Archiv für den Monat: Mai 2014

65 Jahre Grundgesetz. Kermani-Rede und Video mit Heribert Prantl zu „Neuen Bedrohungen für die Grundrechte“

1. Rede von Dr. Navid Kermani zur Feierstunde „65 Jahre Grundgesetz“ im Bundestag

Sehr geehrte Herren Präsidenten! Frau Bundeskanzlerin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Exzellenzen! Liebe Gäste!

Das Paradox gehört nicht zu den üblichen Ausdrucksmitteln juristischer Texte, die schließlich größtmögliche Klarheit anstreben. Einem Paradox ist notwendig der Rätselcharakter zu eigen, ja, es hat dort seinen Platz, wo Eindeutigkeit zur Lüge geriete. Deshalb ist es eines der gängigsten Mittel der Poesie.

Und doch beginnt ausgerechnet das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mit einem Paradox. Denn wäre die Würde des Menschen unantastbar, wie es im ersten Satz heißt, müsste der Staat sie nicht achten und schon gar nicht schützen, wie es der zweite Satz verlangt. Die Würde existierte unabhängig und unberührt von jedweder Gewalt. Mit einem einfachen, auf Anhieb kaum merklichen Paradox ‑ die Würde ist unantastbar und bedarf dennoch des Schutzes ‑ kehrt das Grundgesetz die Prämisse der vorherigen deutschen Verfassungen ins Gegenteil um und erklärt den Staat statt zum Telos nunmehr zum Diener der Menschen, und zwar grundsätzlich aller Menschen, der Menschlichkeit im emphatischen Sinn. Sprachlich ist das ‑ man mag es nicht als brillant bezeichnen, weil man damit einen eminent normativen Text ästhetisierte – es ist vollkommen, nichts anderes. Das Protokoll des Vortrags anläßlich der Feiersstunde im Bundestag.

Heribert Prantl: „Neue Bedrohungen für die Grundrechte“. Eine Analyse im Video.

Damals nur als Übergangslösung gedacht, wird das Grundgesetz nun 65 Jahre alt. Sind die Ziele der Gründerväter aufgegangen? Und ist die Wirksamkeit der Grundrechte durch die NSA-Spionagetechniken bedroht?  Zum Video.

 

Überflüssig. Kommentar zur Rede von Bundespräsident Gauck beim Zukunftsforum der EKD in Wuppertal.

von Siegfried Sunnus

Was für eine Chance – der Bundespräsident spricht auf dem Zukunftsforum der EKD am 15.Mai 2014 in Wuppertal! Versammelt sind die Verantwortlichen der Mittleren Ebene – und zu hören bekommen sie eine präsidiale Rede, die Richtigkeiten ausdrückt, aber den Ruf von Barmen in die Geschichte abschiebt. An einer Stelle wird er persönlich: „Als ich noch Pastor war, musste ich mir gelegentlich klar machen, dass auch die Kirche zur gefallenen Welt gehört.“ Das hätte er ausbauen können, stattdessen sagt er: „Ihnen allen ist das gelegentlich sicher auch schon einmal schmerzhaft bewusst geworden“ – da ließe es sich konkreter werden. Aber er fügt den rätselhaften Satz an: „Das kann natürlich auch tröstlich sein.“ Ich finde, dass dies kein Anlaß zu Trost sondern zum Schmerz ist!
So wie er auch die „junge Kirche“ beschreibt, die „einst in der alt gewordenen römischen Welt wuchs und gedieh und überzeugte: als moralische und spirituelle Avantgarde, als eine frische, eigensinnige, vor allem aber als eine von ihrer Aufgabe zutiefst überzeugte Gemeinschaft“ – das lädt ja ein zum Aufspüren des großen qualitativen Unterschied. Aber er sagt nur: „Solchen Geist wünsche ich mir – von Ihnen, von uns, von den Kirchen in diesem Land.“ Was diesen Geist abbremst, könnte doch wenigstens angedeutet werden!
Berührt hat mich die Erwähnung von Johannes Rau zum Abschluß seiner Rede – er zitiert „seine ständige Ermahnung: ‚Tun, was man sagt, und sagen, was man tut‘“ – und erinnert an das Bibelwort, das auf seinem Grabstein steht: „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“ – damit hatte ja die Magd den Petrus denunziert… Und das ist der Schmerz über eine Kirche, die so oft ihren Herrn verleugnet!
Diese Enttäuschung über die Rede liegt wohl an der Entfremdung, die beim Bundespräsidenten im Verhältnis zur offiziellen Kirche zu spüren ist – er hat sich schon entfernt von der Auseinandersetzung, die mit der „Kirche der Freiheit“ aufgebrochen ist. Der Umbau der landeskirchlichen Organisationen zu Gunsten der „Mittleren Ebene“ und zu Lasten der Gemeindeautonomie: das wäre ein präsidiales Statement wert gewesen im Namen seiner von ihm so oft beschworenen Freiheit!

