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EK im Rheinland – EKiR

Defizite im Management der Versorgungsrücklagen in der EKiR

Der Präsesblog der EKiR hat sich zu einem munteren Austausch- und Diskussionsforum der EKiR entwickelt. Positiv: auch überaus kritische Stimmen werden nicht unterdrückt. Insoweit ein kleiner Lichtblick. Dabei überrascht auch angenehm die Offenheit der Kirchleitung, im Folgenden in der Person des Vizepräses Weusmann. Was dabei allerdings an Fakten ans Licht kommt, bestätigt nur schlimme Befürchtungen hinsichtlich der (fehlenden) Qualität des Managements der Kirche. Ein Beispiel: die mangelhafte Rücklagenbildung der EKiR für Pensionsverpflichtungen, der sich aus dem sog. „Ausfinanzierungsgrad“ ableiten lässt. Bei 100% Ausfinanzierungsgrad wären zukünftige Pensionslasten (nach heutigem Kenntnisstand) vollständig abgedeckt. Dazu die Blog-Einträge von Vizepräses Weusmann/EKiR:

„Lieber Herr Volk,

als Antwort auf die Frage in Ihrem Kommentar folgende Information von Vizepräsident Johann Weusmann:

„Die EKD hat für alle Landeskirchen ein versicherungsmathematisches Gutachten über deren Pensions- und Beihilfeverpflichtungen erstellen lassen. Das Gutachten für die EKiR datiert vom Dezember 2012, ist jedoch nicht öffentlich zugänglich. Nach diesem Gutachten liegt der Ausfinanzierungsgrad der EKiR bei 27 bis 34 Prozent, je nach dem welchen Rechnungszins man zugrunde legt.“

Ralf Peter Reimann, Internetbeauftragter“

Lieber Herr Volk,
alle aktuellen Berechnungen beziehen sich auf den letzten Stand der Planzahlen und auf die bisherige Beschlusslage. Es sind keine subjektiven Erkenntnisse hinzugefügt worden. Auch das versicherungsmathematische Gutachten, das für alle EKD-Mitgliedskirchen nach gleichen Kriterien erstellt wurde, gibt den Bedarf für die Versorgungs- und Beihilfesicherung wieder, ohne das wir daran irgendwelche Veränderungen vorgenommen hätten.
Wir werden zunächst mit diesen Ergebnissen arbeiten und in den weiteren Beratungen der Gremien die Entwicklungen und notwendigen Maßnahmen diskutieren…

Vizepäses Weusmann

Angesichts eines Kapitalvermögens der ev. Kirchen von ca. 30 Mrd. € stellen sich angesichts solcher Hiobsbotschaften ein paar Fragen an die Finanzabteilungen der Landeskirchen, aber auch an die Synoden:

– wie hat sich die Wertentwicklung der Finanzanlagen seit dem Jahr 2000 entwickelt?

– wie stellt sich das Risiko-Gewinn-Verhältnis der Anlagen dar?

– welche Wertverluste sind zu beklagen? wer ist dafür verantwortlich?

– in welchem Prozentanteil können die Anlagen als ethisch korrekt bezeichnet werden.

Diese und weitere Fragen sollten unabhängige (!) Wirtschaftsprüfer in allen Landeskirchen und der EKD ermitteln. Nur wenn in diesen Fragen völlige Transparenz herrscht ist Kontrolle möglich und kann Vertrauen wieder hergestellt werden. Friedhelm Schneider.

Kapitaldeckung als Säule neoliberaler Organisationsreformen oder: die EKiR scheut keinen Konflikt

Die grundlegenden Institutionen im Staate Deutschland werden mit Beginn der sog. Reformprozesse einer grundlegenden Wandlung unterzogen.: das Bildungswesen in Schulen und Hochschulen, das Gesundheitswesen. Auch die Kirche macht mit. Dabei zeigen sich nicht nur vielfältige Parallelen, sondern ein einheitliches Muster wird sichtbar, das mit dem Stichwort „Neue Steuerungsmodelle“ bezeichnet werden kann.

In einem ersten Beitrag in den Wort-Meldungen stellten wird das Organisationsmodell in wesentlichen Aspekten dar.

Zu den neuen Steuerungsmodellen zählen auch die Doppik (bzw. NKF). Im Thema des Monats Mai haben wir Für und Wider ausführlich diskutiert. Fazit: viel Aufwand, wenig Nutzen. Vgl. dazu den Artikel des wohl bekanntesten Forschers in dieser Sache, Prof. Bogumil, Bochum im Dt. Pfarrerblatt. Wir erinnern daran, dass der Bund sich im Jahr 2009 – mit Unterstützung des IWF – gegen die Doppik/NKF und für die erweiterte Kameralistik entschieden hat. Dass selbst der Bund solche Unterstützung bedurfte mag anzeigen, wie stark der Druck auf die öffentlichen Institutionen ist, dies Reformprogramm vollumfänglich umzusetzen. Allein der Bund hat widerstanden.

Wie die Rezeptur für die institutionelle Transformation aussieht, kann bspw. im Gesundheitswesen am System der Krankenkassen abgelesen werden. Anzumerken ist, dass auch die Krankenkassen eine Körperschaft des öffentlichen Rechts bilden wie die Kirchen. Es sind genau die Themen, die aus der kirchlichen Reformdebatte hinlänglich bekannt sind.

Die entsprechenden Regelungen finden sich in SGB IV.

Rechnungswesen:

Dort wird in § 69 für das Rechnungswesen die Einführung von Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen sowie Kosten- und Leistungsrechnung sowie Benchmarking festgelegt. (Anmerkung: das ist durchaus in vielen Fällen hilfreich. Quantitative dürfen aber nicht über qualitative Fragestellungen dominieren. Nebenbei: solche Berechnungen des internen Rechnungswesens sind auch mit der Kameralistik darstellbar. Dazu braucht es also nicht die Doppik/NKF!).

