Archiv für den Monat: Mai 2014

Gustav W. Heinemann: Aufstieg des Tüchtigen. Eine Buchbesprechung.

Thomas Flemming: Gustav W. Heinemann Aufstieg des Tüchtigen.

17.03.2014  Von Petra Weber

Gustav W. Heinemann machte schon Ende der 1930er Jahre die „Hohlheit und Nützlichkeitsgesinnung“ des liberalen Bürgertums, dem er sich einst selbst verbunden gefühlt hatte, für das Scheitern der Weimarer Republik verantwortlich.
Thomas Flemming glaubt zwei Kontinuitätslinien im Leben von Gustav Heinemann feststellen zu können: seinen christlichen Glauben und – noch wichtiger – sein Streben nach einer „bürgerlichen Existenz“, deren spezifische Ausprägung er darin sieht, dass dieser sich als „Citoyen“ in der „Tradition der bürgerlichen Freiheitsbewegung von 1848“ verstanden habe… Zur Quelle.

Dissertation von Dr. Susanne Moritz: Staatliche Schutzpflichten gegenüber pflegebedürftigen Menschen

Schon seit mehreren Jahren steht die Pflege – und insbesondere die Reformbedürftigkeit der Pflegeversicherung – in Deutschland in der öffentlichen Debatte. Eine nachhaltige Reform scheint umso dringlicher, als in den Medien gehäuft von menschenunwürdigen und untragbaren Zuständen in den Pflegeheimen berichtet wird. Die Arbeit greift diese Berichte auf, sammelt die empirischen Belege und analysiert die Ursachen. Im Anschluss wird dargelegt, dass durch die  konstatierten Missstände die Grundrechte der Pflegebedürftigen in Einrichtungen der stationären Altenpflege verletzt werden und dass der Staat insofern gegen eine entsprechende grundrechtliche Schutzpflicht verstößt. Abschließend wird aufgezeigt, wie eine verfassungsgerichtliche Durchsetzung der Schutzpflicht möglich wäre.

Zur Person und zum Thesenpapier zur Dissertation.

Verfassungsklage für bessere Pflege

Unterernährung, Wundgeschwüre, rechtswidrige Fixierungen: Alte und kranke Menschen leben in Pflegeheimen nicht selten unter menschenunwürdigen Bedingungen, meint der Münchner Anwalt Alexander Frey. Mit einer Verfassungsbeschwerde will er die Regierung zwingen, für bessere Zustände zu sorgen. Zum Artikel im Spiegel.

Hier finden sie eine kleine Auswahl zu Internetseiten die sich mit der menschenunwürdigen Pflegesituation in Deutschland auseinander setzen.

Politiker wollen Lobbyisten-Dokumente ins Internet stellen

08.05.2014 von Martin Reyher

Essens-Einladungen, Argumentationshilfen, „Abstimmungs-Empfehlungen“: Unzählige Schreiben von Lobbyisten landen Woche für Woche in den Posteingängen der Abgeordneten. Gegen das Dauerfeuer der Interessenvertreter gehen einige Politiker nun in die Offensive: Sie stellen die Dokumente ins Internet. Die ersten Papiere sind schon online.
Mehr dazu.

Wenn Journalisten auch Lobbyisten sind

Die Anstalt deckt auf, viele bedeutende Journalisten und Chefredakteure sind zugleich Mitglied in Thinktanks oder Vereinen, die sich stark für die Nato als Sicherheitskraft einsetzen. Viele beraten auch die Bundesregierung in diesen Funktionen. Diese Personen sollen uns dann objektiv über Fragen von Krieg und Frieden informieren. Interessenskonflikte sind vorprogrammiert.

 

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Gegen die unmoralische Nahrungsmittelspekulation!

Sehr geehrter Herr Jain, sehr geehrter Herr Fitschen,

etwa eine Milliarde Menschen auf der Welt hungern und sind unterernährt. Allein im Jahr 2010 stiegen die Nahrungsmittelpreise um ein Drittel und mehr als 40 Millionen Menschen wurden dadurch zusätzlich in absolute Armut gestürzt.