„Wir sind Kirche“- Vorsitzende exkommuniziert: „Mit zweierlei Maß gemessen…“

Die katholische Laienbewegung „Wir sind Kirche“ setzt sich für Reformen ein. Die österreichische Vorsitzende wurde jetzt mit der größtmöglichen Strafe belegt und exkommuniziert. Sie hat privat Gottesdienste gefeiert – ohne einen Priester.

Es ist die schärfste Strafe, die über Katholiken verhängt werden kann: die Exkommunikation. Wer damit belegt wird, darf nicht nur keine kirchlichen Ämter mehr ausüben – sondern auch keine Sakramente mehr empfangen. Vom Empfang der Hostien im Gottesdienst sind derart Verstoßene ebenso ausgeschlossen wie von der Beichte oder der Krankensalbung. Getroffen hat diese Strafe nun Martha Heizer, die österreichische Vorsitzende der Basisbewegung „Wir sind Kirche“…  Zum Bericht der SZ.

Zweierlei Maß – Stellungnahme zur Exkommunikation von den Betroffenen, Martha u. Gert Heizer

22.05.2014, Elmar Fuchs

…Durch den „Versuch, unerlaubt Eucharistie zu feiern“ fallen wir unter die „drei schweren Vergehen“, die sofort dem Vatikan gemeldet werden müssen. Dazu gehören auch die Verletzung des Beichtgeheimnisses und der sexuelle Missbrauch. Es entsetzt uns ungemein, dass wir uns in der gleichen Kategorie wie priesterliche Missbrauchstäter wieder finden. Besonders erbittert es uns, dass wir von keinem einzigen Missbrauchstäter wissen, der exkommuniziert worden wäre. Es wird also mit unterschiedlichem Maß gemessen…
Der vollständige Text.

 

 

 

 

„Die Opfer sind die eigentlichen Experten“ – Vereine von Opfern im Netz.

Zweiter Anlauf zur  Missbrauchsaufklärung in der kathol. Kirche:

24. März 2014:  „Die Opfer sind die eigentlichen Experten“,

sagt Professor Harald Dreßing. Deshalb sollten ihre Geschichten gehört werden. Deshalb sollten sie im Beirat mitarbeiten, bei der Entwicklung der Forschungsinstrumente und erst recht später bei der Interpretation dessen, was in der katholischen Kirche geschah: warum Kinder und Jugendliche Opfer von sexueller Gewalt wurden, warum die Täter geschützt, warum Priester und Ordensleute zu Tätern wurden und was die Taten bis heute für die Opfer bedeuten.“ Zum Artikel von Mathias Drobinski über den 2. Anlauf einer Studie zum Missbrauch in der kathol. Kirche.

Internetseite des Ettaler Vereins von Missbrauchsopern:
„Wir sind ein Zusammenschluss von Altettalern, die in Ettal waren und sowohl die guten als auch Schattenseiten des Internates und der Schule kennengelernt haben. Dies betrifft sowohl sexuellen Missbrauch als auch physische und psychische Gewalt.

Wir haben uns seit Offenlegung des Missbrauchs im Februar 2010 an die Verantwortlichen des Klosters gewandt mit der Bitte um Wiedergutmachung und Aufarbeitung. Wir haben uns im Verein Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer organisiert und wollen zeitnah mit dem Kloster die Aufarbeitung umsetzen.

Mit unserem Newsletter möchten wir Sie regelmäßig über die Fortschritte informieren
[In Newsletter eintragen].  Zur Seite.

