05/2015, von Roland Wolewski
Der ambitionierte Zeitplan für die flächendeckende Einführung der Doppik in der EKHN ab 2016 scheint zu scheitern! Daran konnte auch die hochgelobte, jedoch teure Software mit dem verheißungsvollen Namen „MACH“, was ja irgendwie nach Schnelligkeit und Überschallgeschwindigkeit klingt, nichts ändern – im Gegenteil: MACH scheint mit ein Grund des Absturzes zu sein.
Eigentlich sollte auf der EKHN-Frühjahrssynode (23. – 25.04.2015) das Thema „Doppik“ nur versteckt im schriftlich vorgelegten „Bericht der Kirchenleitung“ unter vielen anderen Themen möglichst geräuschlos abgehandelt werden. Doch dank der Fragen zweier Synodaler in der sog. „Fragestunde“ musste die Kirchenleitung nun doch öffentlich einräumen, dass der avisierte Zeitpunkt einer flächendeckenden Einführung der Doppik ab 2016 wahrscheinlich nicht zu halten ist.
Sogar die von Haus aus kirchenleitungsfreundliche Evangelische Sonntagszeitung berichtet in ihrer Ausgabe am 3.5.2015 in einem eigenen Artikel „Doppik kommt wohl erst später“ über die Missstände:
„Die Software ist fehlerhaft und störanfällig, es werden weiterhin Papierbelege benötigt, weil das Scannen und digitale Verarbeiten nicht funktioniert – die zum 1. Januar 2016 geplante flächendeckende Einführung des kaufmännischen Rechnungswesens in der hessen-nassauischen Kirche muss wegen zahlreicher Pannen in der Testphase vermutlich um mindestens ein Jahr verschoben werden. Finanzdezernent Heinz Thomas Striegler erklärte in der Fragestunde der Synode, wegen der bisherigen Erfahrungen mit der Doppik in zwei Regionalverwaltungen sei ein Festhalten am Termin „nicht zu verantworten“.
Ein hinzugezogenes Beratungsunternehmen habe klargestellt, dass für ein derartiges Vorhaben in der Regel mehr Personal und Zeit erforderlich seien, als von der Kirche zunächst vorgesehen. Vermutlich werde die mit insgesamt neun Millionen € veranschlagte Einführung der doppelten Buchführung nun eine Million € teurer. Der Software-Lieferant habe Vertragsstrafen zahlen müssen, deren Höhe Striegler nicht bezifferte. Wenn alles funktioniere, werde der Aufwand für die Gemeinden aber im Vergleich zum bisherigen System auf ein Viertel reduziert, versicherte er.“
Da bleibt manches im Trüben – von Transparenz kann man nur bedingt sprechen. Auf die schriftlich eingereichte Frage eines Synodalen, was das Projekt Doppik bisher gekostet hat, wurden 3,68 Mio € beziffert.
Jedoch: Kann das stimmen bei den jetzt evident gewordenen Problemen und Verzögerungen? Wieviel hat eigentlich das extra hinzugezogene Beratungsunternehmen verlangt für seine in der Tat weise, aber nicht neuwertige, sondern durchaus zu erwartende Erkenntnis, dass hier personell, finanziell und zeitlich deutlich fehlgeplant wurde und die von der Synode beschlossenen neun Mio € nicht reichen werden? Wann wird Herr Striegler (oder aus optischen Gründen eine von ihm gebriefte, freundliche, hübsch anzusehende Dame seines Hauses wie bei der Grundsatzentscheidung zur Doppik) vor die Synode treten, um bedeutungsschwanger mit beeindruckendem medialen Einsatz bunt glitzernder Präsentations-Charts auf der Großbildleinwand weitere Millionensummen beschließen zu lassen? Vermutlich wird er dies wohlweislich erst vor der neugewählten Synode ab 2016 tun, dann erinnern sich nämlich nicht mehr allzu viele Synodale daran, mit welcher Euphorie und mit welchen Heilsversprechungen die Kirchenleitung das Projekt Doppik trotz ernstzunehmender Warnungen einst der Synode für „nur“ neun Millionen Euro „verkauft“ hat.
