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EKD

Erst zu ‚prognostisch‘, jetzt zu theologisch? Kirchenhistoriker Markschies widerspricht Kritik an EKD-Reformationstext

Gegenwind gegen das Grundlagenpapier der EKD zur Reformation kam aus berufenem Munde,  von Seiten der Reformationsgeschichtler Thomas Kaufmann und Heinz Schilling.

„Der Kirchenhistoriker Christoph Markschies hat das Grundlagenpapier der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) zur Reformation gegen Kritik von Historikerkollegen verteidigt.

Markschies reagiert damit auf Kritik der Historiker Heinz Schilling und Thomas Kaufmann, die der EKD eine „dogmatische Geschichtsdeutung“ bei der Vorbereitung des 500. Reformationsjubiläums vorwerfen. Das EKD-Papier nehme die Ergebnisse der internationalen Reformationsforschung seit 1945 überhaupt nicht zur Kenntnis, hatten die Fachleute für Reformationsgeschichte bemängelt.“ Mehr dazu.

Vorschlag zum Reformationsjubiläum von Alois Glück: Gemeinsamer Bussgottesdienst.

Wetzlar (idea) – Einen gemeinsamen Bußgottesdienst von Katholiken und Protestanten zum Reformationsjubiläum 2017 hat der Präsident des Zentralkomitees der Deutschen Katholiken (ZdK), Alois Glück (Traunwalchen/Oberbayern), angeregt. Dabei sollten beide Seiten bekennen, dass sie Schuld auf sich geladen haben. „Das wäre für die Glaubwürdigkeit der Christen ein gutes Zeichen“, sagte Glück in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar).

Warum Udo di Fabio als Vorsitzender des wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjubiläum 2017 eine Fehlbesetzung ist – von ProfIn. i.R. Gisela Kittel

Anfang März war in der Kirchenzeitung »Unsere Kirche« (Nr. 10/2. März 2014, S. 3) zu lesen, dass der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio, selbst katholischer Konfession, zum Vorsitzenden des wissenschaftlichen Beirats gewählt wurde, der das Reformationsjubiläum 2017 vorbereiten soll. Diese Nachricht überrascht und lässt die Frage aufkommen, ob es nicht auch evangelische Theologen und Theologinnen gibt, die den Vorsitz in einem solchen, die lutherische Reformation bedenkenden Gremium hätten übernehmen können. Doch die Frage ist von noch größerer Brisanz angesichts des Namens, der hier genannt wird. Verfassungsrichter di Fabio war im Jahr 2008 einer von drei Richtern der zweiten Kammer des zweiten Senats des Karlsruher Verfassungsgerichtes, das die Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers aus dem Rheinland, der sich durch alle kirchlichen Instanzen durchgeklagt hatte, erstens überhaupt nicht zur Entscheidung annahm und zweitens nachwies, dass bei der Anwendung der kirchlichen Versetzungsparagraphen auf Grund nicht »gedeihlichen Wirkens«  auch »eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs. 1 GG)« nicht gegeben sei.
Ein verhängnisvolles Verfassungsurteil und die Folgen

Weil gerade dieser Abschnitt des Verfassungsurteils (Teil II, Abschnitt 2) nicht mehr nur juristisch, sondern theologisch argumentiert, da er zudem ein neues Kriterium für die Bewährung oder Nichtbewährung eines evangelischen Pfarrers in seinem Dienst aufstellt, seien aus ihm einige Passagen zitiert: Weiter im Text geht es im Dt. Pfarrerblatt.