Personalwesen:

Der Personaleinsatz ist nach diesen Anordnungen zu überprüfen und zu begründen. Dazu sind „anerkannte Methoden der Bedarfsermittlung“ anzuwenden. Ob solche „anerkannten Methoden“ auch bei der Bedarfsermittlung für Pfarrstellen – und die entsprechenden massiven, den Rückgang der Mitgliederzahl weit überschreitenden Stellenkürzungen angewandt werden? Da bei einem Anteil der Pfarrgehälter von max. ca. 20% am Haushaltsvolumen finanzielle Argumente nicht ziehen, liegt dies nahe. Dann sollten diese „anerkannten“ Methoden aber offen kommuniziert werden.

Kapitaldeckung:

Ein spannendes Thema behandelt § 80 SGB IV. Dort geht es um die Bildung von Rücklagen. Rücklagen bei den gesetzlichen Krankenversicherungen? Finanzieren sich die gesetzlichen Kassen nicht über die Beiträge? Ist nicht die Beitragsanpassung das notorische und adäquate Mittel dieses Systems, Schwankungen des Finanzbedarfs auszugleichen? In § 80 heißt es: „Die Mittel des Versicherungsträgers sind so anzulegen und zu verwalten… , dass ein angemessener Ertrag und eine ausreichende Liquidität erzielt werden.“ Die Praxis der Rücklagenbildung der Kassen bedeutet in der Praxis (wie in allen Formen von Kapitaldeckungen): die Beiträge müssen heute erhöht werden (sonst gäbe es ja keine Mittel, die in die Rücklagen fließen könnten), damit mit den entsprechenden Anlagen in Zukunft Erträge erwirtschaftet werden. Dies soll dann eine Rücklage leisten, die nach § 83 in Wertpapieren oder Aktien zu erfolgen hat. Angaben über das Volumen solcher Rücklagen sind nicht bekannt. Von Interesse ist, dass „Anschaffung, Verkauf, Verwaltung und Verwahrung von Wertpapieren für andere…ein erlaubnispflichtiges Bankgeschäft im Sinne von § 1 KWG“ ist (wikipedia). Selbstredend sind die nicht kostenlos, vgl. z.B. die Angaben einer Bank. Die Banken sichern sich also bei der Rücklagenbildung durch den Zwang der Anlageform Wertpapier in Verbindung mit dem Zwang zur Rücklagenbildung einen eigenen Anteil an Provisionen, die für die Aufgabenerfüllung der Institution nicht mehr zur Verfügung stehen. Von der Reform der Altersversorgung in der Agenda 2010 ist dies System bekannt. Die Privatisierung führt zum Zwang von Anlagen, für die Provisionen für die Banken anfallen. Mittlerweile ist u.a. durch Studien wie die von Stiftung Warentest bekannt, wie wenig effizient diese Art von „abgesahnten“ Finanzierungssystemen ist. Kurz: die Wirksamkeit der jeweiligen Institution wird geschwächt.

Spannend wird die Sache dadurch, da die Rücklagenbildung als Finanzierungsinstrument bei den Krankenkassen eigentlich nicht nötig ist – die Stellschraube sind ja die Beiträge und ggf. deren Anpassung an einen veränderten Bedarf (s.o.) – darf auf ein wichtiges systembildendes Element der Reformprozesse geschlossen werden: die Finanzierungssysteme sind so zu gestalten, dass die Banken einen Anteil des Mittelflusses der in den Institutionen vorhandenen Mittel umgeleitet wird zu den Banken. Das mögen im Einzelfall nur wenige Prozentpunkte sein, in der Summe aller betroffenen Institutionen, dürften aber ansehnliche Beträge entstehen.

Nach diesem etwas ausholenden Vorspann kommen wir nun zur aktuellen Fragestellung kirchlichen Finanzmanagements. Auch hier konstatieren wir eine verstärkte Anlagenpolitik. Rückstellungen für Pensionen waren schon immer üblich. Dabei waren große Teile umlagenfinanziert über die BfA. In der EKHN bspw. von 1975 bis 2003. Auch andere Landeskirchen haben an dieser Mischfinanzierung partizipiert. Der Ausstieg führte in der EKHN Synode nicht nur zu heftigen Auseinandersetzungen, sondern auch zum „Ausstieg“ des damaligen Fraktionsvorsitzenden des Landtages (SPD) Armin Klauss aus der EKHN-Synode. Seither werden die Pensionsverpflichtungen der EKHN vollständig durch entsprechende Kapitalanlagen gedeckt. Das Ziel liegt dabei um bis zu 15% über dem finanzmathematisch erforderlichen Soll (also: 115%).

Seit Kurzem werden in den Landeskirchen aber auch Rücklagen für andere Versorgungsleistungen wie Beihilfen gebildet. Begründet wird dies meist mit den Anforderungen der Doppik. Da die Kirche aber nicht nach HGB, nach dem Handelsgesetzbuch bilanzieren muss, kann sie die Regeln der Bilanzierung letztlich frei handhaben. Mehr noch: sie kann auf die Doppik selbst verzichten! Dennoch kann und sollte sie – in vernünftigem Umfang – Rücklagen bilden. Und hat dies bislang auch ohne Doppik getan! Insoweit sind solche Begründungen also nur vorgeschoben. Mehr Transparenz wäre angebracht!

Wo liegt aktuell das Problem? Das Problem liegt schlicht in dem zu leistenden Kraftakt, Mittel in erforderlicher Höhe für eine Kapitaldeckung der Beihilfeleistungen bereitzustellen. Wo Zahlen vorliegen, in der Württembergischen und Bayerischen Landeskirche etwa, bewegen sich die Summen bei ca. 60 % eines Jahreshaushaltsvolumens oder dort bei 300 bis 400 Mio. €. In Verbindung mit Regelungen, die das ambitionierte Ziel als höchstes Ziel priorisieren, kommt es zu grotesken Situtationen, wie Hans-Jürgen Volk für die EKiR beschreibt: „Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.“

Aus Sicht der betreffenden Institution Kirche ist die Verfolgung dieses Ziels in mehrfacher Hinsicht fraglich:

