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Reformbegründungen und die Wirklichkeit

Tour d’Horizon der Fragen und Probleme, mit denen Pfarrrvereine im Umbauprozess der Kirche beschäftigt sind III: „Selbst im Finanzausschuss haben nach eigener Aussage nicht alle verstanden, was beschlossen wurde“. Intransparenz durch Doppik, Sparkonzepte auf der Basis von Langfristprognosen

Corinna Hektor, Korrespondenzblatt Bayern 6/7 2016

Vorstandsbericht für die Frühjahrstagung des
Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins am 25. und 260
April 2016 in Rothenburg o.d. Tauber

Viele davon sind Finanzentscheidungen. Doppik zum Beispiel. Erst hieß es, Doppik berücksichtige kirchliche Besonderheiten, inzwischen muss sich die Kirche nach der Doppik richten. Nach einer speziellen Form der Haushaltslehre genauer gesagt.  — Das HGB, Handelsgesetzbuch, wurde faktisch zu einer Art heiligem Gesetzbuch und zwingt, quasi kanonisch geworden, nicht nur unsere Finanzen in eine bestimmte Form, sondern bestimmt auch Inhalte. Es formt Kirche um… vgl. S. 81, vgl zum selben Thema auch den Artikel: „Orientierung der Steuerung an Finanzgrößen“
Manches hat sich verändert. Wir hatten mal ein System mit Rücklagen als Planungsgröße. Heute haben wir stattdessen einen großen Topf und die Aussage, dass auf der Kostenseite insgesamt etwas fehle. So wird aus der Planung eine neue Aufgabe: kürzen. Was dabei nicht gesagt wird: Die Kosten sind eine Schätzung, genauer: eine Prognose aufgrund mehrerer Schätzungen. Stattdessen ist die Rede von Personalkostenquoten, Benchmarks und Gewinnen, die wir als gemeinnützige Organisation gar nicht machen dürfen. Es sieht düster aus. Sparen scheint die einzige Chance. Ja, Doppik und HGB bescheren uns einen besseren Blick auf die Immobilien — aber wenig Übersicht für vieles andere; vor allem aber eine Systematik, die den meisten innerkirchlichen Fachleuten fremd ist. Selbst im Finanzausschuss haben nach eigener Aussage nicht alle verstanden, was beschlossen wurde. Und die Folgen erst recht nicht. Wenn das die versprochene Transparenz sein  soll, hätte ich gern das alte intransparente System zurück.

vgl. S. 82

Doppik zeichnet Negativbild eines positiven Befundes. Dargestellt am Beispiel der Pensionsrücklagen

Doch vermittelt es ein bedrückendes Bild, wenn das früher auf die Seite gelegte Geld für absehbare Ausgaben nur noch als schwarzer Balken auftaucht und damit als Belastung – deren Gegenleistung nicht mehr sichtbar wird. vgl. S. 82

Das hat viel mit Zahlen zu tun, mit Prognosen – und mit Überzeugungen, die sich damit erzeugen lassen. Es ist komplex. Neue Berechnungen für Lebenserwartung, Berufsbiografien, Gehaltsentwicklung, Verzinsung etc. und damit die neu berechneten erwarteten Kosten. Dazu neue Ansprüche an die nötige .Kapitalstock-Absicherung. So wird aus einer gut abgesicherten Versorgung ein Problemfall… vgl. S. 83

Prognosen über 40 Jahre

Dabei ist zu beachten, dass all die scheinbar so konkreten Zahlen Prognosen für die Zukunft sind. In 40 Jahren werden wir… Wer das konsequent zu Ende denkt – bzw. mal umgekehrt überlegt, was sich vor 40 Jahren für heute hätte voraussagen lassen, am Beispiel der Verzinsung etwa, wird merken, wie wenig verlässlich das ist. Auf meine Anfragen bekam ich zu hören: Alternativlos. Eine ARD-Dokumentation lässt an der Aussagekraft und erst recht an der Alternativlosigkeit Zweifel wachsen. Prof. Bosbach erläutert dort, wie leicht sich Zahlen und ihre Darstellung manipulativ verwenden lassen – und wie wenig seriös die Projektion von Bestehendem in die Zukunft ist: »Man kann nicht 45 Jahre in die Zukunft schauen! Was konnte man vor 45 Jahren von heute wissen? Nichts.«…

vgl. S. 83, der empirische Befund von Prognosen am Beispiel des Bistums Mainz. Das eigentliche Problem: wo man sich auf Prognosen zur Steuerung stützt, zeigt sich die Abwesenheit von gutem, richtigem Management (Fredmund Malik). Und das ist in der Kirche allenthalben spürbar (F.S.).

