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Schlüsselposition PfarrerIn

Arbeitsbedingungen ev.-ref. Kantonalkirchen der deutschsprachigen Schweiz

Manchmal hilft ein Blick über den eigenen Tellerrand weiter. Vielleicht auch in den Fragen der Arbeitsbedingungen für PfarrerInnen in der Schweiz. Lesen Sie selbst beim Schweizer Pfarrverein – und staunen:

„Wir haben für Sie die Arbeitsbedingungen für Pfarrerinnen und Pfarrer in den reformierten Kantonalkirchen der deutschsprachigen Schweiz zusammengestellt!
Vorbemerkung 1: Manchen mag die Transparenz dieser Tabelle stören (z.B. in Bezug auf die Löhne). Wir sind jedoch der Meinung, dass falschen und irreführenden Gerüchten am besten mit Fakten und Transparenz begegnet wird. Solche Gerüchte können sein: „Das ist ja wahnsinnig: Ein Pfarrer verdient so viel wie ein Bundesrat!“ oder „Stell dir vor: Im Kanton x werden so schlechte Löhne bezahlt, dass man nicht einmal davon leben kann…“ Beide Gerüchte sind falsch und schaden der Sache. Wir sind sicher, dass für Pfarrerinnen und Pfarrer die Entlöhnung nur eines von vielen Kriterien ist, die bei der Stellenwahl ausschlaggebend sind.

Vorbemerkung 2:…

In einer Übersichtsmatrix sind wichtige Aspeket der Arbeitsbedingungen auf einen Blick erfassbar. Die Kantone (erste Spalte) sind nur mit den Kürzeln angegeben (z.B. AG für den Kanton Aargau, AI für Appenzell-Innerhoden etc.). Wer sich für die Angaben aller Kantone interessiert, klicke hier. Arbeitsbedingungen_PfarrerIn_CH

„Praxiswerkstatt“ der Kirchenjuristen zum Pfarrdienstgesetz der EKD (§ 79ff) in Pullach vom 19. bis 22. Mai 2014

9. Mai 2014  D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der evangelischen Kirche e.V.

Die §§ 79ff des Pfarrdienstgesetzes der EKD laden ein zu Missbrauch und willkürlicher Anwendung

Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Frehrking!

Im Internet sind wir, der Verein „D.A.V.I.D. gegen Mobbing in der ev. Kirche“, auf Ihre Einladung zu einer „Praxiswerkstatt“ zum Pfarrdienstrecht der EKD in Pullach vom 19. bis 22. Mai 2014 gestoßen. Diese Einladung richtet sich an „Anwender des Pfarrdienstgesetzes der EKD, Kirchenjuristinnen und Kirchenjuristen aus dem Bereich des Dienstrechts, theologisch Mitarbeitende aus den Personaldezernaten der Landeskirchenämter“, also einen höchst bedeutsamen Kreis, wenn es um die Umsetzungen der Paragraphen in die kirchliche Praxis geht. Allerdings verwundert uns Ihre Bemerkung, dass „die kirchenpolitische Diskussion um einzelne Regelungen“ nunmehr „abgekühlt“ sei und es daher jetzt darauf ankomme, „zu den neuen Bestimmungen eine EKD-weit möglichst einheitliche Verwaltungspraxis zu entwickeln“.

Wir nehmen eher das Gegenteil wahr und möchten Sie, die Tagungsleitung, aber auch die anreisenden Tagungsteilnehmer und –teilnehmerinnen sowie weitere Adressaten auf kritische Stimmen hinweisen, die bis heute nicht verstummt sind. Dabei geht es uns vornehmlich um die Paragraphenfolge 79 (2) 5; 80 (1); 83 (2); 84; 92 (2) und die willkürliche Anwendung, zu der diese Paragraphen die Möglichkeit geben.

I Kritische Stimmen:

Als erstes nennen wir den Aufruf von Frau Professorin Dr. Gisela Kittel, den der Verein „D.A.V.I.D. gegen Mobbing“ im Frühjahr 2012 an alle Theologischen Fakultäten und viele theologische Fachschaften versandt hat. Er trägt den Titel „Wie Bewährung im Pfarramt heute gemessen wird. Ein Appell an die Theologischen Fakultäten – eine Warnung an alle Studierenden der Evangelischen Theologie, sofern sie sich auf das Pfarramt vorbereiten“. Abgedruckt in der Home-Page unseres Vereins (www.david-gegen-mobbing.de) unter der Rubrik „Aktionen von David“. (Anlage 11)
Außerdem wurden von unserem Verein das Bundesjustizministerium und die einzelnen Justizministerien der Länder angeschrieben mit Hinweisen darauf, dass Gesetzgebung und Rechtsprechung der evangelischen Kirchen den übergeordneten heutigen Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit und den unveräußerlichen Grundrechten widersprechen. (Anlage 2: Schreiben an das Bundesministerium der Justiz, z.Hd. Frau Bundesministerin Leutheusser-Schnarrenberg, vom 28. Februar 2012, nebst Anhang „Vier Vorwürfe an Gesetzgebung und Rechtsprechung der evangelischen Kirchen“)
In die gleiche Richtung zielte und zielt auch eine „Initiative für ein gerechtes Kirchenrecht in der evangelischen Kirche in Hessen und Nassau“. Angeschrieben wurden von dieser Initiative der Ratsvorsitzende Dr. Nikolaus Schneider am 16. November 2012 und das Präsidium der Synode der EKD, z.Hd. des früheren Präses Dr. Günther Beckstein, am 1. Juni 2013. Ihre sorgfältig ausgearbeiteten und mit Dokumenten belegten Argumentationen hat die Initiative jetzt noch einmal zusammengefasst und Anfang April 2014 unter der Überschrift: „Die evangelische Kirche missachtet rechtsstaatliche und innerkirchliche Grundwerte“ der neuen Präses der Synode, Frau Dr. Irmgard Schwaetzer, zugesandt.
In Württemberg hat die „Interessengemeinschaft Rechtsschutz für Pfarrerinnen und Pfarrer und Gewaltenteilung in der Kirche“ in jüngster Zeit mehrere Beiträge in ihre Home-Page (www.igrechtinderkirche.de) gestellt, in denen die Frage nach der Geltung der Grundrechte auch für Pfarrpersonen deutlich artikuliert wird.
Weiter: Anlässlich der Berufung des früheren Verfassungsrichters Udo di Fabio zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 hat sich Frau Professorin Dr. Gisela Kittel noch einmal zu Wort gemeldet und ihre Kritik an den Widersprüchen und befremdlichen theologischen Implikationen des Verfassungsurteils aus dem Jahr 2008 (Teil II, Abschnitt 2) wiederholt. Einer der drei Richter war damals Herr Udo di Fabio. (Anlage 3. Erscheint Mitte Mai im DtPfBl)
Zuletzt hat sich in diesen Tagen der Pastoralpsychologe und Pfarrer Dr. Traugott Schall zu Wort gemeldet und das Vorkommen der psychologischen und in keiner Weise justitiablen Begriffe „Vertrauen“ (bzw. Vertrauensentzug) und „Zerrüttung“ in einem kirchlichen Gesetzestext ins Visier genommen und deren Interpretation durch Juristen deutlich hinterfragt. Der Titel: „Ade, Freiheit der Verkündigung und Seelsorge“. (Anlage 4. Erscheint vermutlich im Oktober im DtPfBl)
Dies, Herr Oberkirchenrat Frehrking, ist nur ein Ausschnitt aus der kritischen Auseinandersetzung mit dem Pfarrdienstgesetz, die noch immer anhält. Befeuert wird diese Diskussion immer wieder neu durch Erfahrungen, wie dieses Gesetz in der Praxis angewendet wird und welch unheilvolle Folgen es  nicht nur für die betroffenen Pfarrpersonen, sondern auch für die Gemeinden hat, die das Wegmobben ihrer Pfarrer erleben. In vielen Fällen wird überhaupt erst durch die kirchenamtlichen Maßnahmen ein Konflikt in Gemeinden hineingetragen, in jedem Fall aber werden mögliche bestehende Konflikte durch sie nur noch verstärkt.
II Einladung zu willkürlicher Anwendung
Aufgezählt seien hier unsere Kritikpunkte, die sich durch Wahrnehmung und Begleitung zahlreicher Abberufungsverfahren ergeben und immer mehr verdichtet haben.
1. Es handelt sich bei den Abberufungen nach § 79 (2)5 und § 80 (1) nicht nur um „Versetzungen“ in andere gleichwertige Stellen. Nach §§ 83 (2); 84; 92 (2) werden Pfarrerinnen und Pfarrer in den Wartestand versetzt, „wenn eine Versetzung in eine andere Stelle nicht durchführbar ist“. Der Wartestand dauert drei Jahre. Während dieser Zeit werden die Versetzten mit einem „Wartegeld“ versorgt, das, nach Landeskirchen verschieden, zwischen 50% und 80% des bisherigen Gehaltes ausmacht. Sie müssen für zugewiesene Vertretungsdienste zur Verfügung stehen und sollen sich, wenn nicht weitere Einschränkungen verhängt sind, auf freie, ihrer Ausbildung entsprechende Stellen im Kirchendienst bewerben. Bleiben diese Bewerbungen jedoch ohne Erfolg – denn welcher durch ein Abberufungsverfahren stigmatisierte Pfarrer hat noch eine Chance gewählt zu werden, wenn auch andere Bewerber zur Verfügung stehen oder eine initiierte Buschtrommel vor seiner Person warnt? – so endet die berufliche Existenz der aus ihren Gemeinden vertriebenen Pfarrer und Pfarrerinnen im Ruhestand, ganz gleich wie alt oder jung sie sind.

