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Der ganz normale Wahnsinn: Die Fusionsbegeisterung in der evangelischen Kirche

Die Fusionen von Gemeinden und Dekanaten haben den Seelsorgealltag des Pfarrers erreicht. Ein paar Beispiele stehen für viele: 1. Beispiel: Ich besuche Konfirmandeneltern. In der Kirche treffe ich die Familie kaum. Ein Elternteil kommt aus den neuen Bundesländern. Es wurde in DDR-Zeiten getauft. Der Vater war Kirchenältester. In dem kleinen Dorf gibt es schon lange keinen Pfarrer mehr. Aber wenn an den Feiertagen Gottesdienst gehalten wurde, sorgten Gemeindeglieder für eine saubere und geschmückte Kirche. Auch in schwierigen Zeiten hielt man zur Kirche. Nun hat man dem Dorf mitgeteilt, dass durch die Gemeindefusionen die Ältesten aus dem Dorf nicht mehr gebraucht würden. Die Kirchenvorstände sind verkleinert worden. Ich werde gefragt, wie man ohne die Ehrenamtlichen vor Ort eigentlich auskommen wolle. Man müsse den Ort doch einbinden in die Arbeit. Der andere Elternteil kommt aus Kurhessen. Er ist im Kundenmarketing eines Großunternehmens beschäftigt. Er fragt grundsätzlicher: Wie man eigentlich ohne Pfarrer Kirchengemeinden erhalten wolle. Jetzt gebe es dort einen Pfarrer für 10 Dörfer. Da könne kein Kontakt aufgebaut werden.
2. Beispiel: Ich stehe an einem offenen Grab. Die kleine Gemeinde hat den Erdwurf abgeschlossen. Ich will mich gerade verabschieden, da weint ein Freund der Familie laut los. Seine Mutter sei auch letzte Woche  gestorben. Bevor sie ins Altersheim gekommen sei, sei sie jeden Sonntag in die Kirche gegangen. Nun sei niemand für sie zuständig. Eine Prädikantin solle sie beerdigen. Er habe nachgeschaut, was das sei. Das sei ja gar kein Pfarrer. Die Kirche hätte keinen Pfarrer mehr für die Beerdigung seiner Mutter.  Nun melde sich die Prädikantin nicht. Er habe es oft versucht, auch das Beerdigungsinstitut sei erfolglos.  Jetzt sei Freitag, am Montag solle die Beerdigung sein. Seine Mutter solle doch auch so würdevoll bestatten werden wie die Verstorbene hier.
3. Beispiel: Ich sitze bei einem Beerdigungskaffee. Als ich mich verabschiede, begleitet mich ein Angehöriger zur Tür und nutzt die Gelegenheit zum Gespräch. Sein Kind sei getauft worden. Die Gemeinde habe keinen Pfarrer zur Verfügung gehabt. Das hätte ein Prädikant gemacht. Es sei soweit auch alles in Ordnung gewesen, nur bekomme er sein Stammbuch nicht mehr. Das Gemeindebüro könne ihm nicht helfen, sie hätten ihn an einen Regionalverband verwiesen. Da wüsste auch niemand von einer Taufe. Das gehe nun schon seit zwei Monaten hin und her.

