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Prognosen – Zahlen – Algorithmen

Was die Kirche vom Fernsehen lernen kann II: Die Geiselhaft der Quote

Das Fernsehen vereint momentan extreme Gegensätze, die nebeneinander existieren. Biedere Konzepte, die sich in Dauerschleifen wiederholen und kreative, mitreißende, neue Stoffe. Auf der einen Seite kaputtgesparter Diletantismus und auf der anderen große Investitionen mit hoher Qualität.

Es gibt strukturelle Gründe warum sich das Fernsehen parallel unterschiedlich entwickelt. Dabei lassen sich interessante Parallelen zur Lage der Kirche ziehen. Es zeigt sich, das die Kirche die Wahl hat, welchen Kurs sie einschlagen. Daher lohnt der Blick auf das Fernsehprogramm.

In einer Serie werden  9 in Einzelartikeln dargelegte Thesen zur Zukunft von Kirche und Fernsehen entfaltet. Hier sind wir also beim 2. Beitrag .

  1. Qualität kostet Geld
  2. Die Quote ist eine Form der Geiselhaft
  3. Man muss seinem Produkt vertrauen
  4. Gebt den Kreativen die Macht
  5. Es gibt eine Sehnsucht nach großen Erzählungen
  6. Die feste Programmierung ist ambivalent
  7. Erfolg ist da, wo man ihn nicht sucht
  8. Wer seine Kunden/Gemeinde kennt hat Erfolg
  9. Versprechen Sie keine Wunder

Die Gefangenschaft der Quote

Im Zeitalter des öffentlich-rechtlichen Staatsfunks interessierte die Quotejahrzehntelang nicht. Erst seit dem Erstarken der privaten Fernsehsender ist die Quote eine relevante Größe. Sie liefert eine scheinbar objektive Zahl, den Wert der käuflichen Werbeblöcke zu ermitteln.

Zahlen gelten als objektiv und wissenschaftlich und lassen sich hervorragend vergleichen. Jeder weiß, dass vier Millionen mehr sind als drei Millionen.

Wie wenig die Quote mit Wissenschaft und Objektivität zu tun hat, zeigt sich an der Messmethode. Da lange Zeit RTL, Sat1 und Co gegenüber ARD und ZDF im Nachteil waren, wurde die „werberelevante Zielgruppe“ eingeführt. Gemessen werden nur ZuschauerInnen zwischen 14 und 45 Jahren, da jüngere ZuschauerInnen tendenziell das Privatfernsehen schauen. Da die Reichweite in der Zielgruppe sinkt, wird die Neudefinition der „werberelevante Zielgruppe“ diskutiert. Die Quote folgt also eng begrenzten Zielen und manipuliert damit die Wahrnehmung.

Unsäglicher Weise haben sich die öffentlich- rechtlichen Sender der Quote und ihrem Druck angeschlossen. Seit dem ist die Quote das goldene Kalb um das fast jeder Fernsehschaffende tanzt. Für ARD und ZDF ergibt es wenig Sinn sich der Quote auszuliefern. Am offensichtlichsten haben sie kaum Werbezeit zu verkaufen. Aber am wichtigsten: Ihr Auftrag ist keine große Reichweite sondern die Grundversorgung an Bildung, Kultur und Unterhaltung. Dieser Auftrag alleine rechtfertigt eine bundesweite Zwangsabgabe aller Haushalte. Ob das öffentlich rechtliche Fernsehen diesen Auftrag erfüllt, lässt sich also an der Quote nicht erkennen. Besser wäre es Befragungen dergestalt durchzuführen:

Hatte die Berichterstattung im Fernsehen einen Einfluss auf die letzte Wahlentscheidung?

Half das Fernsehen komplexe politische Zusammenhänge zu verstehen?

Wann habe ich Neues vom Fernsehen gelernt?

Die Geiselhaft der Quote beginnt in dem Moment, wo sie das Programm diktiert. Obwohl sie unfähig ist die Erfüllung des Auftrags zu erfüllen, wird das gesamte Programm nach ihr ausgerichtet. Gesendet werden keine interessanten Dokumentationen, sondern Checks in denen Trivialwissen der ZuschauerInnen bestätigt wird. Der Sport wird durch König Fußball dominiert und die politische Berichterstattung findet in boulevardesken Talkshows statt, in denen sich die gleichen Leute mit den selben Phrasen nicht zu Wort kommen lassen.

Die Quote verhindert jegliche Änderung. Sobald die ZuschauerInnen nicht das gewohnte Programm vorgesetzt bekommen, bleiben sie fern. Während neue ZuschauerInnen nicht von Beginn an bemerken, wenn gutes im Programm versteckt wurde. Das Diktat der Quote geht so weit, dass sich Schauspielerin Iris Berben beschwerte, dass sie in Deutschland nur drehen können, wenn Geranien blühen. Sonst befürchten die Sendechefs, dass die Quote ausbleibt.