Überflüssig. Kommentar zur Rede von Bundespräsident Gauck beim Zukunftsforum der EKD in Wuppertal.

von Siegfried Sunnus

Was für eine Chance – der Bundespräsident spricht auf dem Zukunftsforum der EKD am 15.Mai 2014 in Wuppertal! Versammelt sind die Verantwortlichen der Mittleren Ebene – und zu hören bekommen sie eine präsidiale Rede, die Richtigkeiten ausdrückt, aber den Ruf von Barmen in die Geschichte abschiebt. An einer Stelle wird er persönlich: „Als ich noch Pastor war, musste ich mir gelegentlich klar machen, dass auch die Kirche zur gefallenen Welt gehört.“ Das hätte er ausbauen können, stattdessen sagt er: „Ihnen allen ist das gelegentlich sicher auch schon einmal schmerzhaft bewusst geworden“ – da ließe es sich konkreter werden. Aber er fügt den rätselhaften Satz an: „Das kann natürlich auch tröstlich sein.“ Ich finde, dass dies kein Anlaß zu Trost sondern zum Schmerz ist!
So wie er auch die „junge Kirche“ beschreibt, die „einst in der alt gewordenen römischen Welt wuchs und gedieh und überzeugte: als moralische und spirituelle Avantgarde, als eine frische, eigensinnige, vor allem aber als eine von ihrer Aufgabe zutiefst überzeugte Gemeinschaft“ – das lädt ja ein zum Aufspüren des großen qualitativen Unterschied. Aber er sagt nur: „Solchen Geist wünsche ich mir – von Ihnen, von uns, von den Kirchen in diesem Land.“ Was diesen Geist abbremst, könnte doch wenigstens angedeutet werden!
Berührt hat mich die Erwähnung von Johannes Rau zum Abschluß seiner Rede – er zitiert „seine ständige Ermahnung: ‚Tun, was man sagt, und sagen, was man tut‘“ – und erinnert an das Bibelwort, das auf seinem Grabstein steht: „Dieser war auch mit dem Jesus von Nazareth“ – damit hatte ja die Magd den Petrus denunziert… Und das ist der Schmerz über eine Kirche, die so oft ihren Herrn verleugnet!
Diese Enttäuschung über die Rede liegt wohl an der Entfremdung, die beim Bundespräsidenten im Verhältnis zur offiziellen Kirche zu spüren ist – er hat sich schon entfernt von der Auseinandersetzung, die mit der „Kirche der Freiheit“ aufgebrochen ist. Der Umbau der landeskirchlichen Organisationen zu Gunsten der „Mittleren Ebene“ und zu Lasten der Gemeindeautonomie: das wäre ein präsidiales Statement wert gewesen im Namen seiner von ihm so oft beschworenen Freiheit!

Zukunftsforum für die Mittlere Ebene in Wuppertal

Informieren – Transformieren – Reformieren. Uber die eigentlichen Aufgaben der sog. Mittleren Ebene.

Ein Kommentar von Maximilian Heßlein.