Thies Gundlach hat jüngst die Grenzen der Reformen benannt. Er hat festgestellt, dass die Zahl der Ehrenamtlichen durch Fusionen abgenommen habe, dass die finanziellen Erwartungen nicht eingelöst worden  und die missionarischen Impulse steckengeblieben seien. Eigentlich keine wirklich gute Bilanz. Als Gemeindepfarrer hätte er die Bilanz noch um einige Details ergänzen können. Aber letztlich ist das für Gundlach auch egal.
Denn: die Kirchenfernen könne man nur durch größere Einheiten, in denen besondere Angebote gemacht werden, wiedergewinnen. Also weiter so.
Das werden die Menschen vor Ort wohl kaum verstehen. Warum sie nun ihre Kinder selbst taufen, die Eltern selbst bestatten und alle wichtigen kirchlichen Handlungen durch unbedarfte und weithin theologisch ungebildete Ehrenamtliche vollziehen lassen sollen, die sie in der Regel auch nicht kennen. Derweil macht die Kirche den Ehrenamtlichen Mut. Pfarrer predigen ja auch nicht immer gut. Wir haben das Priesteramt aller Gläubigen. Wir brauchen Professionalität in der Region. Gundlach hat auch festgestellt, dass es keine finanziellen Probleme gebe.
Und damit sind wir bei den Ursprüngen der Reformen angekommen. Es lohnt sich, daran kurz zu erinnern.  Als die Kürzungen bei den Pfarrstellen in der EKHN nach 1997 anstanden, wurde von Pröpsten und Dekanen, sowie von den Dezernenten der Kirchenverwaltung, und der Kirchenleitung immer und immer wieder darauf hingewiesen, dass es an Geld fehle. Die Zuweisungen an die Gemeinden wurden deutlich zurückgefahren, so dass der Eindruck vor Ort bestätigt wurde: Es gibt kein Geld mehr.
Wir können nun überschauen, dass diese Behauptungen falsch waren und dass offenbar auch viele der leitenden Mitarbeiter wussten, dass sie falsch waren.  Auch hier hilft Gundlachs Einschätzung weiter: Ohne organisatorischen und finanziellen Druck bewege sich nichts in der Kirche. Um den Druck herzustellen, darf auch mal ein wenig geflunkert werden.
Zum Beispiel bei einer Dekanatsfusion in der EKHN: Da konnte ein Dekan nicht wiedergewählt werden, weil sonst die nächsten 6 Jahre keine Fusion mit dem Nachbardekanat  möglich gewesen wäre. Also wählte man ihn kommissarisch. Nach dem geltenden Kirchengesetz wäre das nicht möglich gewesen. Aber wo kein Kläger, da kein Richter. Die Synodalen sind in Rechtssachen in der Regel nicht firm. Klageberechtigt wäre ohnehin nur der um sein Amt gebrachte stellvertretende Dekan gewesen. Falls er irgendwelche Ansprüche gestellt haben sollte, wird man ihm aus der Zentrale deutlich gemacht haben, dass das sehr unangenehm für ihn werden könnte. Anschließend kaufte man ein Haus der Kirche. Auch da gab es Vorgaben aus der Synode, die es zu umgehen galt. Da das Haus nur bei einer Fusion von drei Dekanaten zu finanzieren gewesen wäre, behauptete man einige Monate bis zur Umsetzung des Beschlusses, dass drei Dekanate fusionieren, obwohl jedermann wusste,  dass es nur zwei sind. Auf diese Weise hat man noch zusätzlich 400.000 € locker gemacht. Im Verhältnis zu den Kosten der gesamten Reform, die im dreistelligen Millionenbereich liegt, eine lächerliche Kleinigkeit. Der Vorsitzende der einen betroffenen Dekanatssynode war zugleich Mitglied der Kirchenleitung und wird noch immer für sein großartiges Engagement in Sachen Fusion geehrt. Das war eben jemand, der mit Geld umzugehen verstand. Anders sieht das aus, wenn eine kleine Gemeinde Hilfe braucht. Dann wird schon mal um 2000 € heftig gestritten und die Verwaltung zeigt, wie genau sie zu rechnen und das Geld (des Kirchensteuerzahlers!) zusammen zu halten versteht.
Beflügelt durch solche kaum erwarteten Erfolge hat die Kirchenleitung der EKHN mit der großangelegten Fusion von Dekanaten gleich wieder einen Coup gelandet. Nach § 2 der Dekanatssynodalordnung galt: „Über die Neubildung, Grenzveränderung oder Auflösung von Dekanaten beschließt die Kirchenleitung, wenn die beteiligten Kirchenvorstände und Dekanatssynoden zustimmen, andernfalls die Kirchensynode.“  Die Zustimmung der Kirchenvorstände und Dekanatssynode hat man sich in der EKHN gespart und wegen der ungeheuerlichen Dringlichkeit (Gundlach: ohne Druck geht nichts.) gleich die kirchensynodale Entscheidung herbeigeführt. Mancher Kirchenvorstand und manche Dekanatssynode erfuhr aus der Zeitung von seinem/ ihrem neuen Glück, das dann der Dekan und der Vorsitzende der Synode gleich fröhlich und unbekümmert in Statements würdigte nach dem Motto: „Wir sind gewachsen“ oder „Wir sind wieder mehr“. (Die Verkleinerung der Dekanatssynoden wird bald folgen, damit die von vielen unnötigen Sitzungen geschwächten Ehrenamtlichen sich wichtigeren Fragen zuwenden können.)
Selbstverständlich wird die Kirchenleitung nicht aufhören von der besonderen Bedeutung der Gemeinden zu sprechen, die eben gerade dadurch besonders ist, dass man sie immer umgeht und also nicht unnötig mit wichtigen Fragen behelligt. Ein gutgläubiger Kirchenvorstand ist ohnehin von den Winkelzügen der Zentrale völlig überfordert und auch das spornt die Kirchenleitung und manchen machthungrigen Ehrenamtlichen zu neuen Höchstleistungen an.
Was bleibt von den Fusionen?
1. Sie sind teurer als erwartet. Von irgendwelchen sinnvollen Einspareffekten wird niemand, der etwas von der Sache versteht, ernsthaft sprechen können.
2. Die Aushöhlung der Gemeinden geht weiter: Diakoniestationen sollen in einer großen Einheit zusammengefasst,  gemeindliche Kindergärten aufs Dekanat übertragen werden.
3. Es gibt weder Pfarrer noch Kirchenmusiker, noch Erzieher, noch Pfleger und Schwestern in ausreichendem Maß in den nächsten Jahren.
4. Die Kirche wird konsequent den eingeschlagenen Weg weitergehen. Denn er führt genau zu dem prognostizierten Ergebnis, mit dem man allen Zauderern einheizt, um neue Reformen auf den Weg zu bringen: Der Kirche wird es schlechter gehen, ihre Akzeptanz lässt nach, ihre Finanzkraft schwindet, engagierte Mitarbeiter verabschieden sich.  Das neue Zuweisungssystem der EKHN, das kleinen Gemeinden die Existenzgrundlage entzieht, wird eine neue Fusionen erzwingen.
5. Die Kirchenleitung wird weiter evaluieren und Mitgliederstudien veranlassen ohne daraus eine Konsequenz zu ziehen, die den gewonnen Machtzuwachs und die bequeme ideologische Einheitskultur der leitenden Organe verändern könnten.
6. Die guten Kirchensteuereinnahmen werden die Verwaltung zu neuen gesetzgeberischen und administrativen Höchstleitungen ermuntern, die das kirchliche Leben komplizierter, teurer und intransparenter machen. bb

Umgang mit dem Theologennachwuchs, Beschneidung von syndalen Rechten, Fusionskarusell, Kosten für Doppik, Benachteiligung kleiner Gemeinden, Fehlentscheidungen bei Filetstücken – Vorblick auf die EKHN- Frühjahrssynode.

Eine vorbereitender Blick auf wichtige Synodenthemen der EKHN Frühjahrssynode vom 08.-10.Mai 2014 von Friedhelm Schneider.

1. Bestürzung über eklatante Benachteiligung kleinerer Gemeinden durch das neue Zuweisungssystem.
Das Gros der Anträge aus den Dekanaten – neun an der Zahl – bezieht sich auf das geänderte Zuweisungssystem, das kleine Gemeinden benachteiligen würde. Die Dekanate haben – funktionsfähige – Alternativen ausgearbeitet. Diese Alternative wird nicht nur als gerechter und angemessener erachtet. Sie weicht mit nur 2% auch nur minimal vom verfügbaren Finanzrahmen ab. Die Synodalen, die das Modell entwickelt haben, schließen damit an eine frühere Tradition gewisser EKHN-Synodaler an, die der Synode mehrfach mit Gegenrechnungen zu besseren Einsichten verhalf.
2. Die EKHN und der theologische Nachwuchs oder: wie die EKHN die Identifikation des Theologennachwuchses mit dem Arbeitgeber Kirche untergräbt.
In der EKHN existiert ein dreistufiges Prüfsystem für den Theologennachwuchs vom Studienende bis zur Verbeamtung. 1. Stufe: die Potentialanalyse. Ein Stresstest, der in Verruf geraten ist. Darüber berichten die www.wort-meldungen.de wie auch Publik Forum (Nr. 8/2014, S.28f) .2. Stufe: das Einstellungsgespräch nach dem Vikariat. Darauf bezieht sich die Anfrage des Synodalen Breidenstein zur EKHN Frühjahrssynode.