Seite des Vereins der Ehemaligen der Redemptoristen– Internate in Bonn, Bous und Glanerbrück:

Menschen, die sich aus unterschiedlichen Gründen den Redemptoristen nahe fühlten und Ehemalige der Redemptoristen– Internate in Bonn, Bous und Glanerbrück haben sich in einem Verein zusammengeschlossen. Sie sind zufällig oder weil sie die gleiche Schule besucht haben, über ein ähnliches Schicksal miteinander verbunden: ihnen wurde physisch oder psychisch Gewalt angetan, meist sexuell geprägte Gewalt. Zur Seite des Vereins.

‚Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen‘ – Das Problem von Prognosen bei komplexen Systemen. Von Wolfgang J. Koschnick.

Eine gründliche und solide Analyse zur Problematik von (Langfrist-) Prognosen bei komplexen Systemen, die auf das komplexe System Kirche übertragbar ist.

21. Mai 2014.

Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen und das ist auch ganz gut so. Eine sehr gute Zusammenfassung des Problems von Prognosen.

„Hellseher, Wahrsager, Kaffeesatzleser, Spökenkieker, Astrologen und Ökonomen haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Prognosen gehen meist in die Hose. Und wenn sie das ausnahmsweise einmal nicht tun, ist das reiner Zufall…“

Das hat Gründe:

„… Komplexe Systeme haben einige Charakteristika, die sie deutlich von anderen unterscheiden – auch von bloß komplizierten Systemen:

Sie sind agentenbasiert: Sie bestehen aus einzelnen Teilen (Agenten), die miteinander in Wechselwirkung stehen (Menschen, Konsumenten, etc.) und jeder für sich agieren.
Sie sind nichtlinear: In komplexen Systemen besteht eine große Empfindlichkeit für kleine Abweichungen in den Startbedingungen. Geringfügig veränderte Anfangsbedingungen können im langfristigen Verlauf zu völlig anderen Entwicklungen bei verschiedenen Systemen führen. Veranschaulicht wird das am Beispiel des „Schmetterlingseffekts“ und der Annahme, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann. Die Wirkzusammenhänge der Systemkomponenten sind im Allgemeinen nichtlinear.
Sie haben emergente Eigenschaften: Infolge des Zusammenspiels seiner Elemente bilden sich spontan neue Eigenschaften oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems heraus. Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf isolierte Eigenschaften seiner Elemente zurückführen. Sie lassen sich auch nicht aus der isolierten Analyse des Verhaltens einzelner Systemkomponenten erklären. Sie sind Systemeigenschaften.
Ihre Komponenten interagieren: Komplexe Systeme bestehen aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten, die auf vielfältige Weise miteinander interagieren. Die Wechselwirkungen zwischen den Systemkomponenten sind lokal, ihre Auswirkungen in der Regel global. Ein komplexes System ist daher ein System mit multiplen Interaktionskomponenten, dessen Verhalten nicht vom Verhalten der Komponenten hergeleitet werden kann…“

… Fehlprognosen als Regelerscheinung
Deshalb ist der Prognose-Kalauer „Prognosen treffen nur ein, wenn die Leute sich auch bedingungslos an die Prognose halten“ von doppeltem Wert: Als Kalauer ist er lustig und als Beschreibung der Wirklichkeit trifft er den Nagel auf den Kopf. Die Modellrechnungen, die einer Prognose zu Grunde liegen, können die wahre Komplexität der Wirklichkeit nicht annähernd beschreiben. Und daher sind ihre Parameter nur vorsichtige Näherungen. Wenn sie sich anders als in der Rechnung vorgesehen ändern, wird die Prognose falsch. Und wenn sie sich stark ändern, kann sich gar die Richtung der Prognose ändern. Aus prognostiziertem Wachstum wird dann Niedergang.“ Die vollständige Analyse.

 

Mangel an Pfarrpersonen bei den Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn

4.12.13

In den nächsten Jahren zeichnet sich ein Mangel an Pfarrpersonen ab. Die Reformierten Kirchen Bern-Jura-Solothurn wollen mit einem einmaligen Sonderkurs für die Ausbildung von Akademikerinnen und Akademikern für Abhilfe sorgen und damit in der Zukunft für genügend Pfarrpersonen in den Kirchgemeinden sorgen. Die Synode bewilligte daher einen Verpflichtungskredit von 3 Mio. Franken, welcher dem Hilfsfonds zu entnehmen ist; der grosse Teil davon ist für Stipendien vorgesehen. Zur Quelle.

