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Nordkirche: Kirchensteuer steigend. Finanzpolster gut. Bürokratisierung durch Landeskirchenfusion.

Lübeck-Travemünde (epd). Nordkirche.

Der evangelischen Nordkirche geht es finanziell bestens: Insgesamt 468 Millionen Euro sollen 2014 in die Kirchenkassen fließen – rund sechs Millionen Euro mehr als in diesem Jahr. Größte Einnahmequelle ist die Kirchensteuer mit 425 Millionen Euro. Die Bundesländer Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern steuern noch einmal knapp 27 Millionen Euro bei. Finanzexperte Martin Blöcher, Mitglied der Kirchenleitung, stellte den Haushalt der Landessynode in Lübeck-Travemünde vor.

Auch das Finanzpolster ist beachtlich: Anders als Bund und Länder hat die Kirche für künftige Pensionen eine finanzkräftige Stiftung Altersversorgung gegründet. Das Vermögen
beträgt derzeit 855 Millionen Euroknapp 50 Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Das verfügbare Vermögen der Kirche lag Ende vorigen Jahres bei 119 Millionen Euro, acht Millionen Euro mehr als ein Jahr zuvor. Rund 260 Millionen Euro werden von der Landeskirche umgehend an die Kirchenkreise durchgereicht, die  sie dann überwiegend an die Gemeinden verteilen. Bis 2018 soll der Anteil der landeskirchlichen Ausgaben leicht gesenkt werden.

Blöcher warnte allerdings vor einer Überlastung der Verwaltung aufgrund der Fusion. Das Arbeitspensum sei bei gleichbleibender Intensität und Sorgfalt nicht mehr zu leisten. Erschöpfung und Krankheitsausfälle seien nicht mehr zu übersehen. vgl. Ausgabe S. 20!

Finanz-Tohuwahbohu in der EKiR nach der Einführung der Doppik

von Friedhelm Schneider.

Vorab: Hut ab vor dem neuen Finanzdezernenten der EKiR, Bernd Bauks.
Er berichtet vor der Synode offen und ehrlich über Turbulenzen, die mit
der Einführung der Doppik und der Software MACH in der EKiR entfacht wurden.
Hut ab also vor dem Mut.
Wenn man sich aber diesen Vortrag zu Gemüte führt, wird man zu tiefst
erschrecken. Denn sie wußten nicht, was sie taten. Wissen
sie denn wenigstens heute was sie tun? Die Frage wird man stellen dürfen.
Man wird sie stellen müssen. Und man wird fragen müssen: macht es Sinn,
auf dem falschen, unbekannten Weg weiterzugehen? Macht es Sinn, ständig
gutes Geld dem schlechten hinterherzuwerfen? In der EKiR spricht man
offziell von Kosten von 50 Mio. für die Doppik. Offiziell. In Bundesländern
stellten Rechnungshöfe immer wieder die offziellen Angaben der Finanzverwaltungen
in Frage und errechneten bspw. im Land Baden-Württemberg Kosten in
fast doppelter Höhe. Das dürfte in der Kirche auch realistisch sein.
Summen für – für momentan noch fast nichts. Und das bei hohem
verschleiß an Personal und Ehrenamtlichen. Das ist die bittere Realität.

FINANZBERICHT der Kirchenleitung der Evangelischen Kirche im Rheinland
vorgelegt von Oberkirchenrat Bernd Baucks ; EKiR, Landessynode Januar 2014

Kostprobe:
Projektfortschritt
Es gibt eine spürbare Lücke zwischen dem empfundenen Fortschritt und dem
Fortschritt laut Projektplan. Insgesamt wird deutlich, dass nach an sich erfolgrei-
cher Einführung eine unterschiedlich ausgeprägte Phase der Fremdheit folgt.
Die genannten Performanceprobleme sind eine Ursache, aber auch der nachhal-
tige Eindruck Funktionalitäten, die man vorher hatte, stehen mit MACH und dem
Web-Vorsystem entweder gar nicht, oder in nicht geeigneter Form zur Verfü-
gung.
Schließlich gibt es jedoch einen weiteren Aspekt, nämlich die Konzeptionierung
und Umsetzung flankierender Maßnahmen, die notwendig sind, um Wirkungen,
die vom NKF langfristig ausgehen sollen, auch zu entfalten.
Solche Maßnahmen sind nicht nur im Landeskirchenamt notwendig, sondern
auch in den Verwaltungsämtern der Kirchenkreise.