Er legt dar, dass beim letzten „Gespräch“ von 17 BewerberInnen nur 13 in das Pfarrvikariat (Zeit mit Angestelltenstatus) übernommen. Gegen die Entscheidung der Kommission gibt es keine Rechtsmittel! Daraus ergeben sich für den Synodalen Fragen wie: Wie ist die Abweichung des Einstellungsgesprächskommission von früheren Beurteilungsinstanzen (Potentialanalyse, Theol. Seminar, Examina) zu erklären? Wie wird sichergestellt, dass die Kandidaten eine nachvollziehbare und gerechte Beurteilung erfahren?
Damit aber nicht genug der Kandidatenprüfungen. Nach dem Pfarrvikariat (der anfänglichen Dienstzeit im Angestelltenverhältnis) gibt es ein weiteres, richtiges Prüfungsverfahren. In diesem werden die PfarrvikarInnen vor der Verbeamtung noch einmal unter Stress gesetzt. Sie könnten auch hier tatsächlich noch einmal scheitern.
Was passiert hier eigentlich? Der Nachwuchs des „Schlüsselberufs“ der Kirche wird mehrfach und über Jahre hin fortgesetzt Stresssituationen ausgesetzt. Das ist, wie der Synodale feststellt, fachlich nicht nachvollziehbar, muss also andere Gründe haben. Diese liegen auf der Hand. Was aber ist das Ergebnis? Eines besteht darin, dass die jungen Pfarrerinnen und Pfarrer schon mit Eintritt in die Kirche in Distanz zum Arbeitgeber Kirche getreten sind. Die Identifikation mit dem „Betrieb“, auf die in jedem normalen Unternehmen extrem hohen Wert gelegt wird, kann auf diesem Hintergrund kaum stattfinden. Schon die Pfarrerzufriedenheitsstudie stellte eine hohe Identifikation der Pfarrer zwar mit dem Auftrag, nicht aber mit dem Arbeitgeber (KL, Verwaltung etc.) fest. An diesem Problem hätte ein funktionierendes Personalmanagement arbeiten müssen. Wenigstens hätte vermieden werden müssen, dass sich dieser Trend bei Neueinstellungen fortsetzt. Nichts der Art ist geschehen. Im Gegenteil. Und die Nachwuchskräfte empfängt man mit einer dreifachen, sachlich nicht zu rechfertigenden, schikanierenden Hürde! Das ist völlig unakzeptabel. Das Ergebnis ist für den ‚Betrieb‘ verheerend, für das Personalmanagement aber vernichtend. Wie sagte ein Pfarrer, der schon Mitte der 90iger Jahre von der damaligen Einstellungspraxis betroffen war? Der Kirchenpräsident müsste sich heute für das damalige Vorgehen gegenüber den Vikaren entschuldigen. Billiger wird eine Normalisierung des Verhältnisses zw. Pfarrerschaft und der Kirchenleitung in der EKHN wohl nicht zu haben sein. Nur eine für die Zukunft geplante Modifikation der jetzigen Einstellungspraxis wird also nicht ausreichen, um das Verhältnis wieder zu normalisieren.

3. Anstehende Pensionierungswelle von PfarrerInnen beginnt mit Pensionierung des Personaldezernenten.

Die eklatanten schwächen des Personalmanagements sind auch bei anderen Fragen notorisch, so der bevorstehenden Pensionierungswelle von PfarrerInnen ab 2016, auf die es bislang keine hinreichende Antwort in Sicht ist. Jährlich ist mit ca. 100 Pensionierungen bei angestrebten 30 Neueinstellungen zu erwarten. Ein Minus von 70 PfarrerInnen p.a. Bedeutet bei aktuell 45 Dekanaten durchschnittlich ein Minus von 1,5 Personen p.a. (im aktuellen Zuschnitt der Dekanate!). Käme die Pensionierung mit 63 Jahren, könnte das in einem Jahr zu einer Reduktion von fast 5 Personen/Dekanat führen. Alles dies, die Identifkation verhindernde Einstellungspraxis wie auch der drastische Personalmangel bei PfarrerInnen wurde in der EKHN lange verheimlicht. Heute funktioniert  das nicht mehr. Und so verlässt der jetzige Dezernent Bechinger seinen Posten ein Jahr vor Erreichen der Altersgrenze. Da fragt sich: hat er die Situation nicht mehr ertragen – oder war er nicht mehr tragbar?

4. Einschränkung der Beteiligungsrechte von Dekanatssynoden bei der Dekanewahl.
Die Beschneidung der Rechte der synodalen Gremien durch die Kirchenleitung wächst. Offensichtlich traut die Kirchenleitung der EKHN den Gremien nicht einmal in Personalentscheidungen die Fähigkeit zu, die für die eigene Situation richtige Wahl zu treffen. So beschneidet sie deren Entscheidungsfreiheit, in dem die Wahl oder entscheidende Vorauswahl zwischen den Bewerbern schon in der Kirchenleitung getroffen wird.  Die vorausgewählten Personen oder die einzig vorausgewählte Person wird dann dem eigentlichen synodalen Entscheidungsgremium präsentiert. Oft erweist sich „leider“ nur eine Person als geeignet. Und die nachgeordneten synodalen Gremien dürfen dann reduziert wählen oder ggf. nur noch abnicken.
Das geschieht auf allen Ebenen, z.B. auf der Mitteleren Ebene. Im Ev. Dekanat Bergstraße wurden bei der letzten Dekanewahl nur zwei (der vier vorhandenen) Kandidaten zur Wahl gestellt. Daher sieht sich das Ev. Dekanat Bergstraße zu einem Antrag an die Landessynode genötigt, der die (früher übliche) Autonomie (die Dekanatssynode wählte aus ihrer Mitte selbständig den Dekan/die Dekanin) wenigstens teilweise wieder herstellt. Der Antrag enthält folgenden Passus: „Die Elemente der Wahl durch die Dekanatssynode in dem Verfahren sollen gestärkt werden… So sollen ihre Wahlmöglichkeiten nur dann durch eine Vorauswahl begrenzt werden, wenn es so viele Bewerbungen gibt, dass ein Wahlverfahren den einzelnen Bewerbungen nicht mehr gerecht werden kann. Bewerben sich weniger Personen, sollen sich in der Regel alle zur Wahl stellen können.“ Zum Antrag.

5. Einschränkung der Beteiligungsrechte von der EKHN-Synode bei Personalentscheidungen.
Die Beschneidung der Beteiligungsrechte in Personalfragen betrifft ebenso die höchste Ebene, die der Landeskirche. Prominentes Beispiel auf der aktuellen Synode, die „Wahl“ des Personaldezernenten. Das Wort Wahl steht in Anführungszeichen, weil eine Wahl in der Regel eine Auswahl zwischen Kandidaten bezeichnet. Bei dieser „Wahl“ wird es aber nur einen Kandidaten geben. Die Kirchenleitung empfiehlt unter mehreren KandidatInnen den von ihr ausgewählten Oberkirchenrat Jens Böhm (aus dem eigenen Haus) der Synode zur – sagen wir besser Zustimmung. Wahlrecht der Synode – war da was? Man wird gespannt sein dürfen, ob die Synode wenigstens erfährt, wer den noch für das Amt kandidiert hat? Und man wird sehen, ob die Synode der EKHN im eigenen Fall reagiert, wie zuvor schon die Dekanatssynode Bergstraße im Falle der Dekanewahl (s.o.). Ob sie also darauf besteht, dass Ihre Rechte nicht weiter beschnitten werden. Das allein ist schon ein wichtiger Grund. In diesem Falle ist das Zustimmungsverfahren als Wahlersatz noch aus einem 2. Grund problematisch. Denn der zukünftige Personaldezernent wird die verfehlte Personalpolitik des Vorgängers spätestens bei der Bewältigung der Pensionierungswelle ausbaden müssen. Dafür sollte er sich auf eine breite Unterstützung aus der Landessynode berufen und verlassen können. Hat die Synode aber selbst gar nicht gewählt, wird dort im Krisenfall auch kaum mit Rückhalt gerechnet werden können. Der zukünftige Dezernent dürfte das anstehende „Wahl“-Verfahren vielleicht nicht nur erleichtert, sondern mit gemischten Gefühlen betrachten.