  1. beim Volumen der Beihilfeleistungen handelt es sich um Beträge, die von der Größenordnung immer auch vom laufenden Haushalt (also dem System „umlagenbasiert“) bestritten werden können. Wenn dies einmal nicht mehr möglich sein sollte, ist die Kirche ohnehin am Ende.
  2. Die Etablierung des kapitalgedeckten Systems führt heute zu Einschnitten (und damit zu Konflikten etc.), führt also heute zu Wirkungsverlusten der Kirche, die aus unterschiedlichen Gründen morgen ganz heftig auf die Kirche zurückschlagen werden. Wir werden dies Thema in einer späteren Ausgabe der Wort-Meldungen ausführlich behandeln!
  3. Die Kapitaldeckung birgt hohe Risiken, die die zunehmenden Börsencrashs belegen. Verlierer beim Crash 2007 waren überwiegend die meisten deutschen Landesbanken oder Banken, die im Staats- und Infrastrukturbereich tätig waren wie die HRE oder die IKB-Bank. Die meisten Landesbanken wurden danach aufgelöst oder von anderen übernommen. Die (Schulden der) HRE wurden verstaatlicht. Das könnte ein warnendes Beispiel sein und zur Frage führen, wer wohl das nächste Opfer der „Greater Fools Theory“ wird? Opfer sind ja offensichtlich überwiegend staatliche oder quasi-staatliche Einrichtungen. Man darf fragen: wer werden beim nächsten Crash die Opfer unter den öffentlichen oder quasi- öffentlichen Institutionen sein?
  4. Kapitaldeckung funktioniert logischerweise nur dann, wenn (real) Zinsen erwirtschaftet werden. Momentan liegen die Zinssätze bei derlei Anlagen aber auf einem historischen Tiefpunkt. Die Erträge erzielen kaum den Inflationsausgleich. Lebensversicherungen senken die Auszahlungsgarantien. Stiftungen kommen in Nöte wegen unzureichender Stiftungserträge.

Immerhin könnten auch ein Argument für Anlagen sprechen. Denn die Frage lautet ja: wie geht es volkswirtschaftlich weiter? Kommt ein neuer Bullenmarkt? Oder stehen die Zeichen auf Bärenmarkt? Letzteres scheint ernst zu nehmenden Experten wie etwa Prof. Fredmund Malik nicht ausgeschlossen. Er führt aus: „In einem solchen Szenario würde nicht mit Wachstum und latenter Inflationsgefahr kalkuliert, sondern mit Schrumpfung und Deflation. Man würde mit steigenden Zinsen rechnen, weil man die Möglichkeiten der Notenbanken geringer gewichten würde als die Folgen reihenweise fallierender Obligationsschuldner“ (Malik, Management, S. 142f. Das entsprechende Kapitel 8, aus dem dies Zitat stammt, werden wir in einer der kommenden Ausgaben der Wort-Meldungen mit freundlichen Genehmigung des Autors einstellen). Selbst wenn der Fall eintrifft, wiegt dies Argument dennoch nicht so schwer wie all die anderen genannten.

Resumee: die neoliberalen Reformprozesse haben institutionenübergreifende, einheitliche Kennzeichen. Dazu gehört ein spezielles Organisationsmodell, dazu gehören neue Finanzsteuerungsinstrumente, dazu gehört eine reduktionistische Personalpolitik (Personalabbau), und dazu gehören kapitalgedeckte Finanzierungsformen. Von letzteren profitieren mit Sicherheit die Banken, weniger die Kunden. Jedenfalls in den bekannten Beispielen.

Kirche schwimmt im Strom dieser neoliberalen Reformprozesse. Dass dieser Weg falsch ist, erkennt man daran, dass es überall in der Kirche knirscht. Richtiges, professionelles Management erkennt man aber daran, das man es genauso wenig spürt „wie einen perfekt passenden Schuh.“ (Malik, Management, S.65).

Nicht nur die Pfarrerinnen und Pfarrer, auch die Mitglieder der Kirche haben an die Kirche andere Erwartungen als die billige Kopie von Downsizing-Konzepten aus der Wirtschaft oder – mittlerweile – anderer Institutionen. Man lese dazu den folgenden Beitrag des Finanzkirchmeisters Schröder der EKiR.

Was wäre die Alternative für die Kirche? Die Alternative besteht darin, ein individuelles, auf die spezifische Lage der (protestantischen) Kirche zugeschnittenes Reformkonzept. Keine Einheitslösung für alle Institutionen, die nachträglich an individuelle Bedürfnisse angepasst wird. Das wäre so als, ob man beim Schuhkauf den Fuß an den Schuh anpasst. Das wäre ein schmerzhafter Prozess. Zeugen solcher schmerzhafter Prozesse sind wir gerade auch in der Kirche. Bei einer Fortsetzung droht der Fuß der Kirche verstümmelt zu werden, bis er in den Schuh „Neoliberales Reformkonzept“ endlich hineinpasst.  Nach 15 Jahren „Reformen“ wird es daher Zeit, innezuhalten. Es braucht ein Moratorium. Und es braucht eine ehrliche, schonungslose Bilanz. Danach muss man sich der Mühe unterziehen, ein eigenständiges kirchliches Reformkonzept zu entwickeln. Dazu nur wenige Leitgedanken: Reformen dürfen nicht wie bisher hauptsächlich an Finanzgrößen orientiert sein, sondern an den Menschen. In der Kirche geht nicht nur oder primär um Kapital. Es geht in der Kirche um die ‚3 K‘: es geht um Köpfe, Konzepte, Kapital – und zwar in dieser Reihenfolge. Dieses Managementkonzept der 3 K schafft Platz, es verlangt geradezu nach der Basis der Theologie. Denn der Mensch steht an erster Stelle. Management und Theologie passen dann, aber auch nur dann, wieder gut zusammen.

 

Friedhelm Schneider

„Lieber Herr Rekowski, liebe Kirchenleitung“ – aus dem Blog von Präses Rekowski, EKiR

von Michael Schröder am 28.07.:

„Lieber Herr Rekowski, liebe Kirchenleitung,

seit mehr als einem Jahr bin ich nun schon Finanzkirchmeister in unserer Gemeinde. Durch meine Tätigkeit als Bilanzbuchhalter und Controller (über 25 Jahre in der freien Wirtschaft und seit mehr als 5 Jahren im öffentlichen Dienst) bin ich den Umgang mit Zahlen gewohnt.
Meine Motivation vor einem Jahr war, geprägt durch viele Erlebnisse in meinem Berufsleben, mehr über meinen christlichen Glauben zu erfahren, weg von Gewinnmaximierung, Sozialplänen, Werksschließungen usw. Doch was man nun erlebt ist eigentlich nichts anderes.