80 Jahre ist es in diesen Tagen her, dass die Barmer Theologische Erklärung das Licht der Öffentlichkeit erblickte. Für die Evangelische Kirche ist das der grundlegende Text ihres Kircheseins im 20. und anbrechenden 21. Jahrhundert, weil sie neben der klaren Ausrichtung an Jesus Christus, weil sie über Zuspruch und Anspruch Gottes an uns auch etwas sagt zur Gestalt der Kirche und zu ihrem Leben in der säkularen Welt.
80 Jahre sind also seither vergangen und der Befund ist eindeutig. In dieser Zeit hat sich die Evangelische Kirche massiv verändert. Sie ist beweglicher, vielfältiger, in der Öffentlichkeit einflussreicher und an Gebäuden und Geldmitteln reicher geworden. Wer in die Zahlen und das Leben der Kirche schaut, wird das nicht übersehen können.
Nun haben sich an diesem Wochenende etwa 800 Vertreterinnen und Vertreter der 600 verschiedenen Kirchenkreise, Dekanate und Synodalverbände der EKD an eben diesem Ort der Entstehung der Barmer Theologischen Erklärung getroffen, um die Veränderungen der Kirche zu beleuchten. Sie sollten und wollten sich informieren, transformieren und reformieren. So jedenfalls war der öffentliche Anspruch des Zukunftsforums in Wuppertal überschrieben. Kirchenkonferenz und Rat der EKD hatten dazu eingeladen.
Dabei wurde im Vorfeld festgestellt: „Die evangelische Kirche verändert sich. Herausgefordert von wachsender religiöser Vielfalt und individualisierter Daseinsgestaltung, von sinkenden Mitgliederzahlen und Finanzmitteln, ist sie auf der Suche nach theologisch verantworteten Schwerpunktsetzungen, nach beweglicheren Formen und stärkerer Außenorientierung.“
Zugleich wurde in der Einladung zum Zukunftsforum der sog. Mittleren Ebene, also der Kirchenleitung in Kirchenkreisen und Dekanaten, eine besondere Rolle zugespielt: Die Mittlere Ebene habe eine Schlüsselfunktion in der Bestärkung, Verbreiterung und Nachhaltigkeit der Veränderungsprozesse.
Der geneigte Leser staunt und kommt aus dem Staunen so schnell auch nicht heraus. Nicht nur, dass der Veränderungsprozess überhaupt nicht mehr hinterfragt wird – die V. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung deutet ja zumindest an, dass die Veränderungen in keiner Weise greifen, sondern den Abbau der Bindungen eher noch beschleunigen. Darüber hinaus aber wird unter dieser Aufgabenzuschreibung ein Kirchenbild im Verständnis zementiert, das eine klare hierarchische Ordnung erkennen lässt. Im Kirchenamt, der Kirchenkonferenz und im Rat der EKD wird gedacht und wird die Gestalt der Evangelischen Kirche für die nächsten Jahren festgelegt. Dann wird über die Landeskirchen dieses Denken und die konkreten Ausformungen immer weiter gegeben, bis es über die Kirchenkreise und Dekanate letztlich bei den Gemeinden, den ortsnahen kirchlichen Arbeitsformen und bei den Menschen ankommt.
Eigentlich ist es eine Schande, dass ausgerechnet in Wuppertal ein solcher Prozess weitergetrieben wird. Ist doch gerade in Barmen ganz anderes über die Kirche gedacht worden. Es gibt nur einen Herrn, der die Kirche lenkt. Er heißt Jesus Christus. Es gibt keine Herrschaft der einen über die anderen. Es gibt vielmehr den Auftrag, sein Wort auszurichten an alles Volk. Sein Wort aber wird hörbar unter den Menschen, in deren Versammlung im Glauben. Es ist nicht festgeschrieben in Prognosen und Annahmen oder wiederkehrend falschen Voraussetzungen.
Dabei ist festzuhalten: Die Herausforderungen sind in der Einladung zum Zukunftsforum klar benannt. Es ist wichtig und gut, dass sich die Kirche diesen Herausforderungen bewusst stellt. Es ist aber mindestens so wichtig, dass die Kirche überprüft, ob die benannten Herausforderungen auch wirklich stimmen, oder ob mit diesen Dingen nicht vielmehr ein Herrschaftsinstrument etabliert und legitimiert wird, um die Kirche nach kirchenleitenden Vorstellungen zu verändern.
