Schlagwort-Archive: Impulspapier „Kirche der Freiheit“

Christoph Meyns – Kirchenreform und betriebswirtschaftliches Denken. Modelle. Erfahrungen. Alternativen

Im Januar 2013 hat Christioph Meyns  an der Evangelisch-theologischen Fakultät der Ruhr-Universität Bochum  mit einer Arbeit  mit dem Titel „Mangaement als Mittel der Kirchenreform. Betriebswirtschaftliche Anätze zur Bewältigung kirchlicher Rückbau-, Reorganisations- und Neuorientierungsprozesse“  promoviert, Im Juni 2013 ist die Disserttation  unter dem o.g Titel im Güthersloher Verlagshaus erschienen (ISBN-978-3-579-08166-3).

Meyns stellt gleich zu Beginn fest, dass der Begriff „Kirchenreform“ irreführend sei, da es in der evangelischen Kirche derzeit „um eine Restrukturierung unter dem Vorzeichen leerer Kassen im Konflikt zwischen konkurrierenden Bestandsinteressen“ gehe (S. 12f).

Wer diese aus interner jahrelanger Kenntnis der Vorgänge geschriebene Studie gelesen hat, der kann nicht mehr für die uns bis heute angepriesene Reform sein. Meyns, mittlerweile designierter Landesbischof der Braunschweigischen Landeskirche,  spricht mit sehr klaren Worten aus, worum es bei dem Versuch der Umsetzung der teuer bezahlten Ratschläge von Unternehmensberatungen geht.

 

 

 

Kirche im Neoliberalismus

…10. Bereits 1972, lange vor dem Beginn des neoliberalen Zeitalters, unterschied Martin Niemöller zwischen dem wahren und dem wirklichen Herrn der Kirche. Der wahre Herr, so Niemöller damals, sei Christus, der wirkliche Herr sei der Mammon. Die restlose Verdrängung des wahren durch den wirklichen Herrn ist zwar nicht das Ziel, aber der leichtfertig in Kauf genommene Kollateralschaden vieler Reformprogramme der Kirche im Neoliberalismus. Lesen Sie den Artikel Kirche im Neoliberalismus von Pfr. Dr. Marin Schuck, Speyer.

Fusionen ohne Spareffekt und Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Kirchen sind seit Jahren im Fusionsrausch. Für die EKD stellt die Reduktion der Landkirchen auf 8-12 im Impulspapier „Kirche der Freiheit“ eines der Leuchtfeuer dar (Leuchtfeuer 11). Aber fusionieren sollen auch Dekanate/Kirchenkreise, Verwaltungsämter, Kirchengemeinden. Sind Fusionen das Allheilmittel?

Wer die Beschlussgrundlagen von Fusionen näher studiert, stellt fest, dass die Zielvorstellungen meist nebulös und vage formuliert werden (Synergieffekte, Effizienzsteigerung). Fehlanzeige besteht hinsichtlich von entsprechenden plausiblen Kostenberechnungen der Vollkosten solcher Maßnahmen. Also als Kosten für den Prozess selbst inklusive Beraterkosten, der eigenen Personalkosten in Form von Kostenansätze für die Arbeitszeit des eigenen Personals, Kosten für die Anpassungsprozesse unterschiedlicher „Kulturen“, Kosten für Kollateralschäden wie Akzeptanz- oder Imageverluste, Kosten für Gebäudeinvestition bzw. -abschreibungen bei Verkäufen etc., ggf. steigenden Folgekosten) im Vergleich zu den zu erwartenden und zu beziffernden Einsparungen. Wem es ein Trost ist: das passiert auch anderswo, z.B. bei den Krankenkassen. Dort wurden derartige Fusionen allerdings anschließend vom Bundesrechnungshof einer Überprüfung unterzogen – mit wenig schmeichelhaftem Ergebnis. Aufgrund der Ähnlichkeit der Problematik wird man die Ergebnisse des Rechnungshofs auf kirchliche Fusionsprozesse übertragen dürfen – so lange jedenfalls, bis die eigentlich zuständigen Rechnungsprüfungsämter der Landeskirchen entsprechende Prüfungen vorgenommen haben.

