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Kirchenmitglieder

„Religion, Religionslosigkeit und Atheismus in der deutschen Gesellschaft? Darstellung auf der Basis sozial-empirischer Untersuchungen“. Von Prof. Gert Pickel, Leipzig.

(EPD), 16. Januar 2014

Soziologe: Religion verliert weiter an Bedeutung

von Christiane Ried

München, Leipzig (epd). Religion wird in der Gesellschaft nach Aussage des Leipziger Religionssoziologen Gert Pickel immer mehr an Bedeutung verlieren. „Eine Rück- oder Wiederkehr des Religiösen lässt sich mit Blick auf empirisches Material nicht finden“, sagte der gebürtige Kronacher bei einer Veranstaltung der Eugen-Biser-Stiftung in München laut Mitteilung. Für nur noch 31 Prozent der unter 35-Jährigen in Westdeutschland spiele Religion eine wichtige Rolle im Leben, in Ostdeutschland seien es nur 20 Prozent.

Hinzu komme, dass sich immer mehr Menschen „neuen Offenheiten“ und „Bastelreligiositäten“ zuwenden, sagte Pickel, der eine Professur an der Theologischen Fakultät der Universität Leipzig innehat. Individualisierte Formen
der Religiosität seien aber häufig temporär und wenig verankert. „Nicht jede Suche nach Lebenshilfe und Orientierung kann als religiös interpretiert werden.“

Während die Zahl der Mitglieder der evangelischen und katholischen Kirche zurückgehe, seien die Anhänger von „bis vor wenigen Jahren kaum sichtbaren“ Religionen angewachsen, sagte der Religionssoziologe. Inzwischen machten die Muslime einen Anteil von fünf bis acht Prozent der Bevölkerung in Deutschland aus…  Zum Beitrag.

Kirchenpräsident Jung/EKHN: Parole „Wachsen gegen den Trend“ hat viel Druck gemacht und keinen Nutzen gebracht. Und: „Niemand wagt heute mehr eine Finanzprognose“

08/2015

„Die Parole „Wachsen gegen den Trend“ habe viel Druck gemacht und keinen Nutzen gebracht.“ Von Pollack zitiert er: „Weil ihr als Evangelische Kirche so gut und flexibel arbeitet hab ihr noch die Stärke, die ihr jetzt habt. In den Niederlanden gibt es keine Volkskirche mehr…“

Jung distanziert sich vom Impulspapier „Kirche der Freiheit“ und der darin enthaltenen „einfachen Formel“ wonach in einem gegebenen Jahr 2030 die Mitgliederzahl und Finanzkraft der Kirche sinken würden: „Niemand wagt heute mehr eine Finanzprognose. Die tatsächliche Entwicklung der Finanzkraft hat sich zum Glück nicht so bestätigt wie prognostiziert. Die Finanzkraft sei nicht nur von der Mitgliederzahl abhängig. Bei guter wirtschaftlicher Situation verzeichnet die ev. Kirche auch bei Mitgliederschwund hohe Einnahmen.“

Meine KP Jung in einem Vortrag vor der Dekanatssynode Darmstadt-Stadt am 12.06.15.

Anm. F.S.: Die geistliche Leitung glaube also nicht mehr an Finanzprognosen. Die Aussage mag für einige des Personenkreises zutreffen. Sie stimmt aber sicher nicht durchgängig. Erst im Juli hörte ich den Vortrag eines Personaldezernenten, dessen Präsentationsfolien noch völlig unberührt von derartigen neuen Erkenntnissen das Reformcredo der Finanzprognose repetierte. Und ob EKD Finanzchef Thomas Begrich seine Prognose-Charts, mit denen er jahrelang Kirchenversammlungen und Reformzirkel belehrte, in den Ordner „Museum Kirchenreform“ ablegt, sei auch noch dahingestellt. Die Formel ist leider so einfach, dass sie in jedes Hirn hineinpasste. Und über mehr als ein Jahrzehnt hin litaneiartig bei jeder möglichen oder unmöglichen Gelegenheit als Frohbotschaft verkündet wurde. Sie wird also noch lange in den Köpfen kirchendepressionsfördernd wirken.