2. Damit bewirkt dieses Gesetz eine „Bestrafung“ ohne Schuldnachweis. Denn wenn auch Kirchenjuristen nicht von „Strafe“ sprechen wollen, sondern in den negativen Folgen für die Betroffenen nur eine Art „Kollateralschaden“ erblicken (vgl. den Begründungstext zu § 80 (1)), so entsprechen die beschriebenen Konsequenzen doch sehr deutlich einer hohen Disziplinarstrafe, wie sie etwa das Disziplinarrecht der EKD für erhebliche disziplinarische Vergehen vorsieht. In den hier besprochenen Fällen aber treffen diese Bestrafungen Personen, von denen das Pfarrdienstgesetz (§ 80(1)) ausdrücklich feststellt, dass die Gründe für die Konflikte, die in der Gemeinde entstanden sind, „nicht im Verhalten oder in der Person der Pfarrerin oder des Pfarrers liegen (müssen)“.
3. Wahrscheinlich sollten einmal alle an Konflikten beteiligten Personen durch den genannten Beisatz geschützt werden. („Schmutzige Wäsche“ soll nicht gewaschen werden, wie man immer wieder hört.) Doch in der Praxis hat auch diese Bestimmung eine ganz andere Wirkung. Sie ermöglicht, dass ohne Untersuchung, ohne Konfliktklärung, ohne Wahrheitsfindung Pfarrpersonen aus ihren Ämtern entfernt werden, da ja nun – wie es in der Begründung zu § 80 wiederholt heißt – alle Fragen nach Ursachen, Inhalt und den Verantwortlichen für einen Gemeindestreit „völlig unerheblich“ sind. Zitat: „Allerdings ist auch festzuhalten, dass es letztendlich unerheblich ist, wer die Zerrüttung und Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zu verantworten hat oder verschuldet hat. Die Versetzung ist auch dann zulässig, wenn die Gründe für die Zerrüttung nicht in dem Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers liegen; ebenso, wie sie im Charakter oder Verhalten der Pfarrerin oder des Pfarrers gegeben sein können, können die Gründe für eine Zerrüttung auch in dem Charakter oder Verhalten von Presbytern, Amtsbrüdern, kirchlichen Mitarbeitern oder Gemeindegliedern liegen. Eine Prüfung der Frage, wer oder was dem derzeitigen Pfarrer die gedeihliche Führung des Pfarramts unmöglich macht, verbietet sich im Allgemeinen, weil diese Frage als solche unerheblich ist.“ (Aus dem jetzt „nichtamtlich“ genannten Begründungstext der EKD)
4. Damit ist Kirchenvorständen, aber auch Gemeindegruppen, die sich wegen irgendeiner Sache über ihren Pfarrer, ihre Pfarrerin geärgert oder sie zu ihren Sündenböcken erklärt haben, ein ganz einfaches und bequemes Mittel in die Hand gegeben, eine Pfarrperson zu vertreiben. Auch Superintendenten können einem Pfarrkollegen, den sie nicht mögen, mit leichtem Instrument übel mitspielen. Mögen die Paragraphen über das Vorgehen bei „lang anhaltender Störung“ auch als „ultima ratio“ ausgegeben werden, damit in nicht mehr anders zu lösenden Konfliktfällen eine Trennung herbeigeführt werden kann, – in der kirchlichen Praxis geben sie die rechtliche Möglichkeit an die Hand, immer schon als „prima ratio“ eingesetzt zu werden.
Als ein trauriges Beispiel aus jüngster Zeit sei hier das Verfahren genannt, das die evangelisch-lutherische Kirche von Hannover gegen den Gemeindepfarrer einer Kirchengemeinde im Emsland gegenwärtig betreibt. (Das Verfahren findet bereits auf der Grundlage des Pfarrdienstgesetzes der EKD von 2010 statt.) Die Fakten, die bei der öffentlichen Gerichtsverhandlung in Hannover zur Sprache kamen, seien hier aufgeführt:
Am 8.11.2012 bringt der in einer Kirchenvorstandssitzung anwesende Superintendent außerhalb der Tagesordnung das Gespräch auf die Arbeit des Pfarrers und fordert die Kirchenvorsteher – die in ihrer Mehrheit erst  5 Monate im Amt sind und auch erst 5 Kirchenvorstandssitzungen erlebt haben – dazu auf, ihre Kritik an dem Pfarrer zusammenzutragen. Dieser selbst wird währenddessen auf den Flur geschickt. Zu einer Aussprache über die Kritik kommt es mit ihm nicht. 4 Tage später beantragt der Superintendent im Einvernehmen mit den Kirchenvorstehern bei der Kirchenleitung, ein Verfahren wegen „mangelnden gedeihlichen Wirkens“ bzw. „einer nachhaltigen Störung in der Wahrnehmung des Dienstes“ gegen den Gemeindepfarrer einzuleiten. Dies geschieht am 27. Januar 2013, drei Monate nach der Antragstellung. Bis zu diesem Datum arbeitet der Pfarrer mit seinem Kirchenvorstand störungsfrei weiter. Doch scheint den Kirchenältesten verboten worden zu sein, das Konfliktfeld mit dem Pfarrer zu besprechen. In der Gemeinde gibt es keine Konflikte. Sie ist ahnungslos und wird von der plötzlichen Beurlaubung ihres Pfarrers völlig überrascht. 5 Monate später kommt dann im Sommer 2013 das Abberufungsverfahren zum Abschluss, der Pfarrer wird in den Wartestand versetzt und mit einem gesonderten Auftrag mit entsprechender Gehaltsabsenkung in drei Altenheimen an anderen Orten beschäftigt. Ist das die „Ultima ratio“, die die Beibehaltung und Anwendung des Ungedeihlichkeits- oder Störungsparagraphen rechtfertigt?