Aufgespießt: Klage über zunehmenden Zentralismus und Alleinvertretungsanspruch der EKD

Einheit und Differenzpflege.

erschienen in: Ev. Theol. 1/2014, S. 77 bis 79 von Prof. Bernd Oberdorfer

Daraus zum Thema:
„…Umgekehrt hört man – freilich eher in Hintergrundgesprächen als öffentlich – häufig heftige Kritik an der EKD. Diese trete den Landeskirchen mit immer massiverem Zentralismus und Alleinvertretungsanspruch gegenüber und ziehe immer mehr Aufgaben und Kompetenzen an sich…
Unbestreitbar ist die EKD wichtig für den deutschen Protestantismus. Sie wird aber durch zunehmende Zentralisierung… nicht gestärkt, sondern geschwächt…“

Zum Autor: Prof. Dr. Bernd Oberdorfer, seit 2001 Inhaber des Lehrstuhls für Evangelische
Theologie mit Schwerpunkt Systematische Theologie und theologische Gegenwarts-
fragen an der Universität Augsburg.

Kurz informiert: Corinna Hektor neue Vorsitzende des Pfarrvereins in Bayern

Das Sonntagsblatt berichtet: „Die 46-Jährige wurde in Rothenburg ob der Tauber bei der Frühjahrstagung des Vereins gewählt. Sie setzte sich gegen Hermann Ruthmann durch und erhielt 40 von 66 abgegebenen Stimmen…

Hektor betonte…, dass die große Herausforderung für den Verein sei, dem bereits einsetzenden Pfarrermangel in der bayerischen evangelischen Landeskirche entgegenzuwirken. Ab 2020 verschärfe sich die Situation, wenn 1000 Pfarrer in den Ruhestand gingen…“

Protestant. Kirche Pfalz: Mit 113,5 Millionen Euro Rekord bei Kirchensteuereinnahmen.

Derzeit sei die finanzielle Situation der Landeskirche erfreulich, sagte Oberkirchenrätin Karin Kessel. Mit 113,5 Millionen Euro habe die Landeskirche so viel Kirchensteuer eingenommen wie noch nie. 2014 rechne sie mit einem nur geringfügig schlechteren Ergebnis. Auch der im November zu beschließende Doppelhaushalt für 2015 und 2016 könne ausgeglichen werden. Dennoch müssten in der mittelfristigen Finanzplanung bis 2020 die Sparbemühungen fortgesetzt werden. Wegen steigender Personalkosten und sinkender Einnahmen sei für 2020 ein Fehlbetrag von drei Millionen Euro zu erwarten.
Zur Quelle.

Kommentar: da Pfarr-Personal abgebaut wird, fragt sich wie so die Personalkosten steigen werden? Weil (etwa infolge der Doppik) mehr Verwaltungskräfte eingestellt werden müssen? Weil keine oder nicht ausreichend Rücklagen für Pensionen gebildet wurden? Fragen, die die Synodalen hätten stellen müssen. F.S.

Die Kölner Kircheninitiative veröffentlicht das Ergebnis ihrer Befragung des Kirchenvolkes zum zukünftigen Kölner Erzbischof

im April 2014: Der neue Kölner Erzbischof: Fähigkeit zum Dialog auf Augenhöhe

Die Kölner Kircheninitiative veröffentlicht das Ergebnis ihrer Befragung des Kirchenvolkes

KKI-Befragungsergebnis GrafikDie Kölner Kircheninitiative (KKI), die sich für eine größere Mitbestimmung des Kirchenvolkes bei der Wahl des Erzbischofs einsetzt, hat am 14. März 2014 die Ergebnisse ihrer Befragung der Kölner Katholiken veröffentlicht. Ausdrücklich jeder Katholik des Erzbistums Köln war aufgefordert, den von der KKI entwickelten Fragebogen auszufüllen und der KKI zur Auswertung zu Verfügung zu stellen. 901 Teilnehmer äußerten ihre Vorstellungen zu den wichtigsten Eigenschaften des zukünftigen Erzbischofs und zu den vorrangig von ihm zu erledigenden Aufgaben. Mehr dazu.