Die Gemeinden leiden unter den Umlagen, das verbleibende Geld reicht hinten und vorne nicht aus, die Verwaltungsstrukturreform sorgt für Unruhe bei den Beschäftigten. Die Mitglieder der Presbyterien sind mit vielen Themen völlig überfordert. Das hatte ich mir leider etwas anders vorgestellt…“ Lesen Sie mehr.

Gemeinde wehrt sich gegen Sparpläne der EKiR

Letzte Woche haben wir über den Brandbrief Rekowskis berichtet. Trotz hoher Kirchensteuereinnahmen plant er bis 2018 35% im Haushalt der EkiR zu sparen.

Die Gemeinde Holten-Sterkrade wehrt sich gegen die Einsparziele. Alleine aus dem Rückgang von Mitgliedern lässt sich nicht pauschal auf einen Rückgang der Kirchensteuereinnahmen schließen.

Der Autor Andreas Reinhold vermutet andere Ursprünge der Sparziele. Die Verwaltung hat in der jüngeren Vergangenheit mit dem bbz-Skandal, der Umstellung der Finanzverwaltung und dem Ausbau der Verwaltungsstrukturen Ausgaben erzeugt, die nun die Gemeinden vor Ort ausbaden sollen.

2013 nimmt die EKiR so viel Kirchensteuern ein, wie lange nicht mehr. Ein Grund 35% des Haushalts sparen zu wollen.

Ein Paukenschlag –

Rheinische Kirche kündigt verschärften Sparkurs an

Trotz gestiegener Einnahmen:

betriebsbedingte Kündigungen sind nicht ausgeschlossen!

Von Hans-Jürgen Volk

Wenn Unternehmen trotz hoher Gewinne Arbeitsplätze abbauen, gab es dazu in der Vergangenheit berechtigterweise kritische Stellungnahmen von exponierten Vertretern der Ev. Kirche wie dem EKD-Ratsvorsitzenden Nikolaus Schneider. Nun kündigt die Ev. Kirche im Rheinland einen drastisch verschärften Sparkurs an – trotz einer Steigerung des Nettokirchensteueraufkommens von etwa 24% seit 2005.

Die nachfolgende Übersicht dokumentiert, dass die Einnahmesituation der rheinischen Kirche seit 2005, abgesehen von einem moderaten Rückgang, der durch die Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 ausgelöst wurde, sich seit nunmehr 8 Jahren stabil in eine positive Richtung entwickelt hat:

2005

2006

2007

2008

2009

2010

2011

2012

2013

Nettokirchen-steuer-Aufkommen (Verteilbetrag)

in Euro

492 Mio.

499 Mio.

562 Mio.

599 Mio.

584,8 Mio.

560,00 Mio.

570,00 Mio.

594 Mio.

Über 600 Mio.

Schätzung

Im gleichen Zeitraum wurden bereits durch massiven Stellenabbau und durch die Schließung landeskirchlicher Einrichtungen Kosten reduziert. Die Lohn- und Gehaltsentwicklung der kirchlich Beschäftigten bewegt sich in einem äußerst bescheidenen Rahmen. Sie liegt in langjährigem Mittel deutlich unterhalb der Inflationsrate. Bisher waren trotz dieser Sachverhalte auf der Ebene der Landeskirche bis 2023 Einsparungen um 15% vorgesehen Nun sollen diese Vorgaben bis 2015 umgesetzt werden und bis 2018 Kostenreduzierungen im Haushalt der Landeskirche um brutale 35% erfolgen.

Positiv: ein neuer Stil – Einstieg zu einem ergebnisoffenen Diskurs?

Anerkennenswert ist, dass die neue Kirchenleitung den neuen Sachverhalt offen kommuniziert hat – z.B. durch eine Pressemitteilung sowie durch eine Videobotschaft von Präses Rekowski. Einen neuen Stil signalisiert die Veröffentlichung eines Schreibens an die Mitglieder der Landessynode, VerantwortungsträgerInnen in landeskirchlichen Ausschüssen, Werken und Einrichtung sowie die Superintendentinnen und Superintendenten.

Entscheidend ist nun, ob die löbliche Transparenz und die deutlich signalisierte Bereitschaft zur offenen Diskussion und ehrlichen Partizipation tatsächlich einen umfassend ergebnisoffenen Diskurs eröffnet. Dieser müsste bereits bei der Frage ansetzen, ob die anvisierten Sparmaßnahmen angesichts der positiven Einnahmeentwicklung gerechtfertigt sind. Denkt man an die Regionalkonferenzen des Jahres 2011, in dem die Themen Personalplanung und Verwaltungsstrukturreform im Mittelpunkt standen, so waren damals Detailveränderungen möglich, die wesentlichen Grundentscheidungen standen aber nicht zur Disposition – Scheinpartizipation. Was Matthias Burchardt in seinem Beitrag „Liebesgrüße aus Gütersloh“ zur gesellschaftlichen Rolle der Bertelsmannstiftung schreibt, lässt sich gut auf die von oben gelenkten kirchlichen Diskurse übertragen: „Die Zuspitzung auf Problemlösungen und Ergebnisorientierung funktionalisiert die Demokratie als nachgelagertes Potential flexibler Bewältigungsreaktionen auf externe Sachzwänge. Eine offensive Gestaltung oder Veränderung der Verhältnisse, aus denen die vermeintlichen Sachzwänge erwachsen, ist nicht vorgesehen.“ Ersetzt man den Begriff „Demokratie“ durch „presbyterial-synodale Ordnung“, so erhält man eine treffende Beschreibung kirchenleitender Top-Down-Strategien. Rekowski wie Weusmann haben mit ihren Bewerbungsreden vor der Landessynode im Januar 2013, die diese schließlich in die beiden wichtigsten Ämter der rheinischen Kirche wählte, mit unterschiedlicher Intensität andere Akzente gesetzt. Insofern kann man noch hoffen, dass es einen breiten und ergebnisoffenen Diskurs geben wird.