 

Neue erfundene Prognosen zum Erhalt von Horrorszenarien

24.5.2016 SWR

Die evangelische Kirche der Pfalz findet einen neuen Trick um seinen Haushalt arm zu rechnen. Man geht nun davon aus, die Gewerkschaften würden in den nächsten 6 Jahren eine Erhöung von 17% erhandeln.

Anscheinend reicht es nicht mehr nur die Einnahmen der Kirchensteuer trotz Steigerungen in den Prognosen sinken zu lassen um die Horrorszenarien zu begründen.

Allen Angehörigen der Kirche. Gratulation zu den erwartenden üppigen Gehaltserhöhungen.

Lesen Sie hier den Artikel.

Schönreden wie zu DDR-Zeiten. Kommentar von Dr. Katharina Dang, Berlin, zum Vortrag von Bischof Dröge vor der bayerischen Landessynode.

04/2016

ls Berlin-Brandenburgerin nach einem Kommentar zur Rede unseres Bischofs M. Dröge vor der Bayrischen Synode am 19. April gefragt, möchte ich dies hiermit tun.

Ja, es gab und gibt seit den 90er Jahren im Osten Deutschlands, wo wir Christen in der absoluten Minderheit sind, sehr viele beeindruckende Ideen und Projekte in den Kirchengemeinden. Viele Kirchfördervereine wurden gegründet, in denen sich auch Nichtchristen für den Erhalt der Kirchengebäude und die Fortführung der kirchlichen Arbeit engagieren, für die Kirchenmusik und Konzerte, für Ausstellungen, die Jugendarbeit, den Kindergarten und vieles mehr. Sie halfen, Förderanträge zu stellen und so trotz der knappen kirchlichen Mittel, viel zu leisten und zu erhalten. „Dank“ der hohen Arbeitslosigkeit, gab es ABM- und später MAE-Stellen und dadurch MitarbeiterInnen, an die man sonst nicht hätte denken können. Diese Phase ist jetzt aber weitgehend vorbei. Mitarbeiter müssen jetzt bezahlt und wenigstens als Mini-Jober angestellt werden. Dazu muss aber der Kreiskirchenrat seine Genehmigung erteilen. Fördermittel sind heute viel schwieriger zu erhalten.
Stattdessen machen uns seit 2007 und dem Papier „Salz der Erde“ verstärkt die Denkanregungen und Zukunftsvorstellungen von „oben“ zu schaffen. Sie bauen Druck auf, der sich mit der zur Zeit erfolgenden Einführung der „Erweiterten Kameralistik“ und den dann erfolgenden Abschreibungen, dem Verfassen von Zielen und deren Abrechnung weiter erhöhen wird. Die Stärkung der mittleren Ebene hat jetzt schon zu einer Entmündigung der Gemeinden geführt. Die KVÄ’s sind nicht mehr nur Dienstleister, sondern Aufsichtsorgan. Das im Frühjahr 2014 beschlossene Gesetz gibt viel her, was zwar noch nicht überall umgesetzt ist, aber uns in Zukunft noch mehr zu schaffen machen wird.

Von welchem „wir“ spricht unser Bischof M. Dröge? Es ist doch wohl das „wir“ der Kirchenleitung, die mit Hilfe von professioneller Unternehmensberatung den gegenwärtigen „Reformkurs“ auf Fahrt gebracht hat, diesen Kurs, der Eigenständigkeit und Kreativität eindämmt, viel Frust erzeugt und manches zu zerschlagen droht oder dem Verfall preisgibt, was an der Basis gewachsen ist. Das geschieht auch einfach deshalb, weil das, was in den Gemeinden geschieht, weder ausreichend zur Kenntnis genommen, noch gewürdigt und in neue Konzepte mit einbezogen wird. Stattdessen werden neue Stellen geschaffen, die nun für die von den „wir“ geplanten Aktionen und Events tätig werden sollen, befristete Stellen für Menschen, die sich erst einmal einen Interessenten- und Mitarbeiterkreis mühsam aufbauen müssen.

