolleginnen geschieht.
Freilich hat Erhard Domay (Und es lohnt sich doch. Tagebuch eines Pfarrers, Gütersloh 1977, S. 37) eine Dekanatspfarrkonferenz „sterbenslangweilig“ genannt. Seine Bilanz: „Unerträglich, wie selbstverständlich Pfarrer einander jegliche Anerkennung verweigern können, wie ängstlich sie sein können, wenn es um das Zugeständnis von Defiziten geht, wie misstrauisch, wenn ein anderer ein Verständnis vom Glauben hat, das vom eigenen abweicht!“ (S. 38) Diesem Satz wird mancher zustimmen.

Was ist zu tun? Ich sage es in direkter Anrede:
Liebe Brüder und Schwestern, macht euch auf den Weg zu einem wohltuenden Dienst im Pfarramt. Schließt euch zu kleinen Gruppen zusammen, die sich im Sinne des Abschnitts „Vom Evangelio“ der Schmalkaldischen Artikel wechselseitig unterreden. Worum soll es dabei gehen? Was kann man dabei empfangen? Mit fünf Kollegen habe ich über Jahre hinweg eine Wohltat empfangen, die den anderen und mir geholfen hat, im Gemeindepfarramt wohltuend zu dienen. Wir hatten uns bei einem Pfarrkolleg gefunden, trafen uns fortan aus sechs verschiedenen Kirchenbezirken reihum in unseren Gemeinden für einen Tag des Austauschs und wechselseitigen Trostes und nahmen dafür bis zu 200 Kilometer Anreise in Kauf. Das Geheimnis der wohltuenden Unterredung und der wechselseitigen Tröstung lässt sich durch folgende Stichworte charakterisieren:

Redlichkeit im Austausch, Verzicht auf Prahlerei
Dankbares Benennen und Anerkennen der Talente des anderen, auch seiner anderen Frömmigkeit. Was der Kollege kann, brauche ich nicht unbedingt auch zu können. Froh sein über das, was dem Kollegen gelingt. Teilnehmen an seinem beruflichen Leid und seinen Niederlagen. Sich wechselseitig zu den unscheinbaren Diensten ermutigen, von denen nichts in der Zeitung oder auf der Homepage präsentiert werden kann. Defizite eingestehen. Frei werden von der Rechtfertigung durch berufliche Werke. Anregungen empfangen für die persönliche Fürbitte zugunsten von Kollegen, auch für den Dank für deren besondere Art. Auf berufliche Situationen den Grundsatz aus der Jugendzeit der Reformation praktisch anwenden: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ (Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen. Ausgewählte Schriften, hg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Erster Band, Frankfurt am Main 1982, S. 239)
Und wenn sich einer sein Berufsleben zu sehr von Luthers unmittelbar anschließender These „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“ dominieren ließ, war mit ihm die Liebe zu buchstabieren: „Liebe aber, die ist dienstbar und untertan dem, das sie lieb hat.“ (ebd.) Liebe braucht keine Anordnungen von oben; Zielvereinbarungen sind ihr fremd. Pfarrern und Pfarrerinnen ist ein freier Beruf anvertraut. Freilich muss die Freiheit durch uns selber gelebt und entschlossen verteidigt werden.

aus: Pastoralblätter – Predigt – Gottesdienst – Seelsorge: Die Praxis, 2014/04, Kreuz Verlag Freiburg, S. 318 ff

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Prälat i. R. Dr. Helmut Barié, 76275 Ettlingen, Heinrich-Magnani-Str. 10, helmut.barie@gmx.de

Auf den Pfarrer kommt es an. Von Reinhard Bingener, FAZ

18.04.2014  ·  Von Reinhard Bingener

Das Gericht ohne Richter wird vermutlich ebenso ein Hirngespinst bleiben wie das Krankenhaus ohne Arzt. Bei der Kirchengemeinde ohne Pfarrer ist man dem Paradox schon einige Schritte näher gekommen: Gemeinden, die zusammengelegt werden, und solche, die über lange Zeit ohne Pfarrer auskommen müssen; Kirchenmitglieder, die den Namen des für sie zuständigen Pfarrers nicht kennen, und Gemeindeämter, die telefonisch nur an Dienstagen von neun bis elf erreichbar sind. Der Befund gilt für beide großen Kirchen. Überspitzt gesagt: Mit dem Verzicht auf einen besonderen Priesterstand ist in der evangelischen Konfession in der Theorie kühn vorweggenommen, was die katholische Kirche hierzulande in Ermangelung von Nachwuchs inzwischen an vielen Orten praktiziert.
Zum Artikel der FAZ.

 

ELK Hannover: Vertane Chance… Wertschätzung sieht anders aus. Ein Kommentar von Anneus Buisman und Andreas Dreyer.

Kommentar zur halbherzigen Wiederherstellung des A-14 Gehalts für PfarrerInnen

9. April 2014 Buisman/Dreyer
Ganz klar eine Chance vertan, verspieltes Vertrauen wiederzugewinnen und ein Signal der Wertschätzung an ihre Pfarrerschaft auszusenden,  hat die Konföderation mit ihrer halbherzigen, späten und durch quälend lange Diskussionen geprägten Wiederherstellung des A14-Pfarrgehalts für PastorInnen, die nun zum 1.1.2015 (warum nicht früher?) kommen wird, und auch dies erst ab dem 53. Lebensjahr. Früher, bis 1996 wurde schließlich mit Vollendung des 39. Lebensjahres durchgestuft. Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Wer diesen äußerst bescheidenen Minimalkonsens jetzt noch als Erfolg hinstellen will, dem kann man nur sagen: er hat die Stimmungslage der Pfarrerschaft, die nicht nur die damalige Kürzung, sondern auch all diese Diskussionen jetzt als Kränkung an ihrer Arbeitsleistung und ihrer Wertschätzung empfinden musste, nicht erkannt… Zum Kommentar.