Die Kirche könnte aus der Geiselhaft der Quote lernen. Zuerst müsste sie sich selber aus der Geiselhaft ihrer Statistiken befreien. Wenn die EKD im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ fordert die Quote der GottesdienstbesucherInnen mehr als zu verdoppeln, befindet sie sich schon in deren Geiselhaft. Dabei sagt die Zahl der Gottesdienstbesucher nichts über den Erfolg der Verkündigung aus. Selbst wenn mehr Menschen einen Gottesdienst besuchen, kann durch de Anpassungen dafür gesorgt werden, dass weniger Impulse mitnehmen oder sich in ihrem Glauben bestätigt fühlen. Genau wie ARD und ZDF benutzt die Kirche quantitative Statistik, während eine qualitative Auswertung ihrem Auftrag eher entspricht. Damit setzt die Kirche Anreize für ein quantitatives Wachstum. Wie ich letzte Woche geschrieben habe, hat die Kirche auch ein qualitatives Problem. Es ist nicht Absicht von „Kirche der Freiheit“ auf Kosten der Qualität zu wachsen. Dennoch begibt sich die Kircheauf ein gefährliches Terrain., wenn sie auf die falschen Zahlen schaut oder schauen lässt. 

Ebenso sind die quartalsmäßigen Zahlen der Kirchenaustritte zu betrachten. Es ist schmerzhaft trotz einem fast universalen Anspruch Mitglieder zu verlieren. Auf die Verluste zu schauen lähmt alle Beteiligten. Die neueste Mitgliederbefragung hat einen Schritt in eine gute Richtung getan. Statt auf die Mitgliederstatistik zu schauen, sollte in den Fokus rücken, wo Kirche ihrem Auftrag gerecht wird. Die Bindung an die Kirche liegt in großem Maßen an der Qualität der persönlichen Begegnung. Die gilt es auszubauen. Die ist aber kaum messbar.

Ein Blick auf diese Statistiken ist zuerst schmerzlich. Wie viele Mitglieder kann die Kirche nicht erreichen? Alle werden es niemals sein. Das schaffen auch nicht die Gewerkschaften, Parteien, Vereine oder das Fernsehen. „Wachstum gegen den Trend“ muss hier anfangen. Es muss ein neuer Trend einer offenen persönlichen Kirche gestartet werden. Leuchttürme können gegen den Trend wachsen. Eine einige Kirche in denen motivierte verantwortliche Personen an der Qualität arbeiten kann einen Trend setzten. Ob das zu einem Wachstum bei den Mitgliedern führt mag ich bezweifeln. Aber diese Statistik interessiert mich nicht als Mitglied und Akteur in der Kirche. Die Momente, wo ich für eine Person im richtigem Moment Dasein kann sind wichtiger als die Reichweite meiner Veranstaltung. Wer der Versuchung falscher Statistiken widersteht, kann den Weg zu wirklichen Reformen finden.

Reformern sind genau das Stichwort für nächste Woche. Dann geht es darum, warum man seinem eigenen Produkt vertrauen muss. Ich werde zeigen, wie panische Reformanstrengungen und immer wieder neues Gegensteuern einen negativen Sog aufbauen. Auch das kann Kirche vom Fernsehen lernen.

Kirchen steuern auf neue Rekordeinnahmen zu

Die Kirchensteuereinnahmen für das laufende Jahr könnten nach den Steuerschätzungen des Bundes einen neuen Rekord aufstellen. Die Einnahmen können nach 3 Rekordjahren noch einmal um vier bis fünf Prozent steigen. Seit 2005 sind die Kirchensteuern bereits um 43% gestiegen

Richtungslos durch die Nacht

Kommentar zum neuen Sparpaket der EKiR

Von Hans-Jürgen Volk

Wohin steuert die Ev. Kirche im Rheinland? In seinem Blog benennt der Präses der Ev. Kirche im Rheinland aus seiner Sicht die Herausforderung: „Diefünfte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung  der EKD zeigt allzu deutlich, dass bei evangelischen Kirchenmitgliedern in der Gesamtheit die Verbundenheit mit der Kirche und die religiöse Sprachfähigkeit kontinuierlich abnehmen. Ein zentraler Grund hierfür liegt in der abnehmenden Breitenwirkung der religiösen Sozialisation, je jünger die Befragten sind, umso seltener geben sie an, religiös erzogen worden zu sein, so die Untersuchung.“ Dieser Analyse müsste eigentlich die Ankündigung folgen, die kirchliche Bildungsarbeit zu verstärken. Schaut man sich die von der Kirchenleitung vorgelegte Streichliste an, so ist genau das Gegenteil der Fall: Allein bei den Schulen in kirchlicher Trägerschaft sollen 4,5 Mio. € eingespart werden. Sogar die Kirchliche Hochschule in Wuppertal steht auf dem Prüfstand. Hier will man 1 Mio. € einsparen. Sollte dies in den Verhandlungen mit den anderen Trägern, der westfälischen und der lippischen Landeskirche nicht gelingen, will man sich aus der Trägerschaft zurückziehen. Dies dürfte dann wohl das Aus für die Kirchliche Hochschule bedeuten. Das „Haus der Begegnung“ in Bonn soll aufgegeben werden, womit man eine weitere Mio. einsparen will. Dies betrifft die Arbeit der Akademie und des PTI. Von den 12,3 Mio. € die eingespart werden sollen, entfallen mit 6,5 Mio. € mehr als die Hälfte auf die kirchliche Bildungsarbeit im engeren Sinne. Philipp Melanchthon dürfte in seinem Grabe rotieren.

Sparen ohne Kompass

Es ist nicht erkennbar, welche theologischen Einsichten oder gar reformatorischen Visionen bei diesem erneuten Umbau- und Sparprogramm handlungsleitend sind. Tatsächlich geht es um’s Geld. Genauer: Man setzt alles daran, die durch den „erweiterten Solidarpakt“ der EKD vorgegebenen Standards im Blick auf die Kapitaldeckung zukünftiger Versorgungsansprüche und die Rücklagenbildung möglichst rasch zu erfüllen. Ob diese EKD-Standards und -Vorgaben sinnvoll sind, ist übrigens bisher von keiner Landessynode wahrgenommen und diskutiert worden.