Bericht des Bundesrechnungshofs zu Krankenkassenfusionen

In dem Rechnungshofbericht heißt es, Fusionen bänden „erhebliche zeitliche und personelle Ressourcen“, führten „zu keinen deutlichen Synergieeffekten“ und seien „mit erheblichen, zum Teil dauerhaften zusätzlichen Aufwendungen verbunden“. Dem stünden „nur geringe Einsparungen gegenüber“, so zitiert der Focus.

Fusionskonzepte mit wenig Aussagekraft

Der Gesamteindruck des Bundesrechnungshofs ist: „Die den Fusio­nen zugrunde liegenden Konzepte waren meist lückenhaft, uneinheitlich und wenig aussagekräftig. Angaben zu Auswirkungen auf Organisation, Personal und Finanzen fehlten überwiegend.“

Hintergrund: 1992 bis 2010 ging die Zahl der Krankenkassen durch Fusionen von 1397 auf 160 zurück. Der Bundesrechnungshof prüfte für mehr als ein Viertel der 2007 bis 2009 vollzogenen Fusionen die wirtschaftlichen Auswirkungen. Mit den Verschmelzungen sollten Leistungs- und Verwaltungsausgaben einge­spart werden – was offensichtlich selten gelang…

Denn einen effizienzsteigernden Einfluss konnte der Rechnungshof bei den GKV-Fusionen nicht feststellen. Sie wurden – man Vergleiche die Situationen in den Kirchen – genehmigt, „ohne dass die wirtschaftlichen Folgen transparent waren“, kritisiert der Bundesrechnungshof…

Dafür stiegen bei fast allen untersuchten Fusionen die Verwaltungsausgaben im Jahr der Vereinigung an, im Einzelfall um bis zu 18 %. Und auch in den ersten drei Folgejahren sanken die Verwaltungsausgaben nicht.

Bei der Hälfte der vom Bundesrechnungshof untersuchten Fusio­nen erhöhten sich die Vorstandsvergütungen um bis zu 25 %! Mehr dazu.

 

Wie sozial ist die Kirche?

Der Umgang der Ev. Kirche mit ihrem Geld, ihren Beschäftigten und dem Leitbild der „Dienstgemeinschaft“ – von Hans-Jürgen Volk

War die Kirche lange Zeit in struktureller Hinsicht dem öffentlichen Sektor zuzuordnen, so haben sich seit etlichen Jahren die Gewichte verschoben. Sie gleicht im Verbund mit ihren diakonischen Einrichtungen immer mehr marktorientierten Unternehmen, für die der eigene unternehmerische Erfolg an erster Stelle steht und eine Gemeinwohlorientierung nur insoweit Beachtung findet, als sie diesen nicht in Frage stellt. Unternehmen sind von Natur aus „egoistisch“. Die ideologische Unterweisung der neoklassischen Ökonomie stellt unbeirrbar fest, dass genau dieser Egoismus dem Gemeinwohl am effektivsten dient, mag die Wirklichkeit auf noch so bedrängende Weise das Gegenteil belegen. Die Ev. Kirche hat sich einem „Reformprozess“ unterzogen, der sich im Kern an einer betriebswirtschaftlich orientierten Neugestaltung ihrer Organisation ausrichtet. Sie mutiert so zu einem Dienstleistungskonzern mit religiösen und diakonischen Angeboten. Zunehmend prägt dies den Umgang mit ihrer Mitarbeiterschaft ebenso wie den Umgang mit ihrem Geld.

Personalmanagement nach Bedford-Strohm und nach Huber. Ohrfeige für den Lehrer Wolfgang Huber?