Die Investmentbanken sind mitverantwortlich für diese Preissprünge. Sie lenken Anlegerkapital, das mit dem eigentlichen Handel von Rohstoffen wie Soja, Weizen oder Mais nichts zu tun hat, in die Warenterminmärkte. Dadurch können Spekulationsblasen entstehen, die letztlich zu verteuerten Lebensmitteln führen.

Banken und ihre Lobbyvertretung, der Weltbankenverband IIF argumentieren, es fehle der eindeutige Beweis, dass diese Art der Spekulation die Lebensmittelpreise tatsächlich nach oben treibe und Hungersnöte verursachen könne. Es bestehe daher kein Handlungsbedarf; zunächst müssten Kritiker die Schädlichkeit dieser Kapitalanlagen konkret nachweisen.

Diese Auffassung ist zynisch: Nicht die Hungernden müssen die Schädlichkeit eindeutig belegen, sondern die Banken die Unschädlichkeit der Spekulation. Zur Unterschriftenaktion.

Die besondere Ausstellung: Von der Schönheit der Schrift – Brücke zwischen den Religionen

Von Nicole Weisheit-Zenz: Arabische Kalligraphie in der Altmünsterkirche

MAINZ – Die Schönheit der Schrift bewundern, Vorurteile überwinden, gemeinsam am Frieden arbeiten: Anregungen dazu bot die Ausstellung „Herzensbildung – Heilige Texte begegnen sich“ mit drei Exponaten und Begleitprogramm in der Altmünsterkirche. Mit seinen Worten und Werken möchte der Künstler Shahid Alam Brücken bauen zwischen Kulturen und Religionen.

„Die arabische Kalligraphie beeindruckt durch ihre Ästhetik und ist zugleich eine besondere Form der Spiritualität“, erklärte Initiatorin Ilka Friedrich. Als Pfarrerin ist sie auf der Profilstelle Ökumene und interreligiöser Dialog im Dekanat Mainz tätig und sieht Kirchenräume als wichtige Orte der Begegnung. Fasziniert betrachteten die Besucher die Holztafeln mit „Gottes Poesie“ in kunstvoller arabischer Schönschrift: Dem „Vater Unser“ der Christen und der ersten „Sure Fatiha“ der Muslime – zwei der bekanntesten Gebete weltweit, zwischen denen es erstaunliche Gemeinsamkeiten gibt. Zum Artikel.

Vom 4. Mai bis 9. Juni ist die Ausstellung im Offenen Haus in Darmstadt zu sehen. Vorträge begleiten die Ausstellung, die von Montag bis Freitag von 9 bis 16 Uhr geöffnet ist. Samstags und sonntags betreut der Künstler selbst die Ausstellung. Download des Ausstellungsflyers, der einen optischen Eindruck vermittelt.

