Archiv für den Monat: Februar 2014

Demograhie als Angstmacher

Immer wieder werden soziale Einschnitte mit dem demographischen Wandel begründet. Doch der Statisktikexperte Gerd Bosbach entfaltet ein ganz anderes Bild zur demographischen Entwicklung. Der TAZ erzählt er, dass diese Entwicklung schon seit mehr als einhundert Jahren anhält. Faktisch wurde aber trotz einer Überalterung unserer Gesellschaft der Sozialstaat ausgebaut, die Arbeitszeit verringert und der allgemeine Wohlstand hat sich vergrößert.

Langfristige Prognosen entsprechen selten der tatsächlichen Entwicklung. Viele Ereignisse haben einen Einfluss, können aber kaum vorhergesehen werden: „Aber gucken wir mal auf die Zeitspanne von 1960 bis 2010. Niemand wäre darauf gekommen, was alles kam: Bau der Mauer, Antibabypille, die Gastarbeiter, der Trend zur Kleinfamilie, der erste PC und die Entwicklung von Internet und Mobiltelefon, dazwischen dann – auch undenkbar – die Auflösung des Ostblocks, das Ende der DDR, der Zerfall der Sowjetunion, drei Millionen Aussiedler, der Jugoslawienkrieg … um einige der wichtigen Ereignisse zu nennen, die man allesamt vollkommen übersehen hätte bei einer Vorausberechnung. Hier lässt sich deutlich erkennen, was 50 Jahre für Quantensprünge in der Entwicklung sind und was das für die Veränderung der Parameter bedeutet. „

Interesse an der Meinungsmache mit der Demographie haben vor allem die Arbeitgeber. Der Ausstieg aus der paritätischen Rentenversicherung brachte ihnen Fünf Milliarden Euro. Für die Finanzindustrie wurde auf einen Schlag ein gigantisches Vermögen zur Spekulation geschaffen. Schließlich sieht Bosbach aber auch die Politiker in als Profiteure der Demographielüge: „Die Demografie ist eine Zauberformel zur Durchsetzung von rücksichtslosen Einschnitten ins Sozialsystem, ein Deckmantel für die Politik. „

Für die Kirche empfiehlt es sich daher die langfristigen Prognosen zur Mitgliederentwicklung und Kirchensteuereinnahmen mit extremer Vorsicht zu genießen. Sie können kaum zutreffender als die demographischen Prognosen sein. Auch hier stellt sie die Frage welche Interessen hinter den Vorhersagen stehen.

Lesen Sie hier in der TAZ: Demographie als Angstmacher.

Griechenland: Lügen nach Zahlen

In Griechenland leidet der Großteil der Bevölkerung unter den Sparmaßnahmen und dem damit verbundenen Einbruch der Wirtschaft. Haushalte können sich nur stundenweise Strom leisten oder verfeuern ihre Möbel um um Winter zu heizten.

Dennoch wartet die Bild-Zeitung mit der Schlagzeile auf, das die griechischen Haushalte über mehr Vermögen verfügen, als die deutschen. Dies gelingt nur durch eine selektive Nutzung der Statistik.

Michalis Pantelouris zeigt auf, wie die Manipulation funktioniert. Es ist ein gutes Beispiel dafür, wie scheinbar neutrale Zahlen zur Agitation verwendet werden.

Inklusion in der Einrichtung. Geht das?

von Prof. Dr. Bernd Halfar, Katholische Universität Eichstätt-Ingolstadt

Das ist eine Zusammen-Fassung des Vortrages:
Strategien der Leistungsträger im Zeitalter der Inklusion

Alle reden von Inklusion. Inklusion ist ein Wort.
Aber: Worte alleine machen das Leben der Menschen nicht besser.
Worte führen zu Tagungen, zu Büchern, zu Fortbildungen.
Was steht bei der Inklusion im Mittel-Punkt?
Ist es wirklich die Lebens-Qualität der behinderten Menschen?

Die Präsentation als pdf.

Kritische Berichterstattung zu den olympsichen Spielen auch bei uns unerwünscht

Die öffentlichen Sender haben durchaus einige kritische Sendungen über die Schattenseiten der olympischen Spiele gedreht. In ihrem Sendeprofil will die ARD auch über die Themen: „Missachtung der Rechte von Minderheiten, die mögliche Überwachung von Athleten, Umweltskandale, Kostenexplosion und Gigantismus, Korruption, Doping „ berichten. Doch die entsprechenden Informationen werden sorgsam vor den Spielen im Programm versteckt. Sie werden entweder zu Arte abgeschoben oder tief in der Nacht gesendet.