So ist die eigentliche Aufgabe der Kirchenleitung, gerade in den Dekanaten und Kirchenkreisen einmal nachzufragen und zu hören, ob denn die Herausforderungen überhaupt richtig benannt sind.
Allein die immer wiederkehrende Feststellung schwindender Finanzmittel ist schlicht und ergreifend falsch. Ja, die Kirchenglieder werden weniger. Die Aktiven aber werden an vielen Stellen mehr. Zugleich steigt auch die Produktivität in diesem Land immer weiter. Es ist genug Geld da. Auch für die Kirche. Die Steuereinnahmen wachsen seit Jahren. Nur wohin wird das Geld verteilt? Wer profitiert von den eingenommenen Mitteln? Und wer bestimmt darüber? Das ist nicht nur in der Kirche eine der Grundfragen menschlichen Zusammenlebens.
Auch gibt es theologische Schwerpunktsetzungen zuhauf und gelebte Frömmigkeit. Die erfährt man allerdings nicht in den warmen Stuben der Kirchenverwaltungen, sondern im dichten Kontakt zu den Menschen. Dort wo der Glaube gelebt wird. Nikolaus Schneider hat diesen Kontakt möglicherweise verloren, sonst müsste er sich nicht „mehr Alltagsfrömmigkeit in den Gemeinden“ wünschen ( wenn er denn wirklich richtig zitiert ist; siehe sein Zitat).
Es reicht der Blick auf die einzelnen Gemeinden. Es reicht der Blick auf die ganz konkrete Verkündigungsbereitschaft der Menschen an Ort und Stelle. In vielen Bereichen wird auf hohem Niveau Theologie betrieben für die Menschen eines Stadtteils oder eines Dorfes, für Umherziehende und Bleibende, für Suchende und für Zweifelnde genauso wie für diejenigen, die in dieser Zeit fest im Glauben stehen. Das kann mehr werden. Das darf auch mehr werden. Die Leitungen jedoch tun gerade so, als gäbe es das gar nicht.
All diese Dinge laufen nämlich dezentral. Sie sind nicht von einem einzelnen Ort aus gesteuert, sondern entstehen dort, wo Menschen sich um Gottes Wort versammeln und miteinander ins Gespräch kommen, ihre Kirche und Gemeinde gestalten und letztlich wirklich die Kirche sind mit all ihren Stärken, aber auch all ihren Schwächen.
So stünde es der EKD wie auch den Kirchenleitungen der einzelnen Landeskirchen eigentlich gut an, vor allem erst einmal zuzuhören, anzuerkennen und wertzuschätzen, was in der Kirche gearbeitet und gelebt wird und zu schauen, wie diese dezentrale Ausrichtung der evangelischen Kirche gestärkt und nicht immer weiter beschnitten werden kann.
Da wäre es gut, nur ein einziges Mal wirklich zuzuhören. Wie viele durch die Umstrukturierungen und Zusammenlegungen abservierte oder überlastete Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter derjenigen kirchlichen Arbeitsfelder, die sich den Zusprüchen und Ansprüchen der Menschen an Ort und Stelle widmen sollen und wollen, sind denn eigentlich mal gefragt worden?
Wer fragt die ausgebrannten und wegen ständiger Deputatskürzungen überforderten Sekretärinnen, die keine Kontaktpflege mehr betreiben können. Immerhin ist diese Berufsgruppe gemäß der letzten Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung nach den Pfarrerinnen und Pfarrern diejenige mit den meisten von außen wahrgenommenen Kontakten zu den Menschen.
Wer fragt die Hausmeister, die in fünf Stunden pro Woche ganze Kirchen und zugehörige Gemeindehäuser betreuen sollen?
Wer fragt die Pfarrerinnen und Pfarrer, die alles liegen gebliebene auffangen, Briefe austragen, Wäsche waschen, Stühle stellen, Abendmahlsgeschirr reinigen und nebenher auch Gottesdienste halten, Seelsorge üben und diakonische Aufgaben übernehmen?
Wer fragt die? – Keiner.
Das aber wäre die eigentliche Aufgabe der sog. Mittleren Ebene, wenn sie nicht als Herrschaftsinstrument von den Kirchenleitungen instrumentalisiert würde, sondern als Teil des innerkirchlichen Kommunikationsprozesses wahrgenommen würde, der nicht dem Herrschen und Verwalten, sondern dem Leben der Kirche und ihrer Gestaltung dient.
80 Jahre Barmer Theologische Erklärung sind ein guter Zeitpunkt umzudenken. Eine Chance dafür wurde in Wuppertal und den verschiedenen Orten des Ruhrgebiets schon im Vorfeld vertan.

