Archiv für den Monat: Januar 2014

Michael Hanekes Film »Das weiße Band« und das evangelische Pfarrhaus

Michael Hanekes Film »Das weiße Band« und das evangelische Pfarrhaus »Wenn Ihr durch die Züchtigung gereinigt sein werdet …«

Von: Gunther Schendel

Hanekes preisgekrönter Film »Das weiße Band« nimmt die Verhältnisse in einem fiktiven norddeutschen Dorf kurz vor Ausbruch des 1. Weltkriegs ins Visier. Dem evangelischen Pfarrhaus schenkt Haneke dabei besondere Beachtung; an seinem Beispiel möchte er zeigen, wohin die Verabsolutierung einer Religion oder Ideologie führt, nämlich zur Unmenschlichkeit. Gunther Schendel analysiert das Bild, das der Film vom evangelischen Pfarrhaus zeichnet, und fragt danach, ob sich dieses Bild kirchengeschichtlich verifizieren lässt. Zur Filmkritik im Dt. Pfarrerblatt.

49 kw Kapitalismus am Ende? SWR2 Gespräch mit Prof. Michael Hartmann

Kapitalismus am Ende? Es reicht mit den Reichen

SWR2 Impuls:

Christoph König sprach mit Michael Hartmann. Internetfassung: R. Caspary & R. Kölbel

Der Kapitalismus ist am Ende. So wirkt es zumindest, wenn man die aktuelle gesellschaftliche Debatte verfolgt. Da ist die Mehrheit der Beobachter, der Sachbuchautoren und der Gesellschaftskritiker wohl einig: Es läuft etwas schief im System. Christoph König sprach mit dem Soziologen Michael Hartmann über die neu aufgeflammte Kapitalismuskritik…  Zum Interview.

„Schwarz, weiß, bunt. Vermittlungsversuche zwischen Ökonomie, Ethik und Theologie.“ (Thema des Monats)

Management ist in der Kirche ein heißes Thema. Für die einen der Teufel. Dann wird Management verantwortlich gemacht für allen Unsinn, der unter dem Label Kirchenreformen produziert wurde. es könnte aber sein, dass nicht das Management an sich für Fehlentscheidungen der Kirche verantwortlich ist, sondern falsches, schlechtes Management. – Die meisten Einstellungen, Vorurteile und Missverständnisse liegen in begrifflichen und sachlichen Unklarheiten. Vieles, vielleicht alles hängt also von einer Klärung der Begriffe und Sachverhalte ab. Dem dient das Thema des Monats Januar 2014. Wir beginnen mit einem Interessanten Vermittlungsansatz von PD Dr.rer.pol. Martin Büscher; Institut für Diakoniewissenschaft und Diakoniemanagement (IDM), Wuppertal/ Bethel

aus dem Vortrag „Schwarz, weiß, bunt“:
„Das wirtschaftsliberale Modell hat reale Auswirkungen direkt auf die Politik
und indirekt auf das Lebensgefühl der Menschen, auf das was ihnen Freu-
de macht, was sie anspornt und was ihnen Angst macht.

Wie kann vermittelt werden? Wie muss Wirtschaft gestaltet werden im
Blick auf das gute Leben der Menschen, Gemeinwohl und Gerechtigkeit?
Wie muss Theologie für Seelsorge, Predigt und öffentlichem Auftreten
ausgerichtet sein angesichts wirtschaftlicher Strukturen, die das Fühlen
und Denken der Menschen und die Kultur des Zusammenlebens prägen?

St. Galler Managementmodell theologisch weiterentwickeln
Ich denke, dass die theologische Dimension des St. Galler Management-
modells noch nicht wirklich integriert und durchdekliniert ist. Das Element
der Abstufung zwischen normativem, strategischem und operativem Ma-
nagement und die Differenzierung der Anspruchsgruppen, d.h. der gesell-
schaftlichen und wirtschaftlichen Partner, der sog. Stake-holder bietet im
Unterschied zu anderen Managementmodellen natürlich die Öffnung zu
einer normativen Dimension des Managements. Diese ist nach meiner
Wahrnehmung bisher in der funktionalen Dimensionen des Managements
wie im Bezug z.B. auf eine Dienst- und Wertegemeinschaft weiterentwi-
ckelt. Das ist natürlich eine kirchliche Werteorientierung. Es entspricht
kaum aber der realen Komplexität kirchlicher Einrichtungen. Sowohl in ei-
nem induktiven Zugang als in deduktiver Form als Gestaltungsaufgabe
normativen Managements könnten komplexere Bausteine entworfen wer-
den…