Ein Sendeplatz während der Spiele wo ihn die Menschen wahrnehmen würde vielleicht auch für zu viele Fragen sorgen. Noch mehr Zuschauer könnten sich fragen ob es erwünscht ist diese massive Menschenrechtsverletzung mit hunderten Millionen Euro aus einer Zwangsabgabe zu finanzieren. So viel Kontroverses will man einem Zuschauer nicht zumuten. Also sendet man lieber ein unkritisches Fahnenschwenkprogramm.

Auch das Internationale olympische Komitee versucht eine kritische Berichterstattung zu unterdrücken. Da sie alle Rechte an den Filmaufnahmen im Zusammenhang an den olympischen Spielen besitzen, werden kritischen Filmemachern einfach keine Rechte eingeräumt. So muss die Arte-Dokumentation Putins Spiele ohne Bilder der Wettkampfstätten auskommen. Auch der Name olympische Spiele darf nicht im Titel erwähnt werden.

Wer braucht schon eine Zensur, wenn die Medien sie im vorauseilendem Gehorsam selber einführen.

Kritik windiger Rentenprognosen und Familienrechnungen

Verantwortlich: Wolfgang Lieb
Die Bertelsmann-Stiftung behauptete letzte Woche in einer Studie, Familien würden vom gegenwärtigen Rentensystem „benachteiligt“. Kinder finanzierten in ihrem späteren Erwerbsleben mit ihren Einzahlungen in die Rentenkasse nicht nur die Altersversorgung ihrer eigenen Eltern, sondern auch die der Kinderlosen aus ihrer Elterngeneration.
Am gleichen Tag klagten der Direktor das arbeitgeberfinanzierten Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) und ihm folgend natürlich die CDU-Mittelstandsvereinigung, der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) und der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) darüber, dass die Rentenpläne der Koalition von 2014 bis 2020 Mehrausgaben von über 60 Milliarden € verursachen würden. Der Chef des BDI, Ulrich Grillo, schimpfte über den „Ausbau sozialer Wohltaten“ und sprach vom „Betrug am Bürger“.
Gewagte Rechnungen, die eine Menge Fragen aufwerfen, meint Jens Jürgen Korff [*]. Dazu mehr.

[«*] Jens Jürgen Korff ist zusammen mit Gerd Bosbach Autor des Buches Lügen mit Zahlen

Zusammen weniger allein contra: unter sich, geistig arm

Harald Welzers aktuelle Flaschenpost berichtet darüber, welche Rückschlüsse man aus aktuellem Baugeschehen auf den Menschen unserer Zeit  ziehen kann:

Ganz neu antwortet auf den Betonwahnsinn der Berliner Open-Source-Architekt Le Van Bo. Sein Unreal Estate House sind sechs Quadratmeter, die von eigenen vier Wänden umhüllt sind und dem Bewohner nicht gehören. [4] Genauso wenig wie der Boden, auf dem die Hütte steht. Die Miete wird gezahlt an die Nachbarschaft, von der Architektur – die offeriert Ofenwärme und Tauschregale, eine Theaterbühne und Filmprojektionsfläche für alle: Zusammen ist man weniger allein.

Für die kleinen Leute mag die Versiegelung von schnödem Boden Thema genug sein, die wirklich Großen sind schon wieder einen Schritt weiter: Die Imperialisten aus der Informationsindustrie zieht es aufs Meer, wo sie für so etwa 200 Leutchen gleicher Gesinnung künstliche Inseln und eigene Gesellschaftsformen aufschütten. Demokratie mit ihren hinderlichen Mehrheiten und antiquierten Freiheitsidealen kann ja auf dem Festland weiter simuliert werden. [5] Die Silicon-Valley-Weltelite betrachtet die Welt, von der sie glaubt, sie gehöre ihnen eh schon, aus der Ferne, wie dereinst Kapitän Nemo. Ist übrigens bei Jules Verne nicht optimal ausgegangen; was wir diesen Riesenkraken neuen Typs nun auch von Herzen wünschen. Dazu der Bericht aus der SZ.

Land Grabbing in Sierra Leone – Widerstand gegen den Neokolonialismus

Verantwortlich: Jens Berger

In den letzten vier Jahren wurden in Sierra Leone Verträge abgeschlossen, die Konzernen und Finanzinvestoren aus Europa und Asien zusichern, die Hälfte der landwirtschaftlichen Nutzfläche des Landes über Jahrzehnte hinweg zu pachten. Während die Investoren sich bereits auf zweistellige Renditen freuen, steht die Bevölkerung des bürgerkriegsgeplagten Landes vor einer düstern Zukunft. Auf Einladung der Welthungerhilfe konnte ich mir einen Überblick vor Ort verschaffen und Stimmen der Betroffenen einfangen. Zum Video.