Ein Pakt, den keiner kennt. Von Christoph Fleischmann.

Ein beeindruckendes Beispiel protestantischer Transparenz: Die Kirchenkonferenz, in der die beiden ranghöchsten Vertreter jeder Landeskirche zusammensitzen, beschließt einen „Erweiterten Solidarpakt“. Der betrifft das Finanzverhalten aller Landeskirchen: Man habe „finanzielle Mindesstandards einer verantwortlichen Finanzplanung“ festgelgt, die vom Kirchenamt der EKD im Auftrag der Gemeinschaft aller Landeskirchen überwacht würden, erklärt Thomas Begrich vom Kirchenamt der EKD. Dazu liefern die Landeskirchen jährlich Daten bezüglich Personal, Rücklagen, Schulden, etc. nach Hannover.

Leider sind die Beschlüsse der Kirchenkonferenz nicht öffentlich. Aber, so versichert das Kirchenamt auf Nachfrage, selbstverständlich seien auch die Landessynoden „informiert“. Ist das so? Hat irgendeine Kirchenleitung den Beschluss der Kirchenkonferenz ihrer jeweiligen Synode im Wortlaut vorgelegt?  Zum Artikel.

Kirche der Reformation? – von Prof. em. Gisela Kittel

Schon in den letzten Wort-Meldungen befand sich eine kritische Bemerkung zur Berufung des Katholiken und ehemaligen Verfassungsrichters Udo die Fabio zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats „Luther 2017“ von Prof. F.W. Graf, München.

Schon früher hatte sich Prof. Thomas Kaufmann, Göttingen, in einem Vortrag überaus kritisch zu den Vorgängen und die Wissenschaftlichkeit im Wissenschaftlichen Beirat des Lutherjubiläums geäußert. Vgl. den Vortrag „Zum Bild der Reformation – Historiographische und theologische Überlegungen angesichts des Jubiläums 2017“, vgl. dort II. Kritik an den Planungen des Reformationsjubiläums.

Hier bezieht Prof. em. Gisela Kittel kritisch zu dem Vorgang Stellung:

4. März 2014    In der Kirchenzeitung UK Nr.10/ 2. März 2014 S.3 ist zu lesen, dass der ehemalige Verfassungsrichter Udo di Fabio, katholischer Konfession, zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirates „Luther 2017“ durch ein EKD-Gremium gewählt worden ist. Hat denn die Evangelische Kirche keine eigenen Theologen mehr, die einem Beirat zur wissenschaftliche Vorbereitung des Lutherjubiläums 2017 vorsitzen können? Doch die Meldung ist von noch größerer Brisanz. Verfassungsrichter Di Fabio war im Jahr 2008 Vorsitzender der zweiten Kammer des zweiten Senats des Karlsruher Verfassungsgerichtes, das die Verfassungsbeschwerde eines Pfarrers aus dem Rheinland, der sich durch alle kirchlichen Gerichte durchgeklagt hatte, 1. überhaupt nicht zur Entscheidung annahm und 2. nachwies, dass bei der Anwendung des kirchlichen „Ungedeihlichkeitsparagraphen“ auch „eine Verletzung des Willkürverbots (Art. 3 Abs 1 GG)“ nicht gegeben sei. Denn ein Pfarrer, „der es nicht vermocht hat, tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich nach Meinung der Verfassungsrichter in seinem Amt „nicht bewährt“ und kann daher sogar in den Wartestand und nachfolgenden Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden.

Dieses erstaunliche Urteil ist auf der Home-Page des Vereins „David gegen Mobbing in der evangelischen Kirche“ (www.david-gegen-mobbing.de) unter der Rubrik „Die gegenwärtige Rechtslage/Dokumente zur Rechtslage/Pfarrdienstrecht – Gerichtsurteile“ abgedruckt, ebenso eine Stellungnahme von Gisela Kittel unter der Überschrift:  „Zur Theologie‘ der Verfassungsrichter“.