Wichtiger als schnell aus der Depression herauszukommen, ist aber zunächst mal eine klare Analyse. Erkannt wurde von einigen: die Finanzprognosen sind empirisch nicht zutreffend. Das ist aber gar nicht die entscheidende Frage! Die entscheidende Frage, das entscheidende Problem liegt doch darin, dass man darauf, auf Prognosen also,  eine Managementstrategie aufgebaut hat.  Ein solches Managementkonzept wäre auch falsch, wenn die Prognosen eingetroffen wären! Wir erinnern noch einmal die einfache Formel: im Jahr 2030 sind wir Evangelischen viel kleiner (noch 70% Mitglieder). Managementkonzept:  bauen wir doch schon mal heute das Personal entsprechend ab, reduzieren wir doch schon mal heute die Kirchen, Gemeindehäuser, Pfarrhäuser, Kindergärten, Tagungshäuser etc. . Konzentrieren uns auf Kernkompetenzen und Strukturreformen (Peter Barrenstein, McKinsey).  Übertragen auf ein Unternehmen wie VW würde das heißen: auf die (fiktive) Prognose, dass im Jahr 2030 das Absatz des Golf um 30% zurückgeht, hätte VW- Chef Winterkorn schon 2010/2005 angefangen, die Produktionsstätten des Golf drastisch abzubauen. Was wäre daraufhin bei VW  passiert?  Winterkorn hätte seinen Hut nehmen müssen, und zwar sofort. In der Kirche läuft das anders… Verantwortung? War da was…? Die Verantwortlichen gehen eh bald in Ruhestand…

Die alte, einfache, zu einfache Strategie auf der Basis der Prognosen ist also empirisch durch die Kirchensteuerentwicklung falsifiziert. Was aber fehlt ist eine der evangelischen Tradition, der evangelischen Kultur wie auch den Anforderungen der heutigen Zeit (digitale Welt) angemessene Kirchenstrategie. Man darf gespannt sein, wie lange es braucht, bis eine solche entwickelt sein wird. Erst mal sind wir ja mit dem Reformationsjubiläum beschäftigt. Danach…?

Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung. Erinnerung an eine noch immer ausstehende Veröffentlichung der EKD oder: Das Deutungsmonopol der KMU-Interpreten bis 2015.

08/2015

Von: Herbert Dieckmann, Deutsches Pfarrerblatt – Heft: 12/2014

Grundsätzlich stellt uns diese erste Vorveröffentlichung von Das Deutungsmonopol der KMU-Interpreten bis 20152014 zur KMU V, die bereits im Jahre 2012 durchgeführt wurde, vor ein Dilemma: Im zweiten Jahr nach der Befragung werden der kirchlichen und der gesellschaftlichen Öffentlichkeit dankenswerterweise erste Interpretationen von ausgewählten Ergebnisse vorgelegt. Doch leider ist diese Deutungsauswahl nicht – wie sonst bei vergleichbaren Untersuchungen üblicher Standard – kritisch überprüfbar, weil bis 2015 sowohl die verwendeten Fragebogen wie vor allem die vollständigen Befragungsergebnisse nicht öffentlich zugänglich sind, so die Auskunft des SWI der EKD im August 2014.

So kann z.B. auch nicht die nahe liegende Frage geklärt werden, inwieweit die zahlenmäßig nicht repräsentative Auswahl von 2154 Befragten (60%) aus den westlichen Bundesländern und von 873 Befragten (40%) aus den östlichen Bundesländern das Befragungsergebnis kirchlich wie gesellschaftlich unzulässig verzerrt, da das Zahlenverhältnis für die Bevölkerung West zu Ost etwa 81% zu 19%, für die evangelischen Kirchenglieder in West und Ost etwa 89% zu 11% beträgt. Zudem wäre zu fragen, ob das ungleiche Zahlenverhältnis von Evangelischen und Konfessionslosen im Westen von 33% zu 25% (davon 73% früher Kirchenmitglieder!) und im Osten von 19% zu 75% (davon nur 35% früher Kirchenmitglieder!) in der gesellschaftlichen Umgebung der jeweiligen Landeskirchen und Gemeinden nicht ein ganz unterschiedliches religiöses Klima hat entstehen lassen, mit erheblichen Folgen z.B. für die Frage nach der sozialen Selbstverständlichkeit oder Begründungspflicht für die Zugehörigkeit zur Evangelischen Kirche….
aus: Die neue Kirchenmitgliederbefragung als Lernchance für unsere Kirche
Von der Schwierigkeit, ein liebgewordenes Tabu aufzugeben.