Auf der anderen Seite ist es derart unfassbar, wie insbesondere mit den Beschäftigten der Kirche umgegangen wird – Einsparungen um 35% bis 2018 bei gleichzeitiger Steigerung des Netto-Kirchensteueraufkommens zwischen 2005 und 2013 um ca. 24% -, dass man vermutlich auf die angeblichen „Sachzwänge“ im Zusammenhang mit zukünftigen Versorgungs- und Beihilfeansprüchen verweist und die vorgegebenen Sparziele als „alternativlos“ darstellt. Wir werden sehen!

Zukunftssicherung durch Kapital – zu Lasten der Beschäftigten

Bereits mit den „Sparankündigungen“ suspendiert sich die Ev. Kirche im Rheinland von den eigenen sozialethischen Standards bzw. setzt sie für den internen Gebrauch außer Kraft. Was ist der Hintergrund?

Der angesprochene Brief der Kirchenleitung beginnt mit dem Satz: „Wie können wir auch in Zukunft unsere Leitvorstellung „missionarisch Volkskirche sein“ verwirklichen, wenn unsere Mitgliederzahl seit 1970 um fast ein Drittel gesunken ist und weiter kontinuierlich sinkt und unsere Finanzkraft nicht zuletzt dadurch nachhaltig geringer wird?“ Offenbar verbirgt sich hinter diesem Einstieg, der einmal mehr den irreführenden Zusammenhang zwischen Mitgliederentwicklung und Finanzkraft herstellt, die Erkenntnis, dass man ohne diese Übung die angekündigten Sparmaßnahmen weder intern noch nach außen vermitteln könnte. Dennoch ist er eine Irreführung, wie der Blick auf die folgenden Zahlen verdeutlicht:

1970

1977

1987

1990

2000

2007

2013

Gemeindeglieder in Mio.

3,856

3,604

3,318

3,269

3,113

2,92

2,74

Nettokirchensteuer-

Aufkommen in Euro

200 Mio.

350 Mio.

440 Mio.

580 Mio.

551 Mio.

562 Mio.

Ca. 600 Mio.

Richtig ist also: seit 1970 hat die Ev. Kirche im Rheinland etwa 1/3 ihrer Mitglieder verloren. Das ist außerordentlich betrüblich. Gleichzeitig hat sich das Netto-Kirchensteueraufkommen verdreifacht. Wenn man also einen Zusammenhang zwischen Mitglieder- und Kirchensteuerentwicklung empirisch feststellen will, müsste man eine Kirchenaustrittsbewegung initiieren, um die kirchlichen Einnahmen zu beflügeln. Dies ist natürlich genauso großer Mumpitz wie die Behauptung, eine sinkende Mitgliederzahl würde zwangsläufig und berechenbar die Finanzkraft der Kirche schwächen. Im Zeitraum von 33 Jahren geschah das Gegenteil: die Finanzkraft stieg trotz Mitgliederverlust.

Unbestritten ist, dass es spätesten seit 1994 zu Einbrüchen bei den Kirchensteuereinnahmen kam. Diese sind zurückzuführen auf steuerpolitische Maßnahmen, die wirtschaftliche Entwicklung und die Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt.

Fazit: Der Hintergrund der angekündigten Sparanstrengungen ist keineswegs eine prekäre Einnahmesituation. Prognostizierte Kosten der Zukunft lösen vielmehr den gegenwärtigen Finanzdruck aus. (Aktuell ist in diesem Zusammenhang der Beitrag vom März 2011 „Die Zeiten für die abhängig Beschäftigten der Ev. Kirche im Rheinland werden (noch) härter“)

Auf Seite 2 des Schreibens der Kirchenleitung werden die tatsächlichen Gründe für den Finanzalarmismus benannt:

Zinsentwicklung (bbz lässt grüßen): Wir befinden uns in einer Niedrigzinsphase, deren Ende nicht abzusehen ist. Einigermaßen sicher angelegtes Kapital erbringt kaum mehr eine Rendite oberhalb der Inflationsrate. Da kirchliche Körperschaften über zum Teil recht üppige Rücklagen verfügen, bedeuten niedrige Zinsen Einnahmeverluste.

Versorgungskasse: Die niedrigen Zinsen machen bekanntlich den Versicherern zu schaffen. Die klassische Lebensversicherung scheint ein Auslaufmodell zu sein. Modelle der privaten kaitalgedeckten Altersvorsorge wie die Riester-Rente verlieren immer mehr an Popularität. Mit den gleichen Problemen wie die Versicherungsunternehmen hat die Versorgungskasse für PfarrerInnen und Kirchenbeamte zu kämpfen.

Vor einiger Zeit wurde entschieden, alles was möglich ist dem Kapitalstock der Versorgungskasse zuzuführen, die tatsächlich vordem durch kaum fassbare Fehlentwicklungen in eine Schieflage geraten war. Seit der Zeit hat die rheinische Kirche ein fragwürdiges Luxusproblem: Je höher das Kirchensteueraufkommen ist, desto umfangreicher fallen die Zuzahlungen an die Versorgungskasse aus, was auch bei einer guten Finanzentwicklung der Landeskirche, den Kirchenkreisen und den Gemeinden fiskalisch die Luft zum Atmen nimmt. Im Schreiben von Rekowski und Weusmann wird dies so ausgedrückt: „Bei der Versorgungssicherungsumlage wirkt sich aus, dass das zugrunde liegende Kirchensteueraufkommen aufgrund aktualisierter Schätzungen in der Planung erhöht wurde, wodurch sich der prozentuale Anteil ebenfalls erhöht.“ So kommt es zu der paradoxen Situation, dass gespart werden muss, weil die Einnahmen steigen.