Der ganz normale Wahnsinn: Die Fusionsbegeisterung in der evangelischen Kirche

Die Fusionen von Gemeinden und Dekanaten haben den Seelsorgealltag des Pfarrers erreicht. Ein paar Beispiele stehen für viele: 1. Beispiel: Ich besuche Konfirmandeneltern. In der Kirche treffe ich die Familie kaum. Ein Elternteil kommt aus den neuen Bundesländern. Es wurde in DDR-Zeiten getauft. Der Vater war Kirchenältester. In dem kleinen Dorf gibt es schon lange keinen Pfarrer mehr. Aber wenn an den Feiertagen Gottesdienst gehalten wurde, sorgten Gemeindeglieder für eine saubere und geschmückte Kirche. Auch in schwierigen Zeiten hielt man zur Kirche. Nun hat man dem Dorf mitgeteilt, dass durch die Gemeindefusionen die Ältesten aus dem Dorf nicht mehr gebraucht würden. Die Kirchenvorstände sind verkleinert worden. Ich werde gefragt, wie man ohne die Ehrenamtlichen vor Ort eigentlich auskommen wolle. Man müsse den Ort doch einbinden in die Arbeit. Der andere Elternteil kommt aus Kurhessen. Er ist im Kundenmarketing eines Großunternehmens beschäftigt. Er fragt grundsätzlicher: Wie man eigentlich ohne Pfarrer Kirchengemeinden erhalten wolle. Jetzt gebe es dort einen Pfarrer für 10 Dörfer. Da könne kein Kontakt aufgebaut werden.
2. Beispiel: Ich stehe an einem offenen Grab. Die kleine Gemeinde hat den Erdwurf abgeschlossen. Ich will mich gerade verabschieden, da weint ein Freund der Familie laut los. Seine Mutter sei auch letzte Woche  gestorben. Bevor sie ins Altersheim gekommen sei, sei sie jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Nun sei niemand für sie zuständig. Eine Prädikantin solle sie beerdigen. Er habe nachgeschaut, was das sei. Das sei ja gar kein Pfarrer. Die Kirche hätte keinen Pfarrer mehr für die Beerdigung seiner Mutter.  Nun melde sich die Prädikantin nicht. Er habe es oft versucht, auch das Beerdigungsinstitut sei erfolglos.  Jetzt sei Freitag, am Montag solle die Beerdigung sein. Seine Mutter solle doch auch so würdevoll bestatten werden wie die Verstorbene hier.
3. Beispiel: Ich sitze bei einem Beerdigungskaffee. Als ich mich verabschiede, begleitet mich ein Angehöriger zur Tür und nutzt die Gelegenheit zum Gespräch. Sein Kind sei getauft worden. Die Gemeinde habe keinen Pfarrer zur Verfügung gehabt. Das hätte ein Prädikant gemacht. Es sei soweit auch alles in Ordnung gewesen, nur bekomme er sein Stammbuch nicht mehr. Das Gemeindebüro könne ihm nicht helfen, sie hätten ihn an einen Regionalverband verwiesen. Da wüsste auch niemand von einer Taufe. Das gehe nun schon seit zwei Monaten hin und her.