6. Kostenansatz für die Doppik in Höhe von 9 Mio. realistisch?
Die Synode der EKHN hat die Einführung der Doppik beschlossen. Und zwar mit einem Kostenansatz von 9 Mio. €. Was sie für die 9 Mio. € denn bekommen wird, möchte nun eine synodale Anfrage wissen. Denn es hat sich herumgesprochen, dass in anderen Landeskirchen exorbitant höhere Beträge erforderlich waren. So spricht man in der Württemberg. Landeskirche von einem dreistelligen Millionenbetrag, in der EKiR wurde auf der letzten Synode der aktuelle Stand von einem Synodalen mit ca. 60 Mio. beziffert. Wobei dieser Aussage von der KL nicht widersprochen wurde. Anzumerken ist, dass der Dezernent Bernd Bauks gleichzeitig einräumen musste, dass es sich dabei nur um die halbe Miete handele, denn die Umsetzung ist noch im Gange und die Performance der Software leistet gar nicht das, was man sich eigentlich erhoffte. Die EKHN aber will mit 9 Mio. auskommen?

7. Unendlich dreht sich das Fusionskarussel in der EKHN
Andernorts hat sich schon herumgesprochen, dass die Gebietsreformen aus der Steinzeit der Reformen, den 60iger Jahren, wenig tauglich sind. Nicht einmal mehr die Gründe muss man eigens nennen, wenn doch, dann sehen Sie hier. Und so ist schon eine groß angelegte Fusion der in Niedersachsen beheimateten Landeskirchen im letzten Jahr nach 5 jähriger Vorbereitung und enormen Werbemaßnahmen pro Fusion abgeblasen worden. Und Thies Gundlach, der Cheftheologe der EKD, kann nur noch Referate halten mit Titeln wie: „als Reformen noch geholfen haben“. Gebietsreformen verursachen mittlerweile also ganz offensichtlich Unwohlsein. Das mag sich in der EKHN noch nicht herumgesprochen haben. Denn hier soll sich das Fusionskarusell weiter drehen. Und zwar bei den Propsteien. Ein Bestandteil wäre die Aussetzung der Neubesetzung der gerade frei gewordenen Stelle des Propstes/der Pröpstin. Darüber und die geplante Neuordung des Propsteibezirke soll die Synode entscheiden. Und damit die Tür öffnen für die Fortsetzung eines des von anderen bereits verlassenen Karussels. Vielleicht sollte auch die EKHN den Jahrmarkt verlassen und zur Ernsthaftigkeit echter Reformen zurückkehren.

8. Fehlend auf der Tagesordnung: Kleinode, Schmuckstücke, Filetstücke…
Alle Landeskirchen haben (oder hatten…) einige besonders herausragende Liegenschaften, etwa Tagungshäuser oder -zentren. Auch die EKHN. Z.B. im Nobelstädtchen Kronberg am Taunus das (frühere) Religionspädagog. Studienzentrum Schönberg. Nicht nur ein kleines Schmuckstück, sondern aus Vermögenssicht ein Filetstück: Tagungshaus, Gästehaus, Gründerzeitvilla auf großem Grundstück in bester Lage. Vor 4 Jahren sollte die Synode auf Vorlage der KL den Verkauf beschließen. Tat sie aber nicht. Jedenfalls nicht im ersten Anlauf. Beim zweiten Anlauf hatte die KL mehr Glück. Der Verkauf wurde abgesegnet. Ein Beitrag in den Wortmeldungen kommentierte: Kirche ohne Kurs. – Vier Jahre sind seither ins Land gegangen. Wer meint, die Liegenschaftsverwaltung der EKHN wäre in dieser Zeit in der Lage gewesen, das Objekt zu verkaufen, irrt. Gewiss, man wird Gründe vorbringen, die eine Verzögerung begründen. Diese waren aber sämtlich schon vor dem Synodenbeschluss bekannt. Was erforderlich wäre, um das Objekt zu verkaufen: eine aktive Liegenschaftsverwaltung. So lange eine solche in der EKHN nicht existiert, wird dies Objekt unter den obwaltenden Umständen wohl kaum zu einem angemessenen Preis zu verkaufen sein. Vielleicht betrachtet der eine oder andere den Vorgang als ein Zeichen des Himmels und Eingriff einer höheren Gewalt, die eine in diesem konkreten Falle schon im Ansatz falsche Entscheidung korrigiert. Und die Synode mag sich bestätigt fühlen für ihre ursprüngliche (richtige) Entscheidung in der Sache.

EKHN- Synode: zeitnahe, lebendige und aussagekräftige Berichterstattung bei der EKHN-Synode unerwünscht

Auf der Tagesordnung der Alsfelder Dekanatssynode standen mehrere
Anträge zur Arbeit der Kirchensynode:
– es sollte weiter eine Facebook-Live-Berichterstattung geben
– es sollen namentliche Abstimmungen eingeführt werden
– die Protokolle sollen schneller vorliegen.

Aus Zeitgründen wurden diese und weitere Punkte von der Tagesordnung der Frühjahrssynode 2014 gestrichen und auf unbestimmte Zeit vertagt. Damit wird manche kritische Nachfrage oder Diskussion ausgehebelt. Wie war das noch mit der nach dem Skandal im Bistum Limburg öffentlich viel beschworenen Transparenz? Mehr dazu.

Protestantismus zwischen Bildungsreligion und kirchlichem Banaljournalismus. Von Dieter Becker

Das Thema wird ausgeführt speziell am Beispiel Veröffentlichung zu Geld, Finanzen, Vermögen der EKHN, s. dazu die Publikation der EKHN, auf die sich Dr. Dieter Becker bezieht.