Interessant und hilfreich für ein transparentes Vorgehen wäre es auch, zu erfahren, wie hoch die angesprochene Vertragsstrafe für die Softwarefirma MACH ausgefallen ist. Tatsache ist nämlich, dass die ganze jetzt evident werdende Problematik bei der Doppik-Einführung nichts Neues ist. Die EKiR hat diese Erfahrungen mit MACH bereits schmerzhaft hinter sich, verbunden mit extrem steigenden Ausgaben. Unwidersprochen stehen dort mittlerweile 60 Mio. € Einführungskosten im Raum. Aber anstatt seitens der EKHN daraus die Konsequenz zu ziehen und abzuwarten, wie sich das Projekt mit Hindernissen in der Nachbarkirche entwickelt, tappen die EKHN-Verantwortlichen blindlings in dieselbe Misere und verbrennen ohne Not Kirchensteuermittel in Millionenhöhe. Man kann verstehen, dass diese Tatsache nicht unbedingt in die Öffentlichkeit gelangen sollte, denn nach der Tebartz-Affäre sind auch die ev. Christen wacher und sensibler geworden, was mit ihren Geldern geschieht, die sie ihrer Kirche anvertrauen. Ein Doppik-GAU scheint nicht mehr ausgeschlossen zu sein, auch wenn Herr Striegler tollkühne Behauptungen aufstellt, dass sich der Aufwand für die Gemeinden schlussendlich auf ein Viertel im Vergleich zum bisherigen System reduzieren wird. Das Ganze erinnert an einstige Beteuerungen, dass sich der GAU in einem Atomkraftwerk statistisch wohl kaum einzustellen wird. Wohin sich jedoch die vermeintlich sichere Atomkraft entwickelt hat, wissen wir alle seit Fukushima – wohin sich die Doppik zu entwickeln droht, das zeigen die Erfahrungen in der Rheinischen Kirche oder auch im kommunalen Bereich. Der Bericht des Landesrechnungshofes Rheinland-Pfalz von 2008 (!) „Orientierungsprüfung Kommunale Doppik“ spricht Bände. Vielleicht wäre es für Herrn Striegler und seine Mitarbeitenden angesagt, sich diesen Bericht zu Gemüte zu führen, um sich die Augen öffnen zu lassen. In seinem Kommunalbericht bilanziert der Rechnungshof übrigens ein Jahr später (S. 51): „Sowohl die Orientierungsprüfung „Kommunale Doppik“ als auch die Querschnittsprüfung „Kommunale Eröffnungsbilanzen“ zeigten, dass die Einführung und auch die Umsetzung des neuen Rechnungswesens erhebliche personelle und sachliche Ressourcen binden und zu teilweise beträchtlichen zusätzlichen Aufwendungen für Personal, Schulungen sowie Hard- und Software führten. Die mit der Doppik erwartete Verbesserung in der Steuerung und Transparenz der kommunalen Haushalte hat sich hingegen bei den meisten Kommunen bisher noch nicht oder allenfalls ansatzweise eingestellt.“
Jedenfalls fragt man sich angesichts dieser Erkenntnisse, wann der Tag kommen wird, den Herr Striegler schon so eisern und heilsversprechend im Blick hat: „Wenn alles funktioniere…“ Da werden noch manche schmerzhafte Naherwartungsverzögerungen zu verkraften sein – nicht zuletzt auch pekuniär. Bis dahin gilt es deshalb, den neutestamentlichen Ratschlag nicht aus dem Blick zu verlieren: „Seid wachsam!“
In diesem Zusammenhang ist es zu begrüßen, dass nicht nur die beiden Synodalen das Thema für die Fragestunde der Synode aufgegriffen haben, sondern sich auch die Dekanatssynode des Dekanates Bergstraße entsprechend positioniert hat.
In einem Antrag an die Kirchensynode heißt es: „Die Kirchenleitung soll einen Bericht über die Einführung der Doppik vorlegen.“
Zudem lauten weitere Anträge:
Sind wir also gespannt, wie die Synode nun reagiert. Noch ist es nicht zu spät – besser jetzt ein Stopp, als weitere Millionen zu verpulvern. Der „Point of no return“ ist nicht mehr allzu weit entfernt. Und dann wird es richtig teuer! Da wird anstatt Reduzierung Erhöhung angesagt sein. Und ein Viertel von neun Millionen (2,25 Mio.) wird auch Herrn Striegler als Nachschlag bei weitem nicht reichen. Und das bei, seiner Aussage nach, sich nur seitwärts entwickelnden Kirchensteuereinnahmen…