Thies Gundlach hat jüngst die Grenzen der Reformen benannt. Er hat festgestellt, dass die Zahl der Ehrenamtlichen durch Fusionen abgenommen habe, dass die finanziellen Erwartungen nicht eingelöst worden  und die missionarischen Impulse steckengeblieben seien. Eigentlich keine wirklich gute Bilanz. Als Gemeindepfarrer hätte er die Bilanz noch um einige Details ergänzen können. Aber letztlich ist das für Gundlach auch egal.
Denn: die Kirchenfernen könne man nur durch größere Einheiten, in denen besondere Angebote gemacht werden, wiedergewinnen. Also weiter so.
Das werden die Menschen vor Ort wohl kaum verstehen. Warum sie nun ihre Kinder selbst taufen, die Eltern selbst bestatten und alle wichtigen kirchlichen Handlungen durch unbedarfte und weithin theologisch ungebildete Ehrenamtliche vollziehen lassen sollen, die sie in der Regel auch nicht kennen. Derweil macht die Kirche den Ehrenamtlichen Mut. Pfarrer predigen ja auch nicht immer gut. Wir haben das Priesteramt aller Gläubigen. Wir brauchen Professionalität in der Region. Gundlach hat auch festgestellt, dass es keine finanziellen Probleme gebe.
Und damit sind wir bei den Ursprüngen der Reformen angekommen. Es lohnt sich, daran kurz zu erinnern.  Als die Kürzungen bei den Pfarrstellen in der EKHN nach 1997 anstanden, wurde von Pröpsten und Dekanen, sowie von den Dezernenten der Kirchenverwaltung, und der Kirchenleitung immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass es an Geld fehle. Die Zuweisungen an die Gemeinden wurden deutlich zurückgefahren, so dass der Eindruck vor Ort bestätigt wurde: Es gibt kein Geld mehr.
Wir können nun überschauen, dass diese Behauptungen falsch waren und dass offenbar auch viele der leitenden Mitarbeiter wussten, dass sie falsch waren.  Auch hier hilft Gundlachs Einschätzung weiter: Ohne organisatorischen und finanziellen Druck bewege sich nichts in der Kirche. Um den Druck herzustellen, darf auch mal ein wenig geflunkert werden.
Zum Beispiel bei einer Dekanatsfusion in der EKHN: Da konnte ein Dekan nicht wiedergewählt werden, weil sonst die nächsten 6 Jahre keine Fusion mit dem Nachbardekanat  möglich gewesen wäre. Also wählte man ihn kommissarisch. Nach dem geltenden Kirchengesetz wäre das nicht möglich gewesen. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Die Synodalen sind in Rechtssachen in der Regel nicht firm. Klageberechtigt wäre ohnehin nur der um sein Amt gebrachte stellvertretende Dekan gewesen. Falls er irgendwelche Ansprüche gestellt haben sollte, wird man ihm aus der Zentrale deutlich gemacht haben, dass das sehr unangenehm für ihn werden könnte. Anschließend kaufte man ein Haus der Kirche. Auch da gab es Vorgaben aus der Synode, die es zu umgehen galt. Da das Haus nur bei einer Fusion von drei Dekanaten zu finanzieren gewesen wäre, behauptete man einige Monate bis zur Umsetzung des Beschlusses, dass drei Dekanate fusionieren, obwohl jedermann wusste,  dass es nur zwei sind. Auf diese Weise hat man noch zusätzlich 400.000 € locker gemacht. Im Verhältnis zu den Kosten der gesamten Reform, die im dreistelligen Millionenbereich liegt, eine lächerliche Kleinigkeit. Der Vorsitzende der einen betroffenen Dekanatssynode war zugleich Mitglied der Kirchenleitung und wird noch immer für sein großartiges Engagement in Sachen Fusion geehrt. Das war eben jemand, der mit Geld umzugehen verstand. Anders sieht das aus, wenn eine kleine Gemeinde Hilfe braucht. Dann wird schon mal um 2000 € heftig gestritten und die Verwaltung zeigt, wie genau sie zu rechnen und das Geld (des Kirchensteuerzahlers!) zusammen zu halten versteht.
Beflügelt durch solche kaum erwarteten Erfolge hat die Kirchenleitung der EKHN mit der großangelegten Fusion von Dekanaten gleich wieder einen Coup gelandet. Nach § 2 der Dekanatssynodalordnung galt: „Über die Neubildung, Grenzveränderung oder Auflösung von Dekanaten beschließt die Kirchenleitung, wenn die beteiligten Kirchenvorstände und Dekanatssynoden zustimmen, andernfalls die Kirchensynode.“  Die Zustimmung der Kirchenvorstände und Dekanatssynode hat man sich in der EKHN gespart und wegen der ungeheuerlichen Dringlichkeit (Gundlach: ohne Druck geht nichts.) gleich die kirchensynodale Entscheidung herbeigeführt. Mancher Kirchenvorstand und manche Dekanatssynode erfuhr aus der Zeitung von seinem/ ihrem neuen Glück, das dann der Dekan und der Vorsitzende der Synode gleich fröhlich und unbekümmert in Statements würdigte nach dem Motto: „Wir sind gewachsen“ oder „Wir sind wieder mehr“. (Die Verkleinerung der Dekanatssynoden wird bald folgen, damit die von vielen unnötigen Sitzungen geschwächten Ehrenamtlichen sich wichtigeren Fragen zuwenden können.)
Selbstverständlich wird die Kirchenleitung nicht aufhören von der besonderen Bedeutung der Gemeinden zu sprechen, die eben gerade dadurch besonders ist, dass man sie immer umgeht und also nicht unnötig mit wichtigen Fragen behelligt. Ein gutgläubiger Kirchenvorstand ist ohnehin von den Winkelzügen der Zentrale völlig überfordert und auch das spornt die Kirchenleitung und manchen machthungrigen Ehrenamtlichen zu neuen Höchstleistungen an.
Was bleibt von den Fusionen?
1. Sie sind teurer als erwartet. Von irgendwelchen sinnvollen Einspareffekten wird niemand, der etwas von der Sache versteht, ernsthaft sprechen können.
2. Die Aushöhlung der Gemeinden geht weiter: Diakoniestationen sollen in einer großen Einheit zusammengefasst,  gemeindliche Kindergärten aufs Dekanat übertragen werden.
3. Es gibt weder Pfarrer noch Kirchenmusiker, noch Erzieher, noch Pfleger und Schwestern in ausreichendem Maß in den nächsten Jahren.
4. Die Kirche wird konsequent den eingeschlagenen Weg weitergehen. Denn er führt genau zu dem prognostizierten Ergebnis, mit dem man allen Zauderern einheizt, um neue Reformen auf den Weg zu bringen: Der Kirche wird es schlechter gehen, ihre Akzeptanz lässt nach, ihre Finanzkraft schwindet, engagierte Mitarbeiter verabschieden sich.  Das neue Zuweisungssystem der EKHN, das kleinen Gemeinden die Existenzgrundlage entzieht, wird eine neue Fusionen erzwingen.
5. Die Kirchenleitung wird weiter evaluieren und Mitgliederstudien veranlassen ohne daraus eine Konsequenz zu ziehen, die den gewonnen Machtzuwachs und die bequeme ideologische Einheitskultur der leitenden Organe verändern könnten.
6. Die guten Kirchensteuereinnahmen werden die Verwaltung zu neuen gesetzgeberischen und administrativen Höchstleitungen ermuntern, die das kirchliche Leben komplizierter, teurer und intransparenter machen. bb