Der Begriff „Haushaltskonsolidierung“, den die rheinische Kirchenleitung auch in ihrer Vorlage verwendet, ist angesichts dieses Tatbestands irreführend. Es bedarf keiner Frage, dass auch ein Haushalt der Landeskirche am Ende ausgeglichen sein muss. Von einem „strukturellen Defizit“ ist dann zu reden, wenn dieser Ausgleich über mehrere Jahre hinweg nur durch Rücklagenentnahme gewährleistet ist. In der Vergangenheit war dies zweifellos der Fall. Aus diesem Grund wurden die Predigerseminare der EKiR in Bad Kreuznach und Essen ebenso wie das Pastoralkolleg in Rengsdorf geschlossen oder die Immobilie der Ev. Akademie in Mülheim aufgegeben, um nur einige Beispiele zu nennen. Gespart wurde in der Vergangenheit bereits kräftig und schmerzlich. Wie ausgeprägt das angebliche „strukturelle Defizit“ nun tatsächlich ist und ob es angesichts der positiven Entwicklung bei den Kirchensteuereinnahmen überhaupt noch existiert, kann niemand präzise sagen, da auf Grund der NKF-Umstellung seit 2012 keine Haushaltsabschlüsse vorliegen. Zahlen legte die Kirchenleitung 2013 vor, diese basierten aber auf der viel zu niedrig angesetzten Planung mit einem Verteilbetrag von 575,5 Mio. €. Am Ende waren es etwa 620 Mio. €. Trotzdem blieb das von der Sondersynode in Hilden beschlossene Sparvolumen auf willkürliche Weise konstant. Dies legt den Schluss nahe, dass man für die Zukunft Haushalte anstrebt, die erhebliche Überschüsse mit sich bringen. Hiermit will man den Kapitalstock der Versorgungskasse verstärken und die eigene Rücklagensituation verbessern. Durch solch eine Entwicklung würde die landeskirchliche Umlage in Teilen zu einer verdeckten Versorgungssicherungsumlage.

Fragt man nach einem „Leitbild“, dass hinter den erneuten Spar- und Umbauprozessen steht, so wird eine bedrückende Analogie zu shareholder-value-orientierten Konzernen sichtbar, die trotz guter Ertragslage Kosten reduzieren und Arbeitsplätze abbauen. So wird in der KL-Vorlage ein in theologischer Hinsicht entsprechend dünner Kaffee angeboten: „Die Aufgabe der Haushaltskonsolidierung ist auch eine inhaltliche Gestaltungsaufgabe. Bei den (mit den jeweiligen Entscheidungen vorgenommenen) inhaltlichen Positionierungen soll das Wissen leiten, dass die Kirchenbilder vielfältig und die Rolle dieser (pluralen) Kirche in einer (religions-)pluralen und säkularisierten Gesellschaft immer wieder neu zu interpretieren sind. Das theologische Thema der Landessynode 2013 mit dem Motto „Inklusion – Gemeinsam verschieden sein“ beschreibt eine wichtige theologische Grundposition unserer Kirche.“ (S. 5 und 6) Derartige Sätze sind eine noch nicht mal sonderlich liebevoll gestaltete Verpackung um das „Sparpaket“. Sie geben in ihrer Allgemeinheit an Orientierung allerdings gar nichts her. Entsprechend unverbindlich wird die Aufgabe umrissen, die dem ständigen theologischen Ausschuss zukommt: „Um die Verbindung von Auftrag und Handeln nicht aus dem Blick zu verlieren, hat die Landessynode den Ständigen Theologischen Ausschuss beauftragt, den Haushaltskonsolidierungsprozess in besonderer Weise aus theologischer und ekklesiologischer Perspektive zu begleiten.“ (Seite 6) – Diese Sätze sind entlarvend: Theologie darf begleiten und kommentieren, gibt aber keinesfalls die Richtung vor.

Der eigentliche Skandal: wofür das Geld mit vollen Händen ausgegeben wird

Angesichts des Kahlschlags in der kirchlichen Bildungsarbeit, des lieblosen und fachlich unqualifizierten Umgangs mit Einrichtungen wie „dem Haus der Stille“ oder der Behindertenseelsorge, bei der das schöne Ziel der Inklusion missbraucht wird für Einsparungen, ist es unerträglich, wofür in der EKiR das Geld mit vollen Händen ausgegeben wird. Nach den Eckdaten für die Haushaltsplanung 2015 fließen demnächst gut 27% des Nettokirchsteueraufkommens in die Kapitalbildung zur Absicherung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche. Dies ist der wichtigste Grund für die schleichende finanzielle Auszehrung von Kirchenkreisen und Gemeinden trotz guter Einnahmesituation.

Hinzu kommen zwei weitere Faktoren:

  • NKF – hier gibt es anscheinende keine Grenze nach oben. Die Frage ist nur, on die Gesamtkosten für die Umstellung der Finanzverwaltung am Ende bei 60 oder gar bei über 100 Mio. € liegen werden.

  • Die Verwaltungsstrukturreform – hier gibt es noch keine Schätzungen, wie teuer das Ganze werden wird. Fakt ist, dass Kirchenkreise im Moment reihenweise neue Stellen in der Verwaltung schaffen, was unter dem Strich dazu führt, Stellen in der Jugendarbeit, der Kirchenmusik oder der Diakonie zu reduzieren.