Mir steht ein Profil von Diakoniewissenschaft vor Augen, das  dazu beiträgt, die ökonomischen, ethischen und theologischen Dimensionen
zu integrieren und kreative Wissenschaft zu betreiben. Theologia scientia eminenta practica.“

Missverständnisse des Neoliberalismus hinsichtlich der Ökonomie und die Notwendigkeit eines neuen Wirtschaftsverständnisses (Thema des Monats)

Wenn man Management verstehen will muss man die Differenzierung zwischen dem realwirtschaftlichen Ansatz, wie er bspw. in St. Gallen gelehrt wird, und dem Sharholder-Value-Ansatz des Neoliberalismus verstehen. Dann erschließt sich einem Vieles. Dann beginnt man auch die Schwächen der Kirchenreformen zu verstehen.
Über Missverständnisse des Neoliberalismus, von Prof. Fredmund Malik, St. Gallen

Der echte Liberalismus verlangt nicht,
dass wir alle Ziele der Wirtschaft unterstellen sollen. Niemand hat deut-
licher gesagt, als Friedrich von Hayek, dass letztlich alle Ziele nicht-öko-
nomischer Natur seien. »Die letzten Ziele, die vernunftbegabte Wesen
durch ihre Tätigkeit zu erreichen suchen, sind niemals ökonomischer Art.
Streng genommen gibt es kein ›wirtschaftliches Motiv‹, sondern nur wirt-
schaftliche Faktoren, die die Voraussetzungen für unser Streben nach an-
deren Zielen schaffen. Was gemeinhin in irreführender Weise das ›wirt-
schaftliche Motiv‹ genannt wird, bedeutet nichts anderes als das Verlangen
nach der Möglichkeit, beliebige Ziele zu verwirklichen.«44 Wir würden
viele einflussreiche Gegner zu Befürwortern eines freien Wirtschaftssys-
tems machen können, wenn wir von ihnen nicht ständig verlangten, alles
rein ökonomischer Ratio unterzuordnen, wogegen sich mit Recht Gefühl
und Vernunft sträuben. Was der Liberalismus aber verlangt, ist, dass je-
der für seine Handlungen einzustehen hat. Das muss auch für Manager
gelten.

Neues Wirtschaftsverständnis nötig?
Die Antwort ist: Ja. Nicht nur viele neoliberale Positionen sind fragwür-
dig. Das heutige Wirtschaftsverständnis als Ganzes ist – von wenigen Aus-
nahmen abgesehen – in grundlegenden Dimensionen falsch. Es wird zum
Beispiel noch immer aus dem Tausch erklärt, obwohl bis heute für keine
Epoche die Existenz einer Tauschwirtschaft nachgewiesen werden konnte.
Lesen Sie aus dem von Prof. Malik zur Verfügung gestellten Kapitel
seines Buchs „Management. Das A und O des Handwerks“ die Seiten 125- 129.

 

EKHN: Ex- Kirchenpräsident Steinacker geht das Gutmenschentum „auf die Nerven“

Der frühere Kirchenpräsident der EKHN, Peter Steinacker, schrieb einen Artikel in der Ev. Sonntagszeitung (Nr. 48 / 2013). Darin lästert er über das „Gutmenschentum“.