Umgang mit dem Theologennachwuchs, Beschneidung von syndalen Rechten, Fusionskarusell, Kosten für Doppik, Benachteiligung kleiner Gemeinden, Fehlentscheidungen bei Filetstücken – Vorblick auf die EKHN- Frühjahrssynode.

Eine vorbereitender Blick auf wichtige Synodenthemen der EKHN Frühjahrssynode vom 08.-10.Mai 2014 von Friedhelm Schneider.

1. Bestürzung über eklatante Benachteiligung kleinerer Gemeinden durch das neue Zuweisungssystem.
Das Gros der Anträge aus den Dekanaten – neun an der Zahl – bezieht sich auf das geänderte Zuweisungssystem, das kleine Gemeinden benachteiligen würde. Die Dekanate haben – funktionsfähige – Alternativen ausgearbeitet. Diese Alternative wird nicht nur als gerechter und angemessener erachtet. Sie weicht mit nur 2% auch nur minimal vom verfügbaren Finanzrahmen ab. Die Synodalen, die das Modell entwickelt haben, schließen damit an eine frühere Tradition gewisser EKHN-Synodaler an, die der Synode mehrfach mit Gegenrechnungen zu besseren Einsichten verhalf.
2. Die EKHN und der theologische Nachwuchs oder: wie die EKHN die Identifikation des Theologennachwuchses mit dem Arbeitgeber Kirche untergräbt.
In der EKHN existiert ein dreistufiges Prüfsystem für den Theologennachwuchs vom Studienende bis zur Verbeamtung. 1. Stufe: die Potentialanalyse. Ein Stresstest, der in Verruf geraten ist. Darüber berichten die www.wort-meldungen.de wie auch Publik Forum (Nr. 8/2014, S.28f) .2. Stufe: das Einstellungsgespräch nach dem Vikariat. Darauf bezieht sich die Anfrage des Synodalen Breidenstein zur EKHN Frühjahrssynode.