Zusammengefasst: Die rheinische Kirche kürzt dort, wo es um die Arbeit mit Menschen geht, dagegen fließt immer mehr Geld in die Stärkung von kirchlicher Organisation und Verwaltung. Über 1/4 der Einnahmen aus Kirchensteuermitteln gehen in Zukunft in Finanzanlagen, was vor allem die Finanzindustrie freuen wird.

Das Schattenregiment der EKHN: Der erweiterte Solidarpakt stellt die Synode ins Abseits

In den synodalen Debatten der EKHN war von einem „Erweiterten Solidarpakt“ in den Jahren nach 2006 keine Rede. Zu keinem Zeitpunkt wurde die Synode oder deren Finanzausschuss über dieses wichtige Dokument unterrichtet. Wer sich an die Beratungen zur Pfarrstellenplanung in der EKHN erinnert, der kommt freilich nicht umhin zu vermuten, dass der Solidarpakt im Hintergrund eine wichtige Rolle gespielt hat.

Die Kostenstruktur wird im „erweiterten Solidarpakt“ in direkten Bezug zu den Personalkosten gesetzt. Was heißt das konkret?

Zahlenmäßig machen Erzieherinnen, Krankenschwestern und- pfleger zwar den Großteil des Personals aus. Diese Stellen werden aber zu einem erheblichen Teil durch kommunale Zuschüsse oder Krankenkassen refinanziert. Wer hier langfristig sparen will, muss die Refinanzierungskosten erhöhen. Das ist in der EKHN einigermaßen erfolgreich geschehen. In kirchlichen Haushalten bleibt der Pfarrdienst, der zu 100% von der Kirche getragen wird. In ihrem Reformprogramm hat die EKHN die übergemeindlichen Stellen erheblich ausgebaut. Bleibt für eine wirksame Reduzierung der Gemeindepfarrdienst.

Interessant ist der zeitliche Bezug zum „erweiterten Solidarpakt“, der 2006 verabredet wurde. Im April 2007 verkündete die Stellvertretende Kirchenpräsidentin, dass man in Zukunft von einer jährlichen 2%gen Kürzung der Pfarrstellen ausgehen wolle. Auf Einwände aus der Synode legte sie dar, dass es ohnehin nicht mehr die Personen gebe, mit denen die Stellen besetzt werden könnten. Die Pröpste, so die Stellvertreterin des Kirchenpräsidenten in ihrer Rede, „gaben der Hoffnung Ausdruck, dass in der nächsten Zeit doch mehr Menschen Theologie studieren könnten. Das kann ja sein, und wir werben ja auch für das Theologiestudium, aber wir können unsere Planung nicht auf Hoffnung gründen.“1 Zwei Dinge sind für unseren Zusammenhang wichtig: 1.Die Kirchenleitung begründete die Einsparung von Pfarrstellen nicht mit der finanziellen Situation der Kirche. Im Fall der EKHN wäre die Argumentation schwer durchzuhalten gewesen. 2. Die Kirchenleitung behauptete, sie würde für den Pfarrnachwuchs werben. Das ist falsch.

Nachdem 2007 erstmals das Nachwuchsproblem in der Synode bekannt wurde, gab es eine Reihe von Nachfragen und Anträgen in dieser Sache. Das Schicksal dieser Versuche ist nicht nur bedauerlich, es ist skandalös: Eine entsprechende Anfrage in der Frühjahrsynode 2008 an den Kirchenpräsidenten wird erst gar nicht beantwortet. In einer gemeinsamen Synode mit der Kurhessischen Kirche legen die beiden Kirchen eine Broschüre für Studienanfänger vor. Sie erscheint im Juni 2008, also nach Abschluss des damaligen Abiturs, ohne die Möglichkeit diesen Abitursjahrgang noch zu erreichen. Weil es begründete Kritik an der Broschüre gibt, wird sie in den nächsten Jahren nicht mehr verteilt. Insgesamt sind wohl nur 1200 Exemplare in Umlauf gesetzt worden. Der Versuch Haushaltsmittel bereit zu stellen, scheitert zweimal im Finanzausschuss und einmal mit längerer Diskussion in der Synode.2 In der gleichen Synode im Herbst 2009, in der die Kirchenleitung 20 Mio Euro für die Erprobung neuer Modelle fordert3, erklärt sie es für unmöglich 20.000 Euro für Nachwuchswerbung in den Haushalt einzustellen. Die Zusage, auch ohne zusätzliche Mittel die gewünschte Aufklärungsarbeit voranzubringen, wird nicht eingehalten. Im Amtsblatt 10/2011 verkündet die Kirchenverwaltung, dass Pfarrer geeignete Namen von Schülern und Schülerinnen der Klassen 11-13 an die Personalabteilung melden sollen. „Die Schulen werden von uns direkt angeschrieben und mit Informationsmaterial versehen.“ Das ist bis heute nicht geschehen.

