Schlagwort-Archive: Europa

Studie: Wie willkommen sind Flüchtlinge in Europa? Eine Untersuchung hat das in sieben EU-Ländern erkundet.

27. Oktober 2015, Von Christian Wernicke
Deutschlands Grenzen bleiben offen für Flüchtlinge – denn die Deutschen wollen es so: Drei von vier Bürgern sind weiter zur Aufnahme von Asylbewerbern aus Kriegsregionen bereit – mehr als alle europäischen Nachbarn. In keinem EU-Land, so belegt eine neue internationale Studie, zeigen sich die Menschen so bereitwillig und engagiert, Migranten aufzunehmen.

Die Gründe desdeutschen Sonderfalls erhellt eine neue Umfrage. Die Demoskopen des IFOP-Instituts in Paris haben in sieben Ländern die Stimmung gegenüber Flüchtlingen ausgeleuchtet.

Mehr dazu.

Gegensätzliche Grundwerte in Europa und USA: Amerikas andere Freiheit. Ein Kommentar von Andrian Kreye, SZ

7. Oktober 2015, SZ

Kern der Ratlosigkeit ist eines dieser seltenen grundsätzlichen Missverständnisse zwischen Europa und Amerika. Denn in der Regel handelt es sich hier doch um zwei sehr ähnliche Kulturen. Ganz buchstäblich – Amerikaner und Europäer hören dieselbe Musik, sehen dieselben Filme, tragen dieselbe Kleidung, verfechten die Demokratie. Hin und wieder aber zeigt sich, dass die beiden Gesellschaften sehr unterschiedliche, in diesem Fall sogar gegensätzliche Grundwerte haben. Zum Kommentar.

Agamben: Europa muss kollabieren

Zeit 13.9.2015

Der Philosoph Giorgio Agamben spricht in einem Interview mit der Zeit zu Europa. Der Umgang der EU mit der Kreditgeberkrise gibt Agamben recht. Die EU zeigt sich als wirtschaftspolitisher Zusammenshluss ohne demokratische Mitbestimmung. Für Agamben muss dieses Europa kollabieren um einem neuem Europa Platz zu machen. Das gelingt nur, wenn sich der Mensch nicht ausschließlih über seine Erwerbsarbeit definiert.

Europa ohne Wert(e). Ein Kommentar von Markus Dobstadt

02/2015, Publik Forum

Finanzkrise, Klimakrise, Krieg in der Ukraine, Kampf gegen Islamisten: Europa reagiert, läuft aber den Entwicklungen immer nur hinterher. Es fehlt an überzeugenden Zielen, Werten und Idealen, die der alte Kontinent auch dann vertritt, wenn es Geld kostet. Weltpolitisch verpasst Europa damit eine riesige Chance. Ein Kommentar von Markus Dobstadt


Europa könnte ein globales Vorbild sein Weltpoltisch verpasst die Europäische Union mit ihrem schnöden Wirtschaftsdenken eine große Chance. Denn sie ist eigentlich die einzige Region mit einer politischen Kultur, in der Demokratie, Wirtschaft, Gerechtigkeit und Umweltschutz wenigstens gemeinsam denkt. Wenn sie diese Ziele gleichermaßen ansteuern würde, wäre sie eine politische Alternative zum harten US-Kapitalismus einerseits und zu kapitalistischen Diktaturen wie China andererseits – und ein Modell für bestimmte Regionen im Süden der Welt. Derzeit ist Europa von diesem Modell weit entfernt. Wohin man blickt…

Der Text.

Die Englische Kirche mischt sich in den Wahlkampf ein

Erstmals in ihrer Geschichte mischt sich die Chruch of England direkt in den Wahlkampf ein. Wie der Tagesspielgel berichtet, nimmt sie in einem Hirtenbrief aktiv Stellung. Sie gibt keine Wahlempfehlung aus. Dennoch ermutigt sie ihre Mitglieder sich aktiv in die gesellschaftliche Debatte einzumischen. Viele Positionen der regierenden Torries werden kritisiert. So verurteilen die Erzbischöfe von York und Canterbury die Atomare Bewaffnung, soziale Ungleichheit und den antieuropäischen Kurs.

Die Troika: Macht ohne Kontrolle

Als die griechische Regierung die Troika aus dem Land werfen wollte kam es zu einem großem Aufschrei der Kreditgeber. Doch wer genau ist die Troika und was ist ihre Aufgabe.

Arte hat eine interessante Dokumentation zur Eurokrise und der Troika gedreht. Noch kann sie in der Mediathek gesehen werden.