Darauf antwortet Pfr. und Kabarettist Hans-Joachim Greifenstein, Bensheim, in einem Leserbrief am 05.01.14:
„Welchen Aussagewert hat die Frage, was Peter Steinacker vom »Gutmenschentum im Protestantismus« hält? Was soll ein Ex-Kirchenpräsident und Systematikprofessor denn darauf antworten? Vielleicht: »Finde ich prima« oder »Gehört halt auch irgendwie dazu …«? Natürlich kanzelt »Peter der Große« das Gutmenschentum ab mit: »… geht mir auf die Nerven.« (…) Und was ist mit Gutmenschentum genau gemeint? (…) Wenn man zu viel in Dritte-Welt-Läden einkauft? Oder wenn ich etwas Humanitäres mit mehr Konsequenz verfolge als es irgendeinem existenzialistischen Sesselpupser gefällt? Und: Was wäre das Gegenteil? Ginge ich Peter Steinacker weniger auf die Nerven, wenn ich ein Befürworter des »Bösmenschentums« bin? Und was genau sollte ich dann lieber lassen? Ich halte den Ausdruck für eine neokonservative Nebelgranate, mit dem Ziel gesellschaftskritische Haltungen schlecht zu machen. Warum taucht diese abgelutschte Phrase im meiner Sonntagszeitung auf? Und: Was würde Niemöller dazu sagen? Noch eine aktuelle Nachfrage: Nelson Mandela, war das eigentlich auch ein Gutmensch oder nicht? Und was ist mit Ursula Trautwein und ihren Anti-Apartheidfrauenhilfsfrauen? »Kauft keine Früchte der Apartheid« war damals der Schlachtruf dieser Nervensägen. Im Synodenprotokoll kann man epische Redeschlachten zum »Antirassismus-Programm« des Ökumenischen Rats der Kirchen nachlesen und wie die Kirchenleitung dafür geprügelt wurde, dass sie seinerzeit 100 000 Mark dafür zur Verfügung gestellt hat. »Unterstützung terroristischer Gewalt« hieß es damals. Spitze Schreie von Leuten, die sich jetzt vor Mandela verbeugten. Den Begriff »Gutmensch« hatte man damals noch nicht zur Hand. Eher gab es ein »Geh doch rüber!« zu hören. Manche Begriffe wandeln sich in Zeit und Raum. Blöd bleiben sie trotzdem.“

Wer den Leserbriefautor noch nicht kennt, aber eine Vorstellung haben möchte, vgl.  die letzte NEWs dieser Woche zum 1. Allgemeinen Babenhäuser Pfarrer(!)kabarett.

Neoliberales Personalmanagement verteidigt Bastionen: EKiR vor der Landessynode in Ahrweiler

Wenige Tage sind es noch bis zur Synode und es ist still geworden. Ruhe vor dem Sturm? Wohl eher Resignation. Wie wurden im Herbst noch Erwartung und Hoffnung geweckt auf gleich mehreren Veranstaltungen: Der Rheinische Pfarrertag, Kirchenleitung im Gespräch und das Papier „Zeit fürs Wesentliche“ stellte dem Bodenpersonal endlich lebbare und EU-Gesetzeskonforme Arbeitsbedingungen in Aussicht. Endlich ernst genommen, endlich entlastet vom Zwang, vor Ort ungeschützt zerrieben zu werden. Mittlerweile ist die Erleichterung jedoch zerplatzt wie eine Seifenblase. Wochenstundenzahlen sind zurückgenommen, die Gremien werden erneut bis 2015 (!) um Stellungnahmen gebeten, obwohl die z.T. schon vorliegen (Pfarrvertretung) oder zurückgenommen wurden (Landeskirche). Als Termin für die Vorlage eines „Vorschlags“ (!) steht jetzt 2017 im Raum. Ich fühle mich im Stich gelassen von einer Kirchenleitung, die auch im Weihnachtsbrief wieder von dem Recht der Begrenztheit eigener Ressourcen spricht. Bei Finanzen darf und muss und kann es jetzt schnell gehen – im Hinblick auf das Personal hingegen darf selbst die Sicherstellung von Arbeitsverhältnissen, die der Salutogenese entsprechen (oder zumindest dieser nicht widersprechen), trotz deutlicher Problemanzeige noch Jahre dauern.
Der prognostizierte und teilweise berechnete Strukturwandel wird sich in der Fläche der EKiR weder gleichzeitig noch gleichmäßig vollziehen. Manches, was in Düsseldorf, Wuppertal, Köln – wenn überhaupt – tatsächlich erst 2030 Realität wird, ist in anderen Gegenden längst Wirklichkeit. Wir brauchen vor Ort kirchenleitende Unterstützung bei der Vereinbarung lebbarer und tragbarer Strukturen. Wir brauchen die Unterstützung jetzt und nicht erst in ein paar Jahren.
Grundsätzliche Regelungen brauchen und verdienen Zeit. Für die Jahre dazwischen sollte zumindest über eine Interimslösung inkl. Anlaufstelle nachgedacht werden. Andernfalls drohen uns bei den gegenwärtigen Arbeitsbedingungen noch weitere – freiwillige und unfreiwillige – Vakanzen und das unlängst genannte Anwerben zusätzlicher Pfarrpersonen zur Entlastung aller wäre zumindest mit einem deutlichen Fragenzeichen zu versehen.
Ratlose Grüße am 2. Weihnachtstag. Zum Blog.