Demographie: Mehrfach wird in dem Schreiben das Thema „demographischer Wandel“ sehr allgemein und unpräzise angesprochen. So liest man die von Alarmismus geprägten Sätze: „Und grundsätzlich müssen wir feststellen: Je später wir auf die seit langem bekannten demografischen Veränderungsprozesse reagieren, umso höher müssen unsere Sparmaßnahmen dann ausfallen. Je länger wir warten, desto härter werden uns die Folgen treffen.“ Zur Klarstellung: der demographische Wandel bei der Mitgliedschaft hat auf die Finanzentwicklung spätestens seit dem Alterseinkünftegesetz von 2005 eben sowenig einen empirisch nachweisbaren Einfluss auf die Einnahmen wie die Mitgliederentwicklung. Allerdings stellt die Altersstruktur der Mitarbeiterschaft ein großes Problem dar – vor allem im Blick auf zukünftige Versorgungsansprüche und Beihilfeleistungen. Aus diesem Grund wird, wie im Schreiben erwähnt, ab 2014 eine Beihilfesicherungsumlage eingeführt von zunächst 1% des Kirchensteueraufkommens, die „voraussichtlich“ auf 3% angehoben werden soll. Offenbar besteht die Absicht, ähnlich wie bei der Versorgungskasse einen Kapitalstock aufzubauen, um zukünftige Ansprüche abzusichern.

Neues kirchliches Finanzwesen (NKF): Erwähnt wird im Schreiben nur die Substanzerhaltungspauschale, die im Haushalt der Landeskirche den stattlichen Betrag von 8,2 Mio. € ausmacht, also grob 12% der gesamten Haushaltsmittel. Gewiss ist es sinnvoll, Rückstellungen zur Substanzerhaltung von Gebäuden zu bilden. Die rheinische NKF-Variante des NKF erzwingt allerdings durch eingebaute Automatismen die pauschale Ansammlung von Kapital in erheblichem Umfang und völlig unabhängig von der Einzelsituation, was nicht nur Immobilien betrifft. So entsteht ein offensichtlich gewollter Druck, sich von Personal und insbesondere von Immobilien zu trennen, um stattdessen Kapital aufzubauen.

Zusammengefasst: Die Ev. Kirche im Rheinland hat kein Problem mit ihren Einnahmen. Die Entwicklung der vergangen Jahres ist in dieser Hinsicht zumindest befriedigend und rechtfertigt in keiner Weise den von der neuen Kirchenleitung betriebenen Finanzalarmismus. Sie hat allerdings Probleme mit fragwürdigen Beschlüssen und Entscheidungen. Schon seit längerem besteht im Blick auf Versorgungskasse und Beihilfeproblematik die Strategie, durch die Ansammlung von Kapital Zukunft sichern und zukünftige Haushalte entlasten zu wollen. Hinter dieser Strategie steht die fragwürdige Hypothese, die Finanzkraft der Kirche würde sich im Zeitraum vom 2002 – 2030 halbieren. Hinzu kommt die rheinische NKF-Variante mit ihrer Tendenz, ebenfalls Geldmittel in unvernünftigem Umfang für Rücklagen und Rückstellungen aus der laufenden Arbeit abzuziehen. Man will also Sparen unter der Androhung von betriebsbedingten Kündigungen, um Kapital zur angeblichen Zukunftssicherung aufzubauen. Um die Zukunft zu sichern, wird die Kirche der Gegenwart nachhaltig beschädigt und damit ihre Zukunft erst recht aufs Spiel gesetzt.

Eine fragwürdige Strategie mit Risiken und Nebenwirkungen

Im Kern geht es um eine ernst zunehmende Problematik, auf die nicht nur die Ev. Kirche im Rheinland, sondern ebenso andere Landeskirchen wie auch weite Teile des öffentlichen Dienstes zu steuern. Es geht um die Altersstruktur der Beschäftigten, insbesondere derer, die in einem öffentlich rechtlichen Dienstverhältnis stehen. Dies sind überwiegend Pfarrerinnen und Pfarrer abhttp://www.agentur-aim.com/downloads/kirche/KVIID-Kirchenkrise-welche_Krise.pdfer auch etliche Kirchenbeamte. Insgesamt macht diese Gruppe noch nicht einmal 10% aller Beschäftigten im kirchlichen Kernbereich aus. Würde man die diakonischen Einrichtungen hinzurechnen, wäre der Prozentsatz noch wesentlich geringer. Diese Gruppe hat einen Rechtsanspruch auf Pensionen und Beihilfen. Etwa ab 2018 wird die Gruppe der sogenannten Babyboomer sukzessive in den Ruhestand gehen. Etliche Jahre später ist der Punkt erreicht, an dem die Anzahl der Ruheständler die der aktiven Pfarrerinnen und Pfarrer um ein Mehrfaches übertreffen wird. Diese gewaltige Herausforderung darf man keineswegs bagatellisieren. Es handelt sich allerdings um ein Szenario, dass sich frühestens in 10-15 Jahren einstellen wird. Jetzt schon tragfähige Lösungen für diese zukünftigen Belastungen entwickeln zu wollen, ist eher ein Ausdruck menschlicher Hybris als von vorausschauender Vernunft. Die jetzt eingeschlagene Strategie des verschärften Sparens mit dem Ziel, Kapital aufzubauen um zukünftige Haushalte zu entlasten, hat erhebliche Risiken und Nebenwirkungen.

Externe Risiken:

Finanzmarktentwicklung – wer durch Akkumulation von Kapital Zukunft sichern will, macht sich abhängig vom Finanzmarktgeschehen. Die jetzige Strategie der Kirchenleitung im Blick auf die Versorgungsproblematik setzt Stabilität der Finanzmärkte für die kommenden Jahrzehnte voraus. Der Nachweis, dass dies eine bestenfalls eine naive Illusion ist, wird an anderer Stelle geführt werden. Er wird überzeugend erbracht von so unterschiedlichen Autoren wie Fredmund Malik, Dirk Müller oder Sarah Wagenknecht und vielen anderen. Ein Grundproblem: es befinden sich Finanzprodukte mit wachsendem Volumen im Umlauf, die ein Vielfaches des Weltbruttosozialproduktes ausmachen. Dem gegenüber steht eine ebenso rasch wachsende Verschuldung von Privatpersonen und Staaten. Der Punkt an dem sich abzeichnet, dass die Schulden in immer größerem Umfang nicht mehr bedient werden können und damit das Finanzvermögen entwertet wird, ist bereits überschritten. Kapital, dem kein tatsächlicher Gegenwert gegenübersteht, wird mit Recht als „Schaumgeld“ bezeichnet. Offensichtlich wird der Tatbestand, dass die Fragilität und Unberechenbarkeit des aktuellen Finanzmarktgeschehens etwas mit der Versorgungskasse und anderem angelegtem Kapital der Kirche zu tun hat, konsequent verdrängt.