Der Werktag auf dem Hangar II des Tempelhofer Felds 2014 war für die Teilnehmer ein beeindruckendes Event. Zum Schluss wurden sie mit Rikschas zur S-Bahn gefahren. 1000 Ehren- und Hauptamtliche diskutierten und hatten einen schönen Tag. Bei solchen Massenereignissen muss ich an sozialistische Zeiten denken. Mit Demokratie hat das wenig zu tun, dafür um so mehr mit ausreichenden finanziellen Mitteln zur „Motivation“ und Lenkung der Aktiven im weiten Land.

Das vom Bischof gelobte Gesetz zur Schaffung von Gesamtkirchengemeinden ist bisher bei keiner einzigen Zusammenlegung von Gemeinden, außerhalb des Modellkirchkreises Wittstock-Ruppin genutzt worden. Entweder werden Sprengel gebildet oder fusioniert. Bei der Erprobung des Gesetzes im genannten Kirchenkreis ist so viel „Geschirr zerschlagen“ worden, Verbitterung entstanden, so oft das Kirchengericht bemüht worden u.v.m., dass es eigentlich Zeit wäre, sein Scheitern einzuräumen, statt es anderen Landeskirchen als Modell anzupreisen.

Vor allem aber fehlt mir im Vortrag des Bischofs der Blick auf die Lage der Menschen auf dem Land und die gerade zurzeit äußerst brisante Stimmung im Land. Abwanderung und der Mangel an Kindern, Jugend und jungen Familien haben nicht ihren Grund darin, dass es woanders landschaftlich schöner wäre und es die Brandenburger in Massen von sich aus in die weite Welt lockt. Warum gibt es z:B. Proteste gegen Massentierhaltung selbst auf Dörfern, in denen sich die Menschen bisher alles gefallen ließen?
Es tut mir leid, aber die Rede unseres Bischofs erinnert mich an offizielle Reden aus DDR-Zeiten , in denen auch bis kurz vor Schluss noch alles schöngeredet wurde.

Dr. Katharina Dang

Synoden-Entscheidungen über die künftige Entwicklung der evangelischen Kirchen – halten sie einer Prüfung auf Urteilsheuristik stand? von Pfarrerin Dr. Katharina Dang, Berlin.

01/2016

Daniel Kahnemann,  gilt als einer der wichtigsten Psychologen unserer Zeit und das
Erscheinen seines Buches „Schnelles Denken, Langsames Denken“ 2011 in New York
und 2012 auf Deutsch sei ein Großereignis, so ein Zitat von Steven Pinker auf dem
Umschlag des im Pantheon Verlag 2014 erschienenen Buches. Kahnemann fasst darin
als fast Achtzigjähriger die Forschungsergebnisse und Erfahrungen seines Berufslebens
allgemeinverständlich zusammen. Auf Religion geht er nur in einem Absatz ein. Er sieht
wie so viele seiner Kollegen bestimmte Prägungen menschlichen Denkens in der
Evolution aus dem Tierreich begründet und ist kein Christ, sondern wenn schon, dann
Jude. Die Probanden für seine Forschungen waren, wie an Universitäten üblich, in der
Regel Studenten. Beschäftigt haben ihn Entscheidungsfindung in der Wirtschaft, im
Finanzwesen und von Ärzten sowie Alltagsentscheidungen von Bürgern. Warum
funktionieren Lotterien? Warum wird was versichert?
Trotzdem hat mich vieles in seinem Buch an unsere evangelische Kirche in Deutschland
und den seit der Programmschrift „Kirche der Freiheit“ 2006 forcierten „Reformprozess“
erinnert.
Um das Ergebnis vorwegzunehmen: Wie es nicht anders sein kann, wenn sich
Kirchenleitende an der Wirtschaft orientieren, müssen sie auch die Fehler machen, die in
der Wirtschaft gemacht werden…. Zum download: Daniel Kahnemann Kirche-1

Noch einmal: Beraterfirmen: „Verschwendung von Geld, Zeit und Intelligenz!“ Interview mit Prof. Gert Gigerenzer

Noch einmal: Beraterfirmen, vgl. dazu z.B. auch hier.