Der vollständige Bericht.

Über (ziemlich) alles was die Pfarrerinnen und Pfarrer der bayerischen Landeskirche derzeit betrifft, berührt, besorgt, bewegt und erregt

Vortrag von Corinna Hektor, 2. Vorsitzende: Bericht auf der Herbstversammlung
des Bayerischen Pfarrer- und Pfarrerinnenvereins

Beispielthema: TheologiestundentInnen

Eine Bindung an die Kirche als Arbeitgeber erscheint vielen wenig attraktiv. Wobei es hier signifikante Unterschiede zwischen den Landeskirchen gibt, die sich auch in der Statistik niederschlagen. Wie die Personalpolitik einer Kirche in den letzten Jahren war und wahrge-
nommen wurde, zeigt sich deutlich im Zahlenvergleich. So liegt das Rheinland deutlich unter dem Durchschnitt, Bayern dagegen an der Spitze – allerdings auf immer noch niedrigem Niveau. Es lohnt sich also, sich für gute Studienbedingungen und eine gute Personalpolitik einzusetzen – das allein wird aber nicht alle Probleme lösen. Manche Landeskirchen verstärken ihre Bemühungen, eigene Personalprobleme auf Kosten der anderen zu lösen. So hat die Nordkirche eine eigene Stelle für aktive Werbung an den Universitäten – und Vikariatskurse in denen ca. 1/3 der VikarInnen aus anderen Kirchen kommen. Auch zwischen anderen Kirchen lassen sich Wanderungsbewegun-
gen beobachten…

Besorgt stimmt uns eine Entwicklung, die auch in anderen Kirchen zu beobachten ist: Es studieren nicht nur weniger junge Leute Theologie als früher – und viel weniger als gebraucht werden, es geht auch nur ein Teil derer, die das Vikariat abgeschlossen haben in den Dienst. In der Nordkirche gut die Hälfte, in Sachsen sogar nur 2 von knapp 30. In Braunschweig 1 oder 2 von 16, in Hannover 2 von 27 …

Zum Vortrag mit weiteren interessanten Informationen zu den Themenfeldern Berufsbild PfarrerIn, Prädikantenprofile, Theologennachwuchs (s.o.) , Abwerbungen von Theologiestudenten einzelner Landeskirchen (s.o.) , Vakanzquote, Privatrechtliches Dienstverhältnis von PfarrerInnen, Ruhestandsversorgung, Beihilfen, Kapitaldeckung von Versorungsverpflichtungen, Überschüsse der Landeskirche in Höhe von 50 Mio. € für 2012, Doppik nebst Problemen, wachsende Bürokratie, Pfarrhaussanierungen, Residenzpflicht, 15-Jahres-Regelungen, Versetzungsverfahren, Arbeitszeiten und Begrenzung des Dienstes, Arbeitsbelastung und Belastungsgrenzen.

im bayerischen Korrespondenzblatt (wählen Sie die Ausgabe 11/2013)

Christoph Meyns – Kirchenreform und betriebswirtschaftliches Denken. Modelle. Erfahrungen. Alternativen

Im Januar 2013 hat Christioph Meyns  an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum  mit einer Arbeit  mit dem Titel „Mangaement als Mittel der Kirchenreform. Betriebswirtschaftliche Anätze zur Bewältigung kirchlicher Rückbau-, Reorganisations- und Neuorientierungsprozesse“  promoviert, Im Juni 2013 ist die Disserttation  unter dem o.g Titel im Güthersloher Verlagshaus erschienen (ISBN-978-3-579-08166-3).

Meyns stellt gleich zu Beginn fest, dass der Begriff „Kirchenreform“ irreführend sei, da es in der evangelischen Kirche derzeit „um eine Restrukturierung unter dem Vorzeichen leerer Kassen im Konflikt zwischen konkurrierenden Bestandsinteressen“ gehe (S. 12f).

Wer diese aus interner jahrelanger Kenntnis der Vorgänge geschriebene Studie gelesen hat, der kann nicht mehr für die uns bis heute angepriesene Reform sein. Meyns, mittlerweile designierter Landesbischof der Braunschweigischen Landeskirche,  spricht mit sehr klaren Worten aus, worum es bei dem Versuch der Umsetzung der teuer bezahlten Ratschläge von Unternehmensberatungen geht.