Die Ergebnisse der Recherche sind vernichtend:

  • Die Troika hat bewusst europäisches Recht gebrochen.
  • Die Troika steht unter keiner demokratischen Kontrolle.
  • Teilweise übernahm die Troika zentrale Funktionen der Regierungsarbeit.
  • Privatisierungen wurden weit unter Wert erzwungen.
  • Die sozialen Folgen waren von Anfang an im Programm der Troika einkalkuliert.
  • Belastungen der einfachen Bevölkerung werden von der Troika vehement eingefordert. Gleichzeitig werden Steuergerechtigkeit und Kuroptionsbekämpfung nicht zur Bedingung gemacht.

Die Europäische Union steht vor einer Zerreißprobe. Sie gefährdet die Fortschritte der europäischen Einigung. Statt sich weiter zu demokratisieren übernehmen nicht gewählte ausländische Technokraten die Regierung. Ein vereinigtes Europa versprach allen Menschen Freiheit und Wohlstand. Doch in den Krisenländern ändert sich die Wahrnehmung. Die EU zeigt sich als Fremdbestimmung und Vernichterin des Wohlstands.

Wer die Dokumentation sieht, wird den Wahlerfolg von Syriza mit anderen Augen betrachten.

dazu auch DIE ZEIT:

Das Unheil, das die Troika brachte
25. Februar 2015, von Harald Schuhmannn, 
Sie erpresste Minister, spielte sich zum Gesetzgeber auf und machte gemeinsame Sache mit den Eliten. So stürzte die Troika die Krisenstaaten wissentlich in die Rezession.

[…]

Sie wurden Opfer der willkürlichen Festlegung, dass die Gesundheitsausgaben sechs Prozent des Bruttoinlandsprodukts nicht überschreiten durften. Das forderte die Troika ab 2011, obwohl ihre Auftraggeber das in den eigenen Ländern niemals wagen würden. Deutschland leistet sich zehn Prozent,…  Zum Artikel.

 

Der große Unterschied zwischen den geschätzten und realen Muslimen

Ausgerechnet dort, wo es kaum Muslime in Deutschland gibt erreicht die PEGIDA mit ihren geschürten Ängsten die größten Erfolge. Europaweit wird die Anzahl der Muslime jedoch von der Bevölkerung viel höher eingeschätzt als sie es tatsächlich sind. Spitzenreiter ist Frankreich. Einen Bevölkerungsanteil von 8% schätzen die meisten auf 31%. In Deutschland ist der Unterschied weniger groß. Hier vermuten die Bürger 19% Muslime statt der realen 6%.

In fast jedem Land wird hingegen der Anteil der Christen kleiner als die Realität geschätzt. (Quelle FAZ)

Bestätigen die eigenen Verfallstheorien der Kirchen auch die DemonstrantInnen von PEGIDA?

Von der Heiligkeit des Menschen. Zur Rede des Papstes Franziskus vor dem Europaparlament.