01/2016

Wenn der Bauch schlauer ist als der Kopf

 

 

… Aber wenn Sie in einer sich wandelnden Welt starre Regeln festlegen, fallen Sie damit auf die Nase. Daher ist eine gewisse Flexibilität wichtig.

Und die fehlt uns?

Ja, allzu oft. Leider hat unsere Gesellschaft zu viel Angst vor intuitiven Entscheidungen und vor Flexibilität. Man braucht natürlich eine gewisse Balance zwischen Flexibilität und Regeln, aber letztere dürfen nicht zu Fesseln werden. Dieselben Topmanager, die in meinen Untersuchungen sagen, „jede zweite Entscheidung ist eine Bauchentscheidung“, würden das öffentlich nie zugeben. Aus Angst. Stattdessen wird eine teure Beratungsfirma eingekauft, die auf einem 200-Seiten-Bericht die Bauchentscheidung begründet – ohne dass der Begriff „Bauchentscheidung“ je fällt. Das ist eine Verschwendung von Geld, Zeit und Intelligenz! Man misstraut Intuition und vertraut Berechnungen beinahe blind… Zum Interview.

Der Mythos von den sinkenden Kirchensteuereinnahmen durch den prognostizierten Mitgliederschwund wird immer lächerlicher. Evangelische Kirche in Westfahlen widerlegt ihre Prognose gleich doppelt

17.11.2015 Neue Westfälische

Die Evangelische Kirche von Westfalen hat in diesem Jahr 50 Millionen Euro mehr eingenommen, als sie geplant hatte. Die Einnahmen von 505 Millionen Euro sind die höchsten ihrer Geschichte. Dennoch sollen weiter Pfarrstellen gekürzt werden.

Das passiert in dem Jahr mit den Rekordaustritten aus den evangelischen Kirchen. Der Mythos von den sinkenden Kirchensteuereinnahmen durch den prognostizierten Mitgliederschwund wird immer lächerlicher. Dennoch hält die Westfälische Kirche am Abbau der Pfarrstellen fest. Langfristig will rechnet man mit sinkenden Kirchensteuereinnahmen.

Wie unbegründet die Sparziele sind zeigt sich an den Zukunftsprognosen. Wenn man die Kirchensteuern an die Mitglieder koppeln will, wäre es sinnvoll so viele Stellen zu sparen, dass gleichbleibend viele Mitglieder eine Pfarrstelle finanzieren. Die Pläne sehen aber vor, dass statt 2500 Gemeindeglieder im Jahr 2040 3500 eine Pfarrstelle finanzieren. Nicht einmal mit der eigenen Schwarzmalerei kann man anscheinend konsequent rechnen.

Lesen hier die Quelle der Zahlen.

EKHN: Finanzanalyse und -prognose des Finanzdezernenten. Vergleich 2005 und 2015. Kirchenstrategie oder Prognosestratgie.

11/2015

Finanzanalysen und -pognosen kann man auch unter literarkritischen Gesichtspunkten
als Texte analysieren. Dann fallen über ein Jahrzehnt hin deutliche Struktur-Parallelen
auf: in einem ersten Abschnitt wird die zurückliegende, tatsächlich positive Entwicklung
erwähnt. In einem zweiten Abschnitt wird dann dargelegt, dass diese zurückliegenden
Ergebnisse untauglich sind für die Grundlage einer Zukunftsprognose.

EKHN Jahresbericht 2005/2006,S. 7:
„Die Analyse zeigt ein ähnliches Bild wie 2005: Deutliche
Mehreinnahmen bei der Kircheneinkommensteuer, die
von Unternehmen in der Rechtsform einer Personen-
gesellschaft gezahlt wird, überkompensieren die
weiterhin rückläufigen Kirchenlohnsteuerzahlungen, die
auch die demografische Entwicklung bei den Mitgliedern
widerspiegeln.