Neoliberales Personalmanagement auf dem Vormarsch: „Hirte auf Zeit „

02.01.14 Wer heute katholischer Pfarrer werden will, braucht mehr als einen festen Glauben: Er sollte auch flexibel sein. Denn anders als früher können viele Priester von einem Tag auf den anderen versetzt werden, ohne dass der Bischof einen Grund angeben müsste. Wie Leiharbeiter. Mehr dazu in der SZ.

McKinsey im Vatikan – den Teufel mit dem Beelzebub austreiben

Seit die Kirche sich selbst in Misskredit gebracht hat durch ihre Geldgier – also mindestens seit dem Ablasshandel im Mittelalter, als man den „Gnadenschatz“ Gottes für bare Münze verkaufte –, seither hängt ihre Glaubwürdigkeit vom schnödesten aller Themen ab. Zuletzt schien es, als sei insbesondere die katholische Kirche ein korrupter Laden. Erst musste Papst Benedikt Finanzprüfer aus Straßburg in den Vatikan holen. Jetzt kommen auf Geheiß von Papst Franziskus auch noch die Berater von McKinsey.

In Rom treiben sie den Teufel mit dem Beelzebub aus. Vielleicht wird ein bisschen McKinsey dem ältesten Global Player nicht schaden. Und bestimmt werden die Journalisten den Vatikan noch öfter eine Konzernzentrale nennen. Trotzdem ist die Kirche kein Konzern.

Lesen Sie den Beitrag in der ZEIT.

Bistum Limburg will Finanzen reformieren

26.12.13. Nach dem Skandal um den 30 Millionen Euro teuren Bischofssitz zieht das Bistum Limburg erste Konsequenzen. Die Verantwortung für alle Geldfragen soll nach Medienangaben gebündelt und die Finanzen sollen offengelegt werden. Mehr in der SZ.

In Deutschland wollen nun die (Erz-)Bistümer Köln, Regensburg und Hildesheim die Finanzen des Bischöflichen Stuhls offen legen, zehn der 27 katholischen Bistümer haben diesen Schritt angekündigt oder getan. Über den Bischof von Limburg streiten sich zudem Bayerns Katholiken: Albert Schmid, der Vorsitzende des bayerischen Landeskomitees der Katholiken, nimmt Tebartz-van Elst in Schutz. Der Vorsitzende des Diözesanrats in München-Freising, Hans Tremmel, spricht dagegen von einem „immensen Flurschaden“. Zum Bericht.

Die Hirten sind müde – Studie zum Burnout-Synodrom unter PfarrerInnen von Prof. Andreas von Heyl

Revisted, ein älterer Bericht (9. Oktober 2003), der (leider) immer noch aktuell ist:

Viele Pfarrer leiden am Burn-out-Syndrom. Im katholischen Recollectio-Haus und im evangelischen Haus Respiratio finden sie therapeutische Hilfe VON GEORG ETSCHEIT

Die Kirchenferne und Interesselosigkeit der Menschen an Kirchen- und Glaubensfragen zählten zu den typischen Problemen des Pfarrerberufs, sagt der evangelische Klinikseelsorger Andreas von Heyl, der in diesem Jahr erstmals in einer Studie das Burn-out-Syndrom bei bayerischen Pfarrern untersucht hat. Viele Geistliche würden sich oft wie Animateure benehmen und regelrecht Kapriolen schlagen, um ihre Kirche auf dem Markt der gesellschaftlichen Möglichkeiten wieder interessanter zu machen. So lesen sich viele Gemeindeprogramme dann wie das Programm eines Erwachsenenbildungswerks.

Kein Wunder, dass manche Diener Gottes auf Erden unter dieser enormen Last sowie eigenen und fremden Idealbildern vom perfekten Christen zusammenbrechen. Das Ergebnis der Studie von Heyls: Etwa die Hälfte der von ihm befragten 188 evangelischen Geistlichen musste zumindest als gefährdet angesehen werden. Pfarrer seien zwar im Vergleich zu anderen helfenden Berufen wie Lehrer oder Krankenpfleger vom Phänomen des Ausgebranntseins immer noch weniger belastet. Doch sei Burn-out für die Pfarrerschaft der evangelischen Kirche längst kein Fremdwort mehr, sondern „wird als eine reale Gefährdung betrachtet“. Zum Artikel der ZEIT.