Der vollständige Artikel.

 

 

„Die Zahl der Studierenden reicht zur Zeit nicht aus, um zukünftig die Pfarrstellen zu besetzen.“ EKHN: Zentrale Information zur Lage der Landeskirche via Kollektenabkündigung (!) mitgeteilt.

Am 02.08. wurde den Gemeinden der EKHN eine zentrale Information mitgeteilt: die Pfarrstellen werden in Zukunft nicht mehr besetzt werden können. Noch in der Herbstsynode 2014 klang das ganz anders: „Allerdings voller Enthusiasmus verkündigte jüngst OKR Jens Böhm als Nachfolger von Dr. Bechinger den staunenden Synodalen während der Herbstsynode 2014 bei seiner ersten Stellenplanrede zum Haushalt eine frohe Botschaft: Die Zahl der Theologiestudierenden auf der Liste der EKHN hat sich erhöht! Unterlegt mit einer grünen (damit wahrscheinlich seiner Hoffnung Ausdruck verleihenden) Grafik und einer steil nach oben zeigenden Kurve wurde die Erhöhung vom Jahr 2013 mit 262 Studierenden auf sage und hier schreibe 269 in 2014 gefeiert.“ so ein Artikel in den Wort-Meldungen. Diese Euphorie ist nun wohl verflogen. Die Synodalen werden nun vielleicht erwarten, dass ihnen dieser reine Wein ebenfalls eingeschenkt wird.

Was aber weitaus bemerkenswerter ist: dass zentrale Informationen nicht offen an die Kirchengemeinden, etwa zur Beratung in Kirchenvorständen oder Gemeindeversammlungen, weitergegeben werden. Sondern man sich dafür der Kollektenabkündigung bedient.

Dass zudem diese Kollekten zur Werbung für das Theologiestudium dienen, die Gemeinden also durch Kollekten die Versäumnisse der Personalabteilungen der zurückliegenden zwei Jahrzehnte zu finanzieren, das schlägt dem Fass den Boden aus. Wer wissen will, warum die Bereitschaft sinkt, diese Kirche weiter zu finanzieren, der wird an diesem Beispiel gute Gründe für die Verweigerung finden. F.S.

Zum Text der Abkündigung:

„Unsere Kirche hat ein Nachwuchsproblem. In den nächsten
Jahren gehen jedes Jahr 80 bis 100 Pfarrerinnen und Pfar-
rer der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau in den
Ruhestand. Die Zahl von 40 bis 50 Studierenden, die pro
Jahr das Theologiestudium beginnen, reicht aber nicht aus,
um zukünftig die Pfarrstellen zu besetzen…“

aus: Kollektenplan der EKHN, Kollekte Nr. 19 vom 02.08.
2015 9. Sonntag nach Trinitatis

mehr dazu: scrollen auf S. 41:

Kirchenstatistik 2014: „Der Exodus ist noch lange nicht gestoppt“

Pressemitteilung München, 17. Juli 2015

Wir sind Kirche zu den erneut dramatischen Kirchenaustrittszahlen 2014


Der bisherige Verlauf der Familien-Synode hat die zunehmende Entfremdung der Amtskirche von der Lebenswelt der Menschen deutlich aufgezeigt. In Deutschland ist aber auch der weiterhin fortschreitende massive Rückbau pastoraler Strukturen verantwortlich zu machen. Der pastorale Sparkurs mit Pfarreizusammenlegungen und XXL-Gemeinden, weil es immer weniger Priester gibt, ist der falsche Weg und muss schnellstmöglich korrigiert werden. Sind es doch gerade die Gemeinden vor Ort, wo Kirchenbindung entsteht und Gemeinschaft solidarisch gelebt werden kann. Nicht zuletzt dürfte allerdings auch das fehlende „aggiornamento“ der Theologie eine entscheidende Rolle spielen für die schwindende Akzeptanz des christlichen Glaubens…  Mehr dazu.

Das Ende der Kirche wie wir sie kennen Die Kirchenausstritte sind unaufhaltsam. Sie liegen weder am neuen Kirchensteuereinzugsverfahren, noch an konkretem Verhalten der Bischöfe oder des Papstes, sagt Norbert Reck/BR. Sie sind in einem neuen religiösen Selbstverständnis der Menschen begründet.