Bei der Verhandlung vor dem kirchlichen Verwaltungsgericht am 28. März dieses Jahres waren auch Mitglieder des David-Vorstandes unter den Zuhörern. Sie haben notiert, wie der Vertreter der Landeskirche Hannover den „Tatbestand“ „Vertrauensverlust“ ins Feld führte. Nach seinen Worten ist das fehlende Vertrauen eines Kirchenvorstandes bzw. die entsprechende Behauptung eine ganz subjektive Sache, die nicht mehr hinterfragbar ist. Man muss solchen Aussagen einfach nur „glauben“. Aber solche Behauptungen führen laut PfDG EKD §§ 79ff direkt zu Versetzungen und damit zu Wartestand, Gehaltsreduzierung und häufig auch zum Berufsende der betroffenen Personen! (vgl. Anlage 5: Bericht von Frau Prof. Dr. Kittel an den Leiter der Rechtsabteilung des Kirchenamtes der EKD, Dr. Christoph Thiele.)

5. Noch ein fünfter Punkt sei hier hinzugefügt: Das Pfarrdienstgesetz in seinen §§ 79ff kann nicht nur als bequemes Rechtsmittel eingesetzt werden, um Pfarrpersonen, die in einen Konflikt hineingezogen oder geraten sind, ohne rechtsstaatliche Standards ihrer Ämter zu entheben, es kann auch schon im Vorfeld als Drohmittel dienen, um „freiwillige“ Abgänge zu erzielen. Der Kirchenstreit in der Taunusgemeinde Burgholzhausen, in dem die Gemeinde für ihren Pfarrer gegen den Kirchenvorstand – allerdings vergeblich – gekämpft hat, ist dafür ein eklatantes Beispiel, das in naher Zukunft ausführlich dokumentiert werden wird. Aus Furcht vor den angedrohten Verfahren mit der damit verbundenen Stigmatisierung, die einen Wechsel in ein anderes Amt nahezu unmöglich macht, gehen viele Pfarrpersonen lieber freiwillig aus der ihnen anvertrauten Gemeinde heraus oder lassen sich – so oftmals in früheren Zeiten – vorzeitig pensionieren. In den Statistiken der EKD kommen diese Fälle der erpressten Rückzüge in Wartestand oder vorgezogenen Ruhestand natürlich nicht vor, obwohl sie an Zahl die stattfindenden Abberufungen noch einmal deutlich übersteigen dürften.

6. Nach Kenntnis des Vereins D.A.V.I.D. hat es seit seinem Bestehen, also in den letzten 15 Jahren, EKD-weit bis zu 400 Ungedeihlichkeitsverfahren, zumindest deren Androhungen, gegeben. Über die Hälfte sind von Mitgliedern des Vereins – z.T. über mehrere Jahre – aktiv begleitet worden. Darüber hinaus ist aber von einer noch höheren Dunkelziffer auszugehen, da in der Vergangenheit betroffene Pfarrpersonen sich nicht mehr äußern, die Türen fest hinter sich verschlossen haben.

Sehr geehrter Herr Oberkirchenrat Frehrking! Wenn Sie Mitte Mai Ihre Tagung in Pullach halten, so möchten wir Sie dringend bitten, auch diese Auswirkungen in die Praxis der evangelischen Gemeinden hinein mit in den Blick zu fassen. Die angefügten Anlagen mögen Ihnen dazu eine Textgrundlage bieten.

Mit freundlichen Grüßen!

Ingrid Ullman            Sabine Sunnus                Dr. Karl Martin
Vorsitzende des Vereins    Stellvertretende Vorsitzende        Schriftführer des Vereins
D.A.V.I.D. gegen Mobbing    des Vereins D.A.V.I.D.            D.A.V.I.D. gegen Mobbing
in der evangelischen Kirche    gegen Mobbing in der ev. Kirche    in der evangelischen Kirche

D.A.V.I.D. – Ingrid Ullmann, Brabanter Str. 12, 65191 Wiesbaden

Das Schreiben ist gerichtet
An
Herrn Oberkirchenrat
Christian Frehrking
Lutherisches Kirchenamt der VELKD,
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover

In Kopie an:

Herrn Oberkirchenrat
Dr. Christoph Thiele
Kirchenamt der EKD
Herrenhäuser Str.12,   30419  Hannover

Herrn Dr. Friedrich Hauschildt
Kirchenamt der VELKD
Herrenhäuser Str. 12, 30419 Hannover

Die Leitenden Juristen in den Kirchenämtern
der evangelischen Landeskirchen

Herrn Rektor PD Dr. Detlef Dieckmann-von Bünau
Theologisches Studienseminar der VELKD
Bischof Meiser Straße 6, 82049 Pullach

Internet: www.david-gegen-mobbing.de; E-Mail: info@david-gegen-mobbing.de

Von einer Gerichtsverhandlung im Landeskirchenamt in Hannover in Sachen „Ungedeihlichkeit“