 

 

 

EKBO: Landessynode lehnt weitergehende zentrale Steuerung für die Verwaltung der Gemeinden ab

Wie der epd meldete, lehnte die Landessynode die Vorlage der Kirchenleitung mit 51 zu 41 Stimmen bei 8 Enthaltungen ab. OKR Dr. Martin Richter habe dazu ausgeführt, dass die Synode damit über eine der längsten Drucksachen nach einem mehrjährigen Beratungsprozess befunden habe, wobei er die Dauer des Beratungsprozesses mit der Dauer des Konzils von Konstanz (1414–1418) verglich, das bekanntlich drei Päpste absetzte und unter anderem Jan Hus zum Feuertod verurteilte.
In ihrem Beschluss führt die Synode aus, dass sie eine weiter als bisher gehende einheitliche und zentrale Steuerung der Verwaltung für die Gemeinden und Kirchenkreise nicht für erforderlich erachte. Gleichzeitig sieht sie aber die Kirchenkreise in der Verantwortung, für eine angemessene und sachgerechte Verwaltung für die Gemeinden zu sorgen. Auf dieser Grundlage sollen die gesetzlichen Grundlagen überarbeitet und der Frühjahrssynode 2014 vorgelegt werden.
Das letzte Wort über die Stellung der Gemeinden bei der Verwaltung ihrer Angelegenheiten ist somit noch nicht gesprochen. Es ist offenbar auch der Wille der Synode, die Kirchenkreise insoweit mit größeren Befugnissen auszustatten. Die Tendenz einer Stärkung der Kirchenkreise hält also ungebrochen an, sodass es aus der Sicht mündig seien wollender Gemeinden nur ein Teilerfolg ist, dass die Kirchenleitung mit ihren Vorlagen auf der Herbstsynode gescheitert ist. Mehr dazu.

Brisantes Kirchengerichtsurteil in der Nordkirche bringt eine Säule der Kirchenreform ins Wanken

Eine Säule der Kirchenreformen ist das für zentrale Verwaltungsaufgaben zuständige Verwaltungsamt (Regionalverwaltung etc.) auf der mittleren Ebene des Kirchenkreises. Ihre wachsenden Ausgaben wälzte sie bisher auf die Kirchengemeinden ab. Dem ist durch ein richtungweisendes Gerichtsurteil in der Nordkirche durch das Verfassungs- und Verwaltungsgericht der VELKD nun ein Riegel vorgeschoben. Das Urteil hat nicht nur Auswirkungen auf die Kostenübernahme der Leistungen. Das Urteil spricht auch Bände über die Bürokratisierung der Kirche infolge der sog. Reformen und einen offensichtlichen Kardinalfehler im Reformkonzept. Weil es sich in diesem Falle aber um einen zentralen Pfeiler der Reformkonzeption handelt, kommt durch das Urteil des Kirchengerichts letztlich das gesamte Reformgebäude in Schieflage. Und das möglicherweise nicht nur in der Nordkirche. Bald dürften andere Landeskirchen folgen.

Friedhelm Schneider

„Seit vielen Jahren bestehen Auseinandersetzungen darüber, ob die Kirchengemeinde Lütjensee verpflichtet ist, ihre Verwaltungsaufgaben durch ein Kirchliches Verwaltungszentrum ausführen zu lassen. Schon der frühere Kirchenkreis Stormarn hatte verlangt, dass alle Verwaltungsaufgaben von ihm übernommen werden. Dies konnte zunächst durch eine Übergangs-vereinbarung im Kompromisswege geregelt werden…

Durch das von der Kirchengemeinde Lütjensee eingeleitete kirchengerichtliche Verfahren ist festgestellt worden , dass das bisherige Modell der Finanzierung der Kirchlichen Verwaltungszentren durch Gebühren ineffizient und nicht geeignet ist, Kosten zu reduzieren. Dies wird der Kirchengesetzgeber bei zukünftigen Regelungen zu beachten haben.

Lesen Sie den Bericht von Einar von Harten, Anwalt der Gemeinde

Fusionen als Kostentreiber

Wie lautet die gängige Begründung für Fusionen? Einsparungen !

Die Realität sieht bei Lichte besehen anders aus. Da transparente Zahlen in der Kirche offiziell nicht vorliegen, vielleicht auch nicht erwünscht sind, hier die finanziellen Folgen von Fusionen im Bereich Gesundheitswesen:

„Die Zahl der gesetzlichen Krankenkassen ist in den letzten Jahren rapide gesunken. 1992 waren es über 1000 Kassen, 2011 nur noch 146. Diese Entwicklung ist von der Politik gewollt und gefördert worden. Angeblich, um Verwaltungskosten einzusparen. Seltsam ist nur, dass diese Verwaltungskosten trotzdem in die Höhe geschossen sind, von umgerechnet 6,17 Milliarden Euro im Jahr 1992 auf 11,5 Milliarden Euro im Jahr 2011.“ Lesen Sie den Artikel in Cicero.