Er legt dar, dass beim letzten „Gespräch“ von 17 BewerberInnen nur 13 in das Pfarrvikariat (Zeit mit Angestelltenstatus) übernommen. Gegen die Entscheidung der Kommission gibt es keine Rechtsmittel! Daraus ergeben sich für den Synodalen Fragen wie: Wie ist die Abweichung des Einstellungsgesprächskommission von früheren Beurteilungsinstanzen (Potentialanalyse, Theol. Seminar, Examina) zu erklären? Wie wird sichergestellt, dass die Kandidaten eine nachvollziehbare und gerechte Beurteilung erfahren?
Damit aber nicht genug der Kandidatenprüfungen. Nach dem Pfarrvikariat (der anfänglichen Dienstzeit im Angestelltenverhältnis) gibt es ein weiteres, richtiges Prüfungsverfahren. In diesem werden die PfarrvikarInnen vor der Verbeamtung noch einmal unter Stress gesetzt. Sie könnten auch hier tatsächlich noch einmal scheitern.
Was passiert hier eigentlich? Der Nachwuchs des „Schlüsselberufs“ der Kirche wird mehrfach und über Jahre hin fortgesetzt Stresssituationen ausgesetzt. Das ist, wie der Synodale feststellt, fachlich nicht nachvollziehbar, muss also andere Gründe haben. Diese liegen auf der Hand. Was aber ist das Ergebnis? Eines besteht darin, dass die jungen Pfarrerinnen und Pfarrer schon mit Eintritt in die Kirche in Distanz zum Arbeitgeber Kirche getreten sind. Die Identifikation mit dem „Betrieb“, auf die in jedem normalen Unternehmen extrem hohen Wert gelegt wird, kann auf diesem Hintergrund kaum stattfinden. Schon die Pfarrerzufriedenheitsstudie stellte eine hohe Identifikation der Pfarrer zwar mit dem Auftrag, nicht aber mit dem Arbeitgeber (KL, Verwaltung etc.) fest. An diesem Problem hätte ein funktionierendes Personalmanagement arbeiten müssen. Wenigstens hätte vermieden werden müssen, dass sich dieser Trend bei Neueinstellungen fortsetzt. Nichts der Art ist geschehen. Im Gegenteil. Und die Nachwuchskräfte empfängt man mit einer dreifachen, sachlich nicht zu rechfertigenden, schikanierenden Hürde! Das ist völlig unakzeptabel. Das Ergebnis ist für den ‚Betrieb‘ verheerend, für das Personalmanagement aber vernichtend. Wie sagte ein Pfarrer, der schon Mitte der 90iger Jahre von der damaligen Einstellungspraxis betroffen war? Der Kirchenpräsident müsste sich heute für das damalige Vorgehen gegenüber den Vikaren entschuldigen. Billiger wird eine Normalisierung des Verhältnisses zw. Pfarrerschaft und der Kirchenleitung in der EKHN wohl nicht zu haben sein. Nur eine für die Zukunft geplante Modifikation der jetzigen Einstellungspraxis wird also nicht ausreichen, um das Verhältnis wieder zu normalisieren.

3. Anstehende Pensionierungswelle von PfarrerInnen beginnt mit Pensionierung des Personaldezernenten.

Die eklatanten schwächen des Personalmanagements sind auch bei anderen Fragen notorisch, so der bevorstehenden Pensionierungswelle von PfarrerInnen ab 2016, auf die es bislang keine hinreichende Antwort in Sicht ist. Jährlich ist mit ca. 100 Pensionierungen bei angestrebten 30 Neueinstellungen zu erwarten. Ein Minus von 70 PfarrerInnen p.a. Bedeutet bei aktuell 45 Dekanaten durchschnittlich ein Minus von 1,5 Personen p.a. (im aktuellen Zuschnitt der Dekanate!). Käme die Pensionierung mit 63 Jahren, könnte das in einem Jahr zu einer Reduktion von fast 5 Personen/Dekanat führen. Alles dies, die Identifkation verhindernde Einstellungspraxis wie auch der drastische Personalmangel bei PfarrerInnen wurde in der EKHN lange verheimlicht. Heute funktioniert  das nicht mehr. Und so verlässt der jetzige Dezernent Bechinger seinen Posten ein Jahr vor Erreichen der Altersgrenze. Da fragt sich: hat er die Situation nicht mehr ertragen – oder war er nicht mehr tragbar?