Am 19. August 2012 predigte der bayerische Landesbischof Bedford-Strohm anlässlich des 70. Geburtstags seines Lehrers Wolfgang Huber in Berlin und sagte in seiner Predigt Folgendes:

Es gibt keine tragfähigere Grundlage für Gelingen als die Dankbarkeit für geschenkte Freiheit. Aus dieser Perspektive heraus ist die aus bestimmten Unternehmensberatungskonzepten stammende gesellschaftliche Tendenz problematisch, nach der Erfolg vor allem oder gar allein auf Qualitätskontrolle fußt. Im Namen der Bekämpfung des Schlendrians tritt an die Stelle der Freiheit die Kontrolle. Nicht das Zutrauen in Kompetenz und Engagement der Mitarbeiter gibt den Ton an, sondern das Misstrauen. Der Nachweis über die Qualität der eigenen Arbeit stiehlt der echten Arbeit die Zeit. Der ständige Zwang zur Beweisführung über die Qualität der eigenen Arbeit wird zum Gift für die Arbeitsatmosphäre. Es tut den Unternehmen nicht gut, es tut den Universitäten nicht gut. Und es täte ganz bestimmt der Kirche nicht gut, wollten wir auf diesen Zug aufspringen. … Lasst uns die Kirche verändern! Lasst uns ihre Ausstrahlungskraft erneuern! Lasst uns das Evangelium so weitersagen, dass die Welt es hört! Aber lasst es uns aus der Leidenschaft und Begeisterung heraus tun, die die Freiheit eines Christenmenschen mit sich bringt. Alle Instrumente der Motivation, alle Methoden der Mitgliedergewinnung und –bindung, alle Personalentwicklungsprogramme für unsere Pfarrerinnen und Pfarrer werden schal und sind am Ende kontraproduktiv, wenn sie zur Hauptsache werden und sich nicht mehr nähren aus der geschenkten Freiheit.“ Lesen Sie den Beitrag von Pfr. Taig, Hof.

Zur Gegenüberstellung: In Kirche der Freiheit, unterzeichnet vom damaligen ratsvorsitzenden der EKD Wolfgang Huber, wurde formuliert:

„Unerlässlich ist es dafür, Ziele zu formulieren, Erfolge zu überprüfen und Teamfähigkeit zu fördern. Der Umfang der von kirchlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erbrachten Leistung wie deren Qualität lässt sich steigern. Orientierungsgespräche, Zielvereinbarungen, 360-Grad-Feed-backs und andere Instrumente können auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Kirche zu Gute kommen. Auch die Mitglieder und die an der Kirche Interessierten werden das mit Freude bemerken. Die Qualifizierung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern hat deshalb eine so hohe Priorität, weil die evangelische Kirche die geistliche Qualität ihrer Arbeit steigern und unter diesem Gesichtspunkt Leistung fördern möchte.“ (KdF, S. 65).

Also eine Ohrfeige für den Lehrer?

Kirche der Freiheit blutet die Gemeinden aus

Prof. Eberhard Mechels kritisiert das Reformpapier Kirche der Freiheit. In seinem Erfurter Vortrag.

Der von Oben vorgeschriebene Reformkurs widerspricht dem Wesen von Kirche und führt daher in die falsche Richtung. Mechels sieht die Arbeit der Gemeinden durch die Kirche der Freiheit gefährdet. Niemals wurde die Arbeit von PfarrerInnen so abgewertet, wie in der gegenwärtigen Situation.

Kirche der Freiheit versucht die EKD als die eigentlich Form von Kirche zu etablieren. Man erhofft sich durch weniger konkrete Bindung wachsen zu können. Doch das angestrebte Ziel geht auf Kosten der Gemeinden vor Ort. Ganz im Paradigma des Marktes sollen die Zentren gestärkt werden und auf Kosten der Peripherie.