Wirtschaftliche Entwicklung, Veränderungen beim Steuerrecht – Dies sind die beiden Faktoren, die die Kirchensteuereinnahmen und natürlich indirekt auch die Kapitalerträge wesentlich beeinflussen. Kirchliche Finanzprognosen rechneten bisher in der Regel ökonomische Eckdaten der Gegenwart sowie den aktuellen steuerrechtlichen Rahmen schlicht für die Zukunft hoch. Die einzige einigermaßen verlässlich zu berechnende Konstante ist jedoch die Mitgliederentwicklung. Mag die Mitgliederentwicklung bis heute die Finanzkraft der Kirche erkennbar nicht beeinflusst haben, so wird dennoch auf Grund der mutmaßlich sinkenden Zahl der Gemeindeglieder ein Verlust an Finanzkraft prognostiziert, da man die wesentlichen Faktoren, die die Finanzkraft der Kirche tatsächlich beeinflussen, trotz ihrer Variabilität schlicht zu Konstanten erklärt. Diese Art von Prognostik ist das Papier nicht wert, auf dem sie noch so eindrucksvoll dargestellt wird. Einfacher ausgedrückt: wer so rechnet, liegt garantiert falsch. Denn im Blick auf die wirtschaftliche Entwicklung und das Steuerrecht ist eine große Bandbreite an möglichen Entwicklungen denkbar. Aus diesem Grund rät Fredmund Malik in seinem Buch „Management – das A und O des Handwerks“, Frankfurt 2007, Unternehmen, die erfolgreich sein wollen, dringend von einer derart eindimensionalen Prognostik ab und empfiehlt stattdessen das Arbeiten mit unterschiedlichen Szenarien (z.B. S. 142).

Interne Nebenwirkungen:

Auswirkungen auf die Motivation der Beschäftigten – bereits die Sparrunden der Vergangenheit, erst die 15%-Sparvorgabe für die landeskirchliche Ebene bis 2023, haben für erheblich Unruhe, Existenzdruck und Demotivation gesorgt. Die nochmalige drastische Verschärfung des Sparkurses trotz steigender Einnahmen während der vergangenen 8 Jahre ist in ihrer Auswirkung auf die Beschäftigten kaum absehbar. Selbst einem börsennotierten Großkonzern würde man ein derart unsoziales Verhalten nicht nachsehen. Die Kirche ist mehr als der Konzern angewiesen auf die Motivation ihrer Beschäftigten. Diese zu zerstören und langjährige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu Kostenfaktoren zu degradieren, beschädigt die Zukunft der Kirche.

Kirchenkreise und Gemeinden – Von der Versorgungssicherungsumlage, der Beihilfesicherungsumlage sowie NKF sind Kirchenkreise und Gemeinden genauso betroffen wie die Landeskirche. Folgt man der im Schreiben von Rekowski und Weusmann eingeschlagenen Logik, sind auch hier Einsparungen in ähnlicher Größenordnung unabweisbar. Eine interessante Frage ist in diesem Zusammenhang, wie unter den angeblich drastisch verschärften finanziellen Rahmenbedingen die Folgekosten von NKF, die Verwaltungsstrukturreform oder die neue IT-Struktur finanziert werden sollen.

Pfarrstellen – Manche Pfarrerinnen und Pfarrer sind der Überzeugung, es sei letztlich eine gute Sache und in ihrem Interesse, wenn die Landeskirche sich in einem derartigem Ausmaß um Versorgungsicherheit bemüht. Faktisch wird so der Pfarrdienst enorm verteuert. Dies bereitet den Weg für eine weitere drastische Reduktion von Pfarrstellen.

Was jetzt geboten ist: tatsächliche Transparenz vor allem im Blick auf die Lage der Versorgungskasse, auch würde man gerne exakt und an Hand von Zahlen belegt wissen, wie die Kirchenleitung zu derart drastischen Sparmaßnahmen kommt. Das Schreiben von Rekowski und Weusmann kann hier nur ein erster Schritt sein.

Zuletzt: Für mich persönlich besteht die größte Enttäuschung darin, dass die neue Kirchenleitung offenbar bisher nicht bereit ist, sich kritisch mit der reichlich missglückten Reformphase seit 2006 auseinanderzusetzen, was gewiss auch unter Kostengesichtspunkten lohnend und geboten wäre. Stattdessen wartet man mit einem „Kassensturz“ auf, bei dem sich eine fragwürdige Kontinuität in der Denkweise und Methodik zur Vergangenheit abzeichnet. Der Stil ist neu, bei den Inhalten folgt man tapfer der Spur auf den alten Gleisen.

Wie sozial ist die Kirche?

Der Umgang der Ev. Kirche mit ihrem Geld, ihren Beschäftigten und dem Leitbild der „Dienstgemeinschaft“ – von Hans-Jürgen Volk

War die Kirche lange Zeit in struktureller Hinsicht dem öffentlichen Sektor zuzuordnen, so haben sich seit etlichen Jahren die Gewichte verschoben. Sie gleicht im Verbund mit ihren diakonischen Einrichtungen immer mehr marktorientierten Unternehmen, für die der eigene unternehmerische Erfolg an erster Stelle steht und eine Gemeinwohlorientierung nur insoweit Beachtung findet, als sie diesen nicht in Frage stellt. Unternehmen sind von Natur aus „egoistisch“. Die ideologische Unterweisung der neoklassischen Ökonomie stellt unbeirrbar fest, dass genau dieser Egoismus dem Gemeinwohl am effektivsten dient, mag die Wirklichkeit auf noch so bedrängende Weise das Gegenteil belegen. Die Ev. Kirche hat sich einem „Reformprozess“ unterzogen, der sich im Kern an einer betriebswirtschaftlich orientierten Neugestaltung ihrer Organisation ausrichtet. Sie mutiert so zu einem Dienstleistungskonzern mit religiösen und diakonischen Angeboten. Zunehmend prägt dies den Umgang mit ihrer Mitarbeiterschaft ebenso wie den Umgang mit ihrem Geld.