„Humor ist, wenn man trotzdem lacht…..“

„Herr Parrer, esse se nur! De Rest krieh’n eh die Säu!“ Solche Sprüche bekam ich als Pfarrer beim Geburtstagsbesuch schon mal zu hören. Ich hatte meinen Spass daran. Es nahm dem Besuch des „Herrn Pfarrers“ viel von der Schwere, die solche „hohen Besuche“ manchmal haben können. Der Lieblingspapst von uns Protestanten, Johannes XXIII., soll zu sich selbst gesagt haben: „Giovanni, nimm dich nicht so wichtig“. Wir Kirchenleute wollen den Menschen um Gottes Willen nahe sein und da ist es gut, dass wir den sakralen Ernst da lassen, wo er hin gehört: In einen besonders feierlichen Gottesdienst zum Beispiel, aber wir sollten ihn nicht immer und überall vor uns her tragen. Dann kommen wir zwar zu den Leuten ins Haus, aber nicht wirklich bei den Menschen und ihrem Leben an.

Natürlich ist das Leben nicht immer nur lustig. Je älter man wird, um so öfter hat man erlebt, dass uns das Lachen im Halse stecken bleibt, nicht wenige finden in ihrem Alltag kaum noch einen Grund, sich von Herzen zu freuen. Immer wieder mal kommen Menschen nach unseren Auftritten mit dem Pfarrerkabarett und bedanken sich mit Worten wie: „Soviel wie heute habe ich schon lange nicht mehr gelacht.“ Einerseits freut mich natürlich das Lob, andererseits erschrecke ich auch ein bisschen. Eigentlich schade oder bedenklich, dass diese Leute erst zu professionellen Spassmachern gehen müssen, um lachen zu können. Freude nur, wenn vorher Eintrittsgeld bezahlt worden ist? Da hat „der Ernst des Lebens“ anscheinend zu große Macht über das Leben der Menschen gewonnen. Wie es scheint, sind wir Protestanten vor allem Spezialisten für die problembeladenen Seiten des Lebens: Unsere Gottesdienste und Versammlungen sind meistens nachdenklich-ernste Veranstaltungen. Häufiger ist da der Grundton schwer und getragen, man hört mehr Klage als Lachen.
Humor ist laut Duden die „Gabe eines Menschen, die Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags in heiterer Gelassenheit zu begegnen.“ Klingt doch ganz nach einem Gottesgeschenk, wenn wir diese Gabe besitzen würden, oder? Das Wort „Humor“ stammt aus dem Lateinischen und bedeutet: „Feuchtigkeit“. Humorlose Menschen sind trocken. Und eine Kritik an unserer Konfession. die mich mit am meisten schmerzt ist die, dass viele Menschen uns Protestanten als „trocken“ erleben…  so Pfr. Hans Greifenstein vom 1. Babenhäuser Pfarrer(!)kabarett  auf der Homepage seiner Kirchengemeinde.

und hier noch ein paar links zu humor-seiten von Pfr. Greifenstein:

http://www.matthias-jung.de/Humor%20I.html

http://www.iwwersedser.de/

http://www.zelczak.com/hesselba.htm

http://www.gavagai.de/humor/HHP23.htm

http://www.kirchenkabarett.info

Kirche wird sich neu aufstellen müssen – von Gerhard Engelsberger

Die Kirche wird sich neu aufstellen müssen.