Daraus hier der:

IV. Schluss
Der Versuch, Heterogenität durch funktionale Vielfaltsthesen oder Simplifizierungen„einzufangen“, erweist sich aus zwei Gründen als ein evangelisches Problem. Einerseits ist der Begriff „Vielfalt“ nichts anderes als eine Begriffsgröße von Heterogenität. Er entzieht sich eigentlich funktional planbaren Konzepten. Und das ist gut evangelisch: Denn nach dem Evangelium ist menschliche und sogar die eigene Wandlungs-Vielfalt „unendlich“. Jeder evangelischen Schublade fehlt der Boden! Menschen, ich und du, sind fragmentarisch, zerfasert und einem Ordnungsprinzip gegenüber flüchtig. Das (!) ist die Ausgangsbasis der Verkündigungsbotschaft: Die Gnade Gottes ist – nach menschlichen Ermessen – nicht begrenzbar. Andererseits besteht die Gefahr, dass der Anker „Vielfalt“ zu einem banalen Alltagswissen abgleitet. Banalismen kennzeichnen den Verlust des evangelischen Bildungsauftrags. Letztlich geht es um die Frage, ob wir Evangelium „verkündigen“ oder – lediglich – „Kommunikation des Evangeliums“ betreiben. Kommunikation ist und bleibt immer Menschenwerk. Methodisch schick und peppig zu kommunizieren – das ist letztlich menschlicher Banalismus – trotz social media, Rhetorik oder Powerpoint. Verkündigung dagegen ist der Wirkkraft des Geistes und eben nicht der menschlich-kommunikativen Machbarkeit unterworfen (man/frau lese: Augsburger Bekenntnis Abschnitt V: Vom Predigtamt!).
Somit sind Bußrufe angebracht: Verkündigt das Evangelium und hängt die Kommunikation an den Haken zu dem Hamster! Lernt wieder Bildungsjournalismus oder – für Pfarrpersonen – Verkündigung! Haltet die Welt nicht für doof banal oder facebookig! Einem evangelischen Christen sitzt ein evangelischer Geist auf den Schultern; hoffentlich. Regt Synapsen an, nicht auf! Bildet, und seid nicht bild(ungs)-banal! Also: Seid evangelisch – um Gottes willen!

Den Artikel im Hess. Pfarrerblatt 2/2014 lesen.

Klischees über Pfarrgehälter

Dieter Becker bezieht sich in seinem Beitrag auf eine Veröfentlichung der EKHN, die „7 größten Klischees zur Kirchensteuer“.
Dort gibt es einen bemerkenswerten Punkt 4. Dort geht es zwar nicht um Kirchensteuern, sondern um Pfarrgehälter. Und dort heißt es wörtlich:

„4. Klischee: „Das meiste Geld fließt in die Gehälter der Pfarrer“

Ungefähr 75 Prozent der Ausgaben in der EKHN sind tatsächlich die Personalkosten. Die Pfarrer bilden aber nur einen kleinen Teil der Mitarbeiter… Im Haushalt 2014 gehen mehr als 40 Millionen Euro allein in die 600 Kindertagesstätten der EKHN. Weitere große Kostenfaktoren sind aber tatsächlich die Pfarrdienste und die Zuweisungen an die einzelnen Gemeinden.“ Was nun? Handelt es sich nun um ein Klischee oder vielleicht doch nicht oder doch nicht wirklich? Es fehlt ganz offensichtlich immer noch der Mut, klare Zahlen auf den Tisch zu legen. Und damit frühere Behauptungen endlich eindeutig zu korrigieren.

Immerhin zeigt die Überschrift einen gewissen Lerneffekt. Noch vor wenigen Jahren verkündete nämlich die damalige, dann im Amt nicht mehr bestätigte, Stellvertretende Kirchenpräsidentin der EKHN Kopsch  auf der Landessynode (2007), dass die Pfarrgehälter den größte Ausgabenblock des Haushalts darstellen. Woraus sie kausal ableitete, daran müsse dann zuerst gespart werden. Hinter dieser Aussage verbarg sich leider keine höhere Vernunft, sondern schlicht fehlende Logik und nicht vorhandenes Management-Know-How. Als dann das radikale Stellenabbaukonzept der Pfarrstellen 2011 mit der “ Pfarrstellenbessung 2025″ von der Synode beschlossen werden sollte, haben sich einige Theologen zusammen getan und ohne Auftrag für die Synode unter dem Titel „Kirche_ohne_(pastorale)_Zukunft?“ eine Aufklärungsschrift verfasst. Darin wurde der tastächliche Anteil des Pfarrgehälter am Haushaltsvolumen der EKHN für die damals zurückliegenden Jahre auf der Basis der EKHN- Jahresberichte beziffert. Sie lagen bei lediglich 10-12% für den Gemeindepfarrdienst (ohne Versorgungsleistungen). Lesen Sie insbesondere Kp. 1.4. zu speziell dieser Thematik. Diese Wiedergabe (und die Ableitung einiger Kennziffern aus den offiziellen Zahlen der EKHN) wurde damals von den Verantwortlichen als Affront betrachtet. Dieser Realität nähert man sich heute immerhin verbal an: „4.Klischee: „Das meiste Geld fließt in die Gehälter der Pfarrer“.

P.S.: Die Synode hat dann auf der Frühjahrssynode 2012 abweichend vom Entwurf der Kirchenleitung und trotz eindringlich werbender Schlussvoten des Personaldezernenten Bechinger, des Leiters der Kirchenverwaltung Thomas Striegler und last not least des Kirchenpräsidenten Volker Jung die Zustimmung zum radikalen Abbau der Pfarrstellen abgelehnt. Anstelle einer Reduktion von 2% p.a. beschloss sie die Reduktion um nur 1% p.a.

F.S.

 

Sie säen nicht. Sie ernten nicht… Zur 5. Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung der EKD.

von Friedhelm Schneider.
Die sprunghaft angestiegene Distanz der Jugendlichen zur Kirche müsste am meisten aufrütteln: 52% der Jugendlichen sind distanziert und 20% denken ernsthaft über Austritt nach. Das ist hart. Aber das ist aus Sicht der Jugendlichen auch fair. Warum?