Seit dem ersten Hinweis der Kirchenleitung in der Synode, dass man von einem zukünftigen Pfarrermangel ausgehen müsse, vergehen drei Jahre, ohne dass die Kirche in den Abitursjahrgängen nennenswert und engagiert für ihre Arbeit und den Pfarrberuf geworben hätte. Offiziell befasst sich Kirchenpräsident Jung in seiner Rede zur Lage in Kirche und Gesellschaft im April 2010 erstmals mit der Problematik. Bezeichnenderweise wird das Thema als EKD Thema eingeführt: „Mittelfristig deutet sich für einige Gliedkirchen der EKD Pfarrermangel an“ Nach Jahren bewusster Untätigkeit der Kirchenleitung stellt Jung fest: „Wer heute mit dem Studium beginnt, wird erst in acht Jahren in den Pfarrberuf kommen. …Und ab 2017 gehen jährlich 70 bis 90 Pfarrerinnen und Pfarrer in den Ruhestand.“4 Jung sieht das Nachwuchsproblem als eine EKD Angelegenheit. Das entspricht der Intention des Solidarpaktes. Offenbar hat die EKD in der Personalplanung Vorgaben gemacht, die nun auch in der EKHN umgesetzt werden, obwohl sie mit den finanziellen Bedingungen dieser Kirche und den synodalen Beschlusslagen nicht übereinstimmen.

Genau hier stellen sich gewichtige Fragen:

Wer war befugt, solche weitreichenden Verabredungen zu treffen? Wer wurde darüber in der Kirchenleitung und in der Kirchenverwaltung informiert?

Wie begründen die Verantwortlichen ihre Handlungen?

Wie geht die Synode mit diesem Vorgang um?

 

1 Protokoll der 7. Tagung der Zehnten Kirchensynode, S. 87

2 Protokoll der 15.Tagung der 10.Synode, Nov.2009, S.247-249.

3 Protokoll der 15.Tagung der 10.Synode, Nov.2009, S.132.

4 „Ihr seid das Licht der Welt“ Bericht zur Lage in Kirche und Gesellschaft für die 1. Tagung der Elften Kirchensynode der EKHN, S.17.

Für Pfarrers Renten spekulieren Kirche an der Börse

Gerne reklamiert die Kirche ein moralisches Wächteramt. Sie will die Gesellschaft vor Fehlentwicklungen warnen. Zur Finanzkrise schrieb der Rat der EKD die Denkschrift Wie ein Riss in einer hohen Mauer. Darin wurde das Profitstreben der Finanzindustrie kritisiert.

Doch gleichzeitig beteiligen sich die Kirchen mit ihren Pensionsfonds als Großinvestoren am Finanzmarkt.

Christoph Fleischmann betrachtet in seinem Radiofeature den ethischen Anspruch und die Realität der Pensionsfonds.

Lesen Sie hier das Script: Für Pfarrers Rente spekulieren die Kirchen an der Börse.

‚Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen‘ – Das Problem von Prognosen bei komplexen Systemen. Von Wolfgang J. Koschnick.

Eine gründliche und solide Analyse zur Problematik von (Langfrist-) Prognosen bei komplexen Systemen, die auf das komplexe System Kirche übertragbar ist.

21. Mai 2014.

Nur falsche Prognosen sind gute Prognosen und das ist auch ganz gut so. Eine sehr gute Zusammenfassung des Problems von Prognosen.

„Hellseher, Wahrsager, Kaffeesatzleser, Spökenkieker, Astrologen und Ökonomen haben eine Gemeinsamkeit: Ihre Prognosen gehen meist in die Hose. Und wenn sie das ausnahmsweise einmal nicht tun, ist das reiner Zufall…“

Das hat Gründe:

„… Komplexe Systeme haben einige Charakteristika, die sie deutlich von anderen unterscheiden – auch von bloß komplizierten Systemen:

Sie sind agentenbasiert: Sie bestehen aus einzelnen Teilen (Agenten), die miteinander in Wechselwirkung stehen (Menschen, Konsumenten, etc.) und jeder für sich agieren.
Sie sind nichtlinear: In komplexen Systemen besteht eine große Empfindlichkeit für kleine Abweichungen in den Startbedingungen. Geringfügig veränderte Anfangsbedingungen können im langfristigen Verlauf zu völlig anderen Entwicklungen bei verschiedenen Systemen führen. Veranschaulicht wird das am Beispiel des „Schmetterlingseffekts“ und der Annahme, dass der Flügelschlag eines Schmetterlings in Brasilien einen Tornado in Texas auslösen kann. Die Wirkzusammenhänge der Systemkomponenten sind im Allgemeinen nichtlinear.
Sie haben emergente Eigenschaften: Infolge des Zusammenspiels seiner Elemente bilden sich spontan neue Eigenschaften oder Strukturen auf der Makroebene eines Systems heraus. Dabei lassen sich die emergenten Eigenschaften des Systems nicht – oder jedenfalls nicht offensichtlich – auf isolierte Eigenschaften seiner Elemente zurückführen. Sie lassen sich auch nicht aus der isolierten Analyse des Verhaltens einzelner Systemkomponenten erklären. Sie sind Systemeigenschaften.
Ihre Komponenten interagieren: Komplexe Systeme bestehen aus einer Vielzahl von Einzelkomponenten, die auf vielfältige Weise miteinander interagieren. Die Wechselwirkungen zwischen den Systemkomponenten sind lokal, ihre Auswirkungen in der Regel global. Ein komplexes System ist daher ein System mit multiplen Interaktionskomponenten, dessen Verhalten nicht vom Verhalten der Komponenten hergeleitet werden kann…“

… Fehlprognosen als Regelerscheinung
Deshalb ist der Prognose-Kalauer „Prognosen treffen nur ein, wenn die Leute sich auch bedingungslos an die Prognose halten“ von doppeltem Wert: Als Kalauer ist er lustig und als Beschreibung der Wirklichkeit trifft er den Nagel auf den Kopf. Die Modellrechnungen, die einer Prognose zu Grunde liegen, können die wahre Komplexität der Wirklichkeit nicht annähernd beschreiben. Und daher sind ihre Parameter nur vorsichtige Näherungen. Wenn sie sich anders als in der Rechnung vorgesehen ändern, wird die Prognose falsch. Und wenn sie sich stark ändern, kann sich gar die Richtung der Prognose ändern. Aus prognostiziertem Wachstum wird dann Niedergang.“ Die vollständige Analyse.