Es ist schon bemerkenswert, dass unsere Verfassungsrichter nun eben doch einen Schuldvorwurf gegen Pfarrpersonen erheben, die nach dem sog. Ungedeihlichkeitsparagraphen ohne den Nachweis irgendeiner Schuld aus ihren Gemeinden abberufen und in den Warte- und Ruhestand unter Gehaltseinbußen versetzt werden. Noch erstaunlicher aber ist das neue Kriterium, welches Herr di Fabio und seine Richterkollegen für die Bewährung evangelischer Pfarrer und Pfarrerinnen in ihrem Urteil aufstellten. Wer es nicht vermag, „tiefgreifende Spaltungen in einer Kirchengemeinde zu verhindern oder zu überbrücken“, hat sich in seinem Pfarrdienst „nicht bewährt“! Und Jesus? Hat er sich, der infolge der aufgerissenen Konflikte am Kreuz sterben musste, in seiner Sendung auch nicht bewährt? Und Paulus? Und Luther? Paul Schneider und all die anderen standhaften Zeugen Jesu Christi? Wer gibt den weltlichen (!) Verfassungsrichtern das Recht, derartige theologische Urteile zu fällen? Wie kommen sie zu einer solchen Kompetenzüberschreitung? Aber auf diese „höchstrichterliche Rechtsprechung“ berufen sich nun Oberkirchenräte und kirchliche Verwaltungsgerichte. Danach wird über den Dienst und die Existenzen von evangelischen Pfarrern und Pfarrerinnen entschieden. Und der damalige Vorsitzende Richter, der dieses Urteil zu verantworten hat, ist jetzt auch noch zum Vorsitzenden des Wissenschaftlichen Beirats für das Lutherjahr 2017 gewählt worden.
Kirche der Reformation? Nein! Die evangelische Kirche, wie sie uns heute vor Augen tritt, sollte das Lutherjubiläum lieber ausfallen lassen. Sie könnte es nur noch im Sinn der ersten Ablassthese als einen Anlass zur Buße und zur Selbtbesinnung begehen.

Gisela Kittel

EKD: Nun doch einiges gut in Afghanistan

Mit der Äußerung der ehemaligen Kirchenpräsidentin „Nichts ist gut in Afghanistan.“ wurde eine Diskussion in der Kirche und der Gesellschaft über den militärischen Einsatz am Hindukusch ausgelöst.

Die EKD entschloss sich dieser kurzen Analyse mit einem Papier zu ergänzen. Heraus kam ein Konzept des gerechten Frieden, der nun den gerechten Krieg ergänzen sollte.

Jetzt, wo sich der Einsatz seinem Ende nähert nutzt die EKD nochmals die Chance den Krieg zu analysieren. Wie schwer es sein muss die verschiedenen Positionen zu vereinen, zeigt sich daran, das die Kammer selten einer Meinung bei der Bewertung der Situation ist.

Einigkeit besteht fast nur in der Forderung, Militäreinsätze zur Stabilisierung stärker zivil zu begleiten.

Das Papier ist von starkem Pragmatismus geprägt. Die EKD gibt sich staatstragend, so als ob sie eine Verantwortung für die Soldaten vor Ort darin besteht irgendwie den Einsatz zu rechtfertigen. Sie erkennt zwar, dass es massive Probleme unter den Soldaten gibt, da vor Ort massive Zweifel an der Sinnhaftigkeit dieses Krieges bestehen. Eine Analyse wie Margot Käßmann sie getroffen hat steht nun nicht im Interesse der Verantwortung zur Militärseelsorge.

Damit erklärt sich auch warum sich das Papier sechzig Seiten zwischen der Würdigung guter Intentionen und der katastrophalen Lage in Afghanistan windet.

Ein pazifistischer Ansatz hat es nicht in die Beurteilung des Krieges geschafft. Gibt es also keine Pazifisten mehr in der Kirche? Oder hat die EKD Angst, sie verliere Rückhalt in der Truppe und der Politik, wenn sie sich nicht zu einen jein mit mehreren wenn und aber durchringt. Doch dann stellt sich bei beiden die Frage, ob ihnen mit einer ehrlichen Diskussion nicht mehr gedient ist.

 

Folgendes vermisse ich daher in dem Papier:

– Die Praxis mutmaßliche Kombattanten mit Drohnen zu töten wird generell kritisiert. Jedoch gleichzeitig der deutsche Anteil daran nicht betrachtet. Die gezielte Tötung mit Drohnen wird als eine rein amerikanische Angelegenheit dargestellt. Ich erachte es in einem gemeinsamen Krieg jedoch als eine blauäugige Ansicht, die Taten von Verbündeten hätten keinen Einfluss auf das eigene Engagement. Bei einer Bewertung des Afghanistaneinsatz muss auch klar erkennbar seine welche gemeinsamen Regeln für einen Einsatz unabdingbar sind. Daher müssen auch Drohnennangriffe, Folter und das rechtsfreie Status von Guantanamo Teil der Betrachtung eines gemeinsamen Krieges sein.