03.04.2014

Ich habe am 28. März 2014 eine Gerichtsverhandlung im Landeskirchenamt in Hannover in Sachen „Ungedeihlichkeit“ miterlebt und das Auftreten des Oberkirchenrats Brosch der evangelisch-lutherischen Landeskirche von Hannover beobachtet. Eine seiner abenteuerlichen Argumentationen möchte ich hier öffentlich machen. Es heißt bekanntlich im Pfarrdienstgesetz der EKD § 80, dass eine Zerrüttung zwischen Pfarrperson und Gemeinde auch dann gegeben sei, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen einem Kirchenvorstand und einer Pfarrperson zerstört ist. Doch wie geht das – vor allem dann, wenn der neue Kirchenvorstand erst wenige Monate im Amt ist und es überhaupt erst 5 Kirchenvorstandssitzungen gab? Für Kirchenrat Brosch, den Beauftragten des Landeskirchenamtes in Hannover, überhaupt kein Problem: Vertrauen kann auch ganz schnell entzogen werden und ist dann nicht wieder aufzubauen. Kirchenälteste müssen nur behaupten, dass sie kein Vertrauen mehr zur Pfarrperson haben, dann ist die Zerrüttung gegeben und die Abberufung eines Pfarrers, einer Pfarrerin fällig. Denn „Vertrauen“ bzw. Entzug von Vertrauen seien eine höchst subjektive Sache und mitnichten irgendwie kritisch zu hinterfragen. Daher kann eine solche Aussage auch nicht von Personen eines Kirchenvorstands rechtsmissbräuchlich eingesetzt werden. Man muss ihr einfach nur glauben.
Erstaunlich, wie sich hier ein Jurist in ein psychologisches Gebiet hineinwagt und abenteuerliche Sprüche von sich gibt. Dagegen sei erinnert, was der Pastoralpsychologe Traugott Schall in seinem Beitrag „Kuckucksei im Pfarrerdienstgesetz“ schon 2011 im Deutschen Pfarrerblatt (Heft 6, S.320) schrieb:

„§ 80 nennt als besonderen Tatbestand, dass „das Vertrauensverhältnis zwischen der Pfarrerin oder dem Pfarrer und dem Vertretungsorgan der Gemeinde zerstört ist und nicht erkennbar ist, dass das Vertretungsorgan rechtsmissbräuchlich handelt“. Mit dieser Formulierung haben „die Eltern“ dieses Gesetzes festgestellt, dass der Entzug des Vertrauens eine Handlung ist. Sie unterliegt der Willkür. Und natürlich ist Vertrauen nicht einklagbar. Vertrauen wird geschenkt. Immer aber sind Gefühle im Spiel, dazu Bewertungen von Erfahrungen. „Ich habe kein Vertrauen zu dir“ ist dabei zunächst eine Art „Totschlags¬phrase“. Sie ist genauso zu bewerten wie „Ich habe Angst“. Aus Supervision, Beratung und Psychotherapie heraus ist die angemessene Reaktion die Aufforderung: „Erzähl mir mehr darüber!“ Der Vertrauensbegriff scheint mir aus psychologischer Sicht als Rechtsbegriff ungeeignet. Er eignet sich vorzüglich zum Etikettenschwindel im Machtkampf und zum Kaschieren von Aggressionen nach erlebter Kränkung.“
Und weiter:
„Zerrüttung hat es wie jede andere Störung einer Beziehung mit Emotionen, mit Gefühlen zu tun. Und Gefühle sind veränderbar, wandelbar, mitunter höchst unbeständig. Psychologische und pastoralpsychologische Kompetenz nimmt eine Störung in einer Beziehung wahr, fragt aber zugleich nach den Einzelheiten dieser Störung. Innerhalb einer zeitlichen Abfolge von Beratungskontakten verändern sich Gefühle. Eheberatung heißt manchmal nichts anderes als Menschen über eine schwierige Zeit bringen und ihnen Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Bei einer Beziehungsstörung in einer Kirchengemeinde ist Ähnliches anzunehmen. … Ich postuliere: Konflikte, bzw. Zerrüttung zwischen Pfarrer und Gemeinde oder „Vertre¬tungs-organ“ ohne vorherige kompetente und geduldige Beratung und Supervision zu regeln, ist einer christlichen Gemeinde und Kirche nicht angemessen.“

Arme Landeskirche, die sich solcher Juristen bedient!
Aber noch schlimmer: Arme evangelische Kirche, die solche Gesetze macht!
Robin. Zur Quelle.

Ehemaliger Chefredakteur Brender spricht über den politischen Einfluss der Parteien auf das ZDF

Nikolaus Brender, ehemaliger Chefredakteur des ZDF spricht in einem Interview mit Tilo Jung über den Einfluss der Parteien auf den ZDF.

Dieser politische Einfluss führte zu seinem Ausscheiden als Chefredakteur und dem jüngst ergangenen Urteil des Bundesverfassungsgericht.

Sehr prägnant beschreibt Brender, wie die Strukturen die Mitarbeiter zu Loyalitätskonflikten führen. Die Vorgaben der Politik kollidieren mit den Selbstansprüchen der journalistischen Arbeit. So beklagt Brender, dass er kritische Berichterstattung gegen Politiker durchsetzen musste, was auf Dauer kraft kostet. Besonders interessant ist der Abschnitt ab 17:32. Hier spricht er über die Wahl, bei der er überraschend nicht gewählt wurde. Der Grund war angeblich eine zu geringe Quote bei den Nachrichten. Brender entgegnet, dass die Quote vorher keine Vorgabe war. Er hätte sie nach eigenem bekunden mit boulevardesken Themen jederzeit erhöhen können. Entschied sich aber dagegen.

Vielleicht erkennt sich der ein oder die andere PfarrerIn mit einem Druck zwischen dem eigenen qualitativen Ansprüchen und quantitativen Vorgaben der Kirche wieder.

ELK Hannover: Verkauf von Pfarrhäusern – Sinnvolles „Gebäudemanagement“ oder Verschleuderung von „Tafelsilber“?

9. April 2014
(2)    Obwohl die EKD frühzeitig die Landeskirchen aufforderte, die Rahmenbedingungen für Pfarrhäuser zu verbessern, mussten alle Gemeinde-PastorInnen in den Jahren 2002 bis 2009 zu unrecht mehr als 10 Mio. €  zu viel an DW-Vergütungen und ungefähr den gleich hohen Betrag an DW-Steuern zahlen, weil das LKA trotz ausdrücklicher EKD-Mahnung die höchstrichterliche Rechtsprechung seit 2002 ignoriert hatte. Erst nach zähen Verhandlungen konnten wir dann neben der FA-Rückerstattung der zu viel gezahlten DW-Steuern für 2002 bis 2009 auch die landeskirchliche Rückzahlung von ca. 5 Mio. € überzahlter DWV für 2007 bis 2009 erreichen. Die rechtswidrig überhöhten DWV für 2002 bis 2006 hat die Landeskirche leider nicht erstattet. Zudem müssen wir immer noch die ärgerliche Schönheitsreparatur-Pauschale (24.000 € in 35 Dienstjahren) und die Garagenmiete (mindestens 12.600 € in 35 DJ) für unsere PKW zahlen, obwohl wir diese aufgrund der Bereitstellungszeiten vor allem als Dienstwagen nutzen.
(3)    Erst 2006 konnten wir bei schadstoffbelasteten Pfarrhäusern eine LKA- Anweisung durchsetzen, die leider oft nicht beachtet wird, sodass KollegInnen immer wieder mühevoll und langwierig die Schadensbehebung allein erkämpfen müssen. Mehr dazu.