4. Einschränkung der Beteiligungsrechte von Dekanatssynoden bei der Dekanewahl.
Die Beschneidung der Rechte der synodalen Gremien durch die Kirchenleitung wächst. Offensichtlich traut die Kirchenleitung der EKHN den Gremien nicht einmal in Personalentscheidungen die Fähigkeit zu, die für die eigene Situation richtige Wahl zu treffen. So beschneidet sie deren Entscheidungsfreiheit, in dem die Wahl oder entscheidende Vorauswahl zwischen den Bewerbern schon in der Kirchenleitung getroffen wird.  Die vorausgewählten Personen oder die einzig vorausgewählte Person wird dann dem eigentlichen synodalen Entscheidungsgremium präsentiert. Oft erweist sich „leider“ nur eine Person als geeignet. Und die nachgeordneten synodalen Gremien dürfen dann reduziert wählen oder ggf. nur noch abnicken.
Das geschieht auf allen Ebenen, z.B. auf der Mitteleren Ebene. Im Ev. Dekanat Bergstraße wurden bei der letzten Dekanewahl nur zwei (der vier vorhandenen) Kandidaten zur Wahl gestellt. Daher sieht sich das Ev. Dekanat Bergstraße zu einem Antrag an die Landessynode genötigt, der die (früher übliche) Autonomie (die Dekanatssynode wählte aus ihrer Mitte selbständig den Dekan/die Dekanin) wenigstens teilweise wieder herstellt. Der Antrag enthält folgenden Passus: „Die Elemente der Wahl durch die Dekanatssynode in dem Verfahren sollen gestärkt werden… So sollen ihre Wahlmöglichkeiten nur dann durch eine Vorauswahl begrenzt werden, wenn es so viele Bewerbungen gibt, dass ein Wahlverfahren den einzelnen Bewerbungen nicht mehr gerecht werden kann. Bewerben sich weniger Personen, sollen sich in der Regel alle zur Wahl stellen können.“ Zum Antrag.

5. Einschränkung der Beteiligungsrechte von der EKHN-Synode bei Personalentscheidungen.
Die Beschneidung der Beteiligungsrechte in Personalfragen betrifft ebenso die höchste Ebene, die der Landeskirche. Prominentes Beispiel auf der aktuellen Synode, die „Wahl“ des Personaldezernenten. Das Wort Wahl steht in Anführungszeichen, weil eine Wahl in der Regel eine Auswahl zwischen Kandidaten bezeichnet. Bei dieser „Wahl“ wird es aber nur einen Kandidaten geben. Die Kirchenleitung empfiehlt unter mehreren KandidatInnen den von ihr ausgewählten Oberkirchenrat Jens Böhm (aus dem eigenen Haus) der Synode zur – sagen wir besser Zustimmung. Wahlrecht der Synode – war da was? Man wird gespannt sein dürfen, ob die Synode wenigstens erfährt, wer den noch für das Amt kandidiert hat? Und man wird sehen, ob die Synode der EKHN im eigenen Fall reagiert, wie zuvor schon die Dekanatssynode Bergstraße im Falle der Dekanewahl (s.o.). Ob sie also darauf besteht, dass Ihre Rechte nicht weiter beschnitten werden. Das allein ist schon ein wichtiger Grund. In diesem Falle ist das Zustimmungsverfahren als Wahlersatz noch aus einem 2. Grund problematisch. Denn der zukünftige Personaldezernent wird die verfehlte Personalpolitik des Vorgängers spätestens bei der Bewältigung der Pensionierungswelle ausbaden müssen. Dafür sollte er sich auf eine breite Unterstützung aus der Landessynode berufen und verlassen können. Hat die Synode aber selbst gar nicht gewählt, wird dort im Krisenfall auch kaum mit Rückhalt gerechnet werden können. Der zukünftige Dezernent dürfte das anstehende „Wahl“-Verfahren vielleicht nicht nur erleichtert, sondern mit gemischten Gefühlen betrachten.