Fusionen sind also kein Allheimittel, sondern – Kostentreiber. Vlg. dazu auch die in den Wort-Meldungen schon an anderer Stelle vorgestellte Studie des Bundesrechnungshofs.

 

Fusionen ohne Spareffekt und Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Kirchen sind seit Jahren im Fusionsrausch. Für die EKD stellt die Reduktion der Landkirchen auf 8-12 im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ eines der Leuchtfeuer dar (Leuchtfeuer 11). Aber fusionieren sollen auch Dekanate/Kirchenkreise, Verwaltungsämter, Kirchengemeinden. Sind Fusionen das Allheilmittel?

Wer die Beschlussgrundlagen von Fusionen näher studiert, stellt fest, dass die Zielvorstellungen meist nebulös und vage formuliert werden (Synergieffekte, Effizienzsteigerung). Fehlanzeige besteht hinsichtlich von entsprechenden plausiblen Kostenberechnungen der Vollkosten solcher Maßnahmen. Also als Kosten für den Prozess selbst inklusive Beraterkosten, der eigenen Personalkosten in Form von Kostenansätze für die Arbeitszeit des eigenen Personals, Kosten für die Anpassungsprozesse unterschiedlicher „Kulturen“, Kosten für Kollateralschäden wie Akzeptanz- oder Imageverluste, Kosten für Gebäudeinvestition bzw. -abschreibungen bei Verkäufen etc., ggf. steigenden Folgekosten) im Vergleich zu den zu erwartenden und zu beziffernden Einsparungen. Wem es ein Trost ist: das passiert auch anderswo, z.B. bei den Krankenkassen. Dort wurden derartige Fusionen allerdings anschließend vom Bundesrechnungshof einer Überprüfung unterzogen – mit wenig schmeichelhaftem Ergebnis. Aufgrund der Ähnlichkeit der Problematik wird man die Ergebnisse des Rechnungshofs auf kirchliche Fusionsprozesse übertragen dürfen – so lange jedenfalls, bis die eigentlich zuständigen Rechnungsprüfungsämter der Landeskirchen entsprechende Prüfungen vorgenommen haben.

Bericht des Bundesrechnungshofs zu Krankenkassenfusionen

In dem Rechnungshofbericht heißt es, Fusionen bänden „erhebliche zeitliche und personelle Ressourcen“, führten „zu keinen deutlichen Synergieeffekten“ und seien „mit erheblichen, zum Teil dauerhaften zusätzlichen Aufwendungen verbunden“. Dem stünden „nur geringe Einsparungen gegenüber“, so zitiert der Focus.

Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Der Gesamteindruck des Bundesrechnungshofs ist: „Die den Fusio­nen zugrunde liegenden Konzepte waren meist lückenhaft, uneinheitlich und wenig aussagekräftig. Angaben zu Auswirkungen auf Organisation, Personal und Finanzen fehlten überwiegend.“

Hintergrund: 1992 bis 2010 ging die Zahl der Krankenkassen durch Fusionen von 1397 auf 160 zurück. Der Bundesrechnungshof prüfte für mehr als ein Viertel der 2007 bis 2009 vollzogenen Fusionen die wirtschaftlichen Auswirkungen. Mit den Verschmelzungen sollten Leistungs- und Verwaltungsausgaben einge­spart werden – was offensichtlich selten gelang…

Denn einen effizienzsteigernden Einfluss konnte der Rechnungshof bei den GKV-Fusionen nicht feststellen. Sie wurden – man Vergleiche die Situationen in den Kirchen – genehmigt, „ohne dass die wirtschaftlichen Folgen transparent waren“, kritisiert der Bundesrechnungshof…

Dafür stiegen bei fast allen untersuchten Fusionen die Verwaltungsausgaben im Jahr der Vereinigung an, im Einzelfall um bis zu 18 %. Und auch in den ersten drei Folgejahren sanken die Verwaltungsausgaben nicht.

Bei der Hälfte der vom Bundesrechnungshof untersuchten Fusio­nen erhöhten sich die Vorstandsvergütungen um bis zu 25 %! Mehr dazu.