Vergleichbare Aktionen in anderen Landeskirchen.

Empfangend leben. Auf dem Weg zu einem wohltuenden Dienst im Pfarramt. Von Prälat i. R. Dr. Helmut Barié.

„Ruht ein wenig!“ (Mk 6,31) ist das unbekannteste Gebot Jesu. Wer darauf hinweist, blickt in verblüffte Gesichter. Das soll Jesus gesagt haben? Bei uns stehen andere Gebote im Vordergrund. Etwa: „Gebt ihr ihnen zu essen!“ (Mk 6,37) Jesu Anweisung an die Apostel: „Geht ihr allein an eine einsame Stätte und ruht ein wenig“ passt nicht zu einer Kirche, die meint, „Aktivitäten“ vorweisen zu müssen. Sie liegt auch quer zur 2006 formulierten Zielvorstellung im Impulspapier des Rates der EKD: „Im Jahre 2030 haben sich bei den kirchlich Mitarbeitenden Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft … signifikant erhöht.“ (Kirche der Freiheit. Perspektiven für die Evangelische Kirche im 21. Jahrhundert, S. 63)
„Ruhet ein wenig“ sagt Jesus, weil die Lage seiner Mitarbeiter durch den Satz gekennzeichnet ist: „Sie hatten nicht Zeit genug zum Essen.“ (Mk 6,31) Wie tröstlich, dass Jesus seinen Mitarbeitenden verwehrt, sich selber auszubeuten bis zum „geht nicht mehr“. Er sorgt für ihr leibliches Wohl. Nach hartem Einsatz im Kampf gegen Elend brauchen sie Ruhe. Nach der Anspannung im Gespräch mit Schwermütigen und Verzweifelten brauchen sie Entspannung. (Mk 6,12f) So wird „Kirche der Freiheit“ erlebt! In einer Kirche der Freiheit wird mir durch wohltuende Sätze die Freiheit von Zwängen zugesprochen. Wo wir indessen in der Kirche einander ein schlechtes Gewissen machen, entgleitet uns das Evangelium als befreiende Botschaft.

Wechselseitige Unterhaltung und Tröstung
Das Evangelium kann sich keiner selbst sagen. In den Schmalkaldischen Artikeln (Die Bekenntnisschriften der evangelisch-lutherischen Kirche, 4. Aufl. Göttingen 1959, S. 449) wird im Artikel „Vom Evangelio“ zu den vier gängigen Gestalten des Evangeliums (mündliche Predigt der Vergebung der Sünde, Taufe, Abendmahl, Beichte mit Absolution) noch die „wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder“ (unter Verweis auf Mt 18,20) hinzugefügt. Durch den Zuspruch des Evangeliums „auch per mutuum colloquium et consolationem fratrum“ ist unseren Unterhaltungen zwischen Brüdern und Schwestern ein heilsamer Maßstab gesetzt. Weil Gott, wie die Schmalkaldischen Artikel sagen, „reich in seiner Gnade“ ist, kann auch das Gespräch zu einem Mittel des Evangeliums werden.
Habe ich das in meinem Beruf als Pfarrer an mir selber erlebt? Durchaus! Etwa als ich betrübt darüber war, vieles nicht zu können, und mir ein älterer Kollege auf den Kopf zu sagte: „Sie sind begabt genug.“
Etwa als in einer kleinen Runde bei einer Pfarrkonferenz ein Teilnehmer, der schon nahe an der Grenze zum Ruhestand angelangt war, offen von seinem Herzklopfen vor Krankenbesuchen berichtete. Durch seine „Beichte“ hat er die Stimmung in der Runde, die vorher durch Schilderungen der überaus tüchtigen „Ruhmredigen“ geprägt war, auf einen Schlag heilsam verändert.
Ich denke auch an eine Konferenz, bei der jeder, der aus seiner Tätigkeit ein Beispiel für „best practice“ vorstellen wollte, zuerst von etwas berichten musste, was ihm gehörig misslungen war. Es gab bei dieser Vorstellung des Missratenen viele entspannte Gesichter, oft wurde geschmunzelt oder befreiend gelacht.
Evangelische Freiheit erlebe ich, wo mir in einer Unterhaltung mit Brüdern und Schwestern der Druck von der Seele genommen wird. Wo ich nicht mehr möglichst gut, am liebsten sogar perfekt sein muss. Zur erlebten Freiheit im Gespräch gehört, dass mich andere nicht mit der beeindruckenden Streitmacht ihrer „Aktivitäten“ und durch Aufzählung ihrer Arbeitsfülle einschüchtern.

Sünder auch in unseren glänzendsten beruflichen Unternehmungen
Wir Pfarrer und Pfarrerinnen müssten gewiss gemacht werden, dass wir gratis gerechtfertigt werden als Sünder, für die Christus eintritt. Und zwar nicht obwohl, sondern weil wir Sünder sind, – auch und gerade in unseren glänzendsten beruflichen Unternehmungen und besten persönlichen Werken. Wo Vergebung der beruflichen Sünden durch die wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder und Schwestern empfangen und geglaubt wird, da herrscht fröhliches Leben statt trockener Pflichterfüllung. Da ist auch Seligkeit. Wir leben in der heiteren Gewissheit, dass uns nichts mehr im Kern unserer Person schaden kann, weil Gott für uns ist.
Von Gerd Theißen habe ich es in einer Predigt zum Reformationsfest 2013 in Pfinztal-Kleinsteinbach aufgrund von Röm 8,31-39 so gehört: Die „Stimme der Gesellschaft“ sagt: „Du musst besser werden. Jeden Tag wollen Optimierungsprogramme uns noch effektiver und produktiver machen. Sie verbreiten vor allem die Botschaft: Du bist nicht gut genug! Keiner kommt durchs Leben, ohne dass ihm irgendwann aufgeht: Hier bin ich überfordert.“ … Die christliche Taufe „vermittelt die Verheißung: Gott bejaht dein Leben, auch wenn in ihm noch so viel schief läuft. Auch wenn du noch so sehr scheiterst, versagst, schuldig wirst und Fragment bleibst. Wir sind alle auf die Gnade Gottes angewiesen.“