Das wird sich aller Voraussicht nach in Zukunft
ändern. Die vorhandenen Prognosen sahen bei einem
mittleren Szenario hinsichtlich Wirtschaftswachstum,
Arbeitsmarktkenndaten und Inflationsrate voraus,
dass die wirtschaftliche Entwicklung der nächsten Jahr-
zehnte nicht mehr geeignet sein wird, die strukturellen
Probleme bei der Mitgliederentwicklung zu kompensieren.
Geht man für das Gebiet der EKHN von einem Mitglieder-
rückgang bis 2025 von insgesamt 16 Prozent oder
0,9 Prozent pro Jahr aus, wird dies vor dem Hintergrund
eines mittleren wirtschaftlichen Szenarios zu einem
durchschnittlichen Rückgang der Kirchensteuer-
einnahmen um zirka 3,5 Mio. Euro pro Jahr führen.“

Jahresbericht 2014/2015, S.6
„Wir können in der EKHN also nicht mehr von einem
negativen Langfristtrend sprechen. Die durch den Mit­
glieder­rückgang ausgelösten Effekte wurden in den letzten
Jahrzehnten durch Wirtschafts- und Steuerwachstum
überkompensiert.

Es ist allerdings absehbar, dass diese
Kompensationseffekte künftig in diesem Umfang nicht
mehr eintreten können, denn die Altersstruktur unserer
verschiebt sich, und das werden wir auch
finanziell zu spüren bekommen – spätestens in den
20er-Jahren, wenn die geburten­starken Jahrgänge in den
Ruhestand treten.“

Immer wieder neu gilt: „Die Zukunft hält allerdings erhebliche Herausforderungen bereit.“

Kommentar F.S.:

Bei einem Vergleich ist inhaltlich interessant:
a. die Prognose von 2006 mit einem Rückgang der Kirchensteuereinnahmen nominell um 3,5 Mio € hat die tatsächliche Entwicklung grandios verfehlt. 2005 lagen die Kirchensteuereinnahmen bei 360 Mio. €. Sie dürften dann 10 Jahre später noch bei ca. 325. Mio. € liegen. Tatsächlich lag sie aber bei 490 Mio. €. Das könnte sich für alle Beteiligten in der Praxis sehr angenehm anfühlen, wenn, ja wenn die Haushaltspolitik sich dieser tatsächlichen positiven Entwicklung angepasst hätte. Hat sie aber nicht. Und daran zeigt sich – besser: das ist ein starkes Indiz dafür – dass der Zweck der Prognose nicht darin liegt, zukünftige Entwicklungen tasächlich abzubilden. Denn das können sie sowieso nicht. Der Zweck liegt in der Umsetzung eines Downsizing-Konzeptes, wie es nicht nur in der Kirche, sondern in dieser Zeit auch in anderen Institutionen, den Kommunen, dem Staat, üblich war – und noch immer üblich ist. Hier wird ebenfalls gekürzt und abgebaut – in Zeiten sprudelnder Steuereinnahmen.
b. Dieses Downsizing-Konzept hat sich nicht geändert. Das zeigt sich auch an der anhaltenden Prognosestrategie. Daher wird man auch bei aktuellen Prognosen  unterstellen, dass sie nicht ernsthaft daran interessiert sind, die zukünftige Entwicklung abzubilden. Der Finanzdezernent ist allerdings heute nicht mehr so naiv konkrete Entwicklungszahlen langfristig  anzugeben wie vor 10 Jahren – s.o. ca. 3,5 Mio. p.a.
c. Spannend ist aber doch, dass die Begründung für den prognostizierten Rückgang in Zukunft ebenfalls  anders erfolgt als 2006. Heute wird nicht mehr abgestellt auf den Mitgliederrückgang. Eine Behauptung, die ja zuvor schon von der Wissenschaft widerlegt war. Heute wird abgestellt auf den Übergang der geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Diese Entwicklung ist sicher nicht zu widerlegen. Aber  sie ist ja wieder nur eine unter mindestens 4 anderen Komponenten, die Einfluss auf die tatsächliche Entwicklung ausüben.

Kirchenstrategie oder Prognosestrategie.
Das eigentliche Problem besteht darin, dass Prognosen keine theologisch-soziologisch begründete Leitungsstrategie der Kirche ersetzen können. Genau das aber wird fortgesetzt betrieben. Und genau das ist das eigentliche Problem!