 

Anbetung von Rationalität? Eine pastoralpsychologische Anfrage an Markus Dröge, „Welche Kirche morgen?“ (DPfBl 12/2013)

von Pfr. i.R.  und Dipl. Psych. Traugott Schall

Kein Geringerer als der der leitende Bischof seiner Kirche, Dr. Dr. h.c. Markus Dröge, nimmt zu dem in Gang befindlichen sogenannten „Reformprozess“ in der Evangelischen Kirche Brandenburg-Oberlausitz in einem „klärenden Beitrag aus kirchenleitender Sicht“ Stellung. Der Artikel „Welche Kirche morgen?“ (DPfBl 12/2013) dokumentiert seine Ausführungen.
Schon Überschrift und Beginn seiner Ausführungen hinterlassen Erstaunen und Fragezeichen. Die erste Anmerkung seines Artikels informiert, dass diese Ausführungen auf der Synodal­tagung  des Kirchenkreises Wittstock-Ruppin gehalten wurden. Das lässt aufmerken. Es ist jener Kirchenkreis, der als Modellprojekt durch den Umgang mit der Kirchengemeinde Manker-Temnitztal über die Grenzen Brandenburgs hinaus eher unangenehm bekannt wurde. Die Internetplattform des „Christlichen Vereins Manker-Temnitztal“ als Nachfolgeorganisation der als Rechtskörperschaft aufgelösten Kirchengemeinde spricht dabei von Erscheinungen, die in Anklängen an kirchenbehördliche Machtanmaßungen im Kirchenkampf längst vergangener Zeit denken lassen. „Pfarrer (wurden) mit Amtsenthebungs- und Disziplinarverfahren  schikaniert und der Vorsitzende des Gesamtkirchenrates weggemobbt“. Der Gemeindebrief ergänzt, dass sich die Ältesten der Gemeinde „Verunglimpfungen, Willkürlichkeiten und einseitigen Auslegungen von Rechtgrundlagen“ ausgesetzt sahen und samt und sonders ihr Amt niederlegten. Sie sahen sich einer „von oben durchgeführten Strukturreform“ (sic!) ausgesetzt. In der Dokumentation wird vom gewaltsamen Eindringen von Kirchenleuten in das Pfarrhaus, einer durch Dritte abgesperrten Kirche vor einem Gottesdienst und anderen Absonderlichkeiten berichtet. Der Bischof nimmt mit keinem Wort dazu Stellung. Er führt in seiner theologischen Grundlegung dagegen eine Reihe profund christlicher Grundsätze auf: „Wo Christus herrscht, da werden Menschen zu Schwestern und Brüdern“….  Zum Artikel von Traugott Schall Anbetung von Rationalität.

Prof. Michael Welker zu Aussagekraft und Logik langfristiger Prognosen

aus einem Vortrag von Prof. Möller:
„Ich weiß noch gut, wie schon im Jahr 1986 diese Hochrechnungsstrategie der EKD veröffentlicht wurde, im Jahr 2030 gebe es ein Drittel weniger evangelische Kirchenmitglieder. Mein Kollege Michael Welker[1] rechnete nach derselben Logik weiter und fand heraus, das dann in 100 Jahren alle evangelischen Christen verschwunden sind und in 150 Jahren alle Deutschen. „Würde man den Zeitraum (sc. der Hochrechnung) deutlich verkürzen, unterbliebe die Sensation der Hochrechnung. Würde man den Berechnungszeitraum aber verlängern, so verlöre sich die Plausibilität, und die Hochrechnung der EKD würde als reine Spekulation offensichtlich“. Stattdessen schlug Welker vor, die Kirche solle sich doch lieber auf die Fragen und Enttäuschungen der Menschen heute konzentrieren und die Menschen aufsuchen, die heute die Kirche verlassen, um mit ihnen ins Gespräch zu kommen. Viele von ihnen sind ja ausgetreten, weil niemand sie jemals aufgesucht hat.“

Zum Vortrag von Prof. Möller, Abschnitt: Geistlicher Widerstand 3.

Anmerkung F.S.: Interessant ist auch der Ursprung der „einfachen Formel“, der EKD Langzeitprognosetechnik Mitte der 80iger Jahre! Dass sich die Wirklichkeit von diesen damaligen Prognosen völlig abweichend entwickelt hat, belegen mittlerweile empirische Studien, etwa „Rätsel – Erkenntnisgewinne – Aufklärung“, insbes. Kap. 3. Solche Langzeitprognosen entpuppen sich damit als pure Astrologie.

 

 

 

Versorgungssicherung: Dissens zwischen Rheinland und Westfalen

EKvW: Pensionen sind sicher!