In der Heiligen Schrift auch Quietive entdecken, nicht nur Motive
Durch die wechselseitige Unterhaltung und Tröstung der Brüder und Schwestern, die sich am Evangelium als einem heilsamen Maßstab orientieren, wird mir auch der Mut zum „Lassen“ zugesprochen, („Segne unser Tun und Lassen“, EG 163). Ich bekomme „Mut zur Lücke“. Ich entdecke in der Heiligen Schrift nicht nur Motive, die mich zum Handeln treiben, sondern auch Quietive, die mich zur Ruhe kommen lassen. In meinem Denken werden die Quietive zum Gegengewicht für die Motive. Guten Gewissens, genauer gesagt: getrösteten Gewissens, gebe ich etwas aus der Hand und gebe mich an das reine Empfangen hin. Durch Sabbat halten kommt Freude am unproduktiven Genießen der Werke Gottes in mein Dasein. Charles H. Spurgeon meint: „Ein Tag in der frischen Gebirgsluft, ein paar Stunden im Waldesschatten würde vielen unserer geplagten Pfarrer … die Spinnweben aus dem Gehirn fegen.“ (Helmut Thielicke, Vom geistlichen Reden. Begegnung mit Spurgeon, Stuttgart 2. Aufl. 1962, S. 192)

Zur Freude entschlossen, vergnügt genießen
„Spiritualität ist das, was wir für uns selber tun.“ So hat es eine Pfarrfrau auf den Punkt gebracht, als ich, weit ausholend, zu erklären versuchte, was unter „Spiritualität“ zu verstehen sei. Wir tun dann etwas für uns selber, wenn wir empfangend leben, statt ständig gebend zu leben. Eugen Roth (Ein Mensch. Heitere Verse von Eugen Roth, München 1932, S. 36) hat mir durch sein Gedicht „Die Torte“ die Freiheit zum „vergnügten Genießen“ zugesprochen.
„Ein Mensch kriegt eine schöne Torte.
Drauf stehn in Zuckerguss die Worte:
,Zum heutigen Geburtstag Glück!‘
Der Mensch isst selber nicht ein Stück,
Doch muss er in gewaltigen Keilen
Das Wunderwerk ringsum verteilen.
Das ,Glück‘, das ,heu‘, der ,Tag‘ verschwindet,
Und als er nachts die Torte findet,
Da ist der Text nur mehr ganz kurz.
Er lautet nämlich nur noch: .. ,burts‘ ..
Der Mensch, zur Freude jäh entschlossen,
Hat diesen Rest vergnügt genossen.“

Pfarrer und Pfarrerinnen, welche die Vorstellung im Griff hat, sie müssten stets „ringsum verteilen“, brauchen einen Kollegenkreis, der sie von dieser zwanghaften Idee frei spricht. Dietrich Bonhoeffers viel zitierte Formel „Die Kirche ist nur Kirche, wenn sie für andere da ist“ (Widerstand und Ergebung. Briefe und Aufzeichnungen aus der Haft, hg. von Eberhard Bethge, München 11. Aufl. 1962, S. 261) hat viel Gutes gestiftet. Menschen wurden darin bestärkt, sich für andere einzusetzen und nicht zuerst an sich selbst zu denken. Bonhoeffers Formel hat leider auch seelisches Unheil angerichtet, wenn jemand meinte, er habe nur ein Existenzrecht, wenn er für andere da ist. Dann musste er sich ängstlich den Puls fühlen, ob er sich denn auch wirklich genug für andere eingesetzt habe und einsetze. Wer redlich ist, wird merken, dass es nie so ist, wie es sein sollte. Und wer – um Eugen Roths Gedicht aufzugreifen – seine ganze Geburtstagstorte Stück für Stück an andere verteilt, bleibt am Ende doch enttäuscht zurück. Es sei denn, er entschlösse sich zu Freude und genösse vergnügt sein Teil am Kuchen.
Nach meiner Erfahrung in der Seelsorge an Pfarrerinnen und Pfarrern ist beharrliche Überzeugungsarbeit in der wechselseitigen Unterhaltung nötig, auch tröstlicher Zuspruch von Bibelworten, um auf dem Weg zu einem empfangenden Leben voranzukommen. Wo wir mit materiellen und geistigen Gaben, auch mit Gaben des Glaubens beschenkt werden, dürfen wir zunächst einmal dankbar annehmen.
Der eindrucksvollste Satz, den ich in den letzten drei Jahrzehnten in einer theologischen Zeitschrift gelesen habe, stammt von Hans-Martin Barth: „Nicht im Weggeben, sondern im dankbaren Annehmen liegt das erste Gebot, das sich uns mit Gottes guten Gaben verbindet. Im Neuen Testament steht: ‚Nichts ist verwerflich, das mit Danksagung empfangen wird.‘ (1. Tim 4,4) Im Danken wird dem Menschen bewusst, was er hat und wer er ist.“ (Verschwenden. Eine theologische Kategorie? Pastoraltheologie 79, 1990, S. 513) Freilich gilt das nicht nur für mein Danken. Auch wenn andere mir danken, wird mir bewusst, was ich habe und wer ich bin.

Thank you Pastor
Bei einer USA-Reise habe ich am Schriftenstand einer Kirche eine Grußkarte entdeckt, mit der Gemeindeglieder ihrem Pfarrer Dank sagen konnten. Auf der Karte war u. a. zu lesen: „Thank you Pastor. Thank you for taking things of Jesus and imparting them in such a loving way. It is truly a joy to have a pastor whose life reflects the blessing of the Lord.“ Dazu wurde auf 1. Thess 3,9 verwiesen.
Etwas Vergleichbares habe ich in Deutschland nie gefunden.
Sagen wenigstens die Kirchenältesten noch Dank? Eine badische Dekanin und ein badischer Dekan haben auf der Dekanekonferenz am 28.01. 2013 vorgetragen: „Die Grundbefindlichkeit vieler Ehrenamtlicher ihren PfarrerInnen gegenüber ist nicht mehr (wie früher) dankbar, sondern kritisch. Es herrscht eine Hermeneutik des Misstrauens und Verdachts vor.“ (Marlene Schwöbel-Hug und Markus Engelhardt, Blitzlichter zur Situation des (Gemeinde-) Pfarrberufs, Badische Pfarrvereinsblätter 9, September 2013, S. 337)
Mancher mag das für überspitzt halten. Es sei ihm gegönnt, wenn er für seinen Teil eine bessere Erfahrung macht. Aber es lohnt sich, über die Beobachtung der Dekanin und des Dekans nachzudenken. Könnte es nicht sein, dass das kirchliche Reden von einer „Kultur der Wertschätzung“ gerade verdeckt, dass es hinten und vorne an Wertschätzung fehlt?
Wo Pfarrer und Pfarrerinnen für die Talente, die sich in ihrem Wirken zeigen, für die Qualität ihrer Arbeit und für die gewinnenden Seiten ihres Wesens wenig Dank von Gemeindegliedern und Vorgesetzten empfangen, wird es umso mehr darauf ankommen, dass das Danken in der wechselseitigen Unterhaltung der Kollegen und Kolleginnen geschieht.
Freilich hat Erhard Domay (Und es lohnt sich doch. Tagebuch eines Pfarrers, Gütersloh 1977, S. 37) eine Dekanatspfarrkonferenz „sterbenslangweilig“ genannt. Seine Bilanz: „Unerträglich, wie selbstverständlich Pfarrer einander jegliche Anerkennung verweigern können, wie ängstlich sie sein können, wenn es um das Zugeständnis von Defiziten geht, wie misstrauisch, wenn ein anderer ein Verständnis vom Glauben hat, das vom eigenen abweicht!“ (S. 38) Diesem Satz wird mancher zustimmen.