Die ersten 100 Tage der neuen rheinischen Kirchenleitung

In seinem Beitrag „Die ersten 100 Tage der neuen rheinischen Kirchenleitung“ kommentiert Pfr. Hans-Jürgen Volk die ersten 100 Tage des neuen Präses und der neuen Kirchenleitung in der EKiR.

Rekowskis Kernsatz: „Als Kirche leben wir von der Hoffnung, nicht von den Prognosen.“

Ein Kernsatz, der theologisch eigentlich immer unstrittig war. Der aber auch aus Sicht eines richtigen Managements absolut zutrifft. Denn Prognosen sind definitiv keine geeigneten Leitungsinstrumente. Wo sie eingesetzt werden, geht es weder um Theologie noch um richtiges Management. Werden dennoch Prognosen bemüht, muss daher immer der Verdacht des clandestinen Herrschaftsinstruments vermutet werden. Ein Verdacht, der selten ausgeräumt werden kann.  Vgl. dazu auch den folgenden Beitrag

 

Irritationen um personalpolitische Entscheidungen…

Fortsetzung der Vorruhestandsregelung in der EKvW.
Der Beschluss der Fortschreibung der Vorruhestandsregelung für Pfarrerinnen und Pfarrer in der EKvW durch die Landessynode löst manchmal Irritationen aus. Wird hier nicht ein Berufsstand privilegiert? Verlängerung der Lebensarbeitszeit einerseits per Gesetz (67 Jahre) und die Möglichkeit einer Frühpensionierung andererseits – wie passt das zusammen? Brauchen wir nicht gerade die langjährig Erfahrenen in unserer Kirche? Dies sind nur einige Anfragen. Ausgehend von der noch vorhandenen besonderen Personalsituation in der EKvW geht es im Vorlagen-Papier der Landessynode darum, eine gewisse Flexibilität auf dem „Stellenmarkt“ zu erreichen bzw. zu erhalten. Deshalb wurde dieser Weg der Fortsetzung gewählt. Schließlich ist die Zahl der Ruhestandsversetzung (Regelaltersgrenze) in den Jahren 2012-2015 mit insgesamt 48 Personen äußerst gering. Als mögliche Zielvorgaben wurden deshalb benannt:
„- Steigerung der freiwerdenden Pfarrstellen, um neu berufenen Pfarrerinnen und Pfarrer im Probedienst möglichst schnell nach Zuerkennung der Anstellungsfähigkeit die Wahl in eine Pfarrstelle zu ermöglichen
– Steigerung der freiwerdenden Pfarrstellen, um für Pfarrerinnen und Pfarrer im Entsendungsdienst sowie mit Beschäftigungsauftrag aber auch Veränderungswilligen in andere Stellen, mehr Bewerbungsmöglichkeiten zu schaffen
– finanzielle Entlastung der EKvW
– frühere Reduzierung der Zahl der im Pfarrdienst beschäftigten Personen hin zu einer an der Größe und der finanziellen Leistungsfähigkeit der EKvW orientierten Zahl an Pfarrerinnen und Pfarrer“.
Die beschlossene Verlängerung der Vorruhestandsregelung betrifft die Jahrgänge 1954-57, die bei Nutzung dieser Regelung Pensionsabstriche von mindestens7,2% hinnehmen werden. Bei einer verlängerten Regelaltersgrenze kann sich dieser Betrag um 0,3% pro Dienstmonat erhöhen. Hier sollte man sich im Vorfeld kundig machen. Der PV berät gern.

Pastoren auf dem Abstellgleis – in der Nordkirche und anderswo

Es ist ein Beruf für Berufene: Wer Pastor wird, wird dies in der Regel auf Lebenszeit. Doch Anstellung heißt nicht zwingend auch Beschäftigung. Denn als einzige Institution in Deutschland kennt die Evangelische Kirche noch den Wartestand. Viele Betroffene und Kritiker sehen diese Zeit zwischen zwei Tätigkeiten als ein Abstellgleis auf dem Weg in den Ruhestand, als Belastung und Mobbing.

 

Mobbing (k)ein strukturelles Problem

Spiegel Online berichtet über Mobbing in der Kirche. Die letzte repräsentative Umfrage sei 11 Jahre her, ergab aber, das 11.3% der deutschen PfarrerInnen schon einmal Opfer von Mobbing waren.

Das Kirchenrecht begünstige dies strukturell. PfarrerInnen können auch ohne Wahrheitsfindungsprozess versetzt werden, wenn das Vertrauensverhältnis zur Gemeinde zerrüttet ist. „Das führt dazu, dass Mobbing strategisch eingesetzt wird, um dann von einer Zerrüttung zu sprechen.“, wird Sabine Sunnus vom Verein D.A.V.I.D. zitiert.

 

In seinem Praesesblog nimmt Manfred Rekowski Stellung zu den Vorwürfen des Artikels. Rekowski macht sich für eine Mediation durch neuralte Seite bei Konflikten stark. So landeten nur seltenst Fälle vor dem Kirchen oder Arbeitsgericht.

Kirche als Pionierin des Wandels

Unser Wirtschaftsmodell des stetigem Wachstums ist nicht Zukunftsfähig“, bekundet Christine Busch auf der „Fachtagung Umkehr zum Leben- Den Wandel gestalten

Die Fachtagung erkannte, das Nachhaltigkeit nur möglich ist, wenn etablierte Wirtschafts- und Wachstumsmodelle freiwillig beschnitten werden.

Die Kirchen sieht Dr. Steffen Bauer als wichtige Netzwerker, Multiplikatoren und Agendensetter dank ihrer Ressourcen und ihres Organisationsgrad.

Der Weg hin zu einer Pionierin des Wandels ist jedoch weit. Prof. Franz Segbers plädierte für eine „Ökonomie des Genug“. Er kritisierte die kapitalbasierte Altersvorsorge der Kirche als Beispiel einer Komplizenschaft im Rahmen der Bankenkrise.