Von Hans-Jürgen Volk

Hintergrund für den drastischen Sparkurs der Ev. Kirche im Rheinland ist vor allem die Situation der Versorgungskasse Dortmund, die von den Landeskirchen Rheinland, Westfalen und Lippe gemeinsam getragen wird. Nach Ansicht der Finanzverantwortlichen der EKiR reichen die bisherigen Anstrengungen nicht aus, um zu einer befriedigenden Ausfinanzierung zukünftiger Versorgungs- und Beihilfeansprüche zu kommen. Dabei fließen jetzt schon 22% des Nettokirchensteueraufkommens jährlich dem Kapitalstock der Versorgungskasse zu. Aus Westfalen hört man dagegen ganz andere Töne. In einem epd-Bericht kann man folgende Stellungnahme wahrnehmen: „Keine Notwendigkeit für höhere Zahlungen an die Versorgungskasse sieht dagegen die benachbarte westfälische Landeskirche …. An den Daten habe sich nichts geändert, sie würden nur neu interpretiert, sagt der westfälische Oberkirchenrat Arne Kupke, der dem Verwaltungsrat der Versorgungskasse angehört. Der gemeinsam vereinbarte Weg der drei Landeskirchen in NRW, jährlich 22 Prozent der Kirchensteuereinnahmen für die Versorgung aufzuwenden, sei solide und sicher und führe bis 2040 zur Ausfinanzierung der Ansprüche.“

Sonderkonten mit zusätzlichem Kapital zur Versorgungssicherung

Bekräftigt wird die westfälische Bewertung des Sachverhalts in einem Artikel von „Unsere Kirche“ mit dem Titel „Die Pensionen sind sicher“. Hierin heißt es: „In regelmäßigen Abständen werden die Annahmen, die der Berechnung zugrunde liegen, mit versicherungsmathematischen Gutachten überprüft. Bisher, so die Auskunft der Versorgungskasse, sei damit zu rechnen, dass der Beitragssatz von 22 Prozent der Kirchensteuereinnahmen ausreichend ist.“ Auf diesem Weg soll bis 2040 eine Kapitaldeckung von 100% erreicht werden. Deutlich wird, dass die Verantwortlichen der Versorgungskasse und die Leitung der westfälischen Landeskirche in ihrer Einschätzung dicht beieinander liegen. Es sind die Rheinländer, die eine Sonderposition einnehmen.

Elektrisieren muss allerdings der folgende Tatbestand: „Die rheinische und die westfälische Kirche haben außerdem in den vergangenen Jahren einen Teil ihrer unerwartet hohen Kirchensteuer-Einnahmen zurückgelegt, um die Versorgungskasse noch schneller aufzufüllen. Diese zusätzlichen Rückstellungen liegen jedoch bisher auf Sonderkonten und sind noch nicht dem gemeinsamen Kapital zugeflossen.“ Öffentlich war bisher im Rheinland von diesen Sonderkonten keine Rede. Hier wüsste man gerne, welche Folgen die Berechnung dieser zusätzlichen Mittel auf die Ausfinanzierung insgesamt hat.

Begrenzte Wirkung von Nachhaltigkeitsfiltern

Des Weiteren wird in dem informativen Beitrag auf die Problematik ethischer Kriterien sowie zukünftiger Risiken eingegangen. Die relativ begrenzte Wirkung von Nachhaltigkeitsfiltern wird deutlich: „Allerdings, so betont Wolfram Gerdes, Vorstand für Kapitalanlagen und Finanzen, könne bei den weltweiten Aktivitäten der Versorgungskasse nicht jede Einzelne von mehreren tausend Investitionen selber überprüft werden.Außerdem müsse immer eine Abwägung von ethischen Kriterien, Rendite und Sicherheit getroffen werden, um die Versorgung der Pensionäre nicht zu gefährden.“ Diese Ausführungen dokumentieren gut das Dilemma einer Kirche, die sich derart massiv im Finanzmarktgeschehen engagiert.

Im Blick auf die Risiken für die Versorgungskasse folgt die an sich recht gut informierte Autorin der oberflächlichen Bewertung der kirchlichen Verantwortungsträger: „Das mit Abstand größte Risiko liegt in der Möglichkeit anhaltend niedriger Zinsen … Sollte die derzeitige Niedrigzins-Phase noch jahrelang anhalten, muss über eine Beitragserhöhung nachgedacht werden.“ Die derzeit niedrigen Zinsen sind wohl lediglich ein Symptom der immer noch instabilen Verhältnisse im Finanzmarktgeschehen, dass sich von der Realwirtschaft gelöst hat. Ein Blick in die Wirtschaftsgeschichte des 20. Jahrhunderts macht deutlich, welche Risiken auch dem von Kirchen angelegten Kapital tatsächlich drohen.

Vergleiche zu dem Thema die informativen Beiträge von Christof Fleischmann:

Sparen für die RenteDie evangelischen Landeskirchen tragen immer mehr Geld auf die Finanzmärkte.
Geld. Macht. Wenig. Das ethische Investment der Kirchen übt kaum Einfluss auf Unternehmen aus.