Was ist zu tun? Ich sage es in direkter Anrede:
Liebe Brüder und Schwestern, macht euch auf den Weg zu einem wohltuenden Dienst im Pfarramt. Schließt euch zu kleinen Gruppen zusammen, die sich im Sinne des Abschnitts „Vom Evangelio“ der Schmalkaldischen Artikel wechselseitig unterreden. Worum soll es dabei gehen? Was kann man dabei empfangen? Mit fünf Kollegen habe ich über Jahre hinweg eine Wohltat empfangen, die den anderen und mir geholfen hat, im Gemeindepfarramt wohltuend zu dienen. Wir hatten uns bei einem Pfarrkolleg gefunden, trafen uns fortan aus sechs verschiedenen Kirchenbezirken reihum in unseren Gemeinden für einen Tag des Austauschs und wechselseitigen Trostes und nahmen dafür bis zu 200 Kilometer Anreise in Kauf. Das Geheimnis der wohltuenden Unterredung und der wechselseitigen Tröstung lässt sich durch folgende Stichworte charakterisieren:

Redlichkeit im Austausch, Verzicht auf Prahlerei
Dankbares Benennen und Anerkennen der Talente des anderen, auch seiner anderen Frömmigkeit. Was der Kollege kann, brauche ich nicht unbedingt auch zu können. Froh sein über das, was dem Kollegen gelingt. Teilnehmen an seinem beruflichen Leid und seinen Niederlagen. Sich wechselseitig zu den unscheinbaren Diensten ermutigen, von denen nichts in der Zeitung oder auf der Homepage präsentiert werden kann. Defizite eingestehen. Frei werden von der Rechtfertigung durch berufliche Werke. Anregungen empfangen für die persönliche Fürbitte zugunsten von Kollegen, auch für den Dank für deren besondere Art. Auf berufliche Situationen den Grundsatz aus der Jugendzeit der Reformation praktisch anwenden: „Ein Christenmensch ist ein freier Herr über alle Dinge und niemandem untertan.“ (Martin Luther, Von der Freiheit eines Christenmenschen. Ausgewählte Schriften, hg. von Karin Bornkamm und Gerhard Ebeling, Erster Band, Frankfurt am Main 1982, S. 239)
Und wenn sich einer sein Berufsleben zu sehr von Luthers unmittelbar anschließender These „Ein Christenmensch ist ein dienstbarer Knecht aller Dinge und jedermann untertan“ dominieren ließ, war mit ihm die Liebe zu buchstabieren: „Liebe aber, die ist dienstbar und untertan dem, das sie lieb hat.“ (ebd.) Liebe braucht keine Anordnungen von oben; Zielvereinbarungen sind ihr fremd. Pfarrern und Pfarrerinnen ist ein freier Beruf anvertraut. Freilich muss die Freiheit durch uns selber gelebt und entschlossen verteidigt werden.

aus: Pastoralblätter – Predigt – Gottesdienst – Seelsorge: Die Praxis, 2014/04, Kreuz Verlag Freiburg, S. 318 ff

Mit freundlicher Genehmigung des Autors Prälat i. R. Dr. Helmut Barié, 76275 Ettlingen, Heinrich-Magnani-Str. 10, helmut.barie@gmx.de

ELK Hannover: Vertane Chance… Wertschätzung sieht anders aus. Ein Kommentar von Anneus Buisman und Andreas Dreyer.

Kommentar zur halbherzigen Wiederherstellung des A-14 Gehalts für PfarrerInnen

9. April 2014 Buisman/Dreyer
Ganz klar eine Chance vertan, verspieltes Vertrauen wiederzugewinnen und ein Signal der Wertschätzung an ihre Pfarrerschaft auszusenden,  hat die Konföderation mit ihrer halbherzigen, späten und durch quälend lange Diskussionen geprägten Wiederherstellung des A14-Pfarrgehalts für PastorInnen, die nun zum 1.1.2015 (warum nicht früher?) kommen wird, und auch dies erst ab dem 53. Lebensjahr. Früher, bis 1996 wurde schließlich mit Vollendung des 39. Lebensjahres durchgestuft. Der Berg kreißte und gebar eine Maus: Wer diesen äußerst bescheidenen Minimalkonsens jetzt noch als Erfolg hinstellen will, dem kann man nur sagen: er hat die Stimmungslage der Pfarrerschaft, die nicht nur die damalige Kürzung, sondern auch all diese Diskussionen jetzt als Kränkung an ihrer Arbeitsleistung und ihrer Wertschätzung empfinden musste, nicht erkannt… Zum Kommentar.

Dokumentarfilm „Pfarrer“: Glaubensfrage vor der Kamera

14.04.14 BZ

Ein Jahr für Gott und die Kamera: Zwei Dokumentarfilmer haben für den Film „Pfarrer“ Vikare bei ihrer Ausbildung im Predigerseminar der Lutherstadt Wittenberg begleitet – auch eine Berlinerin.

„…In manchen, vor allem kleineren Gemeinden wie Wittstock, ist der Pfarrer  eine unantastbare Institution. Dass auch er einmal anfangen musste, dass er seine Stimme trainieren musste, um die Predigt so voll klingen zu lassen, und dass er vielleicht Zweifel hatte, ob er den richtigen Weg eingeschlagen hat, darüber denken die Menschen selten nach. Auch Borrmann musste singen lernen, gezweifelt hat er nie: „Ich wollte nichts anderes als Pfarrer werden.“

Almut Bellmann zweifelte dagegen schon. Die 31-Jährige ist seit März ordinierte Pfarrerin in Britz. Sie und Björn Bellmann sind zwei der Protagonisten, die der Dokumentarfilm „Pfarrer“ bei ihrer Ausbildung im Predigerseminar in der Lutherstadt Wittenberg begleitet hat. Am Sonntag wurde der Film im Filmtheater am Friedrichshain von den Filmemachern und Protagonisten vorgestellt. Der Kinosaal war voll – auch mit jungen Menschen und nicht nur mit Theologiestudenten… Zum Artikel.

Zerrüttungsprinzip in der Kirche?