– Die schuldhafte Verstrickung der westlichen Wirtschaftsmächte in die Vorstufen des Konfliktes wird nicht betrachtet. Das Unrecht und Gewalt zu weiterem Unrecht und Gewalt führen ist ein bekanntes Phänomen. Die angebliche Notwendigkeit militärischer Einsätze liegt oftmals in Versäumnissen oder Fehlern der Vergangenheit begründet. Konsequenzen für die Außen-, Entwicklungs- und Wirtschaftspolitik müssen an dem Leitbild eines gerechten Friedens gezogen werden. Der Verzicht auf militärische Möglichkeiten führt eventuell auch zu einem Umdenken der Politik im Vorfeld.

– Bei der Militärseelsorge vor Ort ist es sicherlich wichtig die positiven Intentionen des Einsatz zu bedenken. Bei der ethischen Beurteilung hat dieser militärseelsorgerische Duktus aber nichts zu suchen. Ich behaupte den Soldaten und Soldatinnen ist mehr damit geholfen, wenn sich die Bereitschaft der Politik sie in solche Einsätze zu schicken verändert, als wenn man die Lage schön redet. Die Kirche wird in diesem Papier nur einer ihrer Verantwortungen gerecht.

– Bei der Begründung des Afghanistankrieges folgt die Kammer in weitem Teilen der offiziellen Argumentation der Politik, wonach es sich erst um einen Verteidigungsfall handelte, danach der Aufbau einer funktionierenden Verwaltung Ziel sei und später humanitäre Absichten hinzugekommen seien.

Schon an der Begründung des Krieges lassen sich massive Zweifel ziehen. Das Al Kaida ihre Operationsbasis verlagern würde war schon vor beginn des Krieges absehbar. Daher stellt sich die Frage, ober der Krieg nicht eine Racheaktion einer zu tiefst getroffenen Nation/Wertegemeinschaft ist, die sich ihrer Verletzlichkeit bewusst wurde.

– Die Kosten des Krieges werden nicht in eine Relation zu ihrem Nutzen gesehen. Der Krieg kostet unsummen an Geld. Daher sollte man sich auch Gedanken machen, welche positive Dinge man mit dem Geld statt Leichenberge bewirken können.

– Eine kritische Betrachtung der humanitären Kriege findet nicht statt. Interessant wäre zu beobachten, warum sich innerhalb von nicht einmal zehn Jahren eine Nation für die ein Außeneinsatz ihrer Armee kaum denkbar war sich in mehrere militärische Abenteuer stürzt. Die neue Vermarktung des Krieges muss daher kritisch beurteilt werden.

 

Wenn der Pazifismus in der Kirche verloren geht, befürchte ich wird der Vorwurf von Erich Kästner wieder zutreffen können:

Vier Jahre Mord und ein paar Kränze heute.

Verlasst euch nie auf Gott und seine Leute!“

(Stimmen aus dem Massengrab)

Erheblicher Dissens zu den Angaben bei Realwert-Prognosen innerhalb der EKD- Finanzexperten.

Die EKD und die Landeskirchen bauen ihre Downsizing-Strategien auf der sog. „einfachen Formel“ auf. Einer Prognose drastisch sinkender Kirchensteuern bis 2030. Mehr dazu hier in den wort-meldungen an anderer Stelle.

Da die Argumentation aufgrund steigender Steuern nicht mehr zieht, griff man auf die Entwicklung gemäß dem Realwert, also dem inflationsbereinigten, den Kaufkraftverlust berücksichtigende Werte zurück. Dieser Rückgriff ist eigentlich nicht angemessen, sondern zeigt nur das erkenntnisleitende Interesse der Beteiligten (vgl. dazu den Beitrag „Rätsel – Erkenntnissgewinne – Aufklärung“ in dieser Ausgabe).