Betrachten wir einfach Jugendarbeit der Kirchen in den zurückliegenden 2 Dekaden und nehmen wir die EKHN. 1997 pilotiert die EKHN mit dem Projekt „Prioritätenplanung und Ressourcenkonzentration“ eine neue Art der Reform, die sich von dem vorausgehenden Reformansatz, wie er 1992 in „Person und Institution“ angelegt war, distanzierte. Im Nachhinein ist klar: es war eine vorbereitende Phase des Organisationsumbaus der Kirche, der dann mit „Kirche der Freiheit“ obsiegte. Einer der ersten, stante pede umgesetzten Beschlüsse von 1997: Reduktion der Gemeindepädagogenstellen um 20%. Gemeindepädagogen – also das Personal, das in der EKHN wesentlich für die Jugendarbeit zuständig ist. Das war der massive Einstieg in das Downsizing der Jugendarbeit. Und in das Downsizing generell: des Abbau auch von Pfarrpersonal, auch von Zuweisungen für die Arbeit an der Basis, auch von Gebäuden, auch von… McKinsey ließ schon damals grüßen. Nur ein konkretes Beispiel: gab es damals in meinem Stadtteil Darmstadts mit 25000 Einwohnern noch 2 kirchensteuerfinanzierte Stellen für die Jugendarbeit, so ist es heute noch ca. eine halbe Stelle, ergänzt durch einen gemeindefinanzierten (!) Stellenanteil. Der Personalabbau mag an anderer Stelle etwas moderater erfolgt sein und punktuell mag es Unterschiede geben. Aber es kommt hinzu, dass die Pfarrerschaft heute aufgrund der Überalterung für die Jugendarbeit ebenfalls nicht mehr in dem selben Umfang wie früher zur Verfügung steht. Und dass man den Religionslehrern die Fortbildungsstätte im noblen Kronberg genommen hat, ist ein symbolischer Akt gegen eine ganze Berufsgruppe, deren Unterstützung die EKHN offensichtlich auch nicht nötig zu haben scheint.  Punktuelle neue Angebote wie einen alle 2 Jahre stattfindenen Jugendkirchentag können solche Verluste bei weitem nicht kompensieren…  Generell bleibt die Innovationsleistung als Folge der Streichorgie und Marginalisierung des Arbeitsfeldes hinter den Erfordernissen zurück.  52 Prozent distanzierte! Da machen ein paar Sonnenstrahlen noch keinen Sommer. Die Jugendarbeit ist das fünfte Rad am Wagen der Kirche. Da können sich die Mitarbeiter an der Basis noch so mühen und abrackern, sie können durch ihre Person die harte Politik der Kirche gegenüber den Jugendlichen vielleicht etwas abfedern. Sie können sie aber nicht ungeschehen machen. Wen wundern also die Ergebnisse der neuen Mitgliedschaftstudie? In anderen Landeskirchen mag die Entwicklung in der konkreten Ausgestaltung differieren. Die Politik ist aber im Prinzip dieselbe. Sie säen nicht. Sie ernten nicht…

In den letzten sieben Jahren fährt die EKHN fünf mal Haushaltsüberschüsse in Höhe von 40 bis 70 Mio.€ ein! Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch?

Als die EKHN vor einigen Jahren – wieder einmal – einen Haushaltsüberschuss von 40 Mio. € verbuchen konnte, regte ich in kleiner Runde an, diese Mehreinnahmen diesmal nicht in die Rücklagen zu schieben, sondern komplett in die Jugendarbeit (mit einem professionellen 10-Jahreskonzept etc.) zu investieren. Ich erntete seitens einer anwesenden kirchenleitenden Person nur verständnislose Blicke und den Hinweis, dass sich einem solchen Vorschlag in der Kirchenleitung wohl niemand anschließen würde. Wie auch? Haben nicht alle leitenden Personen internalisert: die Kirchen müssten Rücklagen bilden? Da tut es nichts zur Sache, dass die EKHN ihr Soll der Rücklagenbildung schon zu 100% übererfüllt hat, weil 70% als ausreichend gelten. Gewinne für Rücklagen, aber keine Investitionen in die Mitglieder, hier in die Jugendlichen. Das ist die von den Finanzdezernenten ausgegebene Finanzpolitik. Und die bildet das „Management“-Konzept der Kirche. Ein Konzept, das einigen grundlegenden irrtümern aufsitzt. Halten wir uns an Prof. Fredmund Malik, den Doyen des europäischen Managements aus St. Gallen: „Die Meinung, dass der Zweck von Unternehmen der Gewinn sei, ist so alt wie irreführend.. .Alle paar Jahre taucht sie in einem neuen Kleid auf… diesmal in der Sharholder-Value-Theorie…Wer sich am Shareholder-Value… orientiert, hat die Gewissheit, dass er systematisch falsche, das heißt das Unternehmen schädigende Entscheidungen trifft.“

Das ist in der Kirche passiert. Es wurden systematisch falsche Entscheidungen getroffen. Die Jugendlichen waren außerhalb des Horizonts der Kirchenleitungen und der „Hohen Häuser“ der Synoden. Die Jugendlichen werden mit den Angeboten und mit der Botschaft in der Breite nicht mehr erreicht. Es fehlt an Mitarbeitern. Und es fehlt dadurch bedingt auch an Innovationen. Es fehlt an schlüssigen Antworten auf die Herausforderungen des Wechsels von der analogen in die digitale Welt. Angesichts erhöhter Anforderungen konnte die Strategie nicht darin bestehen die Mittel zu kürzen. Das Gegenteil wäre richtig gewesen: man hätte investieren müssen. In die Jugend, und nicht in Maßnahmen, die die  Bürokratie aufbauschen ohne nennenswert bessere Leistungen im Sinne einer Unterstützung für die an der Basis arbeitenden PfarrerInnen u.a. hervorzubringen! Und wie geht es weiter: Dass Pfarrerinnenmangel droht, hat sich herumgesprochen. Wie sieht es denn mit dem Nachwuchs bei den Gemeindepädagogen aus?

Nikolaus Schneider kündigt an, man wolle aus der Studie lernen. Was aber passiert gerade in seinen Stammlanden, der EKiR? Der Finanzbedarf für die Bürokratie steigt aufgrund der von ihm zu verantwortenden Umbauprozesse. Aufgrund der Einführung der Doppik in den Regionalverwaltungen wird mehr mehr Personal für die (in diesem Falle: nutzlose!) Bürokratie benötigt. Um solche Stellen finanzieren zu können muss man in manchem Kirchenkreis an anderer Stelle einsparen. An welcher? Man muss nicht dreimal fragen – selbstverständlich spart man da, wo sich keiner wehrt – an der Jugendarbeit. So höre ich. Damit die Bürokratie lebe, stirbt die Jugendarbeit! Und so wird es vielen Kirchenkreisen der EKiR gehen –  und vielen Landeskirchen. Nikolaus Schneider…

Was heißt das für die Zukunft der Kirche? Die Jugendlichen werden zunehmend weniger von der Kirche erreicht. Die schon heute ihren Austrittswillen bekunden, werden ihn mit hoher Wahrscheinlichkeit umsetzen. Denn dieser Wille wird nur schwer und mit hohem Aufwand zu korrigieren sein. Die Austrittsquote steigt und damit werden die Kirchensteuereinnahmen, Spenden oder Beiträge weiter sinken. Man muss also die Kausalketten richtig erkennen! Weil man nicht in die Jugend investiert hat, werden Kirchensteuereinnahmen sinken! Man weiß freilich schon heute, wie die Finanzdezernenten dereinst bei rückläufigen Einnahmen in Verdrehung der Ursachenketten behaupten werden: „Gut, dass wir damals Rücklagen gebildet haben…“ Dabei werden zukünftige Rückgänge der Einnahmen auch auf ihre verfehlte Finanzpolitik heute, namentlich auf die verfehlte Kirchenpolitik gegenüber der Jugend, zurückzuführen sein! Das Problem des Managements der Kirche besteht darin, dass es nicht ganzheitlich denkt und agiert. Es folgt de facto einem beschränkten, monetären Gewinnbegriff. Noch einmal Malik: „Mit einem zu kurz gegriffenen Gewinnbegriff ist noch immer der Untergang eines Unternehmens eingeleitet worden.“ Insofern darf man die aktuellen Haushaltsüberschüsse zwar als vergänglichen Segen betrachten. Mehr noch sind sie aber Menetekel: Sie säen nicht. Sie ernten nicht. Aber ihr himmlischer Vater ernährt sie doch… – Noch!