Anmerkungen zu einem fragwürdigen Rechtsprinzip und dem Urteil eines Kirchengerichts vom 29.11.2013 von Professorin Gisela Kittel und Hans-Eberhard Dietrich, Dezember 2013


Damit reiht sich diese Entscheidung in die unendlich große Anzahl all der Urteile ein, die seit der Einführung von Ungedeihlichkeit und Wartestand im Jahre 1939 ergangen sind. Damit bleibt aber auch die Kritik an diesem Recht bestehen, die seit mehr als 75 Jahren geäußert wird, insbesondere aber in den letzten 10 Jahren in der Fachliteratur veröffentlich wurde. Um nur ein paar Kritikpunkte beispielhaft herauszugreifen:

+ Es schadet den betroffenen Gemeinden und dem Ansehen der Kirche:
„Kuckucksei im Pfarrerdienstrecht der EKD. Eine pastoralpsychologische Betrachtung einer konfliktträchtigen Regelung.“ Traugott Schall. Deutsches Pfarrerblatt 6/2011.
Kuckucksei

+ Es ist in keiner Weise mit reformatorischem Amtsverständnis vereinbar:
„Wider Kirchenraub und Kläffer. Luthers Ablehnung einer Zwangsversetzung von Pfarrern.“ Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt, 8/ 2008.“
Kirchenraub

Und: „Ohne geistlichen Sinn und biblische Weisung.“ Kirchenrecht darf es nicht ohne Bindung ans Bekenntnis geben. Hans-Eberhard Dietrich. Kirchliche Zeitgeschichte 2/2009.
OhneSinn

+ Es wird von der Kirchenverwaltung als „Unrühmliches Instrument kirchlicher Personalplanung“ missbraucht. „Wartestand – ein unrühmliches Kapitel kirchlicher Personalplanung“. Hans-Eberhard Dietrich. Deutsches Pfarrerblatt 2/2010
UnrKapitel

+ Das Zustandekommen der „nachhaltigen Störung“ wird als Willkür empfunden:
„Ist Willkür theologisch zu begründen? Oder Wie häretisch ist der Wartestand?
Karlheinz Drescher-Pfeiffer, Deutsches Pfarrerblatt 3/2011.
Willkür

Frau Professorin Kittel ist zuzustimmen, wenn sie sagte, dass die Diskussion über die Ungedeihlichkeit trotz des neuen Pfarrdienstrecht weiter gehen muss, und zwar im Interesse der Kirche und der gesamten Pfarrerschaft.
Mehr dazu.

Traugott Schall im Dt. Pfarrerblatt 6/2011 (s.o.):

„Zerrüttung hat es wie jede andere Störung einer Beziehung mit Emotionen, mit Gefühlen zu tun. Und Gefühle sind veränderbar, wandelbar, mitunter höchst unbeständig. Psychologische und pastoralpsychologische Kompetenz nimmt eine Störung in einer Beziehung wahr, fragt aber zugleich nach den Einzelheiten dieser Störung. Innerhalb einer zeitlichen Abfolge von Beratungskontakten verändern sich Gefühle. Eheberatung heißt manchmal nichts anderes als Menschen über eine schwierige Zeit bringen und ihnen Gelegenheit zum Gespräch zu geben. Bei einer Beziehungsstörung in einer Kirchengemeinde ist Ähnliches anzunehmen. … Ich postuliere: Konflikte, bzw. Zerrüttung zwischen Pfarrer und Gemeinde oder „Vertretungsorgan“ ohne vorherige kompetente und geduldige Beratung und Supervision zu regeln, ist einer christlichen Gemeinde und Kirche nicht angemessen.“

 

Klischees über Pfarrgehälter

Dieter Becker bezieht sich in seinem Beitrag auf eine Veröfentlichung der EKHN, die „7 größten Klischees zur Kirchensteuer“.
Dort gibt es einen bemerkenswerten Punkt 4. Dort geht es zwar nicht um Kirchensteuern, sondern um Pfarrgehälter. Und dort heißt es wörtlich:

„4. Klischee: „Das meiste Geld fließt in die Gehälter der Pfarrer“

Ungefähr 75 Prozent der Ausgaben in der EKHN sind tatsächlich die Personalkosten. Die Pfarrer bilden aber nur einen kleinen Teil der Mitarbeiter… Im Haushalt 2014 gehen mehr als 40 Millionen Euro allein in die 600 Kindertagesstätten der EKHN. Weitere große Kostenfaktoren sind aber tatsächlich die Pfarrdienste und die Zuweisungen an die einzelnen Gemeinden.“ Was nun? Handelt es sich nun um ein Klischee oder vielleicht doch nicht oder doch nicht wirklich? Es fehlt ganz offensichtlich immer noch der Mut, klare Zahlen auf den Tisch zu legen. Und damit frühere Behauptungen endlich eindeutig zu korrigieren.

Immerhin zeigt die Überschrift einen gewissen Lerneffekt. Noch vor wenigen Jahren verkündete nämlich die damalige, dann im Amt nicht mehr bestätigte, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN Kopsch  auf der Landessynode (2007), dass die Pfarrgehälter den größte Ausgabenblock des Haushalts darstellen. Woraus sie kausal ableitete, daran müsse dann zuerst gespart werden. Hinter dieser Aussage verbarg sich leider keine höhere Vernunft, sondern schlicht fehlende Logik und nicht vorhandenes Management-Know-How. Als dann das radikale Stellenabbaukonzept der Pfarrstellen 2011 mit der “ Pfarrstellenbessung 2025″ von der Synode beschlossen werden sollte, haben sich einige Theologen zusammen getan und ohne Auftrag für die Synode unter dem Titel „Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft?“ eine Aufklärungsschrift verfasst. Darin wurde der tastächliche Anteil des Pfarrgehälter am Haushaltsvolumen der EKHN für die damals zurückliegenden Jahre auf der Basis der EKHN- Jahresberichte beziffert. Sie lagen bei lediglich 10-12% für den Gemeindepfarrdienst (ohne Versorgungsleistungen). Lesen Sie insbesondere Kp. 1.4. zu speziell dieser Thematik. Diese Wiedergabe (und die Ableitung einiger Kennziffern aus den offiziellen Zahlen der EKHN) wurde damals von den Verantwortlichen als Affront betrachtet. Dieser Realität nähert man sich heute immerhin verbal an: „4.Klischee: „Das meiste Geld fließt in die Gehälter der Pfarrer“.

P.S.: Die Synode hat dann auf der Frühjahrssynode 2012 abweichend vom Entwurf der Kirchenleitung und trotz eindringlich werbender Schlussvoten des Personaldezernenten Bechinger, des Leiters der Kirchenverwaltung Thomas Striegler und last not least des Kirchenpräsidenten Volker Jung die Zustimmung zum radikalen Abbau der Pfarrstellen abgelehnt. Anstelle einer Reduktion von 2% p.a. beschloss sie die Reduktion um nur 1% p.a.

F.S.