6. Kostenansatz für die Doppik in Höhe von 9 Mio. realistisch?
Die Synode der EKHN hat die Einführung der Doppik beschlossen. Und zwar mit einem Kostenansatz von 9 Mio. €. Was sie für die 9 Mio. € denn bekommen wird, möchte nun eine synodale Anfrage wissen. Denn es hat sich herumgesprochen, dass in anderen Landeskirchen exorbitant höhere Beträge erforderlich waren. So spricht man in der Württemberg. Landeskirche von einem dreistelligen Millionenbetrag, in der EKiR wurde auf der letzten Synode der aktuelle Stand von einem Synodalen mit ca. 60 Mio. beziffert. Wobei dieser Aussage von der KL nicht widersprochen wurde. Anzumerken ist, dass der Dezernent Bernd Bauks gleichzeitig einräumen musste, dass es sich dabei nur um die halbe Miete handele, denn die Umsetzung ist noch im Gange und die Performance der Software leistet gar nicht das, was man sich eigentlich erhoffte. Die EKHN aber will mit 9 Mio. auskommen?

7. Unendlich dreht sich das Fusionskarussel in der EKHN
Andernorts hat sich schon herumgesprochen, dass die Gebietsreformen aus der Steinzeit der Reformen, den 60iger Jahren, wenig tauglich sind. Nicht einmal mehr die Gründe muss man eigens nennen, wenn doch, dann sehen Sie hier. Und so ist schon eine groß angelegte Fusion der in Niedersachsen beheimateten Landeskirchen im letzten Jahr nach 5 jähriger Vorbereitung und enormen Werbemaßnahmen pro Fusion abgeblasen worden. Und Thies Gundlach, der Cheftheologe der EKD, kann nur noch Referate halten mit Titeln wie: „als Reformen noch geholfen haben“. Gebietsreformen verursachen mittlerweile also ganz offensichtlich Unwohlsein. Das mag sich in der EKHN noch nicht herumgesprochen haben. Denn hier soll sich das Fusionskarusell weiter drehen. Und zwar bei den Propsteien. Ein Bestandteil wäre die Aussetzung der Neubesetzung der gerade frei gewordenen Stelle des Propstes/der Pröpstin. Darüber und die geplante Neuordung des Propsteibezirke soll die Synode entscheiden. Und damit die Tür öffnen für die Fortsetzung eines des von anderen bereits verlassenen Karussels. Vielleicht sollte auch die EKHN den Jahrmarkt verlassen und zur Ernsthaftigkeit echter Reformen zurückkehren.

8. Fehlend auf der Tagesordnung: Kleinode, Schmuckstücke, Filetstücke…
Alle Landeskirchen haben (oder hatten…) einige besonders herausragende Liegenschaften, etwa Tagungshäuser oder -zentren. Auch die EKHN. Z.B. im Nobelstädtchen Kronberg am Taunus das (frühere) Religionspädagog. Studienzentrum Schönberg. Nicht nur ein kleines Schmuckstück, sondern aus Vermögenssicht ein Filetstück: Tagungshaus, Gästehaus, Gründerzeitvilla auf großem Grundstück in bester Lage. Vor 4 Jahren sollte die Synode auf Vorlage der KL den Verkauf beschließen. Tat sie aber nicht. Jedenfalls nicht im ersten Anlauf. Beim zweiten Anlauf hatte die KL mehr Glück. Der Verkauf wurde abgesegnet. Ein Beitrag in den Wortmeldungen kommentierte: Kirche ohne Kurs. – Vier Jahre sind seither ins Land gegangen. Wer meint, die Liegenschaftsverwaltung der EKHN wäre in dieser Zeit in der Lage gewesen, das Objekt zu verkaufen, irrt. Gewiss, man wird Gründe vorbringen, die eine Verzögerung begründen. Diese waren aber sämtlich schon vor dem Synodenbeschluss bekannt. Was erforderlich wäre, um das Objekt zu verkaufen: eine aktive Liegenschaftsverwaltung. So lange eine solche in der EKHN nicht existiert, wird dies Objekt unter den obwaltenden Umständen wohl kaum zu einem angemessenen Preis zu verkaufen sein. Vielleicht betrachtet der eine oder andere den Vorgang als ein Zeichen des Himmels und Eingriff einer höheren Gewalt, die eine in diesem konkreten Falle schon im Ansatz falsche Entscheidung korrigiert. Und die Synode mag sich bestätigt fühlen für ihre ursprüngliche (richtige) Entscheidung in der Sache.