EKHN: Evangelische Landeskirche untersucht ihre Rolle in der NS-Zeit

Sehr spät kommt eine Studie, mit der die EKHN den Vorreiter unter den Landeskirchen abgibt:

„Ernüchternde Erkenntnisse hält das Buch „Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen und Nationalsozialismus“ bereit, das in Darmstadt vorgestellt wurde. Wichtigstes Ergebnis der Untersuchung:

Die Kirche passte sich an anstatt ihre Spielräume zu nutzen.

… Oelschläger war einer der Redner, die zur Vorstellung des Buches „Evangelische Landeskirche Nassau-Hessen und Nationalsozialismus“ referierten. Der 576 Seiten dicke Band ist die Auswertung einer achtbändigen Dokumentation, die das Verhältnis der evangelischen Kirche Nassau-Hessen, Vorläufer der EKHN, zum Nationalsozialismus untersucht. Die EKHN hatte sie erarbeitet, die Darmstädter Kirchenleitung stellte 2008 für die Auswertung 110 000 Euro bereit… Mehr im Darmstädter Echo.

So machte Oelschläger deutlich, dass Landesbischof Ernst-Ludwig Dietrich seit 1932 Mitglied der NSDAP war. „Er hat sich von der Partei einen Aufbruch versprochen in dieser gottlosen Zeit der Weimarer Republik.“ Später sei der Bischof eifrig dabeigewesen, den Arier-Paragrafen anzuwenden. Als „furchtbares Dokument“ verlas der Referent den Generalausschluss christlich getaufter Juden aus der Kirche, veröffentlicht am 17. Dezember 1941…“

Institutionen haben keine Meinungen

Ein Kommentar zur Meinungsvielfalt in den evangelischen Kirchen

„Was sagt denn die Kirche dazu?“ Ein jeder sollte diese Frage stets ungeprüft mit „nichts“ beantworten. Weil „die Kirche“ nicht spricht. Es sprechen ihre Mitglieder. Und die sprechen stets vor allem für sich selbst.
Kirchenpräsident Volker Jung hat bei einem Treffen mit Dekantsvorständen und Kirchensynodalen für den Mut zur Positionierung geworben. Aktuell erlebt er selbst wohl deutlich, welche Auswirkungen es hat, wenn „der Kirche“ statt einzelnen ihrer – ggf. besonders beauftragten – Mitgliedern die Verantwortung für eine Meinung zugeschustert wird. Das EKD-Familienpapier hat eben nicht „die EKD“ geschrieben, es waren 14 akademische Persönlichkeiten, die in der Schrift auch genannt sind, – und Jung ist einer von ihnen. Zum Kommentar.

Gewaltenteilung als Basis der Betriebskultur und des langfristigen Erfolgs (Thema des Monats)

Skandale haben meist auch etwas Gutes. Die Aufarbeitung verlangt nämlich oft Fragen, die man vorher nicht zu stellen wagte, weil Sachverhalte immunisiert, mit einem Tabu belegt waren. So war das auch etwa in der Ekir bei der Aufarbeitung des bbz-Skandals durch die Höppner-Kommission. Höppner, der frühere Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, war zudem aufgrund seiner räumlichen Distanz zur EkiR nicht verdächtig, in einem möglichem Filz verwickelt zu sein, der die Aufarbeitung behindert hätte. Das Ergebnis der Kommission wird in diesen Empfehlungen besonders anschaulich:

„Ich komme nun zu den Empfehlungen

Klare Strukturen sind die Grundvoraussetzung für die sachgerechte Wahrnehmung und Umsetzung von Entscheidungen. Wer entscheidet? Wer setzt die getroffenen Entscheidungen um? Wer kontrolliert die Entscheidungsorgane und die Umsetzung der von ihr getroffenen Entscheidungen? Diese Kompetenzen müssen klar verteilt sein. Interessenkonflikte handelnder Personen innerhalb dieser Strukturen (Agieren mit „verschiedenen Hüten“) sind möglichst zu vermeiden.

Das gilt zunächst einmal für das Verhältnis von Landessynode, Kirchenleitung und Landeskirchenamt. Die Landessynode leitet die Evangelische Kirche im Rheinland (KO 128 (1)). Eine Aufgabe der Synode ist es auch, die Entscheidungen der Kirchenleitung und ihre Ausführung durch das Landeskirchenamt zu kontrollieren (KO 129 (3)). Die Kirchenordnung sieht vor, dass der Präses sowohl der Vorsitzende der Synode als auch der Kirchenleitung und des Kollegiums des Landeskirchenamtes ist (KO 156 (1)). Wenn beispielsweise die Kirchenleitung von der Synode in ihrer Leitungstätigkeit angefragt ist, erhebt sich die Frage, ob diese Beratungen von einem Mitglied der Kirchenleitung geleitet werden können. Das haben nicht nur die Beratungen zum Thema bbz gezeigt. Die Kommission empfiehlt, einen eigenen Synodalvorstand (Präsidium) zu bilden und die Kirchenordnung entsprechend zu ändern.
Die Kirchenleitung überträgt die Ausführung ihrer Entscheidungen der Verwaltung und ist damit auch dafür verantwortlich, die sachgemäße Ausführung zu kontrollieren. Auch in diesem Falle ist es schwierig, wenn der Präses gleichzeitig Vorsitzender des Kollegiums des Landeskirchenamtes ist und als solcher die Entscheidungen des Landeskirchenamtes vor der Kirchenleitung vertreten muss. Auch hier halten wir eine Entflechtung der Zuständigkeiten für notwendig.
Die Organisationsuntersuchung des LKA von Steria Mummert stellt in ihrem Bericht vom 28. Dezember 2007 einen „Widerspruch zwischen hohem Vertrauen zu den leitenden Personen der Landeskirche und auch des LKA, die eine sehr hohe Wertschätzung genießen, und spürbarem Misstrauen zu den Gremien auf landeskirchlicher Ebene“ fest. Das muss also strukturelle Ursachen haben. Die Vermutung liegt nahe, dass eine der Ursachen in der unklaren Verteilung der Verantwortlichkeiten zwischen der Leitung, der Ausführung von Entscheidungen und ihrer Kontrolle liegt. Auch das hat uns zu der Einschätzung geführt, dass über das Problem der Gewaltenteilung grundsätzlicher nachgedacht werden muss.
Eine solche Entflechtung hätte auch Konsequenzen für die Kirchenkreise und ihre Leitungsstrukturen. Konsequenzen für die Kirchengemeinden wären zu prüfen. Eine Kirchenverfassung muss in sich stimmig sein.“ vgl. Vortrag Höppner auf der Landessynode, Teil A, Kap. A1.