Stand: 24.07.2015, BR

„Natürlich gibt es nicht die eine Ursache für den massenhaften Auszug aus den Kirchen“, sagt Norbert Reck. „Doch es gibt eine Tiefenströmung, die wahrscheinlich in viele Entscheidungen hineinspielt. Sie existiert schon seit Langem, und sie wird sich auch nicht mehr umkehren.“

Zum Artikel.

 

„Warum Gläubige der Kirche wirklich den Rücken kehren“. Von Mathias Kamann, DIE WELT

Mathias Kamann schreibt in der Welt zu den gründen von Kirchenaustritten: „Warum Gläubige der Kirche wirklich den Rücken kehren“. Seine Analyse stärkt die Bedeutung der Ortsgemeinde.

Die Austrittswelle als Folge des geänderten Einzugsverfahrens der Kirchensteuer auf Kapitalerträge zeigt, dass finanzielle Aspekte eine Bedeutung für die Zugehörigkeit zur Kirche haben. Kamann erklärt die höheren Eintrittszahlen für die evangelischen Kirchen mit dem sozialen Engagement der Kirche. Die Kirchensteuer wird als sinnvolle Investition in die Gesellschaft gedeutet. Die Bereitschaft Kirchensteuer zu zahlen wird dieser Logik nach niedriger, wenn die Kirchen weiterhin einen Großteil für Pensionsansprüche und Verwaltung aufwenden.

Damit die Kirche ihre Gläubigen hält, muss sie nach Kamann ihre Lebensrelevanz beweisen. Das funktioniert nur, wenn Kirche im Alltag als sozialer Raum wirkt.

Fazit: Die evangelischen Kirchen sägen mit ihren Reformen an dem Ast auf dem sie sitzen.

Studie „Religion und Moderne“ von Detlef Pollack und Gergely Rosta: Weder feurige Predigten noch festeres Bekenntnis bremsen den Bedeutungsverlust des Christentums.

23.05.15, Von Matthias Kamann, DIE WELT

An den Predigern liegt es nicht. Dass in Westeuropa das Christentum an Bedeutung verliert, dass es 2014 allein in Deutschland nach vorläufigen Schätzungen mehr als 400.000 Kirchenaustritte gab und immer weniger Neugeborene getauft werden, lässt sich nicht mit der kirchlichen Verkündigung erklären…
Nicht Ärger über Botschaften oder Stellungnahmen der Kirchen lasse das Interesse schwinden. Sondern, dass der Glaube kaum noch Relevanz für das Alltagsleben und die Grundhaltungen der Menschen habe. In ausdifferenzierten Gesellschaften, so die Studie mit dem Titel „Religion und Moderne“ (Campus-Verlag), gebe es einfach zu viele andere Möglichkeiten zur Betätigung und zur Lebensgestaltung….  Zum Artikel.

Kirchenaustritte in Bayern 2014: die „evangelische Kirche in Bayern trifft es besonders hart“.

07/2015, BR


Auch in Bayern ist die Zahl der Kirchenaustritte deutlich höher als im Vorjahr. 2013 traten insgesamt 45.508 Katholiken aus der Kirche aus. 2014 waren es 57.097. Das entspricht einem Anstieg um 25,5 Prozent. Die evangelische Kirche erwischte es noch härter. Nach Auskunft eines Landeskirchensprechers verließen diese 28.400 Personen, 41,5 Prozent mehr als 2013….

Zur Quelle: auf der Seite nach unten scrollen bis zur Überschrift: „Evangelische Kirche in Bayern trifft es besonders hart“.

 

EKD-Ratsvorsitzender Bedford-Strohm: Mehr Menschen treten in protestantische Kirchen ein

Jeder berichtet über die Kirchenaustritte. 60.000 ChristInnen, die in die Kirche (wieder)eingetreten sind, bleiben dabei wenig beachtet. Alleine 50.000 traten in eine protestantische Kirche ein. Für Bedford-Strohm ist es ein Zeichen der Hoffnung. „Diese Leuten hätten „sich in der Regel sehr bewusst mit Glauben und Kirche auseinandergesetzt“, und die Kirche könne „viel von ihnen lernen, weil sie oft auch in besonderer Weise neue Perspektiven und frische Ideen mitbringen“.„

Lesen Sie hier den Artikel in der Welt.