Parallelen mit Finanzproblemen bei Kommunen und Kirchengemeinden. Zu einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Kommunales Eigentum: 42 Milliarden Euro Substanzverlust seit 2003 – Investitionsrückstand allein 2013 um 4,5 Milliarden gewachsen
Die Städte und Gemeinden in Deutschland haben auch 2013 wieder massiv von ihrer Substanz gezehrt. Die Abschreibungen auf kommunale Bauten, Infrastruktureinrichtungen, Maschinen und den sonstigen Kapitalstock lagen im vergangenen Jahr um knapp 4,5 Milliarden Euro höher als die Investitionen der Kommunen. Damit setzte sich der Wertverlust beim kommunalen Eigentum im 11. Jahr in Folge fort. Seit 2003 haben die Abschreibungen die Investitionen um insgesamt 42 Milliarden Euro übertroffen. Das zeigen neue Berechnungen des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) in der Hans-Böckler-Stiftung.
“Viele Kommunen müssen offensichtlich weiter auf Verschleiß fahren, da gibt es keine Trendwende”, erklärt IMK-Forscherin Dr. Katja Rietzler. Die Expertin für öffentliche Finanzen hat die kommunale Abschreibungs- und Investitionsbilanz auf Basis der aktuellsten Daten aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) kalkuliert. Ihr längerfristiger Vergleich zeigt: Der Wertverlust im vergangenen Jahr war der dritthöchste seit 2003. Die positive Entwicklung der Gemeindefinanzen – im vergangenen Jahr wiesen die deutschen Städte und Gemeinden in der VGR einen Einnahmeüberschuss von 3,5 Milliarden Euro aus – gebe offensichtlich nur einen Teil der Realität wieder, warnt die Forscherin: “Die Kommunen insgesamt haben nicht genug Spielraum, um auch nur die Abschreibungen auszugleichen. Gleichzeitig wissen wir, dass sich finanzstarke und finanzschwache Städte und Gemeinden immer weiter auseinanderentwickeln. In den ärmeren Kommunen dürfte der Investitionsrückstand also besonders drastisch wachsen.” Zur Studie der Hans-Böckler-Stiftung.

Kommentar Friedhelm Schneider: das Problem ist ein doppeltes. Es ist
a. ein reales Problem, denn die Kommunen sind unterfinanziert: „Die massiven Steuersenkungen der vergangenen 15 Jahre hinterlassen ihre Spuren“, erklärt die Wissenschaftlerin. Nach Berechnungen des IMK haben Bund, Länder und Gemeinden durch die Steuerrechtsänderungen seit Ende der 1990er-Jahre bis 2013 per Saldo 484 Milliarden Euro weniger eingenommen.“ In Hessen klagten deshalb Kommunen vor dem Staatsgerichtshof und bekamen Recht: „Die Kürzung von mehr als 340 Millionen Euro im Jahr 2011 bei den hessischen Kommunen ist verfassungswidrig. Der Staatsgerichtshof in Wiesbaden gab am Dienstag einer kommunalen Grundrechtsklage der Stadt Alsfeld im Vogelsberg statt.“ Insoweit ist das Thema ein politisches Problem bzw. ein Versagen der Politik.  Vgl. Artikel der FR.
b. Das Problem ist b. ein Rechnerisches und rührt her insbesondere von den pauschalen Abschreibungen für den Immobilienbestand. Unter dem Vorzeichen eines technokratisch verstandenen Ressourcenverbrauchskonzepts werden Eigentümer/rechtsträger oftmals arm gerechnet. Auch reiche hessische Kommunen können betroffen sein. Das Problem ist bekannt und bei den Wort-Meldungen schon des Öfteren diskutiert worden: „Doppik/NKF. Sie entzieht den Rechtsträgern in der Gegenwart die Mittel. Dieses Ressourcenverbrauchskonzept ist zum Teil richtig, wird aber dann zum Zwangsregime, wenn Mittel in Größenordnungen entzogen werden, die in der Zukunft real gar nicht benötigt werden. Als Beispiel diene die EKiR. Sie bildet Rücklagen für Gebäude gleich doppelt (!) – einmal als Abschreibung und ein weiteres mal als sog. Substanzerhaltungspauschale. Ein Superintendent hat das auf der Synode in Hilden zu Recht beanstandet. Hier wird ökonomischer Druck erzeugt durch rechnerische (!) Verarmungen.“ Die Erfahrung zeigt, dass die pauschalen Abschreibungen etwa für den Ressourcenverbrauch bei Immobilien unpräzise und in der Regel deutlich zu hoch ausfallen. Das dürfte bei Kommunen ähnlich sein. vgl. Artikel im Dt. Pfarrerblatt von Friedhelm Schneider.
Fazit: das Instrument der Doppik verschärft die Finanzlage der Kommunen auf rechnerische Weise dramatisch.In der Verbindung, besser: der Addition von a. = Unterfinanzierung und b. = rechnerische Verarmung werden die Eigentümer, hier die Kommunen, endgültig in die Knie gezwungen. Sie sind im bilanziellen Minus, in den roten Zahlen und erhalten schließlich eine Zwangsverwaltung von Regierungspräsidium. Die demokratische Legitimation wird auf der Basis der Finanzpolitik ausgehebelt. Die monarchische Zwangsverwaltung des Regierungspräsidiums ist – scheinbar innerhalb der demokratischen Ordnung – etabliert.

Die Lösung des Problems hieße: outputorientiert steuern. Das erfordert einen höheren Einsatz an… Konzeptions- und Planungsintelligenz. Das Instrument der Doppik ist dafür ungeeignet. Denn die Ansätze sind pauschal und basieren nicht auf realen Daten. Nur so – auf der Basis realer Daten – wäre dem Problem beizukommen. Das ist bei der Kirche identisch. Dafür gibt es in der Kirche auch seit langem Lösungsansätze, wie bei K.IM. Kirchliches Immobilienmanagement seit ca. 10 Jahren praktiziert. vgl. K.IM.org