Mir ist das nicht erst, aber besonders deutlich in den „Eklats“ um den Limburger Bischof Tebartz-van Elst im Oktober des vergangenen Jahres bewusst geworden.
Was war geschehen: Ein neuer, eher bescheidener und für die Armen parteiischer Papst wurde gewählt und nahm den Namen des Poverello an. „Benedetto“ war plötzlich kein Thema mehr in den Medien, der „Poverello“ wohl. Jubel über den Papst der Armen. Entsprechende Bilder, freundliches Abnicken. Dann gab es in Deutschland Wahlen, deren man in den Medien schnell überdrüssig wurde.
Vor der italienischen Insel Lampedusa gab es kurz hintereinander verheerende Unglücke auf Flüchtlingsbooten mit Hunderten von Toten (und mit peinlicher Reaktion der EU). Die Meldungen darüber wurden getoppt durch die eidesstattlichen Lügen eines zweitrangigen katholischen Bischofs, der sowohl beim Wohnen wie beim Fliegen und dann auch noch beim Beten erstklassig sein wollte.
Schnell entdeckten Moderatoren und Kommentatoren biblische Sätze – als ob sie sich bis dato um die Bibel geschert hätten -, stellten Sender Talk-Runden zusammen, in denen alle Rollen längst festgelegt waren und der Aufprall der einen auf die andere gewollt war.
Schließlich gab es mehrere Sendungen (Phönix, 3Sat, Panorama – also Sender und Formate, die ich selbst favorisiere), die „Kirche und Geld“ zum Thema hatten. Die Kirche kam gewollt schlecht weg: Kindergärten und Altenheime, Krankenhäuser – ja die gesamte Diakonie sei – so unisono aus den öffentlich-rechtlichen Kanälen – nicht aus Kirchensteuermitteln oder Spenden finanziert, sondern aus dem üblichen Steuersäckel, in das ja auch Ausgetretene, Muslime, bekennende Atheisten etc. einzahlten. Die Kirchen hatten dort aber das alleinige Sagen.
Ingrid Matthäus-Maier und andere forderten ein Überdenken bzw. die Einstellung der staatlichen Zuschüsse, die im Rahmen des Subsidiaritätsprinzips von Bund, Ländern und Kommunen insbesondere im diakonischen Bereich an die beiden Kirchen gegeben werden. (Wohl wissend, dass wesentliche Teile des weltweit bestaunten deutschen Sozialsystems eben von diesem Miteinander abhängen und eine rasche Abkehr davon größte soziale Krisen zur Folge hätte.) Der Aufschrei der Empörten und Schon-immer-Aufgeklärten folgte in den Provinzblättern als Leserbriefe auf dem Fuß. Vermutlich auch ein Anstieg der Kirchenaustritte.

Müssen – so frage ich mich – Kirchen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr als andere darauf achten, Fehler zu vermeiden?

Nein, ich glaube nicht, dass es die Fehler sind. Es sind eher die Fallen, die wir selbst gestellt haben und in die, falls die antiklerikale Stimmung anhält, eher die fallen, die der immer kleineren Norm nicht entsprechen.
Es werden die Begeisterten sein oder alle, die Umwege gehen. Es werden die sein, deren Stimme Hoffnungen weckte oder deren Spiel angelockt hat. Alle, die sprühen vor Ideen, und alle, die Zulauf haben. Es werden die Sonderlinge, die Außenseiter, die Querdenker, die Überflieger sein, die Musikanten und Dichter unter den Geistlichen, die Leichten, Luftigen, der Springinsfeld und die Träumerin.

Der Platzhirsch bewahrt seinen Platz. Ihm will keiner an die Wolle.
Auch der Dompfaff wird bleiben. Man kennt und kann mit ihm.
Die, die nach allen Regeln der Kunst in die entsprechenden Positionen gekommen sind, werden bleiben. Auch die Eingesetzten und die Orthodoxen. Erst recht die Braven. Die Inthronisierten und die, die stolz „sich mit Kreuzen vorne schmücken“.
Den aus der Rolle Gefallenen geht es an den Kragen, und die Bunten müssen um ihr Beffchen bangen.
Das war einmal anders. Es gab Zeiten, da suchte man „Typen“. Heute wirkt die Kirche „untypisch“, bleich; wirkt erschrocken und pfeift Typen zurück und stellt Herausragende in den Sockel.

Die Kirche ist brav geworden. Politisch gefällig, moralisch indifferent, spirituell austauschbar. Eben das, was man öffentlich unter die „gesellschaftlich relevanten Gruppen“ zählt. Das hat seinen Preis.
Die Kirche wird sich neu aufstellen müssen.
Sie dient sich – in den Medien und damit in der inszenierten Öffentlichkeit – in die Belanglosigkeit, oder sie treibt Blüten. Wir alle feiern auf 2017 hin. Die Reformation war nicht fürs Album und plante keine Jahrestage. Die Reformation hat alle ergriffen, hat vor keiner Kette Halt gemacht und keinem Kaiser oder Papst gehuldigt. Auch die Reformation hat Fehler gemacht. Doch die wirklichen Fehler lagen nicht in der falschen Rücksicht vor den Mächtigen und im Kotau vor den Liedermachern, lag nicht im Widerstand gegen falsche Reime oder klare Worte.
Die Fehler der Reformation lagen – wenn überhaupt – im Binnenstreit. Im Binnenstreit gibt es rasch neue Mächtige. Und damit beginnt alles von vorne.

Mitten im Winter plädiere ich für Blüten, für Buntheit, für Vielseitigkeit, für angebranntes Essen und für falsch temperierten Wein. Für einen erfrischend herben Salat ebenso wie für etwas Wild auf dem Speisezettel. Den Vegetariern unter uns: Das mit dem „Wild“ war nur symbolisch gemeint. Aber der Rest ist echt.