So weit die klare Empfehlung an die EKiR.

In der EKiR mangelte es an der Gewaltenteilung und in der Folge an ausreichender Kontrolle. Leidet die Gewaltenteilung, leidet die demokratische Verfassung selbst. Durch fehlende Kontrolle wird zudem die Wirksamkeit des Managements auf lange Sicht eingeschränkt bzw. vermindert. Unkontrollierte, auch autoritäre Systeme können nur auf kurze Sicht bessere Ergebnisse verbuchen. Mittel- und langfristig führen sie hingegen in die Abwärtsspirale oder ins Desaster. Die zahlreichen Crashs in Finanzwirtschaft und Wirtschaft bestätigen dies. Auch dort fehlt die Kontrolle.

Der Sinn der Gewaltenteilung besteht –  wie im Bericht der Höppner-Kommision sehr deutlich wird – nicht nur in der Teilung der Gewalt, sondern vor allem in einem System gegenseitiger Kontrolle, in Strukturen, die gegenseitige Kontrolle nicht nur ermöglichen sondern verlangen.

Die Organisationsstruktur der EKiR auf Landeskirchenebene hatte hier sicherlich traditionell Schwächen: Sie fielen früher in einer extrem ausgeprägten bottom-up organisierten Landeskirche wie der EKiR, bei der die Gemeinden die Hoheit über die Kirchensteuer besaßen und die Zentralverwaltung mit einem festgelegten Anteil aushielt, kaum auf. Denn die Befugnisse und Kompetenzen der Landeskirche waren sehr eingeengt. Schon mit der Reform der Kirchenverfassung der EKiR in den Nuller- Jahren mit der Stärkung der Zentralfunktion hatte sich das geändert. Das alte System der unvermischten Gewalten wurde aber nicht an die neue Situation angepasst.

Diese Empfehlungen haben über die spezifisch rheinische Problemlage hinaus allgemeine Bedeutung. Es besteht nämlich heute in allen Institutionen eine Tendenz, Funktionen, die früher unterschiedlichen Funktionen innerhalb der Institution zugeordnet waren (Legislative, Exekutive, Jurisdiktion) zu vermischen. Dies muss nicht durch eine Strukturveränderung erfolgen, sondern kann auch durch Personalunion mehrerer Funktionen durch eine Person erfolgen. In der Politik ist der Sachverhalt unter dem Stichwort ‚Drehtüren‘ ein begriff.
Bleiben wir aber bei der Kirche: Die Tendenz der Zuordnung einzelner Personen zu mehreren Funktionsteilen (Exekutive, Legislative) besteht nun aber nicht nun in der EKiR. Auch in der EKHN wurde mit der Novellierung der KO gewisse Personen eine funktionelle Doppelfunktion zugestanden. So sind z.B. Mitglieder des Synodalvorstandes wie auch der Vorsitzende des Synodalvorstandes der Landessynode gleichzeitig Mitglied der Kirchenleitung. Und zwar entweder als Vollmitglied oder als beratendes Mitglied. Hier wird also das von der Gewaltenteilung geforderte Gegenüber der Gewalten zum Miteinander. Und böse Zungen behaupten gar, der Synodalvorstand mutiere zum verlängerten Arm der Kirchenleitung. Und diese bösen Zungen können mit Recht neben Meinungskonformitäten und – identitäten zwischen Vorstand/einzelnen Vorstandsmitliedern und Kirchenleitung in den Synodaldebatten auf die Strukturen verweisen, die eben diese Behauptung fundieren. Kurzfristig mag das zu „Erfolgen“ der Akteure etwa bei Abstimmungen der Synoden führen. Langfristig schadet sich aber die Kirche selbst. Denn die Qualität der Entscheidungen leidet. Und die demokratische Kultur geht den Bach hinunter.

Kirche und Pfarrpensionen. Zur Struktur einer Diskussion.

von Christoph Fleischmann

Die Kirchen in Deutschland sind wohlhabend – und doch hören das die Kirchenleitungen nicht gerne. Sie finden, dass sie viele Aufgaben zu schultern und deswegen das viele Geld nur zu bitter nötig hätten. In den evangelischen Kirchen wird in diesem Zusammenhang auch auf die Pensionslasten der Kirchen verwiesen, also die Kosten für die Pfarrerinnen und Pfarrer im Ruhestand, die in den folgenden Jahren, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand gingen, noch deutlich zunähmen…

Pfarrer Christoph Bergner war rund 18 Jahre im Finanzausschuss der Synode der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau; seiner Erfahrung nach schätzte seine Kirche sich immer ärmer ein als sie war:

„Als wir angefangen haben mit den Sparmaßnahmen, das war in den Jahren 94/95, dass das vorgetragen wurde von der Kirchenleitung, habe ich diesen Prognosen getraut. Und ich habe erst nach acht Jahren Mitgliedschaft im Finanzausschuss zum ersten Mal – und zwar aufgrund eines großen Streits – die Möglichkeit gehabt zu erfahren, was eigentlich an Geldern in der Landeskirche war; und hab da gemerkt: Unter diesen Bedingungen stimmen die ganze Annahmen nicht. Und seitdem bin ich an dieser Stelle sehr kritisch, und das hat sich auch bewahrheitet in den letzten zehn Jahren. Ich habe immer wieder gesehen: Die Prognosen und was ist hinterher dabei rausgekommen. Bei einem soliden Haushalt muss ein ordentlicher Finanzreferent immer so ein bisschen bescheidener schätzen, das ist ja auch gut, dann kann man Risiken auch abfangen im laufenden Jahr, aber wenn am Schluss 30, 40, oder 50 Millionen übrig sind, dann muss man irgendwann mal fragen: Stimmen denn auch die Prognosen so?“

Christoph Bergner, Autor des Buches Die Kirche und das liebe Geld, sah wie unter dem Eindruck negativer Finanzprognosen Sparmaßnahmen beschlossen wurden:

„Und die Mehreinnahmen, die man hat, die kann dann die Kirchenleitung für bestimmte Projekte benutzen. Der demografische Wandel wird in den Gemeinden abgebildet: Ihr kriegt jetzt da keinen Pfarrer mehr und da keinen Pfarrer mehr, aber das Geld, das da ist, wird dann für andere Projekte verwendet. Oder eben in irgendwelche Rücklagen getan.“ …

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