Selten nur hat ein Mann der Kirche solch eindringliche, theologisch und politisch nachhaltige Worte vor Vertretern weltlicher Macht gefunden wie der derzeitige römische Papst Franziskus vor den Abgeordneten des Europaparlaments am 25. November 2014, kurz vor dem Ende des Kirchenjahres und im Blick auf die anbrechende Zukunft.
Mit deutlichen Worten hat er benannt, woran Europa in diesen Zeiten krankt, in denen es nicht in der Lage ist, seine jungen Menschen mit Arbeit zu versorgen, in dem die Alten und Schwachen zunehmend allein gelassen und die Grenzen vor den Flüchtenden hermetisch abgeriegelt werden, dass das Mittelmeer zu einem riesigen Friedhof wird.
Auf die Frage, woran denn das liege, hat Franziskus eine klare und eindeutige Antwort: Es liegt am herrschenden Menschenbild. In diesem aber fehlt es an dem Bewusstsein, was den Menschen insgesamt ausmacht.
Der Papst konstatiert bei genauem Hinsehen den Verlust der Menschlichkeit Europas, die nach den Katastrophen des frühen 20. Jahrhunderts dessen Kernaufgabe und Grundüberzeugung war. Die Wahrung der Würde des Menschen ist Europas Gründungskern. Der Mensch ist handelndes, verantwortliches, liebendes und leidendes Geschöpf Gottes und als solches Subjekt des Lebens.
Europa habe nicht nur aus leidvoller Geschichte und Erfahrung das Bewusstsein für die Kostbarkeit, Einzigkeit und Unwiederholbarkeit jedes einzelnen Menschen herangebildet. Das sei vielmehr auch in einer umfassenden Wahrnehmung des europäischen Denkens geschehen. Griechenland und Rom, der keltisch-germanische Raum wie auch der slawische seien hier zusammengewachsen und haben sich zu seiner Einheit in Verschiedenheit verbunden.
Der Mensch sei in seiner Würde, Franziskus sagt später am Ende seiner Rede das viel treffendere Wort, er sei in seiner Heiligkeit wahrgenommen und geschätzt worden, weil in diesem Denken die Verbindung der Geschöpflichkeit des Menschen mit den Aufgaben und Erfordernissen hier und jetzt gelungen sei. Europa habe ein Bewusstsein für den offenen Himmel gehabt.
Das aber ist vorbei. Schließlich sei der Mensch ja nur noch dazu da, in einem Wirtschaftssystem zu funktionieren und dieses System am Laufen zu halten. Der Mensch ist Objekt verwaltenden Handelns. Das ist im Staat so. Das ist übrigens auch in der Kirche so. Das allerdings ist nur im Subtext der Rede vernehmbar.
Der Befund des Papstes bleibt erschreckend. Aber er ist zutreffend. Es ist offensichtlich. Es wissen alle. Es sagt nur keiner. Und wer es sagt, wird in die Ecke der Meckerer oder Weltverschwörer gesteckt; anderen wird mit dem Argument des Populismus der Boden unter den Füßen weggezogen.
Da tut es besonders gut, dass dieser Papst auf dem Boden christlicher Überzeugung vom Menschen als einem von Gott gewollten, geschaffenen und begabten Wesen, dieses Bild in Erinnerung ruft, das einst zur Gründung der Union geführt hat und für das der Union auch zurecht der Friedensnobelpreis zugesprochen gehört hätte, wäre dieses Bild nicht mittlerweile vollständig konterkariert worden.
Auch da ist der Papst eindeutig. Auf diesem jetzigen Boden wird keine Zukunft und kein Friede sein. Denn aus der Gottvergessenheit Europas, die zu einer Menschvergessenheit geworden ist, werden letztlich Konflikte erwachsen und die Europäische Union in ihrem Bestand bedrohen.
Was das für die Kirche hier und heute heißt? – Da bleibt der Papst zurückhaltend. Dabei liegt das wohl auf der Hand: Sie wird sich endlich auf den Weg machen müssen, mutiger zu bekennen, treuer zu beten, fröhlicher zu glauben und brennender zu lieben. Sie wird endlich aufhören müssen, nur über sich selbst nachzudenken und sich um sich selbst zu drehen.
Was Franziskus für die Europäische Union nämlich festhält, dass der Mensch ein reines Objekt ist für das Handeln der Mächtigen, das gilt in weiten Teilen kirchlichen Denkens genauso. Der Mensch ist nicht mehr Herr und Hüter des Lebens der Kirche, sondern ist unterworfen den stromlinienförmigen Abläufen, die in den Zentralen erdacht werden. Das gilt für die katholische und für die evangelische Kirche in einem gleichen Maß.
Das aber heißt sehr konkret, dass die Kirchen im direkten Gespräch mit den Menschen, genau auf diese Verbindung von Himmel und Erde, die die Heiligkeit und Würde des Menschen ausmacht, wie Franziskus sie beschreibt, immer wieder neu hinzuweisen hat, für sich selbst aber gerade auch über den eigenen Tellerrand hinaus. Nur wenn wir uns unserer eigenen Wurzeln sicher sind und diese auch als belastbar und zukunftskräftig erkennen, ist eine gute Zukunft möglich.
Diese Verbindung von Himmel und Erde können die staatlichen Institutionen nicht leisten. Aber die Kirche kann es. Sie muss es nur tun.
Wie man das macht? Dafür hat Franziskus eine klare Handlungsanweisung gegeben: Klarheit für sich selbst schaffen. Daran arbeitet dieser Papst in seiner Kirche, auch wenn da sicher noch sehr viel zu tun bleibt und Rückschläge immer wieder kommen. Mit dieser Klarheit aber geht er hin zu den Orten, in denen die Entscheidungen fallen. Dann unaufdringlich, aber sehr selbstbewusst von den Grundlagen, den Erfordernissen und den Erträgen des Glaubens reden. So wird dieser Glaube im Bewusstsein der Menschen relevant und für das eigene Leben sinnvoll.
Es geht im besten Sinn um die Verkündigung und Predigt des Gotteswortes in das Leben der Menschen heute hinein.
Dann kann es eine wahre Einheit in der Verschiedenheit geben, dann kann die Zukunft gelingen und der Mensch wieder im Mittelpunkt des Lebens stehen als handelndes und empfindendes Geschöpf und Subjekt des Lebens, wie Gott ihn gewollt hat.
Ob Franziskus übrigens darüber hinaus auch einen neuen ökumenischen Prozess eröffnen wollte oder noch will, in dem auch die weltweite Kirche aus Katholiken, Orthodoxen und Protestanten ein neues Verhältnis im Miteinander gewinnt und als eine Einheit von allen wahrgenommen wird, ist eine offene Frage. Die Antwort wird in den nächsten Jahren sichtbar werden. Aber eine Verpflichtung in diese Richtung ist der Papst eingegangen. Die Tür scheint sich zu öffnen.