Das wurde von mir schon einmal in einem Artikel im Deutschen Pfarrerblatt ausgeführt:

„Dazu ein paar wenige Blitzlichter. Strategie: »Eine gute Strategie ist unabhängig von der Möglichkeit, Prognosen zu machen … Das ist eine der wichtigsten Prinzipien der Architektur einer Strategie – dies deshalb, weil die Zukunft nicht prognostizierbar ist – sie war es nie34. Und sie wird es nie sein.« Man vergleiche nur die erheblichen Unschärfen von Prognosen schon im Nahbereich als Anschauungsmaterial. …  Dabei ist der Begriff nicht umgangssprachlich zu verwenden, sondern im Sinne einer langfristigen Orientierungsgröße. Das gilt dann selbstredend auch für eine gute kirchliche Strategie. Kirchliche Mitarbeiter bestätigen dies immer wieder.“

Man würde den Tag herbeisehen, an dem der Finanzdezernent und Leiter der Kirchenverwaltung eine theologisch-soziologische Theorie als Basis der Finanzpolitik macht. Und falls er das nicht kann, müssten das die Theologen  der Kirchenleitung für ihn übernehmen. Und dann wäre einiges in der Leitungsfunktion der Kirche zurechtgerückt, was in den zurückliegenden Jahren zur Fehlentwicklung wesentlich beigetragen hat. Dass nämlich versucht wurde, allein oder in der Hauptsache mit Finanzgrößen zu steuern. Dies Experiment ging schief. Und daraus sind Konsequenzen zu ziehen. Dann, und nur dann, würde Aussicht auf Erfolg eines echten Kirchenmanagements bestehen.

 

Zwischenbilanz EKD-Reformprozess. Zu den Zentren für Gottesdienst.

10/2015

Im Rahmen des Prozesses wurden mehrere Zentren zur Qualitätsentwicklung geschaffen. Zwei davon für den Berich Gottesdienst:
So das Zentrum für Predigtkultur in Wittenberg und das Zentrum für Qualittätsentwicklung im Gottesdienst in Hildesheim, vgl. hier. ).

Das ist sicher nicht verkehrt. Man darf und muss aber fragen: was daran ist neu, was besonders? In der EKHN exisitierte bspw. seit 1971 (!) die Beratungsstelle fürr die Gestaltung von Gottesdiensten und anderen Gemeindeveranstaltungen in Frankfurt. Der erste Leiter, Friedrich-Karl Barth, veröffentlichte bereits in den 70iger Jahren liturgische Texte, die die Texte und Sprache der alten Agenden (gebundene Sprache) überwand. Vor etwa 10 Jahren ging diese Beratungsstelle (kein Amt!) im Zentrum Verkündigung der EKHN auf. Man wird fragen dürfen und müssen: a. was ist das Neue an den EKD- Veranstaltungen im Vergleich zu den bahnbrechenden Leistungen der Beratungsstelle in früheren Jahrzehnten? b. was kosten die EKD- Veranstaltungen jährlich? c. Gibt es einen Austausch mit dem Zentrum Verkündigung der EKHN, um Doppelungen zu vermeiden und Kosten zu sparen? d. Gibt es noch mehr derartiger Errungenschaften des EKD- Reformprozesses an schon längst vorhandenen Einrichtungen (mit vielleicht anderem Namen)?

Die Macht des Geldes und der Zahl (Wie man der Kirche die Qualität austreibt). Von Pfr. Manfred Günther.

hier: 08/2015

Die Macht des Geldes und der Zahl
(Wie man der Kirche die Qualität austreibt)
Wir schauen heute ganz nach innen,
um dort Erkenntnis zu gewinnen,
was unsre Kirche in der Welt
in ihrem Kern zusammenhält.

Ein erster Blick gilt den Finanzen,
sie sind das Zentrum ja des Ganzen
und ohne sie, da geht es nicht
(ein Fakt, dem niemand widerspricht?)

und doch, schon kommen uns auch Fragen:
Kann denn ein Christ ganz ernsthaft sagen,
die Kirche litte Todesnot,
wenn sie der Steuerschwund bedroht?

Mit andern Worten, hängt ihr Leben
an dem, was ihre Glieder geben
und tun sie’s nicht, dann ist es aus?
Ist Geld der Grundstein ihres Baus

und nicht der Herr, der sie gegründet?
Was schreckt uns denn, mit ihm verbündet,
auf seinem Weg, in seiner Spur?
Wär’ unser Halt die Steuer nur

und Geld die einzige der Gaben,
die Jesu Leute reichlich haben,
sie setzten besser sich zur Ruh’
und schlössen ihre Kirchen zu.

Das vollständige Opus: vgl. Meiner Kirche ins Stammbuch IV