Zwischenfazit:
Kein Maulkorb für die Medien.
Transparenz der Finanzen.
Subsidiarität ohne Abhängigkeit.
Und: Typen in die Kirche!
Sie sind das Geld wert.

Der Beitrag erschien als Vorwort zu den Pastoralblättern 2/2014 vom Herausgeber Gerhard Engelsberger. Die wort-meldungen danken für die Genehmigung zum Abdruck.

Zwei Reaktionen auf die Synode der EKiR – EKiR aus den Fugen

Die Landessynode scheut ernsthafte Korrekturen und verschärft den Bürokratieaufbau

Von Hans-Jürgen Volk

Es passt wenig zusammen in der Evangelischen Kirche im Rheinland. Auf ihrer Landessynode in Bad Neuenahr, die vom 16.-22.01. 2014 tagte, präsentierte sich die zweitgrößte deutsche Landeskirche als mental wie strategisch aus den Fugen geraten. Die Widersprüche werden deutlich, wenn man den Präsesbericht von Manfred Rekowski und den Finanzbericht der Kirchenleitung, vorgetragen von dem Finanzdezernenten Bernd Baucks, nebeneinander legt. Mit am problematischsten ist die Diskrepanz zwischen der Stimmungslage der Synode, die Rekowski z.B. während der Abschlusspressekonferenz verbalisiert und dem Frust, der sich bei der Mitarbeiterschaft, in den Kirchenkreisen und den Gemeinden angestaut hat. Nimmt man nicht wahr, wie unbarmherzig provozierend diese zur Schau getragene Zufriedenheit mit dem eigenen Leitungshandeln auf die von Sparmaßnahmen betroffenen Beschäftigten wirken muss? Zum Beitrag.

http://www.zwischenrufe-diskussion.de/pages/ekir/ekir-aus-den-fugen.php
Liebe Gemeinde,
es gibt Briefe, denen merkt man es an, dass wir nicht ihre ersten Adressaten sind. Trotzdem möchte ich Verse aus dem Hebräerbrief als Folie zur Kommen-tierung unserer letzten Landessynode nutzen. Der heutige Predigttext will das Handeln von 214 Synodalen in den Blick nehmen, die vor kurzem das zweit-größte evangelische Kirchenschiff auf Kurs bringen wollten. Mit welchem Kompass waren wir unterwegs? Wie wurden die Weichen für die Einsparung von 35% landeskirchlicher Ausgaben gestellt? Was 20 Mio. € weniger in der Kasse der Landeskirche für Bonn heißen könnte, war im Generalanzeiger zu le-sen, in der WDR-Lokalzeit zu verfolgen. Die drei Bonner Kirchenkreise ver-halten sich dazu bisher erstaunlich bedeckt. Könnten sie doch auch wie die drei Musketiere für ihre Einrichtungen mehr kämpfen. Stattdessen werfen sie lokaler Berichterstattung Provinzialismus vor. Was ich nicht verstehe, weil in Bonn doch das Koordinatensystem unserer gesamten Kirche in exemplarischer Weise zur Diskussion steht. Sollten wir uns vom Amos-Comenius-Gymnasium, wie auch vom Haus der Begegnung als größten südlichsten Standort unserer Landes-kirche, verabschieden müssen, führte dies zu Kollateralschäden für alle. Es geht doch dabei nicht um Lokalpatriotismus, sondern um die Justierung unseres zu-künftigen Kirche seins. Noch ist nichts entschieden, aber wir sollten hellwach. Nicht das wir morgen aufstehen und unsere EKiR nicht wieder erkennen. Was könnte im Getümmel um die Zukunft uns die nötige Orientierung geben? Der Hebräerbrief, das Judentum, Martin Luther wie auch der Apostel Paulus waren sich in einem besonders einig: Den Kompass für unser Christsein liefert nicht das Bauchgefühl, auch kein Rechenschieber. Allein im biblischen Wort ist er zu suchen. Nicht was sich rechnet oder gut anfühlt, sondern was immer schon ge-zählt hat, sollte den Kurs unserer Kirche bestimmen: sola sciptura! Im Hebräer-brief lesen wir dazu: Ich will deinen Namen verkündigen meinen Brüdern und mitten in der Gemeinde dir lobsingen. Ich will mein Vertrauen auf Gott setzen und „Siehe, hier bin ich und die Kinder, die mir Gott gegeben hat.“ Das ist un-ser vornehmster Dienst: Gott zu loben!