Maximilian Heßlein

Ein Wort gegen den Massensterben im Mittelmeer

Die Not der Flüchtlinge, die im Mittelmeer ersaufen ist immer mehr zu einem Thema der Kirche geworden. Angesichts eines Massengrabs vor den europäischen Küsten ist es gut, dass die Kirchen auf die Missstände hinweisen. Vorbildlich war es, dass der Papst mit einem Besuch auf dem Mittelmeer die Aufmerksamkeit der Medien auf das Massensterben lenkte.

Nun hat sich auch Volker Jung, Kirchenpräsident der EKHN und Vorsitzender der Kammer für Migration und Integration zu der Katastrophe geäußert: „Dass Europa bis heute kein gemeinsames und umfassendes Seenotrettungssystem im Mittelmeer organisiert hat, ist eine Schande“.

Die Lage ist ernst. Vor etwa einem Jahr reagierte Italien auf zwei besonders schlimme Unfälle und schickte seine Marine zur Rettung von Flüchtlingen ins Mittelmeer. Doch der Rest Europas beteiligte sich nicht. Italien trägt 90% der Kosten für die Seenotrettung, die sich bis auf das Internationale Gewässer ausdehnt. Auch die 115.000 Flüchtlinge, die gerettet wurden, müssen in Italien versorgt werden.

Da sich die EU weigerte sich solidarisch an dem Projekt zu beteiligen, ließ zog sich Italien bereits im Mai einmal vor Libyen zurück. „1.600 der 1.800 ertrunkenen Flüchtlinge in diesem Jahr starben in dieser Zeit. „, so die TAZ.

Ab November soll Frontex Plus übernehmen. Die Mission soll nur noch die Außengrenzen der EU überwachen. Und selbst hierfür ist die Finanzierung nicht gesichert. Schwierig ist es auch, dass die Frontex bisher die Aufgabe hatte, Flüchtlinge daran zu hindern in europäisches Hoheitsgebiet zu kommen. Die selbe Organisation, die Jahrelang Flüchtlingsboote abdrängte soll nun zum Retter werden.

Doch auch in Deutschland ist die Lage der Flüchtlinge prekär. Die Aufnahmelager sind überfüllt und Flüchtlinge werden in Zelten untergebracht. Letztens weinten Kinder vor Hunger. Da ein anderes Erstaufnahmelager wegen Masern geschlossen wurde, konnte Hessen die ankommenden Flüchtlinge nicht einmal mehr grundlegend versorgen.

Die Übergriffe auf Unterkünfte von Flüchtlingen nehmen von den Medien oft unbeachtet wieder zu und die NPD instrumentalisiert geschürte Ängste für ihre Proteste. Die Bilder erinnern an die Proteste der 90er Jahre. Damals spielte sich ein Rechter Mob als Stimme der BürgerInnen auf. Teile des bürgerlichen Lagers schlossen sich darauf hin der Das-Boot-ist-voll-Argumentation an. Alle Parteien erarbeiteten dann gemeinsam ein System von sicheren Drittstaaten, dass es fast unmöglich macht als Flüchtling in Deutschland Asyl zu beantragen. Der Rechte Mob hatte gewonnen. Und auch heute fangen die ersten wieder an uns mit dem vollen Boot auf die nächste Runde vorzubereiten.

Viele Gemeinden und PfarrerInnen zeigen sich vor Ort solidarisch mit Flüchtlingen. Sie schmeißen sich mit dem Kirchenasyl in die Räder des Grenzregimes. Es ist Zeit ein starkes Wort zu sprechen.

Kirchenasyl als bewusster Rechtsbruch

Das Kirchenasyl bringt den Rechtsstaat nahe an eine Zerreisprobe. Alleine in Bayern sind 70 aktuelle Kirchenasyle bekannt. Gemeinden entscheiden sich damit offen deutsches Recht zu brechen, da sie geltende Gesetze als ungerecht empfinden.

Der Bayrische Rundfunk beleuchtet einige Hintergründe.