 

Kirche der Freiheit ist keine neue Entwicklung. Die Idee hat einen langen Werdegang. Die Kirche hat sich als Dienstleisterin dem Staat angebiedert. Damit hoffte man der Gesellschaft die eigene Nützlichkeit zu erweisen. Folgerichtig wurden für diese Dienstleistungen dann Bürokratien als Ebenbild der Gesellschaft erschaffen. Gerade diese Funktionalisierung und Differenzierung macht Mechels für die wachsende Entfremdung vieler Personen mit der Kirche verantwortlich.

 

Zukunftsweisend ist Kirche für Mechels nicht als Dienstleisterin oder als Verwaltungsebene, sondern als Gemeinde. Ekklesia ist die körperliche Versammlung mit Wort und Sakrament. Nach Mechels muss sich die Kirche wieder auf diesen Kern besinnen.

 

Lesen Sie hier den interessanten Vortrag in voller Länge.

Von den Landeskirchentümern zum Bundeskirchentum

Das Gewicht des Regionalen und des Überregionalen in den deutschen evangelischen Landen einst und jetzt. Vortrag von Prof. Jürgen Kampmann, Universität Tübingen. vgl. Synodenthema „Anerkennung der EKD als Kirche“ der EKBO – Drucksache 15 in dieser Ausgabe von Wort-Meldungen.

Prof. Kampmann:

„Evangelische Kirche bedarf … konstitutiv einer lokalen Verortung – einer nationalen nicht. Dafür Sorge zu tragen, daß der zentrale Dienst der Kirche, derin Artikel 7 der Confessio Augustana beschrieben wird, lokal in rechter und verläßlicher Weise wahrgenommen wird, ist eine Aufgabe, die bisher stets regional hat bewältigt werden können.“

Lesen Sie den vollständigen Vortrag.

Die Nachwuchsfrage im Pfarrberuf aus heutiger Sicht

Kein zweites Studienfach hat wohl in den letzten 25 Jahren so viele Studierende eingebüßt wie das Fach Evang. Theologie, Studienziel Pfarramt. Während die Gesamtzahl aller Studierenden seit 1982 von etwa 1,2 Mio. auf über 2,5 Mio. anstieg, fiel sie in Evang. Theologie von 12.000 in den 80er Jahren auf 2300 heute. Dieser radikalen »Dezimierung« der Theologen-Quote erfolgte bei einer gleichzeitigen Verdoppelung der Studierendenzahlen! Waren früher ca. 1% aller Studierenden Theologen, so trifft dies gerade noch auf 1 Promille zu! Andreas Dreyer, der Vors. des Pfarrvereins der Hannover’schen Landeskirche, geht den Ursachen nach.

Praktisch-theologische Bemerkungen zum Impulspapier

Im Juli 2006 hat der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ein

Impulspapier“ unter dem Titel „Kirche der Freiheit. Perspektiven für die evangelische

Kirche im 21. Jahrhundert“ veröffentlicht, das in der allgemeinen wie in der

kirchlichen Öffentlichkeit intensiv debattiert wurde. An der Diskussion beteiligte sich auch Prof. Jan Hermelink, Göttingen mit seinem Artikel „Die Freiheit des Glaubens und die kirchliche Organisation. Praktisch- theologische Bemerkungen zum Impulspapier des Rates der EKD „Kirche der Freiheit“. Sein Beitrag kommentiert das Papier aus dezidiert praktisch-theologischer Perspektive.

Kirche der Freiheit oder Kirche der Distanz?

Das Reformpapier ist gekennzeichnet durch einen Geist, der gezielt dem Geist der Mutlosigkeit und Verzagtheit entgegen wirken und die Chancen und Möglichkeiten der Kirche beherzt ausloten möchte.

Diese Leitintention ist ausdrücklich zu begrüßen und zu würdigen. Auf diesem Hintergrund benennt die Autorin Prof.in Isolde Karle, Bochum, in einem Beitrag drei kritische Punkte im Hinblick auf den konkreten Inhalt des Impulspapiers.

1. Kirche der Distanz

2. Veränderungspathos

3. Die Krise der Kirche – ein Managementproblem?