Selbst dazu, zum Kaufkraftverlust, spricht die EKD mit unterschiedlichen Zungen – und macht weit voneinander abweichende Angaben. So erklärt der Finanzdezernent der EKD, Thomas Begrich, der Kaufkraftverlust betrage seit 1994 20%, während EKD-Vize Winterhoff auf der EKD-Synode in Düsseldorf von 30% spricht – im selben Zeitraum.  

Im gleichen Bericht wird der Finanzdezernent der EKD, Oberkirchenrat Thomas Begrich zitiert. Begrich begründet den Zuwachs „mit der höchsten Erwerbstätigenquote seit der deutschen Wiedervereinigung und den hohen Tarifabschlüssen“. Etwas eigenwillig formuliert er: „Die Menschen zahlen nicht mehr Kirchensteuern, sondern mehr Menschen zahlen Kirchensteuern.“ Begrich fordert einen „sehr verantwortlichen“ Umgang mit den Kirchensteuermitteln. Die Einnahmen des Jahres 2012, die bei 4,8 Mrd. € liegen, hätten eine um 20% geringere Kaufkraft als die Einnahmen aus 1994. Zur Quelle.

Kaufkraftverlust nach Winterhoff (EKD-Synode):

Vielleicht ein Wort zur gesamten Ausgangslage. …Wir hatten im letzten Jahr das höchste nominale Kirchensteueraufkommen in der EKD, aber ich lege wert darauf / auf die Feststellung das das nominale Kirchsteueraufkommen nun überhaupt nichts sagt, wenn man auf der anderen Seite nicht den Kaufkraftverlust entgegen setzt. Seit 1994 Kirchsteueraufkommen 9 % Zunahme, Kaufkraftverlust in der gleichen Zeit 30 %. Von meiner eigenen Landeskirche kann ich sagen, wir können uns seit den neunziger Jahren real über ein Drittel weniger leisten. Und von daher ist die Redeweise vom Reichtum der Kirche, aus meiner Sicht, doch sehr zu hinterfragen. Ich habe das weiter ausgeführt in der Haushaltsrede. Wir haben, das ist meine Prognose jetzt mittelfristig, zur Zeit eine relativ stabile, leicht positive Seitwärtsbewegung auch noch in den nächsten Jahren bei der Kirchensteuer zu erwarten. Das heißt für die Struktur der Kirche: Wir haben eine Atempause, das Notwendig zu tun und ich hoffe, dass diese Atempause möglichst lange anhält, dass wir in keinen hektischen Aktionismus verfallen. Zur Quelle.

 

Luther und die Juden – Beitrag der VELKD

Luthers Schriften über die Juden sind ein belastendes Erbe der Reformation. Noch heute geben die widerwärtigen Entgleisungen Luthers Anlass sich rechtfertigen zu wollen. Anlässlich der Lutherdekade ist es sinnvoll sich auch mit diesem unangenehmen Thema zu beschäftigen. Die VELKD hat daher Professor Weymann gebeten einen Beitrag zu verfassen. Entstanden ist die äußerst gelungene Schrift „Luthers Schriften über die Juden – Theologische und politische Herausforderungen“.

Die kurze Schrift gibt einen guten Überblick zu den verschiedenen Äußerungen, die Luther zu den Juden getroffen hat. Auch die Reaktionen seiner Mitreformatoren werden in den Blick genommen. Schon hier zeigt sich das Luthers krasse Verfehlungen zum Glück nicht ohne Widerspruch blieben.

Auf der dogmatischen Ebene zeigt Weymann klar die Widersprüche zwischen Luthers Forderungen zum Umgang mit den Juden und der zwei Regimente Lehre. Vor allem die schlimmsten Empfehlungen Luthers nach Enteignung, Lehrverbote, Zwangsarbeit und Ausweisung lassen sich nicht mit der Grundüberzeugung, das der Staat kein Zwang auf die Religion ausüben darf vereinen. Somit lässt sich „Luther gegen Luther anführen“.

Abschließend gelingt es Weymann trotz der schweren Belastung Perspektiven für einen christlich jüdischen Dialog zu gewinnen.